Antwort auf: Literarische Begegnungen (Lesungen)

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ford-prefect
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Max Goldt – Deutsch-Amerikanisches Institut, Heidelberg, 9.11.2017

Was treiben Lesben genau im Bett? Wie gestaltet sich von der Einrichtung her junges Wohnen? Was ist das Exoskelett einer Muschel? Wann nehmen Wörterbuchredaktionen eigens geschaffene Redewendungen als neue Sprüche in ihre Publikationen auf? Und warum versagte Nachrichtensprecherin Petra Gerster, übrigens eine gebürtige Wormserin, bei ihrem Nachruf in ZDF-heute auf den verstorbenen Popstar David Bowie? Solchen Fragen und vielen anderen belustigenden Themen ging Schriftsteller Max Goldt während seiner gestrigen Lesung im Deutsch-Amerikanischen Institut in Heidelberg auf den Grund. Mit ausufernder Fabulierlust, oft selbstironisch an der Grenze zur übertrieben gestelzten Formulierung. Amüsant und poiniert, denn bei Max Goldt, ein ehemaliger Kolumnist der Satirezeitschrift Titanic, lacht man auf hohem Niveau.

Dass David Bowie als Musiker, Sänger, Produzent, Schauspieler und Maler ein Multitalent gewesen sei, wie TV-Sprecherin Petra Gerster im Januar 2016 wenige Stunden nach dem Ableben des britischen Popstars behaupet hatte, hält Literat Max Goldt für lächerlich. „Multitalent“ stelle für Goldt keine angemessene Bezeichnung für einen erwachsenen Künstler dar. Überhaupt seien ARD und ZDF lediglich kompetent für das Informieren über Fußballergebnisse und Schreckensmeldungen aus globalen Krisengebieten. „Wenn es über ihre gewohnten Interessen hinausgeht, fallen die Öffentlich-Rechtlichen durch Faulheit, Desinteresse und Selbstgefälligkeit auf“, urteilte Autor Max Goldt, dem wir lustige Bücher zu verdanken haben wie „Der Krapfen auf dem Sims“ von 2001 und „Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens“ von 2005. Kein Museum der Welt käme doch auf die Idee, so Essayist Max Goldt, die hinterlassenen Gemälde von David Bowie auszustellen.

Außerdem verlas der 59-Jährige im DAI (auf derselben Bühne hatte mal Marianne Faithfull im November 2008 einige Sonette von Shakespeare vorgetragen) aus seiner Mappe einen Text mit der Überschrift „Heiteres Berufe Abraten“, in dem der Schreiberling den Begriff „Manspreading“ erläutert: Dabei handelt es sich um das Phänomen, dass manche Männer dazu neigen, sich irgendwo breitbeinig hinzusetzen und dadurch ihr maskulines Gemächt übermäßig akzentuieren. „Manspreading“ ist ein zeitgeistiges Modewort, Sprachmeister Max Goldt ist bekannt dafür, aktuelle Wortneuschöpfungen aus dem Alltag aufzugreifen und humorvoll zu sezieren. Lesungen von Goldt, der nebenbei Szenarist des Comic-Projekts „Katz & Goldt“ ist, leben zusätzlich von der variationsreichen Stimmgebung des Schriftstellers, der in verschiedenste Dialog-Rollen zu schlüpfen vermag. Später setzte sich der Berliner seine Lesebrille auf, die braucht der Autor mittlerweile, um die Buchstaben von Klein- und Kleinstgedrucktem besser erkennen zu können. „Man nehme nur eine klitzekleine Sauerkrautdose“, schilderte Gastredner Max Goldt. Mit der Nährwerttabelle auf dem Etikett, der Inhaltsangabe in acht Sprachen und der Telefonnummer der Sauerkraut-Hotline. „Dabei möchte man nur wissen, wie lange man das Sauerkraut durchkochen muss“, blickte Goldt ungläubig drein. Früher habe Goldt, bis 1990, während Lesungen gerne Beiträge mit der „hässlichen Stimme“ vorgetragen. Was der Sprachkünstler mit den skurrilen Einfällen aufgegeben habe, um sich nicht die Stimmbänder zu ruinieren. Als Zugabe rezitierte Goldt jedoch in Heidelberg ein 30-sekündiges Wechselgespräch über Dürrenmatt – mit eben dieser kratzigen und schrecklich klingenden Stimme. Was wirklich urkomisch war und das Publikum schüttete sich aus vor Lachen.

Schriftsteller Max Goldt während seiner Lesung in Heidelberg

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