Startseite › Foren › Kulturgut › Print-Pop, Musikbücher und andere Literatur sowie Zeitschriften › Die Drucksachen › Lesefrüchte
-
AutorBeiträge
-
Die Berliner ‚Kreuzzeitung‘ brachte dieser Tage einen Artikel, in dem sie nach heftigen Ausfällen gegen die slavische Politik die Behauptung aufstellte, dass dasjenige, »was Oesterreich-Ungarn zusammenhält, heute nächst der Dynastie die Zugehörigkeit zum Dreibund« sei. Diese Insinuation nahm nun das Wiener ‚Vaterland‘ nicht ruhig hin und antwortete mit einem nicht minder polemischen Artikel, der die Chiffre »S–B.« trug und für dessen Autor deshalb vielfach der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Graf Schönborn, gehalten wurde. Der Verfasser wirft der ‚Kreuzzeitung‘ einen »Mangel an Logik« vor, »der uns versöhnen könnte, weil er fast erheiternd wirkt«, und schreibt dann wörtlich: »Wenn die ‚Kreuzzeitung‘ meint, das, was Oesterreich-Ungarn zusammenhält, sei …. die Zugehörigkeit zum Dreibund, so vergisst sie, dass Oesterreich-Ungarn vor dem Dreibund auf der Welt war, dass der Dreibund nur durch den Beitritt unserer Monarchie ermöglicht worden, seine Fortdauer nur durch das fernere Verbleiben Oesterreich-Ungarns gesichert ist. Es ist also der Dreibund, den Oesterreich-Ungarn, im Vereine mit den beiden anderen Factoren, zusammenhält, nicht umgekehrt!« Das ‚Vaterland‘ hat ohne Frage recht, ja man kann sagen, dass es einen Ueberfluss an Logik entwickelt, der uns versöhnen könnte, weil er fast erheiternd wirkt. Seine Methode lässt sich auch auf den Dualismus anwenden: Ungarn z.B. war vor dem Dualismus auf der Welt, der Dualismus ist nur durch den Beitritt Ungarns ermöglicht worden, seine Fortdauer nur durch das fernere Verbleiben Ungarns gesichert. Es ist also der Dualismus, den Ungarn, im Vereine mit dem andern Factor, zusammenhält, nicht umgekehrt … Aber auch das Abonnement des ‚Vaterland‘ lässt sich nach dieser Methode erklären: Die menschliche Dummheit war vor dem Abonnement des ‚Vaterland‘ auf der Welt, das Abonnement auf das ‚Vaterland‘ ist nur durch die menschliche Dummheit ermöglicht worden, seine Fortdauer nur durch die Erhaltung der menschlichen Dummheit gesichert. Es ist also das ‚Vaterland‘, das durch die menschliche Dummheit erhalten wird. Hier aber könnte auch das Umgekehrte der Fall sein.
(Die Fackel: Nr. 28, S. 11-12)
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Highlights von Rolling-Stone.deWelches Equipment verwenden eigentlich…Pink Floyd?
Musikalische Orgasmen: 6 Songs voller Höhepunkte
Dies ist (laut Fans und Kritikern) die beste Folge von „Friends“
Studio-Magier: Die 8 besten Musikproduzenten
So arbeiteten die Beatles am „Weeping Sound“ für das White Album
So lief das erste Konzert der Rolling Stones 1962 im Marquee in London
WerbungHal CrovesAber auch das Abonnement des ‚Vaterland‘ lässt sich nach dieser Methode erklären: Die menschliche Dummheit war vor dem Abonnement des ‚Vaterland‘ auf der Welt, das Abonnement auf das ‚Vaterland‘ ist nur durch die menschliche Dummheit ermöglicht worden, seine Fortdauer nur durch die Erhaltung der menschlichen Dummheit gesichert. Es ist also das ‚Vaterland‘, das durch die menschliche Dummheit erhalten wird. Hier aber könnte auch das Umgekehrte der Fall sein.
Nice!
Aus welchem Jahr ist das?
--
Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75Aus welchem Jahr ist das?
Nummer 28 ist von Anfang Januar 1900; die erste Nummer der Fackel erschien Anfang April 1899. Ich nehme das mal zum Anlass, ab jetzt das Erscheinungsdatum immer hinzuzufügen.
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Hal CrovesNummer 28 ist von Anfang Januar 1900; die erste Nummer der Fackel erschien Anfang April 1899. Ich nehme das mal zum Anlass, ab jetzt das Erscheinungsdatum immer hinzuzufügen.
Sehr gut. Bei dieser Gelegenheit mal ein Dank an dich. Deine „Die Fackel-Auszüge“ lese ich sehr gerne.
--
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Ja, danke, Hal, immer wieder.
Das von nail Zitierte über das Vaterland ist auch so meine Sicht der Dinge……. Deutschsprachige haben deswegen zwei Kriege angezettelt, nicht nur die „Fackel“ wusste das schon 15 Jahre vor dem Ersten.Bei uns in der Stadt, an der grössten Kirche aus dem frühen Mittelalter, ist ein Kriegerdenkmal 1914- 18 eingemeisselt, das einen liegenden toten deutschen Soldaten zeigt.
Darunter steht: „Furchtlos und Treu“.
Irgendjemand hat da vor langer Zeit „und Tot“ daneben gesprüht.Ist längst verjährt.
--
Contre la guerre ...and everybody’s shouting “Which Side Are You On?”Hal CrovesNummer 28 ist von Anfang Januar 1900; die erste Nummer der Fackel erschien Anfang April 1899. Ich nehme das mal zum Anlass, ab jetzt das Erscheinungsdatum immer hinzuzufügen.
Danke!
Stormy MondayJa, danke, Hal, immer wieder.
Das von nail Zitierte über das Vaterland ist auch so meine Sicht der Dinge……. Deutschsprachige haben deswegen zwei Kriege angezettelt, nicht nur die „Fackel“ wusste das schon 15 Jahre vor dem Ersten.Bei uns in der Stadt, an der grössten Kirche aus dem frühen Mittelalter, ist ein Kriegerdenkmal 1914- 18 eingemeisselt, das einen liegenden toten deutschen Soldaten zeigt.
Darunter steht: „Furchtlos und Treu“.
Irgendjemand hat da vor langer Zeit „und Tot“ daneben gesprüht.Ist längst verjährt.
--
Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Wann das 20. Jahrhundert zu beginnen hat, darüber konnten sich die Zeitungsgelehrten nicht einigen. Aber jedenfalls steht fest, dass die leidenschaftliche Discussion der Frage, ob der Philister schon jetzt oder erst übers Jahr Säcularempfindungen hegen dürfe, noch eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts ist. Mehrere Zeitungen haben eine Rundfrage an mehrere Gelehrte ergehen lassen, die mit abgeklärtem Ernst dem bedeutsamsten Problem zweier Jahrhunderte nachsannen. Ein Blatt störte diese emsige Denkarbeit und entschloss sich rasch, die ersten Männer des Landes mit der andern Frage zu überrumpeln, welches Ereignis sie »als das für Oesterreich wichtigste im 19. Jahrhundert« bezeichnen würden. Und siehe da, Herr Professor Fournier, Abgeordneter von Bodenbach und Umgebung, erklärte, dass er das Jahrhundert noch nicht für beendet halte und dass »immerhin noch im nächsten, letzten Jahre desselben Dinge vorfallen können u.s.w.«. Freiherr v. Bezecny gibt klipp und klar Auskunft; er hält offenbar seine Rückberufung auf den Posten des Hoftheater-Intendanten im »nächsten, letzten Jahre« nicht für wahrscheinlich. Für Frau Marie Boßhardt van Demerghel ist der Völkerfriede das wichtigste Ereignis, und sie erwartet bestimmt, dass er noch in diesem Jahre erscheinen wird. Herr Dr. Glossy hinwiderum führt die »Aufhebung der Censur« an, die nach seiner Ansicht bereits vollzogen ist; für ihn handelt es sich jedenfalls um die Streitfrage, ob das 20. Jahrhundert 1900 oder 2000 beginne. Auch der Polizeipräsident Habrda gibt eine ähnlich utopische Antwort; eines der wichtigsten Ereignisse sei für ihn die »Erkenntnis und Bethätigung der Humanität«, namentlich auf dem Gebiete der polizeilichen Pflege, auf dem sie »bereits zum vollen Durchbruch gelangt«. Die Zustände im Gefangenhaus in der Theobaldgasse, wo ja Taschendiebe keine schlechtere Behandlung als Wahlrechtsdemonstranten erfahren, bestätigen das Gesagte. Dass die Wiener Polizei eine »Wohlfahrtsbehörde« ist, hat sie in den Maitagen bewiesen. Die beispiellosen Brutalitäten, deren Schauplatz die Ringstraße im 19. Jahrhundert öfter war, stützen auch die weitere Behauptung des Herrn Habrda, dass »das Moment der Oeffentlichkeit bei den Gestionen der Polizei immer mehr in den Vordergrund tritt, weil ihre Amtsführung nichts zu verbergen hat«. Seitdem Wien ein Museum mit künstlerischen Verklärungen polizeilichen Wohlthuns besitzt, scheinen die Gestionen unserer Polizei von den Suggestionen unseres Polizeipräsidenten unterstützt zu werden … Die Fürstin Pauline Metternich hat sich, wie die Redaction freudig mittheilt, am frühesten mit der Antwort eingestellt. Sie vermeidet es, von Familienangelegenheiten zu sprechen und etwa, wie so viele Theilnehmer an der Enquête, das Jahr 1848 als das für Oesterreich wichtigste Ereignis zu bezeichnen; auch die Erwähnung des ersten Blumencorsos hat man in ihrer Antwort vermisst. Frau Wisinger-Florian meint kurz und bündig: »Die Erfindung der Elektricität«, wiewohl es doch eine Thatsache ist, dass, selbst wenn für Oesterreich die Elektricität eigens hätte erfunden werden müssen, am Ende des Jahrhunderts in Wien Gaswerke gebaut worden wären. Frau Bertha Suttner schweigt in ihrer Antwort das Manifest des Czaren todt und erklärt, obwohl doch Anzengruber, Anastasius Grün und Grillparzer von einander ganz getrennt und zu verschiedenen Zeitpunkten auf die Welt kamen, »das Aufgehen des Dreigestirns« für das eine beträchtliche Ereignis. – Auch Herr Kestranek, der Centraldirector der Prager Eisenindustriegesellschaft wurde um seine Meinung befragt. Er erbittet sich einen kleinen Aufschub, da »vielleicht schon im nächsten Jahre« ein Ereignis eintreten könne, das als das wichtigste zu bezeichnen sein würde. Nun ja, das Eisencartell soll im Laufe dieses Jahres die Werke des Erzherzogs Friedrich und des Grafen Andrassy erwerben und damit endlich in Oesterreich das Monopol für Eisenwucher erlangen. Die »freundlichsten Grüße«, die Herr Kestranek schon jetzt an die Redaction sendet, sind jedenfalls höchst verdächtig. Hofrath Eger antwortet schlicht und ruhig: »Der Ausgang des Krieges vom Jahre 1866.« Dass ein Generaldirector der Südbahn gerade ein unglückliches Ereignis für das wichtigste erklärt, ist gewiss bezeichnend. Aber dann war Bescheidenheit nicht am Platze, und Herr Eger hätte in aller Seelenruhe die Katastrophe von Mödling, von Klagenfurt oder Kalsdorf, oder geradeheraus die Eröffnung der Strecke Wien–Triest nennen können. Am verblüffendsten ist jedenfalls die Antwort des Ritters von Taussig. Der Vicepräsident der Waffenfabriksgesellschaft, gegen den zwar eine Untersuchung eingeleitet, jedoch bekanntlich nach kurzer Zeit schon eingestellt wurde, erbittet sich trotzdem »ein Jahr Bedenkzeit«. Aber dann ist ja die Sache längst verjährt, und nicht einmal wir können gegen den Einstellungsbeschluss Berufung einlegen.
(Die Fackel: Nr. 29, Mitte Jänner 1900, S. 23-26)
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=»Von heute an ist Gustav Klimt ein berühmter Mann«, verkündete der Kunstfasler eines Wiener Blattes Sonntag den 25. März seinen Lesern. Da Herr Klimt in Makarts Fußstapfen trat, erregte er Aufmerksamkeit, da er Khnopff’sche Köpfe malte, Verwunderung; und als er uns zuerst als Pointillist kam und auch als solcher mit Ehren bestand, sahen wir in dem geschickten Stil-Eklektiker so recht den Repräsentanten einer Verfallszeit wahrer Kunst, die statt Individualitäten nur mehr interessante Individuen hervorbringt. Jüngere Künstler, deren kräftiger Persönlichkeit die Ausdrucksmittel häufig versagen, mochten in Klimt den Meister des Handwerks schätzen und, je unfertiger sie waren, desto leichter überschätzen. Der Kunstliebhaber, der nicht die Mache erlernen, sondern Schöpfungen genießen will, blieb kalt. Aber seit einer Woche ist Gustav Klimt berühmt; das Publicum beschäftigt und befreundet sich, wie Herr Hevesi richtig vorausgesagt hat, mit seinem letzten Werk; Farbenblinde preisen seine Malkunst und alle, die mit dem Wort Philosophie keinen Begriff verbinden, den Tiefsinn seiner allegorischen Darstellung.
Aber die Leute können es nicht glauben – die Kritiker am allerwenigsten –, dass ein Klimt originell sein könne. Wer so wenig eigenes Innenleben hat, kann auch kein eigenes Schicksal haben. So muss denn offenbar bei Klimt der Fall Stuck-Lieber sich wiederholen. Es muss so sein. Die Professoren, die gegen die Anbringung der Klimt’schen Philosophie in der Universitätsaula protestieren, sind natürlich anmaßende Laien und müssen von Kritikern zurechtgewiesen werden, die nach Ueberwindung aller Hindernisse, die sich in zwei Gymnasial- oder drei Realschulclassen aufthürmen, in das Wesen von Malkunst und Philosophie eingedrungen sind. Der österreichische Freisinn aber hat jetzt Gelegenheit zu zeigen, dass er gegen lex Heinze-Experimente mit nicht minderm Mannesmuth sich wehren könne, als der in den Seelen aller Philister von Berlin und München lebt.
Ich brauche hier von Klimts Malkunst, wie sie sich in seiner jüngsten Arbeit offenbart, nicht zu sprechen. Ich will auch davon nicht reden, dass der Mäcen, dessen Haus ein Bild zu schmücken bestimmt ist, also in diesem Falle die Universität, wohl das Recht haben muss, ein Werk abzulehnen. Auch auf das Geschwätz von den »ethischen Gründen«, die unsere Universitätsprofessoren geleitet hätten, brauche ich nicht einzugehen; der Heinze-Rummel hat die Einbildungskraft unserer Freiheitskulis arg beeinflußt. Dass beispielsweise Herr Jodl kein clericaler Rückwärtsler ist, weiß man außerhalb der liberalen Wiener Zeitungsredactionen in ganz Oesterreich und wohl auch darüber hinaus, und nur freche Tagschreiber leugnen, dass sich unter den Protestlern Männer von anerkanntem Geschmack und Kunstgefühl befinden. Aber wie steht’s denn mit Klimts allegorischer Darstellung der Philosophie, die unseren Professoren so völlig missfällt? Nun, die »kosmische Phantasie«, die darin nach Herrn Hevesi schaltet, ist ja eigentlich nicht die Phantasie des Herrn Klimt, sondern, wie alles in Oesterreich, ein schlechtes Compromiss.
Der ursprüngliche Entwurf Klimts zeigte, wie man mir mittheilt, einen nackten Jüngling, der in tiefem Nachdenken dastand; die langen Haare fielen ihm über das Gesicht und verbargen so die heiße Röthe, die dem unreifen Knaben beim Anblick zweier Figuren, die oben auf dem Bilde in liebender Umschlingung ruhten, in die Wangen geschossen sein mochte. Und weiter erzählt man mir, der jetzige Rector der Universität habe, als der Entwurf der Commission vorgelegt wurde, erklärt, das sei »nicht die Philosophie, sondern ein Junge, der vorzeitig darüber nachdenkt, woher die Kinder kommen«. Herr Klimt sah ein, dass seine Allegorie misslungen sei, besprach sich mit Leuten, denen er in seiner Naivetät Verständnis für Philosophie zutraute, und schuf das Bild, das jetzt im Secessionstempelchen zu sehen ist. Als ich am ersten Tage – anfangs ohne Katalog – vor dieses Bild trat, spottete ich der Leute, die da mit offenem Munde standen und nicht begriffen, was es bedeute.
Mir war’s im ersten Augenblick klar. Der immer actuelle Klimt hatte eine Allegorie auf die österreichische Sprachenfrage gemalt. Geschlechter werden und vergehen, hoffnungsvoll kommen die Jungen, und trostlos fahren die Greise zur Gruft: aber unergründet, ungelöst ruht in dem grünen Nebel unklarer Volksstimmungen, Wünsche, Herrschbegierden das Räthsel der Sprachenfrage. Aber siehe da – ein Hoffnungsschimmer. Leuchtend taucht unten das Haupt der Koerber’schen Versöhnung auf, ein seltsam Antlitz – wie ein Notenkopf ohne Stil – mit einem fragenden Blick, als sollte nach berühmtem Muster die Antwort, die wir von seinen Lippen lesen wollen, selbst eine Frage sein ….
Ich irrte. Herr Klimt hat die Philosophie allegorisieren wollen. Aber leider hat er von ihr noch dunklere Vorstellungen als von der Jurisprudenz, die er ja auch malen soll. Wie er sich gegenwärtig die Jurisprudenz denkt, weiß ich nicht. Der Entwurf, den er seinerzeit der Commission vorlegte, zeigte eine Themis, deren umgekehrtes Schwert mit der Spitze auf einem todten Drachen stand. Von der Seite sah ein Mann neugierig in das Bild herein, durch eine Thüre, wenn ich mich recht erinnere. Man hatte damals Mühe, Herrn Klimt begreiflich zu machen, dass die Themis die Rechtsausübung bedeute und in den Gerichtssaal gehöre, dass es sich jedoch an der Universität um die Rechtserforschung handle. Wer aber der Mann sei, der da hereinschaut, das hätte niemand in der Commission ergründen können, wenn nicht Herr Klimt allen Ernstes betheuert hätte, das sei – die österreichische Verfassung.
Der Maler möge bei der Darstellung der Jurisprudenz und Medicin rechtzeitig seine Gedanken von Männern überprüfen lassen, die ihn besser als jene berathen können, an die er sich diesmal gewendet hat. Und seine Philosophie könnte ja, wenn er nur den Titel ändern will, noch anderweitige Verwendung finden. An die Decke der Aula gehört sie schon deshalb nicht, weil Herr Klimt sich nicht dem Matsch’schen Entwurf des Mittelbildes anbequemt hat. Als man aber auf Matsch‘ Vorschlag, anstatt dem zuerst in Aussicht genommenen Goltz, Herrn Klimt die Ausführung dreier Bilder übertrug, ward ihm dazu der ausdrückliche Auftrag gegeben. Und dann; wie sein Auge eine Wiese mit Hühnern nach dem Regen sieht, das hat er sehr geschickt wiederzugeben gewusst, und viele wird’s interessieren. Aber wen interessiert’s, wie Herr Klimt sich die Philosophie vorstellt? Ein unphilosophischer Künstler mag wohl die Philosophie malen; allegorisieren muss er sie so, wie sie sich in den philosophischen Köpfen seiner Zeit malt.*
Als Bringer der Kunst schätze ich unsere Secessionisten hoch, wenn es nicht ihre eigene Kunst ist, die sie bringen. Wenn freilich an Stelle der geschäftlichen Nebenabsichten die offen bekannte geschäftliche Absicht träte, wenn ein verständiger Kunsthändler Jahr für Jahr das Beste, was die große Kunst des Auslands geschaffen, in Ausstellungen uns vorführte, wäre das den Secessionsausstellungen entschieden vorzuziehen. Aber auch hier bewundern wir die John W. Alexander, Ludwig v. Hoffmann, Greiffenhagen, Khnopff, Cottet, Van der Stappen und Andere. Dagegen kann ich nicht einmal in das Lob einstimmen, das unseren heimischen Künstlern so überreich für das Ausstellungsarrangement gezollt wird. Die studierte Einfachheit der Saaldecoration, die diesmal Adolf Böhm und Auchentaller ausgeführt haben, ist ein nicht ganz gelungener Protest gegen das Arrangement der letzten Ausstellung des Aquarellistenclubs. Was soll man aber vollends von der Thätigkeit der Hängecommission in der VII. Secessionsausstellung sagen? Wie man die Arbeiten Van der Stappens zwischen die Bilder Cottets und Slevogts Triptychon gestellt hat, das ist ein Muster dafür, wie Ausstellungen nicht arrangiert sein sollen. Die Beispiele lassen sich vervielfachen. Aber die heimischen Künstler mögen sich selbst ihrer Haut wehren. Der Behauptung des Herrn Hevesi: »So gehängt zu werden ist ein künstlerischer Genuss«, werden sie ja schwerlich zustimmen. Eher dürften sie schmerzlich an das Sprichwort: Mitgefangen, mitgehangen! denken. So kommen auch gute Leistungen nicht zu rechter Wirkung. Von österreichischer Kunst gibt ja die Secession überhaupt kein richtiges Bild. Was sich da breit macht, sind – mit wenigen Ausnahmen – nicht die jungen Kunsttriebe, die auch bei uns sich regen, sondern die Johannistriebe einiger älterer Herren, die eine coquette Jugendlichkeit zur Schau tragen. Aber wenn auch ein Herr Moll modern thut, ein Moderner wird er darum doch nicht. Ist’s nicht so recht bezeichnend für den alten Anekdoten- und Anekdötchengeist, dass der kühne Neuerer ein Intérieur aus der Hofbibliothek »Der Bücherwurm« nennt? Wenn man eine neue Technik erlernt, wird man darum noch kein andrer; man verzichtet nur auf den Ausdruck einer Individualität, um die es nicht schade ist.(Die Fackel: Nr. 36, Ende März 1900, S. 16-20)
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Ausgabe nach der Confiscation.
Die Fackel
NR. 41 WIEN, MITTE MAI 1900 II. JAHR
In wenigen Tagen werden die Wiener Gemeinderathswähler »zu den Urnen gerufen« werden. Die Ehrlichsten freilich, die nach eigener Ueberzeugung zu handeln noch nicht verlernt haben, werden dem kreischenden Ruf kaum folgen wollen. Aber auch jenen, die längst in politischen Dingen sich beschieden haben, das kleinere Uebel zu wählen, ist diesmal die Wahl nicht leicht. Eine mehrjährige Herrschaft der christlichsocialen Partei hat manche Hoffnung, die an ihr erstes Auftreten geknüpft ward, enttäuscht. Die Unthätigkeit in der liberalen Aera ist allerdings einem starken Thätigkeitsdrang gewichen. Aber wie oft ward dieser Drang auf Abwege geleitet! Klägliche Unerfahrenheit hat bisweilen die Geschäfte dieser Stadt geführt: so ward der Sieg, den die österreichische Technik bei den Wiener Gaswerken errang, um einen Wucherpreis erkauft. Und die stärksten Waffen, die die Commune der Tramwaygesellschaft gegenüber besitzt, mussten ihr von Gegnern der christlichsocialen Partei förmlich aufgedrängt werden. Immerhin, manches Nützliche ist geschaffen worden, die neuen Schulden – Herr Lueger, kein Meister im Lernen, hat wenigstens die naive Angst vor dem Schuldenmachen rechtzeitig zu verlernen gewusst – sind zumeist productiv, und die Verwaltung ist ihren ruhigen Schritt weitergegangen: Dieselben Magistratsbeamten, die einst liberalen Stadträthen die Referate anfertigten, haben seither den christlichsocialen Stadträthen keine schlechteren geliefert. Dass die ungeübten neuen Männer beim Ablesen manchmal stockten, wenn’s schwierige Fremdwörter gab, konnte der Sache nicht schaden.
Aber was ist aus dem moralischen Reinigungswerk geworden, das wir so freudig begrüßten! Einem corrupten Capitalismus hatte der Kampf gegolten und einer Intelligenz, die theils um theures Geld die Arbeit der Corruption verrichtete, theils, der eigenen guten Absicht sich bewusst und bei ihr sich bescheidend, in hochmüthiger Verblendung übersah, was um sie vorgieng; einer Intelligenz, die, wo Koth war, nicht fegte, sondern Galloschen anzog und sich um die Verunreinigung des öffentlichen Lebens nicht weiter kümmerte. Der Capitalismus ward geschlagen, die satte Unmoral von der Tafel verdrängt, an der sie noch verdaute. Aber unter den Siegern gab es allzuviel Hungrige. Machtlos musste der Führer mitansehen, wie sie zu essen begannen. Die besten Bissen waren freilich schon weg. Aber noch gab’s manches Süpplein, das man auslöffeln konnte; und wenn die Löffel aus Silber waren, verschwanden sie bisweilen. Der Millionencorruption der Millionäre war die Fünfguldencorruption der Fünfguldenmänner gefolgt. Gleich ruhmlos endete auch der Kampf gegen die Corruption der Intelligenz. Weil mancher Besserwisser als nichtsnutziger Bursche entlarvt war, wurde das Dogma aufgestellt, die Nichtswisser allein seien die ehrlichen Leute. Und wenn man schließlich doch der Intelligenz bedurfte, scherte man sich wenig darum, dass die Intelligenz im eigenen Lager vielfach kaum minder corrupt war, als die liberale Intelligenz.
So sind heute die Unbefangensten zu entschiedenen Gegnern der Wiener Christlichsocialen geworden. Eines aber befürchten sie zumeist: dass aus der Abneigung gegen die herrschende Partei diejenigen Nutzen ziehen könnten, von deren Ueberwindung sie den Beginn einer besseren Zeit erhofft hatten, – die Liberalen. Ist es nicht ein unsäglich trauriger Anblick, wie mit dem herabgekommenen Rest dieser Partei sich heute tüchtige und moralische Männer in der gleichen Blindheit verbünden, die schon einmal zur Niederlage unserer bürgerlichen Intelligenz geführt hat? Ein Gutes hatte der christlichsociale Sieg gehabt: Die Redlichen waren zur Besinnung gekommen, hatten sich ganz aus dem politischen Leben zurückgezogen oder hatten versucht, eine ernste Opposition gegen den Liberalismus um sich zu sammeln. Von denen verlassen, deren gute Namen früher die Thaten der Nutznießer der Corruption deckten, war der Liberalismus rasch herabgesunken. Schließlich führte er einen öden Schimpfwörterkampf gegen einige Anhängsel der christlichsocialen Partei, und wer nicht zum Pöbel gehört, hat nie der Frage nachgesonnen, ob wohl das Rüpelthum eines Noske das eines Gregorig aufwiege. Jetzt, da die Wahlen bevorstehen, vermag der Liberalismus nicht einmal ein Communalprogramm aufzustellen. Und anstatt einen Rückblick auf die eigene Vergangenheit zu werfen, spricht er von Corruption der Christlichsocialen, von der Entehrung Wiens, von der Verletzung der moralischen und materiellen Interessen der Stadt. Die Neue Freie Presse‘ klagt darüber, dass der Gemeinderath mit dem Fortschritt auf intellectuellem und sittlichem Gebiete sich nicht in Uebereinstimmung befinde, und das Rüpelthum im öffentlichen Leben Wiens wäre Herrn Bacher, der den lange Nasen machenden Lucian Brunner wohl als Helden feiert, unerträglich, wenn es ihm nicht gelungen wäre, »in die besseren Kreise der Wiener Gesellschaft einzudringen«, die den Eindringling durch ihre feine Lebensart bezaubert haben.
Das Bündnis mit dem Liberalismus mag heute die Wenigen, die in unsrem öffentlichen Leben sich noch nicht compromittiert haben, compromittieren. Dass es den alten Verderbern unsres Stadtwesens neue Mandate einbringe, ist nicht ernstlich zu befürchten. Die wichtigeren Gegner der Christlichsocialen sind die Socialdemokraten. Auch diese Partei hat die Wirkungen des intellectuellen und moralischen Niedergangs unsres öffentlichen Lebens reichlich verspürt. Wer von ihrem Eintritt in die Politik eine Hebung des politischen Niveaus erhofft hatte, ist jetzt bereits stark ernüchtert. Aber hier darf man die Zuversicht noch nicht sinken lassen. Die Socialdemokratie hat ein ernstes Communalprogramm aufgestellt, ihre Männer sind zwar unerprobt, aber auch noch unverbraucht. Wer wählen will, mag sie wählen. Die Ellenbogen, Pernerstorfer, Reumann werden als Väter der Stadt keine üble Rolle spielen. Und Herrn Habakuk wär’s schon darum zu gönnen, dass er in die Rathsstube kommt, weil er dann rasch den Weg zum Rathsherrnstüberl finden würde.--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Die Bosheiten der »Concordia«-Presse gegenüber den Theaterleuten haben das ‚Deutsche Volksblatt‘ auf eine Idee gebracht. Es richtet an die Wiener Künstler die Bitte, ihm jene Gunst zuzuwenden, die die »Concordia« ihnen entzogen hat, und trägt sich für Liebesdienste jeglicher Art an. Dass Tagesblätter für Geld und gute Worte Reclamenotizen aufnehmen, ist nicht mehr neu. Dass aber eine Zeitung um die Zusendung von Reclamenotizen förmlich ansucht und eindringlichst der Erwartung, »keine Fehlbitte zu thun«, Ausdruck gibt, wird wohl allgemein verblüffen. In die Lücke, die die schmollende liberale Presse offen gelassen hat, tritt mit sieghafter Dummheit das antisemitische ‚Deutsche Volksblatt‘. Vor mir liegen mehrere Exemplare eines Rundschreibens, in welchem Herr Vergani den Schauspielern und Musikern seine Dienste anbietet. Das Circular, das einige der dankbaren Empfänger mir zu übersenden die Freundlichkeit hatten, lautet wörtlich:
»Deutsches Volksblatt«
Wien, VIII., Josefsgasse 4,
Telephon 1379.
Telegramme: Vergani, Wien.Wien, im März 1900
Euer Hochwohlgeboren!
Eine demnächst eintretende Vergrößerung des Umfanges des »Deutschen Volksblattes« wird es der Schriftleitung gestatten, wichtigeren Ereignissen auf dem Gebiete des Kunstlebens hinfort eine erhöhte Beachtung zu schenken. Wir benützen diesen Anlass, um an Euer Hochwohlgeboren die ergebene Bitte zu richten, uns in unserem Bestreben, das Publicum von allen interessanten Vorkommnissen der Theater- und Musikwelt zu unterrichten, freundlichst unterstützen zu wollen, in dem Euer Hochwohlgeboren von Gastspielen in der Provinz und im Auslande, die Sie unternehmen, sowie von Erfolgen, die Euer Hochwohlgeboren im Concert- und Vortragssaale erringen, uns gütigst Mittheilung machen. Durch Erfüllung unserer Bitte würden Euer Hochwohlgeboren uns in unserer Aufgabe, den Vermittler zwischen den Künstlern und dem Publicum zu bilden, aussererordentlich unterstützen, und sicher auch dem letzteren, das ja immer innigen Antheil an den Erfolgen von Wiener Künstlern in der Fremde nimmt, einen grossen Gefallen erweisen. In der Erwartung keine Fehlbitte zu thun, zeichnet mit dem Ausdrucke
vorzüglichster Hochachtung ergebenst
die Schriftleitung des
»Deutschen Volksblattes«
Wien, VIII|1, Josefsgasse 4.(Die Fackel: Nr. 41, Mitte Mai 1900, S. 24-25)
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Gleich ruhmlos endete auch der Kampf gegen die Corruption der Intelligenz. Weil mancher Besserwisser als nichtsnutziger Bursche entlarvt war, wurde das Dogma aufgestellt, die Nichtswisser allein seien die ehrlichen Leute. Und wenn man schließlich doch der Intelligenz bedurfte, scherte man sich wenig darum, dass die Intelligenz im eigenen Lager vielfach kaum minder corrupt war, als die liberale Intelligenz.
--
Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Ich glaube, es wird langsam Zeit, über eine Umbenennung des Threads nachzudenken.
--
»Der Umstand, dass mit solcher Gewalt auf die Bänke losgedroschen wurde, dass selbst die schweren, erzgegossenen Täfelchen mit den Namen der Abgeordneten in Stücke gebrochen sind, gibt einen Begriff von der Brutalität der Obstructionisten« – schreibt die ‚Neue Freie Presse‘ entrüstet. Da waren doch die Deutschen feinfühligere Herren. Sie haben ja auch Pultdeckel zerklopft und Bänke zertrümmert. Aber – die erzgegossenen Täfelchen blieben unversehrt. Darin äußert sich eben die Ueberlegenheit deutscher Cultur. So hat denn das Haus am letzten Tage der tschechischen Obstruction ein Bild viel ärgerer Verwüstung geboten als seinerzeit an dem letzten Tage der deutschen. Das war der 27. November 1897, und vor mir liegt das Protokoll der »Sitzung«. Es enthält zwischen »Pfeifen, Trommeln und Trompeten« auch einen ordentlichen Text gesprochener Worte. So heißt es in der zweiten Spalte unten:
Abgeordneter Dr. LECHER: – – – – Schamlosestes Arschgesicht! – – – –
Die Brutalität der tschechischen Obstructionisten ließ nicht einmal Rede und Gegenrede aufkommen und machte den Stenographen völlig überflüssig. Dabei mussten freilich die erzgegossenen Täfelchen in Stücke gehen.(Die Fackel: Nr. 43, Anfang Juni 1900, S. 3-4)
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Ein Leser macht mir die erfreuliche Mittheilung, dass weder Titel noch Programm meiner Zeitschrift originell seien. Kein Geringerer als Hans v. Bülow habe im Jahre 1864 eine ‚Fackel‘ ins Leben gerufen, die er zwar von einem Anderen redigieren ließ, aber mit seinem Geiste füllte. Ich bin für diese Feststellung einer historischen Priorität dankbar und freue mich, Bülows Briefen, die jener Leser dem ahnungslosen Epigonen sendet, einige Sätze entnehmen zu können, die geradezu an Inhalt und Schicksal der heutigen Wiener ‚Fackel‘ anzuknüpfen scheinen.
Im Jahre 1864 schrieb Hans v. Bülow an Joachim Raff »Möchtest Du eine neue Theater- und Musikzeitung empfehlen, deren erste Nummer vorigen Sonnabend erschienen ist und Artikel von Weitzmann und meiner Wenigkeit bringt? Sie heißt – nach meiner Taufe – ‚Die Fackel‘, kritische Wochenschrift zur Beleuchtung der Theater- und Musikwelt …« Am 29. Jänner 1864 schrieb Bülow an Dr. K. Gille: »Schönen Dank, dass Sie sich für die ‚Fackel‘ interessieren. Können Sie sie nicht in Weimar empfehlen?« Am 30. Jänner: »Wegen der ‚Fackel‘ bekomme ich grobe Briefe – das ist ihnen Geschäftsstörung! Hier wirkt das Blättchen übrigens mehr als ich gehofft. Es war mir ein solches Organ unerlässlich ….« Am 7. Februar an Cornelius Gurlitt: »Vielleicht haben Sie sich unterdeß die Nummern der ‚Fackel‘, die ich mir erlaubt habe, Ihnen vorzulegen, etwas angesehen und werden errathen, warum ich mich bei einer Theaterzeitung nebst meinem Freunde Weitzmann betheilige. Es ist ein Keim, ein Embryo, ein ‚gib mir wo ich stehe‘ – diesen Anfang entwickeln soll unsre Sorge sein. Vielleicht wird mit der Zeit eine wirkliche Künstlerzeitung daraus. Einstweilen ist es unsre Absicht, in der Musikwelt aufzuräumen, allen Schutt u.s.w. zu signalisieren, kurz der Anarchie und dem Unfug auf musikalischem Gebiete, wo immer derselbe unerträglich, entgegenzutreten, rücksichtslos, schroff. Denn die Leute haben hartes Fell und Masken über den Ohren. Wollen Sie mir, wird Freund Böie mithelfen wollen? Senden Sie mir eine Beleuchtung des Treibens in Hamburg ein, eine rücksichtslose, keine mit der Sache (der schlechten) zusammenhängende Persönlichkeit schonende. Mein Ehrenwort, dass ich das Manuscript von mir aus in die Redaction liefere, zur Vorsorge dasselbe copieren lasse, Ihnen das Original remittiere, kurz, dass weder Sie, noch ein Strohmann, den Sie etwa wählen möchten, compromittiert werden ….«
Sogar das »Blättchen« – die in Todschweigeblättern häufig wiederkehrende Bezeichnung – hat Bülow vorweggenommen. Furchtsame Gewährsmänner habe ich oft und oft brieflich beruhigen, ihnen versprechen müssen, dass ihre »Beleuchtung des Treibens« auf dem oder jenem Gebiete nur durch meine Hände gehen werde. Freilich, die Absicht, »in der Musikwelt aufzuräumen«, habe ich bisher trotz wiederholtem Appell an die betheiligten – leider oft nur allzu »betheiligten« – Kreise nicht durchführen können. Dafür aber hätte ich mir nie träumen lassen, dass schon sechsunddreißig Jahre vor mir irgendwo der Satz niedergeschrieben wurde: »Wegen der ‚Fackel‘ bekomme ich grobe Briefe – das ist ihnen Geschäftsstörung!«(Die Fackel: Nr. 45, Ende Juni 1900, S. 26-27)
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<= -
Schlagwörter: Lesefrucht, Sentenzen, Textstellen, Zitate
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.