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Ein Leser macht mir die erfreuliche Mittheilung, dass weder Titel noch Programm meiner Zeitschrift originell seien. Kein Geringerer als Hans v. Bülow habe im Jahre 1864 eine ‚Fackel‘ ins Leben gerufen, die er zwar von einem Anderen redigieren ließ, aber mit seinem Geiste füllte. Ich bin für diese Feststellung einer historischen Priorität dankbar und freue mich, Bülows Briefen, die jener Leser dem ahnungslosen Epigonen sendet, einige Sätze entnehmen zu können, die geradezu an Inhalt und Schicksal der heutigen Wiener ‚Fackel‘ anzuknüpfen scheinen.
Im Jahre 1864 schrieb Hans v. Bülow an Joachim Raff »Möchtest Du eine neue Theater- und Musikzeitung empfehlen, deren erste Nummer vorigen Sonnabend erschienen ist und Artikel von Weitzmann und meiner Wenigkeit bringt? Sie heißt – nach meiner Taufe – ‚Die Fackel‘, kritische Wochenschrift zur Beleuchtung der Theater- und Musikwelt …« Am 29. Jänner 1864 schrieb Bülow an Dr. K. Gille: »Schönen Dank, dass Sie sich für die ‚Fackel‘ interessieren. Können Sie sie nicht in Weimar empfehlen?« Am 30. Jänner: »Wegen der ‚Fackel‘ bekomme ich grobe Briefe – das ist ihnen Geschäftsstörung! Hier wirkt das Blättchen übrigens mehr als ich gehofft. Es war mir ein solches Organ unerlässlich ….« Am 7. Februar an Cornelius Gurlitt: »Vielleicht haben Sie sich unterdeß die Nummern der ‚Fackel‘, die ich mir erlaubt habe, Ihnen vorzulegen, etwas angesehen und werden errathen, warum ich mich bei einer Theaterzeitung nebst meinem Freunde Weitzmann betheilige. Es ist ein Keim, ein Embryo, ein ‚gib mir wo ich stehe‘ – diesen Anfang entwickeln soll unsre Sorge sein. Vielleicht wird mit der Zeit eine wirkliche Künstlerzeitung daraus. Einstweilen ist es unsre Absicht, in der Musikwelt aufzuräumen, allen Schutt u.s.w. zu signalisieren, kurz der Anarchie und dem Unfug auf musikalischem Gebiete, wo immer derselbe unerträglich, entgegenzutreten, rücksichtslos, schroff. Denn die Leute haben hartes Fell und Masken über den Ohren. Wollen Sie mir, wird Freund Böie mithelfen wollen? Senden Sie mir eine Beleuchtung des Treibens in Hamburg ein, eine rücksichtslose, keine mit der Sache (der schlechten) zusammenhängende Persönlichkeit schonende. Mein Ehrenwort, dass ich das Manuscript von mir aus in die Redaction liefere, zur Vorsorge dasselbe copieren lasse, Ihnen das Original remittiere, kurz, dass weder Sie, noch ein Strohmann, den Sie etwa wählen möchten, compromittiert werden ….«
Sogar das »Blättchen« – die in Todschweigeblättern häufig wiederkehrende Bezeichnung – hat Bülow vorweggenommen. Furchtsame Gewährsmänner habe ich oft und oft brieflich beruhigen, ihnen versprechen müssen, dass ihre »Beleuchtung des Treibens« auf dem oder jenem Gebiete nur durch meine Hände gehen werde. Freilich, die Absicht, »in der Musikwelt aufzuräumen«, habe ich bisher trotz wiederholtem Appell an die betheiligten – leider oft nur allzu »betheiligten« – Kreise nicht durchführen können. Dafür aber hätte ich mir nie träumen lassen, dass schon sechsunddreißig Jahre vor mir irgendwo der Satz niedergeschrieben wurde: »Wegen der ‚Fackel‘ bekomme ich grobe Briefe – das ist ihnen Geschäftsstörung!«
(Die Fackel: Nr. 45, Ende Juni 1900, S. 26-27)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=