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ford-prefect Feeling all right in the noise and the lightRegistriert seit: 10.07.2002
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Das Buch Ä – Stefan Üblacker, Schlachthof, Wiesbaden, 5.6.2017
Inzwischen lebt Roman Stoyloff, einst Sänger der Berliner Punk-Urformation Soilent Grün, in der selbsternannten Popmetropole Mannheim und arbeitet dort als Karate-Trainer. Aus Soilent Grün, die lediglich eine einzige EP namens „Fleisch“ auf den Markt brachten, gingen hinterher Die Ärzte hervor. Dem Gesang frönt Stoyloff nur noch hobbymäßig in kleinen Rockbands. Und hängt nicht gerne an die große Glocke, 1982 ein Weggefährte von Bela B. und Farin Urlaub gewesen zu sein. Und wird auch nicht gerne darauf angesprochen. „Er scheint die Ärzte als Verräter des Punk anzusehen“, mutmaßte Autor Stefan Üblacker auf meine Frage während einer Pause am Merch-Stand, wo der Bonner Jungjournalist seine autorisierte Biografie „Das Buch Ä“ über das Berliner Punk-Rock-Trio signierte, seiner Wiesbadener Lesung in der großen Halle im Schlachthof. Eine Erkenntnis aus Üblackers Recherchen. Das typische Pete-Best-Syndrom also.
Im Jahre 2000 durfte Schreiberling Stefan Üblacker seine Lieblingsband erstmals persönlich treffen. In den folgenden Jahren fanden immer wieder Interviews zwischen ihm und den Ärzten statt. Im vergangenen November veröffentlichte Üblacker schließlich diesen dicken Wälzer von Band-Werdegang. „Ich habe es niedergeschrieben, in zwei Tagen, dieses kleine Reclam-Heftchen“, behauptete Autor Stefan Üblacker, der denselben anarchischen Humor besitzt wie BelaFarinRod. Für Üblacker war der Berliner Dreier die (O-Ton) Popeinstiegsdroge. Denn noch mehr als ihre Musik an sich faszinierten ihn Die Ärzte vielmehr durch ihre ausgeprägten Persönlichkeiten: Den intelligenten Humor des ungestümen Punk-Dreigespanns vergleicht der Schriftsteller mit Monty Python, Loriot und Heinz Erhardt. Wer die Witze von DÄ in aller Tiefe verstehen will, müsse über eine große Allgemeinbildung verfügen. Bis heute entwirft der Künstler und Grafiker Schwarwel das Artwork für fast alle Publikationen von DÄ (siehe unten die Leinwand).
Zwischendurch stimmte das anwesende Akustik-Duo Reis against the Spülmachine zur Veranschaulichung verschiedene Ärzte-Songs an wie „Monsterparty“, „Schrei nach Liebe“, den „Schunder-Song“ oder „Anneliese Schmidt“. Wozu Autor Stefan Üblacker nicht selten Bela-like das Stehschlagzeug trommelte. Über drei Stunden ging die musikalische Lesung. Tolles Buch, mit vielen Fotos und Geschichten.
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Christiane Rösinger – Kulturzentrum Das Wormser, Worms am Rhein, 18.9.2017
Bis 2008, als die Künstlerin ihr erstes Buch „Das schöne Leben“ publizierte, kannte man Chrsitiane Rösinger überwiegend als Musikerin, und da vor allem als Sängerin der 1998 aufgelösten Lassie Singers. Zuletzt hatte Rösinger mit ihrem gedruckten Erfahrungsbericht „Berlin – Baku. Meine Reise zum Eurovision Song Contest“ beglückt. Nun überrascht die Berliner Indie-Musikerin, was man ihr als vielseitige Neugier auf persönlich Unerforschtes auslegen kann, mit einem witzigen und humorvollen Sachbuch über das Thema Flüchtlinge, das Rösinger in der Nibelungenstadt in einem kleinen Konferenzsaal des Kulturzentrums „Das Wormser“ vorstellte. Mit dem Titel Zukunft machen wir später, erschienen beim Verlag S. Fischer. Denn Christiane Rösinger hat zwischenzeitlich, nach einer vierwöchigen Weiterbildung, für ein Kreuzberger Hilfswerk schutzsuchende Asylanten in Deutsch unterrichtet. „Dozentin für Deutsch als Zweitsprache“ nenne sich das auf dem Papier der Behörden.
In diesem Buch berichtet die erfahrungshungrige 56-Jährige mit der rauchigen Stimme von ihren Erlebnissen (die meisten davon sind amüsant) mit Geflüchteten aus Syrien, Mali, Polen, Kamerun und Burkin Faso. Im Jahre 1994 hatte die gebürtig aus dem badischen Rastatt stammende Künstlerin nach 16 Semestern (damals war sie bereits junge Mutter) ein Germanistik-Studium abgeschlossen, was die Indie-Rockerin zusätzlich für diesen Job qualifizierte. „Viel besser und erfüllender als das ewige Um-sich-selbst-Kreisen beim Schreiben von Liedern und Texten“, rezitierte Rösinger aus ihrem neuen Buch in Bezug auf ihren Deutsch-Unterricht vor Fremdländern. Während ihrer Lesung spielte Rösinger zwischendurch drei Songs ihrer Solo-Alben auf CD über die Saaldecken-Lautsprecher ab, so die Nummer „Lob der stumpfen Arbeit“ (Textauszug: Statt ’ne neue Platte pflanz‘ ich Blumenrabatte / Artikel schreiben konnt‘ ich nie leiden, sich selber promoten, das gehört verboten“). In ihrem Sprachunterricht hätten die Teilnehmer nicht bloß ihre Nationalgerichte verraten, wie das Reisgericht Palau oder Couscous, Lehrerin Rösinger führte die Neuankömmlinge überdies in „die deutsche Trink- und Alkoholkultur“ ein. Mit der Einsicht: Sowohl die Alkohol-Trinker als auch die Nicht-Alkohol-Trinker sollten einander respektieren.
Zum Buch „Zukunft machen wir später“: Ein aus persönlicher Perspektive geschriebener launiger Prosa-Bericht über eines der drängendsten Probleme unserer Bundesrepublik. Wobei das Sachbuch dem Leser die Augen öffnet, dass hinter dem Thema Flüchtlinge nicht ausschließlich ein Tal der Tränen liegen muss. Nebenbei decken sich Rösingers Flüchtlings-Erfahrungen mit den meinen.
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Kursteilnehmer Achmed: „Ich will arbeiten bei Pi En Di in Berlin.“
Lehrerin Christiane Rösinger: „Wo willst du arbeiten, Achmed?“
Achmed: „Na hier bei Pi En Di.“
Rösinger: „Pi En Di?“
Achmed: „Ist wie die CIA.“Im Laufe des Gesprächs stellt sich Achmeds Vorhaben heraus, als Spion beim BND, also dem deutschen Bundesnachrichtendienst, anzuheuern, um den Behörden zu helfen, etwa im Kampf gegen den Islamismus
Achmed: „Kann man viel Geld verdienen!“
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Frankfurter Buchmesse, 14.10.2017
Nachdem ich mir vor einigen Tagen daheim am Rechner im digitalen Veranstaltungskalender einen persönlichen Terminplan für den diesjährigen Messe-Samstag zusammengestellt hatte, standen hinterher folgende Persönlichkeiten mit Podiumsdiskussionen und Signierstunden auf meinem Ausdruck: Reinhard Kleist (leider verpasst), Oskar Roehler, Gregor Gysi, Stefanie Sargnagel, Marx-Biograph Jürgen Neffe und Akif Pirinçci. Nach genau zehn Jahren begleitete mich mein Bruder endlich mal wieder auf die Buchmesse in der hessischen Bankenmetropole (der war heiß auf die Signierstunde von Rammstein-Sänger Till Lindemann mit Joey Kelly, die gemeinsam einen abenteuerlich teuren Bildband über den kanadischen Fluss Yukon veröffentlichten).
Weltgrößter Marktplatz der Ideen und Umschlagplatz des Geistes
Nach seinen beiden ersten Werken „Herkunft“ und „Mein Leben als Affenarsch“ setzte sich nun Filmregisseur Oksar Roehler auf das Blaue Sofa (vor diesem knalligen Mobelstück beginnen die meisten meiner Buchmesse-Besuche), um seinen druckfrischen dritten Roman „Selbstverfickung“ im öffentlichen Interview mit Moderatorin Luzia Braun vorzustellen. Dabei lieferte sich Roehler ein munter launiges und amüsantes Wortgefecht mit seiner Gesprächspartnerin, über im Roman verarbeitete Themen wie Rassismus und Kulturpessimismus. Filmemacher Oskar Roehler möchte seinen neuen Roman als zynische Kritik am Kunst- und Kulturbetrieb verstanden wissen. Während seiner Recherche zur „Selbstverfickung“ habe der 58-Jährige den Menschen in Berlin auf der Straße zugehört, wie die Bürger einander beschimpfen. Den Taxifahrern etwa. Um diese Eindrücke in sein Manuskript einfließen zu lassen. Eine wichtige Inspiration für den Roman sei „American Psycho“ von Bret Easton Ellis gewesen, den Roehler förmlich nachahmend in seinem Text zitiert. Zwischendurch rief ein Besucher zu ihm hoch: „Der Roman ist Schrott!“. Wozu Roehler nur belustigt die Achseln zuckte und irgendwas grienend erwiderte, was akustisch bei mir nicht ankam.
Nach dem aktuellen Buchprojekt will sich Oskar Roehler wieder vermehrt dem Filmemachen widmen, um Geld zu verdienen. Das Schreiben von Büchern sei für ihn lediglich ein Hobby. Verdammt: Eben fällt mir siedend heiß ein, ihn anschließend am Signiertisch gefragt haben zu können, was für ein Thema der Regisseur als nächstes zu verfilmen gedenkt. Womöglich hätte mir Roehler seine Ideen aber wohl eh nicht verraten (je nachdem, in welchem Entwicklungsstadium sich seine kommenden Filmprojekte befinden).
Später dann am Spiegel-Stand eingetroffen, wo Linken-Politiker Gregor Gysi über seine im Aufbau-Verlag just erschienene Autobiographie „Ein Leben ist zu wenig“ erzählte. Man kann von seinen Ansichten und seiner nebulösen IM-Vergangenheit halten, was man viel. Gysi jedoch Intellekt und Gedankenreichtum abzusprechen, wäre ein Fehler. Ich zumindest höre diesem begnadeten Geschichtenerzähler ausgesprochen gerne zu und gehe hinterher oft etwas klüger heraus.
Und dann war da noch das Podium mit dem gefallenen Literaturstar Akif Pirinçci im Forum Wissenschaft und Bildung. Pirinçci stellt sich mittlerweile als Opfer der Medien dar, seine Pegida-Rede sei verkürzt und aus dem Kontext gerissen wiedergegeben worden. Allgemein ruderte Pirinçci zurück („Meine Bonner Villa wurde von Unbekannten regelmäßig verschönert und meine Nachbarn, die früher stolz auf mich waren, neben ihnen zu wohnen, grüßen mich nicht mehr“), suchte die Versöhnung, zur Wiederherstellung seines ramponierten Rufes, und verkündete, gerade an seiner Biographie über sich und seinen familiären Stammbaum zu schreiben.
Mit schwer gepolsterter Polizei rund um das stehende Publikum, einige Vollzugsbeamte sogar mit Videokamera, um die Szenerie überblickend mitzufilmen. Dass es wohl zu einigen missmutigen Zwischenrufen kommen würde, war mir schon im Vorfeld klar. Dass aber dieser Event dermaßen eskalieren sollte, hätte ich nicht vermutet. Auf der einen Seite die wutschnaubende Antifa, auf der anderen junge Rechtsradikale. Die waren nicht nur wegen Pirinçci gekommen, sondern ebenso wegen rechtspopulistischer Verleger, die sich auf diesem Forum darstellen durften – darunter die Verlage Antaios und Tumult (wurde sabotiert). „Verpiss dich, du Wichser!“, rief ein Mädel neben mir zu Adressat Pirinçci. In meinen Ohren dröhnten Trillerpfeifen und plötzlich skandierte die halbe Besucherschaft „Ganz Frankfurt hasst die Antifa“. Es kam vereinzelt zu wilden Rangeleien, Besucher flogen durch die Gegend. Ich schaute mir das Schauspiel zehn Minuten mitten im Hexenkessel an, machte mich dann aber mit meinem Bruder aus dem Staub.
Filmregisseur und Schriftsteller Oskar Roehler (li.) stellt im launigen Gespräch mit Moderatorin Luzia Braun seinen neuen Roman „Selbstverfickung“ vor, eine zynische Satire auf den Kulturbetrieb
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Regisseur Oskar Roehler hinter dem Signiertisch am Rande des Blauen Sofas
Rechtzeitig zur jüngsten Buchmesse erschien ein neuer Asterix-Band namens „Asterix in Italien“ von Autor Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier Conrad
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95 Anschläge (Thesen für die Zukunft) – Literaturhaus, Frankfurt/Main, 24.10.2017
mit Edgar Selge, Caroline Link, Edgar Reitz, Ellen Ueberschär; Moderation: Christoph BungartzWir befinden uns mitten im Jubiläumsjahr der Reformation nach Martin Luther. 500 Jahre nach dem weltberühmten Thesenanschlag des richtungsweisenden Theologen an der Schlosskirche zu Wittenberg. Wie könnten heute 95 neu formulierte Thesen klingen? Über einzelne Wissensgebiete hinaus und an unsere bevorstehende Zukunft adressiert? Zu diesem Anlass brachte im vergangenen Februar die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN Stiftung) in Kooperation mit dem Frankfurter Literaturhaus ein Sachbuch gesammelter Thesen heraus. Mit bisweilen gegenläufigen Beiträgen von SPD-Politiker Wolfgang Thierse, Journalistin Thea Dorn und TV-Moderator Frank Plasberg. Im Frankfurter Literaturhaus fand eine Lesung aus dem Konvolut statt, unter Teilnahme von vier Textlieferanten der multiperspektivischen Anthologie.
In dem Debattenbuch lassen sich Überschriften finden wie „Der Islam gehört zu Deutschland“, „Nur mit MINT wird aus Leere noch kein Freiraum“, „Leistungsgesellschaft zerzört Leistungssport“ und „Der Islam gehört noch nicht zu Deutschland“. Besonders hörenswert waren gestern Abend die Redebeiträge von Podiumsteilnehmerin Caroline Link, die berühmte Regisseurin, die 2003 für ihren Kinofilm „Nirgendwo in Afrika“ den Oscar als Bester Fremdsprachiger Film zuerkannt bekommen hatte. „Wir sollten die Welt aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Auf welchem Kontinent du geboren wirst, ist allein Gottes Wille oder einfach nur Zufall“, erklärte die Filmemacherin, die empfahl: „Fremde Welten von innen sehen.“ An der Schule ihrer 15-jährigen Tochter würde Regisseurin Link gerne einen Begegnungsabend veranstalten. Mitschüler mit Migrationshintergrund dürften über ihre Kultur berichten: Wie sieht ein Schulweg aus? In der vorliegenden Kompilation erinnert Beiträgerin Caroline Link an die literarische Figur Pippi Langstrumpf, die mit anarchischem Wesen die Welt erkundet und pädagogische Traditionen aus den Angeln hebt.
Nicht minder spannend, aber nicht ganz so redselig und in den Bann ziehend wie seine Kollegin Caroline Link, war Regisseur Edgar Reitz, dem wir die epische Filmreihe „Heimat“ zu verdanken haben. In dieser cineastischen Reihe setzte der inzwischen 85-Jährige seiner heimatlichen Provinz im Hunsrück ein filmisches Denkmal. Im Literaturhaus rief Filmemacher Edgar Reitz die deutsche Auswandererbewegung des 19. Jahrhunderts zurück ins Gedächtnis. „Aus Not, auf der Suche nach neuem Lebensglück. Heute würde man sie Wirtschaftsflüchtlinge nennen“, führte Edgar Reitz aus. Für die späteren Heimkehrer seien „die Pantoffeln vor dem Sofa“ ein Symbol der Heimat gewesen. Zwischendurch zitierte Reitz den Architekten Peter Zumthor, der sinngemäß gesagt habe: „Was ich nur noch bauen möchte, sind Orte der Stille. Die größte Mangelware unserer Zeit.“
Diskutantin Caroline Link unternahm den Versuch, ihre Lust auf das Ungewöhnliche verständlich zu machen. Über die Dreharbeiten zu ihren Filmen sei die 53-Jährige in vielen Ländern herumgekommen. „Wo ich noch nicht mal die Straßenschilder verstehen konnte“, drückte Essayistin Caroline Link ihre Begeisterung für Neues aus. Darüber hinaus lese Link mit Vorliebe kontroverse Autoren, weniger Schriftsteller, die ihrer persönlichen Meinung entsprechen. Wegen Reitz bin ich ursprünglich ins Literaturhaus gegangen. Ich kam sozusagen wegen Reitz – und ging danach als Caroline-Link-Fan.
Zweimal Edgar: Schauspieler Edgar Selge sowie die Regisseure Caroline Link und Edgar Reitz (v.l.n.r.)
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Vor mir legte ein Autogrammjäger der Filmemacherin Caroline Link mehrere aus dem Internet ausgedruckte Portraitfotos von ihr zum Signieren hin. Wobei auf einem Bild nicht die Oscar-Preisträgerin zu sehen war. „Das ist Charlotte, die Schriftstellerin“, stutzte Link und ergänzte amüsiert: „Ich werde oft verwechselt.“
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Das altehrwürdige Literaturhaus am Mainufer in Frankfurt, in dessen Erdgeschoss sich zudem im Ostflügel das gehobene Restaurant Goldmund befindet (kleines Entrecôte-Steak vom Black Angus Rind 28,90 Euro)
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Robert Forster (The Go-Betweens) – Brotfabrik, Frankfurt/Main, 7.11.2017
Musikalische Lesung aus seiner Autobiographie „Grant & Ich“ mit Moderator Maik BrüggemeyerIn seiner druckfrischen Autobiographie lassen sich keine nostalgischen Fotos finden. Was der australische Musiker Robert Forster, einer der beiden Charakterköpfe der Go-Betweens, bewusst bei seinem Verlag Penguin Books, das publizistische Stammhaus englischer Klassiker wie Thomas Hardy oder Jane Austen, durchzusetzen wusste. Um seinem zurückblickenden Buch „Grant & Ich“ die ästhetische Anmutung eines Romans zu verpassen. Im Mittelpunkt seiner nun ebenso auf Deutsch vorliegenden Memoiren steht Forsters fruchtbare Freundschaft zu seinem ehemaligen Bandkollegen und Kreativpartner Grant McLennan, der zweite Charakterkopf der aufgelösten The Go-Betweens, der im Mai 2006 an einem Herzinfarkt verstarb. In der stockdunklen und ausverkauften Brotfabrik marschiert zuerst Moderator Maik Brüggemeyer, seit 2001 Redakteur beim deutschen Rolling Stone, auf die Bühne, um einige Seiten aus dem von Brüggemeyer ins Deutsche übertragenen Buch „Grant & Ich“ vorzulesen. „Eines der wenigen Musikbücher, bei denen ich große Lust hatte, es fünfmal hintereinander zu lesen. Ich hoffe, ich konnte dem Buch gerecht werden“, erklärt Übersetzer Brüggemeyer.
Anschließend schlüpft Singer-Songwriter Robert Forster hinter dem schwarzen Hintergrundvorhang hervor, mit Akustikgitarre in der einen und Kaffeebecher in der anderen Hand. Und tänzelt um seinen Stuhl herum, nicht genau wissend, wie sich der 60-jährige Dandy hinsetzen soll, dem Silly Walk von Monty-Python-Mitglied John Cleese nicht ganz unähnlich. Gegenwärtig fährt Indie-Gentleman Robert Forster auf seiner kleinen Lesereise mit der Deutschen Bahn durch die Republik. „Dir gefällt es, mit dem Zug zu reisen, oder?“, möchte Moderator Brüggemeyer wissen. Das Fahren mit dem Zug sei für Forster „ein europäisches Ding“, das in Australien in dieser Form nicht möglich sei. Sieben Jahre habe Forster an seinen 366 Seiten umfassenden Erinnerungen geschrieben. Außerdem berichtet der Go-Betweens-Gründer davon, allzu gerne in Bahnhofsbuchhandlungen zu stöbern. Wo die Wände voller Magazine und Tageszeitungen stehen („I love the smell of new magazines“). In Hamburg habe sich der Australier, der mit der deutschen Musikerin Karin Bäumler verheiratet ist und bis zum Milleniumwechsel jahrelang in der Regensburger Provinz lebte, gerade die New York Times, Financial Times und, zur Belustigung des Publikums, die Bunte gekauft. „Die Bunte ist einfach zu lesen. Es gibt Bilder“, begründet Forster amüsiert. „Es gibt darin ein schönes Interview mit Jil Sander. Hier in Frankfurt ist gerade eine Ausstellung über Jil Sander.“ Interessanten Persönlichkeiten auf den Grund gehen, das motiviert Forster. Heike Makatsch findet er gut, genauso wie Karl Lagerfeld. Und auch den Unterschied zwischen Ben Becker und Boris Becker kennt Robert Forster. „You seem to be a fashion guy, isn’t it?“, erkennt Moderator Maik Brüggemeyer bezogen auf die Nennung von Jil Sander und Lagerfeld. Später erzählt Forster von seinem nervösen ersten Treffen mit der Schauspielerin Lee Remick – die 1978 erschienene Debütsingle der Go-Betweens besingt nämlich diese Darstellerin.
Als 18-Jähriger empfand Forster die Lektüre von Charles Dickens als kompliziert. In Bezug auf Gedrucktes mag der 60-Jährige daher besonders Publikationen, die „clean, easy and understandable“ sind. „Ich mag Autoren, die keine Tricks machen“, beteuert der. Sein verstorbener Bandkollege Grant McLennan, führt Forster aus, wollte ursprünglich Filmemacher werden. Grant sei derjenige gewesen, der ihm Charlie Chaplin, den Film Noir und das europäische Programmkino nähergebracht habe. „Dann folgte mir Grant in die Musik“, schildert der Bühnenkünstler. Zwischendurch greift der elegante Herr immer wieder zur Akustikgitarre, um Songs anzustimmen wie „Here comes a city“ (beinhaltet eine Hommage an Frankfurt am Main) und „Lee Remick“. Am Ende lässt Moderator Brüggemeyer seinen Gesprächspartner alleine auf der Bühne zurück und Robert Forster gibt im gleißenden Scheinwerferkegel einige zusätzliche Nummern zum Besten wie „Darlinghurst Nights“, „Clouds“, „Surfing Magazines“ und „Head Full of Steam“.
Indie-Musiker Robert Forster (re.) im Gespräch mit Moderator und RS-Redakteur Maik Brüggemeyer
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Maik und Robert Forster signierten mir mein Exemplar von „Grant & Ich“
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Max Goldt – Deutsch-Amerikanisches Institut, Heidelberg, 9.11.2017
Was treiben Lesben genau im Bett? Wie gestaltet sich von der Einrichtung her junges Wohnen? Was ist das Exoskelett einer Muschel? Wann nehmen Wörterbuchredaktionen eigens geschaffene Redewendungen als neue Sprüche in ihre Publikationen auf? Und warum versagte Nachrichtensprecherin Petra Gerster, übrigens eine gebürtige Wormserin, bei ihrem Nachruf in ZDF-heute auf den verstorbenen Popstar David Bowie? Solchen Fragen und vielen anderen belustigenden Themen ging Schriftsteller Max Goldt während seiner gestrigen Lesung im Deutsch-Amerikanischen Institut in Heidelberg auf den Grund. Mit ausufernder Fabulierlust, oft selbstironisch an der Grenze zur übertrieben gestelzten Formulierung. Amüsant und poiniert, denn bei Max Goldt, ein ehemaliger Kolumnist der Satirezeitschrift Titanic, lacht man auf hohem Niveau.
Dass David Bowie als Musiker, Sänger, Produzent, Schauspieler und Maler ein Multitalent gewesen sei, wie TV-Sprecherin Petra Gerster im Januar 2016 wenige Stunden nach dem Ableben des britischen Popstars behaupet hatte, hält Literat Max Goldt für lächerlich. „Multitalent“ stelle für Goldt keine angemessene Bezeichnung für einen erwachsenen Künstler dar. Überhaupt seien ARD und ZDF lediglich kompetent für das Informieren über Fußballergebnisse und Schreckensmeldungen aus globalen Krisengebieten. „Wenn es über ihre gewohnten Interessen hinausgeht, fallen die Öffentlich-Rechtlichen durch Faulheit, Desinteresse und Selbstgefälligkeit auf“, urteilte Autor Max Goldt, dem wir lustige Bücher zu verdanken haben wie „Der Krapfen auf dem Sims“ von 2001 und „Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens“ von 2005. Kein Museum der Welt käme doch auf die Idee, so Essayist Max Goldt, die hinterlassenen Gemälde von David Bowie auszustellen.
Außerdem verlas der 59-Jährige im DAI (auf derselben Bühne hatte mal Marianne Faithfull im November 2008 einige Sonette von Shakespeare vorgetragen) aus seiner Mappe einen Text mit der Überschrift „Heiteres Berufe Abraten“, in dem der Schreiberling den Begriff „Manspreading“ erläutert: Dabei handelt es sich um das Phänomen, dass manche Männer dazu neigen, sich irgendwo breitbeinig hinzusetzen und dadurch ihr maskulines Gemächt übermäßig akzentuieren. „Manspreading“ ist ein zeitgeistiges Modewort, Sprachmeister Max Goldt ist bekannt dafür, aktuelle Wortneuschöpfungen aus dem Alltag aufzugreifen und humorvoll zu sezieren. Lesungen von Goldt, der nebenbei Szenarist des Comic-Projekts „Katz & Goldt“ ist, leben zusätzlich von der variationsreichen Stimmgebung des Schriftstellers, der in verschiedenste Dialog-Rollen zu schlüpfen vermag. Später setzte sich der Berliner seine Lesebrille auf, die braucht der Autor mittlerweile, um die Buchstaben von Klein- und Kleinstgedrucktem besser erkennen zu können. „Man nehme nur eine klitzekleine Sauerkrautdose“, schilderte Gastredner Max Goldt. Mit der Nährwerttabelle auf dem Etikett, der Inhaltsangabe in acht Sprachen und der Telefonnummer der Sauerkraut-Hotline. „Dabei möchte man nur wissen, wie lange man das Sauerkraut durchkochen muss“, blickte Goldt ungläubig drein. Früher habe Goldt, bis 1990, während Lesungen gerne Beiträge mit der „hässlichen Stimme“ vorgetragen. Was der Sprachkünstler mit den skurrilen Einfällen aufgegeben habe, um sich nicht die Stimmbänder zu ruinieren. Als Zugabe rezitierte Goldt jedoch in Heidelberg ein 30-sekündiges Wechselgespräch über Dürrenmatt – mit eben dieser kratzigen und schrecklich klingenden Stimme. Was wirklich urkomisch war und das Publikum schüttete sich aus vor Lachen.
Schriftsteller Max Goldt während seiner Lesung in Heidelberg
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Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Danke für den Bericht. War das ein einmaliges Ding oder ist er momentan „auf Tour“?
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harry-ragDanke für den Bericht. War das ein einmaliges Ding oder ist er momentan „auf Tour“?
Max Goldt ist ständig auf Lesereise, das scheint seine finanzielle Haupteinnahmequelle zu sein. Gestern sagte er, es sei sicher das 30. Mal, dass er im DAI liest. Seit 1997 liest Max Goldt außerdem traditionell jedes Jahr im Januar im Frankfurter Hof in Mainz, da war ich schon dreimal bei ihm, so etwas wie eine Neujahrslesung. Nur nächstes Jahr ist diese Lesung ausnahmsweise erst im März.
Akutelle Termine stehen auf der Homepage seiner Agentur Tom Produkt
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Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Guter Link. Merci! Ende Januar gastiert er in Leipzig.
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Vielen Dank für den schönen Text zur Lesung Robert Forsters mit Maik Brüggemeyer. Forster ist demnächst in meinem Wohnort zu Gast; nehme mir vor, hier auch etwas davon zu berichten
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