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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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vorgarten unfassbar, dass er sich 1970 komplett neu definieren musste – was ist da eigentlich genau passiert, was die lähmung verursacht hat (mal liest man von autounfall, woanders von einem messerstich)?
Ok, geschrieben wude am (un)deutlichsten) dies hier :
Wie immer wieder „gedeutet“ wurde war dies eine „Frauengeschichte“ – in einer damals noch komplett männerdominierten japanischen Welt war also Mystifizierung (aka Verschleierung) angesagt ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Highlights von Rolling-Stone.deWerbungschräg…
meanwhile habe ich mir die diskografien von helen merrill in japan genauer angesehen. und obwohl sie wirklich oft dort aufgenommen hat, scheint BOSSA NOVA IN TOKYO das einzige album zu sein, wo sie vom watanabe quintet und damit auch von kikuchi begleitet wird (wobei die musiker quasi zeitgleich weiteres bossa-material aufgenommen haben, also die gleichen stücke nochmal ohne merrill).
und das ist jetzt natürlich ohne fehl und tadel, watanabes flöte funktioniert gut, die streicher sind auch standesgemäß eingesetzt und kikuchi begleitet sparsam und elegant (solieren darf er nicht). über merrills größe in quasi jedem kontext könnte man jetzt lange schreiben, aber ich wüsste jetzt auch nicht, was sowas hier 1967 von brasilianischen aufnahmen für einen bestimmten markt unterscheiden lässt.
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„1963 veranstaltet ein reicher protegé eine session im „ginparis studio“, wo diverse junge männer, die später berühmt werden sollten, beweisen wollten, dass sie jazz spielen können.“
in Atkins‘ Blue Nippon liest sich der Abschnitt zu den Sessions etwas anders, kein Studio, und eine Erklärung, warum Togashi möglicherweise hyperaktiv klingt liefert er auch… klingt jedenfalls nicht sonderlich nach heile Welt – was das Rätsel um den Autounfall irgendwie nicht kleiner macht… bestimmt keine schöne Geschichte.
„The jazz academy began life as a quartet consisting of Takayanagi, Kanai, pianist Kikuchi Masabumi, and drummer Togashi Masahiko, performing in Yokohama jazz coffeehouses from January 1961. Since its performances proved too provocative for most coffeehouse owners and customers, the Jazz Academy was rarely able to play the same venue twice. Takayanagi soon succeeded in negotiating a regular slot at a chanson coffeehouse in Tokyo’s ginza district, the Ginparis, where the band performed, usually gratis, on Friday afternoons. [..] The organization expanded and evolved rapidly in the coming months, as Takayanagi expressed a desire to transform the Jazz Academy from a band to a „music studies group“ open to musicians and non-musicians alike. However, realization of this vision was impeded as the guitarist [Takayanagi] was twice arrested for narcotics possession. The arrests were widely publicized in newspapers, motivating the editors of Swing Journal wo dress down Takayanagi in editorials, and possibly reinforcing their inclination to deny his band coverage. The specter of drugs plagued the organization: the 1963 all-night jam session that came to be immortalized on the Ginparis Session LP was a party simultaneously welcoming drummer Togashi Masahiko back from a period of incarceration for narcotics possession, and bidding farewell to Takayanagi, who was to leave the jazz world temporarily to begin drug rehab.“
ansonsten: das hier zu Voices kann ich nur unterstreichen:
„zwischen peacock und kikuchi ist das solospiel fast paritätisch aufgeteilt, was auch an der zurückhaltung des pianisten liegt und an der schier unfassbaren variabilität und virtuosität des bassisten (der dazu noch fantastisch klingt). das erste stück, „ishi“, läuft bei mir seit gestern in dauerschleife, es ist unfassbar toll.“
bin jetzt doch sehr gespannt auf das erste Album (nur mit Murakami, Peacock und Kikuchi … was mir im übrigen erst gestern wieder klar wurde: Peacocks Plattenkarriere begann gar nicht an der Westküste, sondern mit Leuten Attilla Zoller, Hans Koller beim Dortmunder Jazz Salon 1957 – Japan war also gar nicht sein erster Ausflug in eine „fremde“ Jazzszene).
Zu Collaboration: den Impuls, den Vergleich eher bei Bitches Brew zu suchen als bei In A Silent Way, hatte ich auch, fand das aber letztlich nicht sehr überzeugend. Dass das Album ein Brocken ist, ist klar… und ich stimme zu, dass das Verzahnen der beiden Saxophonisten nicht soo gut gelungen ist, wie man sich evtl gewünscht hätte (für mich fängt es schon damit an, dass die zwei sich vom Sound her für meine Ohren nicht gut mischen) – aber die achtköpfige Rhythmusgruppe find ich klasse – da ist auch nicht jeder einzelne Moment Gold, aber sie schaukeln sich immer wieder in gewaltige Höhen auf…
schließlich: was die Togashi Diskografie unter anderem beweist, ist, dass die Kikuchi Diskografie in den frühen Jahren noch ein paar mehr Lücken hat, als ich bisher dachte – zB ein Album mit Mariano ohne Watanabe, das leider nicht soo eine tolle Tracklist hat…
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.ad Peacock: sind das denn richtige Studio-Aufnahmen oder einfach irgendwas fürs Radio (live scheint das nicht zu sein), das Metronome danach veröffentlicht hat? Nicht wichtig, aber je nach Definition von „Plattenkarriere“ dann halt nicht zu zählen (weil Sessions in einem Radio-Studio damals noch zum täglich Brot von Jazzmusikern zählten). Habe die selber Stücke noch nie gehört.
http://www.jazzdiscography.com/Artists/Zoller/az-disc.htm
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbakeine Ahnung! Aber das Ding acht Wochen später in Remagen (zugegeben: nicht mehr in NRW) würd ich auf jeden Fall unter Plattenkarriere einordnen – wenn auch wohl tendentiell nicht als Highlight, zumindest bei Peacock… hab es nicht gehört, aber es ist einfach nicht wahrscheinlich ;)
slightly offtopic: was kurioserweise in der Diskografie von Zoller nicht gelistet ist, ist dieses 1971er Album mit Masahikoh Satoh – das ist mal so ein Fall, wo sich Gitarre und Klavier durchaus ein bisschen in die Quere kommen, hab es seit gestern, drei, viermal gehört, weil ich unterwegs war, und mit dem Leben musste, was auf spotify steht… dass es dort steht liegt wiederum daran, dass die letzte MPS reissue Serie offenbar „digital only“ noch ein bisschen weiter lief, als ich mitbekommen hatte
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.Interessant, die Crosby-Session hatte ich beim Scrollen übersehen bzw. Peacock im Line-Up nicht zur Kenntnis genommen. Bei solchen Aufnahmesessions wüsste man gerne mal etwas mehr! Aber gut, sorry für off-topic.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIn Billboard steht erstaunlich viel dazu – es scheint eine ganz reguläre Pacific Jazz Produktion gewesen zu sein, komischerweise…
Dick Bock, president of Pacific Jazz Recods, leaves for a one-month tour of Europe this week to supervise a series of projects tied in with the label’s upcoming album product.
[..]
At the completion of the Mulligan tour, Bock will fly to Frankfurt, Germany, to record a package with Gary Crosby, featuring Bud Shank and Bob Cooper. Bock will use Frankfurt’s Sudwestfunk Radio studios and sidemen from Germany’s Kurt Edelhagen orchestra.
Billboard, 20. April 1957
Label topper Dick Bock returned from his European tour, and will remain in New York for several weeks helming new recording activity. While abroad, Bock made several adjustments in the firm’s foreign sales policy, as well as recording the Gerry Mulligan Quartet, the Bud Shank-Bob Cooper group and Gary Crosby
Billboard, 8. Juli 1957
edit: Im Billboard vom 30. März steht noch mehr zur Lösung des Rätsels: Crosby war zu der Zeit (wie Peacock) in Deutschland stationiert… das erklärt nicht, warum Bock ihn offenbar unbedingt aufnehmen wollte, aber immerhin, warum so und nicht anders…
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.interessant, danke … das ganze war dann wohl auch ein Unterfangen, um ein internationales Vertriebsnetz aufzubauen – und Shank/Cooper machten ja gleich zwei Tourneen in Europa, Bock muss geahnt haben, dass auch die westeuropäischen Bleichgesichter den anämischen Westküstenjazz mögen würden
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaaber derjenige, der bei der Aktion offenbar Kontakte geknüpft hat, die es ihm erlaubten, in den Folgemonaten nach Kalifornien zu ziehen, um dann ein paar Jahre lang mit Bud Shank Platten für Pacific Jazz aufzunehmen, war Peacock… (und um die Offtopicüberlegungen abzurunden: Ein gewisser Jordi P. hält sich gerade in Südkalifornien auf, um die Fortsetzung der Forrest Westbrook Reihe zu diskutieren (link) – die Karten für mehr Peacock stehen potentiell gut)
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.soulpopeOk, geschrieben wude am (un)deutlichsten) dies hier :
Wie immer wieder „gedeutet“ wurde war dies eine „Frauengeschichte“ – in einer damals noch komplett männerdominierten japanischen Welt war also Mystifizierung (aka Verschleierung) angesagt ….
kleiner Nachtrag (da ich das grad erst zufällig verstanden hab): das Zitat ist Fußnote 77 aus Atkins‘ Blue Nippon. Von den dreißig, vierzig Seiten, die ich bisher gelesen hab, ist das ein sehr gutes Buch – der Schwerpunkt ist allerdings weniger bei der Musik, die uns interessiert, und mehr in der Frühzeit… was durchaus Sinn macht, wenn man sich wie Atkins für nationale Identität und Amerikaner nachmachen im Jazz interessiert: das mag sehr subjektiv sein, aber für mein Gefühl kann jeder ein Hard Bop Album aufnehmen, egal wo er herkommt, während Standards croonen mit nicht-amerikanischem Hintergrund irgendwie seltsam ist… und das gleiche gilt für frühere Jazzstile… ein Stück weit war Bebop der letzte Schritt von „Folklore“(Dialekt) zu „Sprache, die jeder credible lernen kann“. That said: 1) die These ist durchaus angreifbar 2) die Musiker selbst haben sich noch als Bopper teilweise als Epigonen gefühlt 3) ich frag mich, ob Hiroshi Suzuki hier und hier der gleiche Typ ist – überzeugend ist jedenfalls (in seiner jeweiligen Welt) das eine wie das andere…
zwei weitere Funde:
(i) Ich find ja das meiste, was ich von Watanabe/Kikuchi aus der Bossa Zeit höre, bislang nicht soo toll, aber: diese Version von Shadow of your Smile mit Mariano und der Watanabe Rhythmusgruppe ist wahnsinnig gut und weckt die Hoffnung, dass das Album ohne Watanabe toll sein könnte.
(ii) In dem Interview mit Iverson erwähnt Kikuchi, dass sein Lehrer als er ca 20 war (1959) ein gewisser Masao Yagi war … kurz gesagt und ohne dabeigewesen zu sein: wenn man ohne Monk Einfluss dort in den Klavierunterricht geht, kann es durchaus passieren, dass man mit Monk EInfluss wieder rausgeht (klick, das zweite Monk Tribute Album nach Lacy?).
(iii) und das hier ist auch noch ein toller Track mit Mariano, Masao Yagi, Sleepy Matsumoto und ein paar anderen älteren japanischen Musikern (grob gesagt: aus der Generation, die aus dem Hard Bop nicht mehr rausfand und im Alter konservativer wurde)
(iv) noch eine steile These: hatten es Nicht-Amerikanische Musiker (say, Doldinger, Rosengren, Watanabe, Kikuchi) leichter, sich neuen Jazzströmungen anzupassen, weil sie eben nicht einfach das weiterspielten, was sie als Kinder auf der Strasse gehört hatten, sondern es gewöhnt waren, neue Einflüsse auch großflächig in ihren Stil einzuarbeiten?--
.redbeansandrice
in Atkins‘ Blue Nippon liest sich der Abschnitt zu den Sessions etwas anders, kein Studio, und eine Erklärung, warum Togashi möglicherweise hyperaktiv klingt liefert er auch… klingt jedenfalls nicht sonderlich nach heile Welt – was das Rätsel um den Autounfall irgendwie nicht kleiner macht… bestimmt keine schöne Geschichte.vielen dank für die klarstellung, klingt natürlich viel logischer. es ist ja hörbar auch publikum anwesend, ich weiß nicht, warum überall sonst „ginparis studio“ steht. offensichtlich hat man es hier mit frühsechziger bohème-strukturen in tokio zu tun, über die ich bislang nichts wusste. auch über die früheren hard-bop-undsonstwas-imitationen dort wusste ich auch nichts.
masao yagi als lehrer von kikuchi ist eine super entdeckung, tatsächlich könnte das ein erster hinweis darauf sein, warum sich kikuchi eher nicht, wie satoh, in eine corea-richtung entwickelt hat (auch wenn einiges auf HOLLOW OUT danach klingt), sondern störrischer. wobei – auf dem watanabe-album, das es auf youtube gibt (JAZZ & BOSSA), gibt es ja auf der „jazz“-seite auch eine version von „i mean you“, in der kikuchi nicht unbedingt eine monk-lesart anbietet.
peacock in dortmund – der war doch auch ende der 50er in deutschland stationiert, oder? und wenn die aufnahmen wirklich von 57 stammen, hat er damals erst ein jahr lang bass gespielt…
mariano und kikuchi und die nicht so tolle tracklist – gemeint ist das hier – und ich würde es wahnsinnig gerne mal hören. kennt das hier irgendjemand, soulpope vielleicht?
japan, hardbop, austausch. sowas ist ja immer sehr spannend. man müsste jetzt eigentlich recherchieren, wann sich märkte und infrastrukturen entwickelt haben, um nachzuvollziehen, wann sich junge menschen (musiker) in dänemark, japan, deutschland, südafrika überhaupt mit jazz vertraut machen konnten, um das nachzuspielen. ist ja schon verrückt, wie sehr die leute in tokio 1964 hörbar auf sam rivers bei miles abfahren. und dann die these, dass sich die bossa nova eigentlich aus sinatra-fanclubs in rio und sao paulo ende der 40er, anfang der 50er entwickelt hat. gab es in den 40ern schon radioprogramme mit swing in japan? schreibt atkins darüber was?
in den 60ern kann man das ja nicht mehr wirklich auseinanderdröseln, wenn leute wie peacock und merrill dauerhaft in japan bleiben und satanabe und akiyoshi (band mit watanabe, vom in japan stationierten hampton hawes „entdeckt“, oscar peterson vorgestellt, dann berklee, dann heirat und zurück mit mariano) in die usa gehen.
sehe gerade bei wikipedia: vergnügungsviertel, wo amerikaner auftauchen, anfang der 30er, als swing-austausch-cluster, hausorchester und plattenfirmen in tokio seit den 30ern, erstes jazzcafé eröffnet 1933 in osaka, erst im zweiten weltkrieg wird jazz „feindesmusik“, um in den 60ern dann im avantgarde-kontext aufzublühen, „largest proportion of jazz fans in the world“…
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Ja, das fing alles schon im Gefolge des ersten Weltkrieges an, in Europa wie im asiatischen Raum (es gab auch ausserhalb Japans Jazz-Aktivitäten). Dass die Leute damals an Platten kamen, ist wohl noch nicht mal ein Kriterium bzw. es gab halt auch inoffizielle Vertriebskanäle, gerade mit den überall stationierten US-Soldaten, die was mit hatten und wohl auf dem Heimurlaub sich auch wieder neu eindecken konnten … keine Ahnung, ob sich das überhaupt noch rekonstruieren lässt (also ob es genügend Zeugnisse von Zeitzeugen gibt, die festgehalten wurden).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbahierauf hatte ich mich eigentlich etwas gefreut – selbst schuld. eine bill-laswell-produktion von 1989/90, mit den üblichen verdächtigen (worrell, skopelitis, collins, dieng), aber schrecklicherweise ohne drummer. den spaß, den laswell dabei hat, mit einer rhythmusmaschine zu kommunizieren, lass ich ihm gerne, was all die anderen hier zu suchen haben und wo überhaupt der beitrag kikuchis zu hören ist, bleibt mir ein rätsel. es gibt ein paar simpelste synth-akkorde, die ein paar takte stehen bleiben, und es gibt ein schmalziges klavierstück, hinter dem auch ein synthesizer brei anrührt. ich hoffe ja nicht, dass sowas aus kikuchis computer- und synth-soloalben aus den 80ern heraus entwickelt wurde, denn dann möchte ich die lieber nicht hören.
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das erste album von peacock und kikuchi, im februar 1970 aufgenommen, also mehr als ein jahr vor VOICES. das ist auch genau die zeit, in der togashi als drummer nicht zur verfügung steht. und so toll, wie ich den finde, aber sein „ersatz“ hiroshi murakami (leicht zu merkender name) ist sowas von mein ding: ein kristallklarer swinger, sehr intellektuell, aber eben auch unfassbar subtil (was der im laufenden swing an sounds aus einer hi-hat rauskriegt, kann ich nur mit tony williams oder joe chambers vergleichen).
EASTWARD ist, wenn man so will, konventioneller als die leicht gespenstische VOICES und die tatsächliche geisterplatte SILVER WORLD mit yamamoto – es hat alles einen klaren bill-evans-bezug, die metren werden durchgehalten, freiheiten nehmen sich da alle nur im „wie“. der vergleich zu bley ist spannend, vor allem, weil es hier auch eine – tolle – version von „moor“ gibt. und wieder muss ich konstatieren: so toll das ist, was kikuchi hier macht, lässig dominant, farbenreich, flexibel, dabei unaufdringlich – seine eigene stimme hat er noch nicht gefunden. es scheint was auf in dem stück „one up“, einer komposition irgendwo auf dem weg von monk zu jarrett, wo kikuchi sich so toll an einzelnen motiven festbeißt wie in seiner letzten phase. da kommt auch plötzlich ein selbstbewusstsein ins spiel, das sich sonst noch nicht zu zeigen traut.
(gerade höre ich noch mal „moor“ mit bley und motian, wow…)
in den liner notes vertröstet der neu-buddhist peacock sein publikum, dass es dem trio hier um eine musik der kleinen gesten ginge, auch, wenn das zur folge hätte, kein „excitement for the listener“ zu produzieren… so tiefstapeln muss man echt nicht. EASTWARD ist ein ganz großartiges piano-trio-album, schon wieder eine entdeckung.
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eigentlich geht es nur um ein einziges konzert, am 5. august 1971 aufgenommen in der tokyio toshi center hall. einen tag zuvor hatte der in japan zu diesem zeitpunkt kultisch verehrte henderson im junk club das livematerial mit einer völlig anderen band aufgenommen, das milestone dann als JOE HENDERSON IN JAPAN veröffentlicht hat.
(ich habe diese aufnahmen nicht mehr gut im ohr, aber fand sie nie so gut wie andere sie fanden – wie toll die idee, dass genauso gut kikuchi da am klavier hätte sitzen können. aber hideo ichikawa machte seine sache ja ganz gut, muss ich nachhören, ich habe ja die milestonebox).jedenfalls stehen & sitzen neben henderson und kikuchi noch terumasa hino (sein bruder durfte henderson am vortag an den drums begleiten), kosuke mine (as und ss), der tolle bassist yoshio suzuki (mit einem sehr sportlichen einstieg in „so what“) und zwei drummer auf der bühne, hiroshi murakami und yoshiyuki nakamura.
der output landete auf zwei alben: die version von kikuchis „hit“ „dancing mist“ auf einem kikuchi-album, in dem fünf version nur dieses einen songs zu finden sind (ALL ABOUT DANCING MIST), der rest (?) auf HENDERSON & KIKUCHI, HINO IN CONCERT (später auch nochmal unter hendersons namen als SUNRISE IN TOKYO wiederaufgelegt).
der song ist natürlich super, ein miles/zawinulsches endlos-riff, warm in e-pianos und orgel gebettet, immer wieder unterbrochen von einem rubato-thema, das eine harmonische ambivalenz andeutet, dass das riff dann sofort wieder zugunsten von spaß und weiterfahrt beendet. denkbar konventionell ist die dramaturgie: jeder kriegt ein solo. die fünf versionen, die hier zur verfügung stehen, sind alle ungefähr gleich gut. die von IN CONCERT (ich finde: die schönste) ist hier nochmal drauf, dann gibt es noch eine mit japanischen poll-siegern (mit watanabe, muraoka, beiden hinos und einem tollen gitarristen, yoshiaki masuo), eine nur mit mine, auf der dann die drummer einen großen soloraum kriegen, und eine live-aufnahme des klassischen kikuchi-sextetts. aber eben auch die version vom henderson/hino-konzert, die qualitätsmäßig nicht sonderlich heraussticht, weil henderson sich das jetzt auch nicht gerade rampensauig zu eigen macht.
das album ist wiederum sehr abwechslungsreich. es gibt eine henderson-komposition („sunrise in tokyo“), die toll verschattet seine blue-note-zeit aufleben lässt, melancholisch und feurig zugleich. die ganze band geht gut mit, zwei drummer bei einer vergleichsweise konventionellen swingnummer machen alles ungewöhnlich krachig und dicht, kosuke mine (links auf dem cover) wechselt für alle drei stücke aufs alt, was ziemlich super klappt. überhaupt klingt das saxtrio toll zusammen. kikuchis solo hier ist sehr aussagekräftig – er weiß einfach nicht, was er machen soll, versucht es mit tyner-powerakkorden, dann mit monkschen kürzeln, schließlich (das klappt gut, aber da müssen alle anderen etwas runter mit der lautstärke) mit impressionistischer offenheit, wie er sie mit peacock geprobt hat. „so what“ ist dann schnell und launig, mit durchweg inspirierten soli.
toll dann aber kikuchis frei konzipierte ballade „get magic again“, in der die ganze band ein komplexes gewebe aus offenen harmonien und freien soli webt. und schönerweise dreht henderson hier sehr auf, ohne sich auch nur einen hauch zu verbiegen. kikuchis solo ist meisterhaft, aber auch suzuki macht das beste in seiner peacock-rolle. sehr spannend der wechsel zwischen intimität und leisen momenten und dem vollen einsatz des septetts, ohne dass hier irgendjemand etwas nur abruft. alle sind draußen, aber gelichermaßen zuhause. ein großartiger, natürlich von jazztraditionen stark abstrahierter, kollektiver moment, den henderson am ende nochmal mit seinem tollen balladenton veredelt. wirklich schade, dass kikuchi und peacock sich nicht mal henderson für ein quartettaufnahme dazugeholt haben (und sich auch später, in kikuchis us-zeit, keine gelegenheit des zusammenspeils mehr ergab, jedenfalls soweit ich weiß.)--
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Schlagwörter: Masabumi Kikuchi, Tethered Moon
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