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Die Bosheiten der »Concordia«-Presse gegenüber den Theaterleuten haben das ‚Deutsche Volksblatt‘ auf eine Idee gebracht. Es richtet an die Wiener Künstler die Bitte, ihm jene Gunst zuzuwenden, die die »Concordia« ihnen entzogen hat, und trägt sich für Liebesdienste jeglicher Art an. Dass Tagesblätter für Geld und gute Worte Reclamenotizen aufnehmen, ist nicht mehr neu. Dass aber eine Zeitung um die Zusendung von Reclamenotizen förmlich ansucht und eindringlichst der Erwartung, »keine Fehlbitte zu thun«, Ausdruck gibt, wird wohl allgemein verblüffen. In die Lücke, die die schmollende liberale Presse offen gelassen hat, tritt mit sieghafter Dummheit das antisemitische ‚Deutsche Volksblatt‘. Vor mir liegen mehrere Exemplare eines Rundschreibens, in welchem Herr Vergani den Schauspielern und Musikern seine Dienste anbietet. Das Circular, das einige der dankbaren Empfänger mir zu übersenden die Freundlichkeit hatten, lautet wörtlich:
»Deutsches Volksblatt«
Wien, VIII., Josefsgasse 4,
Telephon 1379.
Telegramme: Vergani, Wien.
Wien, im März 1900
Euer Hochwohlgeboren!
Eine demnächst eintretende Vergrößerung des Umfanges des »Deutschen Volksblattes« wird es der Schriftleitung gestatten, wichtigeren Ereignissen auf dem Gebiete des Kunstlebens hinfort eine erhöhte Beachtung zu schenken. Wir benützen diesen Anlass, um an Euer Hochwohlgeboren die ergebene Bitte zu richten, uns in unserem Bestreben, das Publicum von allen interessanten Vorkommnissen der Theater- und Musikwelt zu unterrichten, freundlichst unterstützen zu wollen, in dem Euer Hochwohlgeboren von Gastspielen in der Provinz und im Auslande, die Sie unternehmen, sowie von Erfolgen, die Euer Hochwohlgeboren im Concert- und Vortragssaale erringen, uns gütigst Mittheilung machen. Durch Erfüllung unserer Bitte würden Euer Hochwohlgeboren uns in unserer Aufgabe, den Vermittler zwischen den Künstlern und dem Publicum zu bilden, aussererordentlich unterstützen, und sicher auch dem letzteren, das ja immer innigen Antheil an den Erfolgen von Wiener Künstlern in der Fremde nimmt, einen grossen Gefallen erweisen. In der Erwartung keine Fehlbitte zu thun, zeichnet mit dem Ausdrucke
vorzüglichster Hochachtung ergebenst
die Schriftleitung des
»Deutschen Volksblattes«
Wien, VIII|1, Josefsgasse 4.
(Die Fackel: Nr. 41, Mitte Mai 1900, S. 24-25)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=