Re: Masabumi Kikuchi

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vorgarten

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eigentlich geht es nur um ein einziges konzert, am 5. august 1971 aufgenommen in der tokyio toshi center hall. einen tag zuvor hatte der in japan zu diesem zeitpunkt kultisch verehrte henderson im junk club das livematerial mit einer völlig anderen band aufgenommen, das milestone dann als JOE HENDERSON IN JAPAN veröffentlicht hat.
(ich habe diese aufnahmen nicht mehr gut im ohr, aber fand sie nie so gut wie andere sie fanden – wie toll die idee, dass genauso gut kikuchi da am klavier hätte sitzen können. aber hideo ichikawa machte seine sache ja ganz gut, muss ich nachhören, ich habe ja die milestonebox).

jedenfalls stehen & sitzen neben henderson und kikuchi noch terumasa hino (sein bruder durfte henderson am vortag an den drums begleiten), kosuke mine (as und ss), der tolle bassist yoshio suzuki (mit einem sehr sportlichen einstieg in „so what“) und zwei drummer auf der bühne, hiroshi murakami und yoshiyuki nakamura.

der output landete auf zwei alben: die version von kikuchis „hit“ „dancing mist“ auf einem kikuchi-album, in dem fünf version nur dieses einen songs zu finden sind (ALL ABOUT DANCING MIST), der rest (?) auf HENDERSON & KIKUCHI, HINO IN CONCERT (später auch nochmal unter hendersons namen als SUNRISE IN TOKYO wiederaufgelegt).

der song ist natürlich super, ein miles/zawinulsches endlos-riff, warm in e-pianos und orgel gebettet, immer wieder unterbrochen von einem rubato-thema, das eine harmonische ambivalenz andeutet, dass das riff dann sofort wieder zugunsten von spaß und weiterfahrt beendet. denkbar konventionell ist die dramaturgie: jeder kriegt ein solo. die fünf versionen, die hier zur verfügung stehen, sind alle ungefähr gleich gut. die von IN CONCERT (ich finde: die schönste) ist hier nochmal drauf, dann gibt es noch eine mit japanischen poll-siegern (mit watanabe, muraoka, beiden hinos und einem tollen gitarristen, yoshiaki masuo), eine nur mit mine, auf der dann die drummer einen großen soloraum kriegen, und eine live-aufnahme des klassischen kikuchi-sextetts. aber eben auch die version vom henderson/hino-konzert, die qualitätsmäßig nicht sonderlich heraussticht, weil henderson sich das jetzt auch nicht gerade rampensauig zu eigen macht.

das album ist wiederum sehr abwechslungsreich. es gibt eine henderson-komposition („sunrise in tokyo“), die toll verschattet seine blue-note-zeit aufleben lässt, melancholisch und feurig zugleich. die ganze band geht gut mit, zwei drummer bei einer vergleichsweise konventionellen swingnummer machen alles ungewöhnlich krachig und dicht, kosuke mine (links auf dem cover) wechselt für alle drei stücke aufs alt, was ziemlich super klappt. überhaupt klingt das saxtrio toll zusammen. kikuchis solo hier ist sehr aussagekräftig – er weiß einfach nicht, was er machen soll, versucht es mit tyner-powerakkorden, dann mit monkschen kürzeln, schließlich (das klappt gut, aber da müssen alle anderen etwas runter mit der lautstärke) mit impressionistischer offenheit, wie er sie mit peacock geprobt hat. „so what“ ist dann schnell und launig, mit durchweg inspirierten soli.
toll dann aber kikuchis frei konzipierte ballade „get magic again“, in der die ganze band ein komplexes gewebe aus offenen harmonien und freien soli webt. und schönerweise dreht henderson hier sehr auf, ohne sich auch nur einen hauch zu verbiegen. kikuchis solo ist meisterhaft, aber auch suzuki macht das beste in seiner peacock-rolle. sehr spannend der wechsel zwischen intimität und leisen momenten und dem vollen einsatz des septetts, ohne dass hier irgendjemand etwas nur abruft. alle sind draußen, aber gelichermaßen zuhause. ein großartiger, natürlich von jazztraditionen stark abstrahierter, kollektiver moment, den henderson am ende nochmal mit seinem tollen balladenton veredelt. wirklich schade, dass kikuchi und peacock sich nicht mal henderson für ein quartettaufnahme dazugeholt haben (und sich auch später, in kikuchis us-zeit, keine gelegenheit des zusammenspeils mehr ergab, jedenfalls soweit ich weiß.)

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