Startseite › Foren › Kulturgut › Print-Pop, Musikbücher und andere Literatur sowie Zeitschriften › Die Drucksachen › Literarische Begegnungen (Lesungen) › Antwort auf: Literarische Begegnungen (Lesungen)

ford-prefect Feeling all right in the noise and the light
Registriert seit: 10.07.2002
Beiträge: 10,358
95 Anschläge (Thesen für die Zukunft) – Literaturhaus, Frankfurt/Main, 24.10.2017
mit Edgar Selge, Caroline Link, Edgar Reitz, Ellen Ueberschär; Moderation: Christoph Bungartz
Wir befinden uns mitten im Jubiläumsjahr der Reformation nach Martin Luther. 500 Jahre nach dem weltberühmten Thesenanschlag des richtungsweisenden Theologen an der Schlosskirche zu Wittenberg. Wie könnten heute 95 neu formulierte Thesen klingen? Über einzelne Wissensgebiete hinaus und an unsere bevorstehende Zukunft adressiert? Zu diesem Anlass brachte im vergangenen Februar die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN Stiftung) in Kooperation mit dem Frankfurter Literaturhaus ein Sachbuch gesammelter Thesen heraus. Mit bisweilen gegenläufigen Beiträgen von SPD-Politiker Wolfgang Thierse, Journalistin Thea Dorn und TV-Moderator Frank Plasberg. Im Frankfurter Literaturhaus fand eine Lesung aus dem Konvolut statt, unter Teilnahme von vier Textlieferanten der multiperspektivischen Anthologie.
In dem Debattenbuch lassen sich Überschriften finden wie „Der Islam gehört zu Deutschland“, „Nur mit MINT wird aus Leere noch kein Freiraum“, „Leistungsgesellschaft zerzört Leistungssport“ und „Der Islam gehört noch nicht zu Deutschland“. Besonders hörenswert waren gestern Abend die Redebeiträge von Podiumsteilnehmerin Caroline Link, die berühmte Regisseurin, die 2003 für ihren Kinofilm „Nirgendwo in Afrika“ den Oscar als Bester Fremdsprachiger Film zuerkannt bekommen hatte. „Wir sollten die Welt aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Auf welchem Kontinent du geboren wirst, ist allein Gottes Wille oder einfach nur Zufall“, erklärte die Filmemacherin, die empfahl: „Fremde Welten von innen sehen.“ An der Schule ihrer 15-jährigen Tochter würde Regisseurin Link gerne einen Begegnungsabend veranstalten. Mitschüler mit Migrationshintergrund dürften über ihre Kultur berichten: Wie sieht ein Schulweg aus? In der vorliegenden Kompilation erinnert Beiträgerin Caroline Link an die literarische Figur Pippi Langstrumpf, die mit anarchischem Wesen die Welt erkundet und pädagogische Traditionen aus den Angeln hebt.
Nicht minder spannend, aber nicht ganz so redselig und in den Bann ziehend wie seine Kollegin Caroline Link, war Regisseur Edgar Reitz, dem wir die epische Filmreihe „Heimat“ zu verdanken haben. In dieser cineastischen Reihe setzte der inzwischen 85-Jährige seiner heimatlichen Provinz im Hunsrück ein filmisches Denkmal. Im Literaturhaus rief Filmemacher Edgar Reitz die deutsche Auswandererbewegung des 19. Jahrhunderts zurück ins Gedächtnis. „Aus Not, auf der Suche nach neuem Lebensglück. Heute würde man sie Wirtschaftsflüchtlinge nennen“, führte Edgar Reitz aus. Für die späteren Heimkehrer seien „die Pantoffeln vor dem Sofa“ ein Symbol der Heimat gewesen. Zwischendurch zitierte Reitz den Architekten Peter Zumthor, der sinngemäß gesagt habe: „Was ich nur noch bauen möchte, sind Orte der Stille. Die größte Mangelware unserer Zeit.“
Diskutantin Caroline Link unternahm den Versuch, ihre Lust auf das Ungewöhnliche verständlich zu machen. Über die Dreharbeiten zu ihren Filmen sei die 53-Jährige in vielen Ländern herumgekommen. „Wo ich noch nicht mal die Straßenschilder verstehen konnte“, drückte Essayistin Caroline Link ihre Begeisterung für Neues aus. Darüber hinaus lese Link mit Vorliebe kontroverse Autoren, weniger Schriftsteller, die ihrer persönlichen Meinung entsprechen. Wegen Reitz bin ich ursprünglich ins Literaturhaus gegangen. Ich kam sozusagen wegen Reitz – und ging danach als Caroline-Link-Fan.
Zweimal Edgar: Schauspieler Edgar Selge sowie die Regisseure Caroline Link und Edgar Reitz (v.l.n.r.)
Vor mir legte ein Autogrammjäger der Filmemacherin Caroline Link mehrere aus dem Internet ausgedruckte Portraitfotos von ihr zum Signieren hin. Wobei auf einem Bild nicht die Oscar-Preisträgerin zu sehen war. „Das ist Charlotte, die Schriftstellerin“, stutzte Link und ergänzte amüsiert: „Ich werde oft verwechselt.“
--
Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!