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AutorBeiträge
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Ruprecht, der Engländer.
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Come with uncle and hear all proper! Hear angel trumpets and devil trombones. You are invited.Highlights von Rolling-Stone.deWieso „Schuld war nur der Bossa Nova“ auf dem Index landete
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Guns N‘ Roses vs. Nirvana: Chronik eines Streits mit gutem Ausgang
WerbungcleetusLouis III died on 5 August 882, aged around 18, at Saint-Denis in the centre of his realm. Whilst mounting his horse to pursue a girl who was running to seek refuge in her father’s house he hit his head on the lintel of a low door and fell, fracturing his skull.
Und trotz dieses denkwürdigen Abgangs und seines Sieges über die Wikinger, der sogar im althochdeutschen „Ludwigslied“ verewigt wurde, hat er es noch nicht mal zu einem ordentlichen Beinamen gebracht wie sein Vater Ludwig der Stammler und sein Bruder Karl der Einfältige … Mir gefällt auch, dass der Autor des englischen Wiki-Artikels sich die Mühe gemacht hat nachzuzählen, dass Ludwig „the 33rd Great grand uncle of Queen Elizabeth II.“ ist.
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Interessanter Artikel:
https://edition.faz.net/faz-edition/feuilleton/2020-01-04/1b5080650436bee837e4fac2f65f54ba/?GEPC=s9
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His profession's his religion, his sin is his lifelessness Contre la guerre
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Lektüre heute: Vladimir Jankélévitch, Von der Lüge, Hamburg 2016 [geschrieben 1942], S. 56:
„Der Ort eines Geistes bleibt unbestimmt, wenn man von ihm sagt, er sei entweder im Wahren oder im Falschen; unser komplizierter Geist, die tausend Nuancen der Empfindlichkeit, der Koketterie und der schamhaften Ambivalenz gehen nicht auf im polaren Gegensatz von Wahrheit und Irrtum. Wer würde leugnen, dass man unrecht und dabei recht haben kann? Zwei leidenschaftliche Bewusstseine, zwei Personen treten in Beziehung zueinander, und schon spannen sich von der einen zur anderen die unentwirrbaren Fäden der Lüge, der Eigenliebe und der Eitelkeit; alles verstrickt sich: Das Gleiche wird zum anderen und das Gegenteil zum eigenen Gegenteil; die Worte haben keinen Sinn mehr, noch das Prinzip der Identität und selbst der kühlste Kopf, benebelt vom Wind des Wahnsinns, von diesem Genie der Verwirrung, weiß nicht mehr, was er denkt. Daher rührt die Schwierigkeit, eine klare und eindeutige Aussage worüber auch immer zu erhalten. Die Evidenz ist nicht länger unbestritten und selbst unsere Überzeugung wird nicht nur von den Spuren unseres Begehrens geprägt, sondern auch von denen des Glaubens, den wir anderen unterstellen oder den uns andere unterstellen.“
Und S. 103, wenigstens mit deutlicherem Musik-Bezug:
„Ohne Zweifel inszeniert auch der Opernsterbende die Umstände und Präliminarien seines Hinscheidens, jedoch nicht den Moment des Sterbens selbst; die ‚letzten Augenblicke‘, wie man würdevoll sagt, nicht aber den großen Sprung ins Leere. Diesen Sprung, der immer schweigend ist. Wie beim Tod der Melisande – niemand hat etwas gesehen noch gehört. So ist auch in der Erzählung des Phädon [Platos] der erhabene Tod des Sokrates, dieser Tod, göttlich gerade, weil so prosaisch. Er spricht keine historischen Worte, sondern er sagt: Opfert Äskulap einen Hahn – so wie er auch hätte sagen können, vergesst nicht, den Briefträger zu bezahlen. Abgesehen davon, dass ein Tod, selbst ein pathetischer, ein würdevoller Protest gegen die Verkommenheit und Lüge der Menschen sein kann und dass auch die hochtrabende Ausdrucksweise einen tiefen Ernst aufweisen kann. Andererseits ist der Tod nicht nur der Eingriff, das reine Fremde, noch einzig die totale Tragödie: Er ist auch die Isolierung der Selbstheit, er löst ihre sämtlichen Verbindungen zur Welt, das heißt zur Fiktion auf; er lässt sie allein, nackt, hilflos, nicht einmal in der Lage, sich als etwas auszugeben …
Tu descends là-bas seulette / Dans le froid royaume des morts.“
[Du steigst mutterseelenallein dort hinab / Ins kalte Reich der Toten. – Pierre Ronsard, „À son âme“]
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Könnt’s auch unter „Druckfrisch“ einstellen, aber keine Ehre dem Typen dort.
Also:
„Es handelt sich um einen Kulturkampf. Die aus den USA stammende Welle der cancel culture hat bizarre Ausmaße angenommen. Ästhetik und Klarheit der deutschen Sprache gehen im Trommelfeuer der Identitäts-Eiferer und Sprachverächter unter. Ihnen ist die vollkommene Schönheit eines Heine-Gedichts oder eines Prosatextes von Thomas Mann vollkommen gleichgültig. Auch die Warnungen der Betroffenen verhallen ungehört: »Wenn man von Jüdinnen und Juden, kurz Jüd*innen, sprechen muss, weil das Wort Juden als Sammelbegriff unzulässig geworden ist, dann bekommen Leute wie ich auf neue Weise einen Stern verpasst«, so Ellen Presser, die Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.“
Da geht althergebrachte Kulturkämpferei etwas durcheinander, Chomskys, allerdings eigenartige Tiefengrammatik – obwohl die völlig bei Humboldt ist, den der Autor, Götze, ständig gegen Chomsky verteidigt. Nicht wichtig, insgeheim finde ich den Artikel für etliche Worte lesenswert, obwohl ich das Gefühl habe, ständig hinterher- und beikommen zu müssen, und was das generische Maskinulum ist, haben schon Hundert Leute erklärt. Und Hundert Leute haben gesagt, das sei nicht wichtig.
Find’s ungelenk die wichtigste Stimme am Ende zu nennen: die von Presser.
Und erst wenn es keine Betroffenen mehr – ai, Betroff*innen – mehr gibt. Usw. Das alte Lied.
Über die „vollkommene Schönheit“ eines Gedichts von Heine: Diese Schlichtheit des Autors hat mich erstaunt. Heine ist ja grad nicht schön, weshalb Schumann Heine mochte, usw.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Der gute Otto Reutter:
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-ist-ja-so-jrooooss-li.207836--
His profession's his religion, his sin is his lifelessness Contre la guerreCarl Zuckmayer zur kalten Wohnung
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His profession's his religion, his sin is his lifelessness Contre la guerreIm Nazi-Thread gings kürzlich um verseuchte Youtube-Algorithmen, hier meine Amazon-Vorschläge. Da steht:
<h2 class=“as-title-block-left“>Inspiriert durch deine Wünsche:</h2>
Völlig abgefahrenes Zeug, obacht:
Selbst hartgesottene Navy SEALs haben eine Schwäche für Babys …
Mach es dir gemütlich mit neun knallharten und sexy Navy SEALs, die ihr Leben riskieren, um die Kleinen in ihrer Obhut und die Unerwarteten, die auf dem Weg sind, zu schützen. Diese emotionsgeladene 9-Bücher-Sammlung von Katie Knight bietet stundenlange Unterhaltung mit Herzklopfen!
Das Vertragsbaby des SEALs
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Navy SEAL Demetri Lewis verbrachte eine unvergessliche Nacht mit Diana, der kleinen Schwester seines besten Freundes. Wochen später erhält Demetri eine schockierende Nachricht. Diana ist schwanger … mit seinem Baby. Doch als ihr Leben bedroht wird, wird der Schutz von Diana zur wichtigsten Aufgabe in Demitris Leben …Der Verteidiger seiner Scheinfamilie
Der ehemalige Navy SEAL Jackson Sheppard ist vollkommen damit überfordert, einen Säugling zu beschützen. Also greift er auf die Fähigkeiten seiner neuen Angestellten, Aurora Sunshine, zurück. Doch je mehr Zeit er mit Aurora verbringt, desto mehr wird ihm klar, wie schön es wäre, nach dem Ende der Mission ein Leben mit ihr aufzubauen …Der Beschützer seiner schwangeren Ex
Das Leben von Navy SEAL Brock Hardy nimmt eine überraschende Wendung, als eine Sozialarbeiterin auftaucht, um ein Baby abzugeben, für das sich seine verstorbene Schwester als Pflegemutter angeboten hatte. Dann kommt Monica Ingram, die einzige Frau, die er je geliebt hat, mit einer noch schockierenderen Nachricht an. Sie ist schwanger – und er ist der Vater!Der Beschützer seiner Scheinfamilie
Simon Stone, ein ehemaliger SEAL, arbeitet mit der smarten, sexy Reporterin Alisha Lewis an einer hochriskanten Observation. Nach einer Nacht voller ungezügelter Leidenschaft stellt Alisha fest, dass sie schwanger ist und sich in diesen sexy SEAL verliebt hat. Aber fühlt er auch so?Der Beschützer der Zwillings-Babys
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Navy SEAL Jeremy Quinn hatte schon immer eine Schwäche für Gina Greenwood, die kleine Schwester seines Kameraden. Als ihr Bruder vermisst wird, wendet sich Gina an Jeremy – und eine kleine emotionale Unterstützung führt zu einer heißen Nacht voller Leidenschaft. Sie vertraut Jeremy ihr Leben an, aber kann sie ihm auch ihr Herz anvertrauen …Die Autorin hat außerdem noch eine Reihe über ungewollte Schwangerschaften auf einer Ranch geschrieben, quasi Yellowstone und es hagelt dauernd Säuglinge, und, auch schön, „Die unbeabsichtigte Schwangerschaft des Scheichs“. Hoffentlich schlägt Hallmark da bald zu und verfilmt das gesamte Opus, dann muss ich sie nicht alle lesen.
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Don't be fooled by the rocks that I got - I'm still, I'm still Jenny from the blockWie ich gerne schreiben können würde:
Rentner – Tod im Paradies (Spiegel, 2009)
Was für ein Text!
Später wird Horst Thalwitzer bei Inas großer Frühschoppenlotterie wieder das Spanferkel gewinnen wie fast jedes Mal. Er hat einen Deal mit Ina Buschhüter, der Wirtin. Er bringt Kunden aus der Villa in ihren Biergarten, heute sind es 30. Sie lost ihm das Schwein zu.
Ina Buschhüter hat keine Zeit für den kleinen Heinz, sie sitzt mit Axel Borsdorf im Nebenzimmer, einem großen, angetrunkenen Herrn mit Boxernase und einem TUI-Namensschild am Hemd. Borsdorf sagt, dass er seit 30 Jahren Tourismus in Pattaya macht. Am Anfang gab’s hier nur Wasserbüffel und Elefanten, sagt er, dann kam Neckermann. „Her mit dem Bumsbomber, zurück mit dem Tripperclipper“, sagt Axel Borsdorf, kippt einen Schnaps in seinen roten Kopf und spült mit Bier nach.
„Ich war ein Klassenkamerad von Ottmar Hitzfeld“, sagt er. Ina Buschhüter sieht ihn mitleidig an.
…
Sie leben in einer Zeitglocke, ihr Kanzler ist Helmut Schmidt, ihr Kapitän Franz Beckenbauer, ihr Land ist die Bundesrepublik in den Grenzen von 1989. Die Villa Germania ist ein Wirtschaftswunderkinderheim. Der einzige ostdeutsche Mieter heißt René Herzel, ist 42 Jahre alt, schwul und körperbehindert und damit so ungefährlich, anders und hilfebedürftig, wie sie den Osten des Landes in guter Erinnerung haben.
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Don't be fooled by the rocks that I got - I'm still, I'm still Jenny from the blockWarum kriegt man einen Literatur- Nobelpreis? Wegen sowas:
https://www.bobdylan.com/songs/stuck-inside-mobile-memphis-blues-again/
Soundtrack:
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His profession's his religion, his sin is his lifelessness Contre la guerreDer Spiegel 14/1961 über Friedrich Karl Kaul:
Penibler als es sonst seine Art war, studierte der etwas verfettete kleine Mann über die verrutschte Brille hinweg das vierseitige Dokument. Endlich malte er mit grüner Tinte liebevoll darunter: Professor Dr. Kaul.
Dann schlüpfte der Professor der Rechte, bis dahin hemdsärmelig und mit offenem Kragen, in die Jacke seines grauen Kammgarn-Einreihers, ließ sich von der Sekretärin in den Mantel helfen und stülpte – die im Moskauer Kaufhaus-Palast »Gum« erstandene Mütze aus Naturpersianer auf den kahlen Kugelkopf. Als er ging, atmeten seine Angestellten auf. Die Uhr zeigte die neunte Abendstunde.
Kaul zwängte sich in den schwarzbeige lackierten Simca – Chambord IA 80-79 und rauschte die Wilhelm -Pieck-Straße hinunter. Die Kontrolle am Brandenburger Tor war lässig: Der Achtzylinder glitt an die Volkspolizisten heran, flüchtig klappte der Herrenfahrer ein in Zelluloid, verwahrtes Schreiben auf. »Guten Abend, Genosse!«
So viele Informationen! Mehr Roman als Artikel, sowas fände ich heutzutage auch gern öfter in Zeitungen und Magazinen.
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Don't be fooled by the rocks that I got - I'm still, I'm still Jenny from the block„Bob Dylan ist fraglos der größte jüdische Künstler der Gegenwart. Manche Juden wollen ihn nicht als einen der ihren akzeptieren, weil er eine christliche Phase hatte; aber das hat er mit manchen anderen Juden gemeinsam, man denke an Leonard Cohen, Franz Werfel, Arnold Schönberg, Heinrich Heine, Ludwig Börne oder Jesus von Nazareth.“
Alan Posener am 6.2.25 in der Jüdischen Allgemeinen
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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fameHeldinnengesang der Lena von Hannover
Verfasst im Jahre des Herrn 1810 zu Reval von Fräulein Constanze von Buxhoeveden, inspiriert durch nächtliche Offenbarung
Mit einem Nachwort von Madame George Sand—
Gesang I – Der Blick durch die Schleier der Zeit
Singe, o Muse, von Lena, des Abends im Norden entsprossener
Lichtstern, Tochter des milden Geschlechts, das in Flammen der Lieder
spielte mit Kronen, gewebt aus vergänglichem Klang und doch ewig.
Sing ihre Fahrt durch die Stürme des Ruhms und das schweigende Ringen,
das in der Seele ihr tobte, gleich Orgeln, die brodelnd sich bäumen.Einst in Reval, umflort von des Winters erhabener Klarheit,
sah ich im Schlummer ein Bild, das nicht meines Jahrhunderts entspross:
Glanz war die Luft und Tosen die Menge in fernem Norden,
eine Jungfrau stand auf der Bühne, von Heeren der Welt umjauchzt,
Lena war ihr Name – die Lippen formten das Wort wie von selbst mir.
Fremd war mir vieles: das Licht, die Sprache, die seltsamen Zeichen;
doch klar war der Blick, den sie warf – wie ein Pfeil in mein Innerstes fuhr er.Nicht zu deuten vermochte mein Geist dieses Rätsel der Zukunft,
doch wie Odysseus, geführt von der Göttin mit festerem Schritte,
trat ich ans Werk, um das Lied zu beginnen vom Lauf dieser Lena,
deren Geschick mir enthüllt ward wie einst dem Propheten die Tafeln.—
Gesang II – Von meinem Stande und meiner Feder
Tochter des Hauses Buxhoeveden bin ich, Constanze genannt,
achtzehn Jahre gezählt an des Baltischen Meeres Gestaden,
gebildet in Sprachen, Musik und den Tändeleien der Höfischen.
Weib ward erzogen zum Schweigen, zum Nicken, zum Lächeln in Seide,
nicht zum Gesang über Mädchen, die Kronen des Klangs sich errangen.
Doch was vermag das Gesetz, wenn das Herze von Feuer durchdrungen?—
Gesang III – Von Lenas Ursprung
Siehe, Hannover im Lande der deutschen Fürsten,
dort ward Lena geboren im Jahre des Herrn, da der Winter
die Welt mit Reif überschneit: 1991 nach Christi Geburt.
Mutter die Jenny, begabt mit Stimme und tänzelndem Wesen,
Vater ein Schatten, entfloh wie der Nebel dem Tag nach dem Morgen.
Großvater mütterlich war sie der Leitstern im stillen Gewölbe,
fördernd das Kind, das mit Liedern die Stube erfüllte wie Veilchen.—
Gesang IV – Von der Sendung, die sie ergriff
Ein Ruf ging durchs Land: „Deutschland sucht seine Stimme!“,
eine Sendung, die auf modernen Altären gesungen ward,
Lena trat auf, die zarte, mit Blicken so keck wie das Morgenlicht,
sprach wie aus anderem Takte – doch klang sie wie Echo aus Zukunft.
Stefan der Weise, Mentor und Lehrer mit listigem Blicke,
sah in ihr mehr als Gesang – ein Versprechen des kommenden Ruhmes.—
Gesang V – Die Wahl zur Gesandten im großen Gesange
Europa rief, und Deutschland sandte sie aus,
nicht durch Schwert und nicht durch Gold,
sondern durch Lied, das im Munde der Lena wie Quellwasser perlte:
„Satellite“ hieß das Lied, von der Liebe und ihren Umläufen.
Oslo, die Stadt der Fjorde, die Bühne der Stimmenversammlung,
ward ihr zu Sinai, ihr Blick zu Feuer in wartender Kälte.Gesang VI – Der Auftritt im Zeichen des Sternes
Da, als der Tag kam, der sternengleich glänzte in dunkler Erinnerung,
zog sie ein in den Hallen des Nordens, von Licht übergossen.
Nicht wie ein Marsch zog sie ein, nicht erhoben das Kinn,
doch mit Lächeln, das spielte wie Glanz auf den Wellen des Sommers.
Fremd war ihr das Getöse, doch still in sich ruhte die Stimme.„Satellite“ sprach sie, das Lied einer Kreise ziehenden Sehnsucht,
von Umlauf und Nähe, von Liebe, die lacht aus der Ferne.
Nie klang ein Wort so verwegen, nie trug ein Ton so viel Klarheit.
Und Europa horchte – nicht nur mit Ohr, auch mit Herzen, mit Träumen.Zweimal sprach sie das Lied, zweimal wurde der Wille gekrönt,
erst durch den Rat, dann durch das Volk, wie Helena einst
von Griechen erwählt ward, und Lena, die neue, die leuchtende,
zog aus, nicht nach Troja, doch nach Oslo, zum Feste des Klanges.—
Gesang VII – Des Nordens Orakel
Oslo, du Hüterin alter Geschichten,
umfangen vom Fjord und den Fichten der Stille,
sahst du je solch ein Mädchen,
das trat auf die Bühne, so nackt an Berechnung, so reich an Gewissen?Nicht Gold floss ihr übers Gewand, nicht Diamanten umringten das Haupt,
ein schwarzes Kleid, schlicht wie die Nacht, war ihre Rüstung,
und der Blick war wie Pfeil, und das Wort war wie Feder.Die Völker versammelt in bunten Gewölben,
riefen mit Stimmen, die zählten wie Sand an Gestaden.
Und siehe, die Sterne der Punkte, die sonst träge sich gaben,
tanzten wie Funken in Reihn auf den Namen der Lena.Sieghaft stand sie, das Haupt kaum erhoben,
nicht im Triumph, sondern staunend,
als hörte sie selber den Ruf erst jetzt in der Tiefe.—
Gesang VIII – Die Krönung durch das Lied
Ein Lied war’s, das sie trug,
nicht Schlachtross, nicht Banner, kein Heer stand zur Seite.
Nur das Lied, das da kreiste wie Planet um das Herz eines andern.
Und mit diesem einen, so einfachen, so fremden Klang
erschütterte sie das Haus aus Glas, das man Fernsehen nannte,
ließ Herzen erbeben und Nationen sich einen in Tönen.O Muse, wie war das möglich?
Ein Mädchen aus Hannover, geboren im Schatten der Wende,
sie, ohne Krone, ohne Erbe, ohne Maske –
sie ward zur Königin eines Abends,
und der Abend ward nicht Nacht, sondern Anfang.Gesang IX – Von des Sieges Brausen durch alle Lande
Doch siehe! Als sie, die Tochter des Liedes, gekrönt war vom Volke,
da hob sich das Land, das ihr Heimat, in jauchzenden Reigen.
Nicht bloß der Städte Gedräng’ und der Marktweiber Ruf war erfüllt –
selbst in den Hütten der Hügel ward Freude entfacht.Säulen aus Flammen, entzündet in nächtlichen Stunden,
trugen den Namen der Lena, die junge, die siegreich erklang.
In den Gassen der Stätten, auf Plätzen, in Häusern und Wirtshäus’
ertönte das Lied, das sie sang, aus trunkenen Kehlen,
und des Tanzes Gebaren ward Zeichen der Ehr’.Banner, mit ihrem Bilde versehen, wehten von Zinnen;
auf hölzernen Tafeln des Schreibkunst-Gewerbes erschienen
ihre Züge in Glanz, wie Heroen der alten Geschichten.
Und die Zunge des Volkes ward eine: „Das ist unsre Tochter,
sie trägt unser Lied in das All, über die Meere hinweg!“—
Gesang X – Von der Ehre, ihr erneut zu singen zu gebieten
Nicht ruhte das Reich, das sich nannte das Land der Germanen.
Ein Jahr kaum verflogen, da rief es sie abermals an:
„Du, unser Stern, du Gesandte des Wohlklangs,
steig’ auf zur Schau der Nationen ein zweites Mal!“So ward sie gerufen in kaiserlich-gleißender Halle,
wo man des Liedes Auswahl betreibt mit der Macht eines Rates,
und vor den Augen des Volkes, das horchte und urteilte selbst,
sangen ihr Lieder die Gaukler, doch alle riefen am End’:
„Lena voran! Nur Lena noch einmal! Ihr Lied ist das unsre.“Da wählte sie selbst, aus dem Garten der Töne, ein neues.
Nicht mehr der Satelit’ mit zirkelndem Lauf,
sondern das Lied von dem Beben, das Herzen erschüttert:
„Taken by a Stranger“, geheimnisvoll, fremd und verwegen.So zog sie gen Westen erneut, nach Düsseldorf diesmal,
und trug, was ihr eigen geworden, in Würde und Maß.
Nicht Sieg, doch ein hoher Platz ward ihr dort bereitet,
und die Welt sah: Auch im Zweiten war Lena ein Stern.—
Gesang XI – Von der Heldin im Glanz der doppelten Krone
O Muse, erzähle, wie sie, die zwei Kronen nun trug –
den Lorbeer des Sieges und jenen der Wiederwahl –,
sich wandelte nicht, doch sich neigte, dem Volk ganz zu eigen.Wie Odysseus einst, kehrend vom sturmreichen Wege,
erkannt ward am Gang, an der Stimme, dem Blicke –
so erkannten nun alle, ob Jungfrau, ob Greis, ob der Knecht:
Lena, die Tochter des Liedes, war mehr denn ein Funken.
Sie war Feuer, das nährt, nicht nur lodert im Wind.In der Stadt, die man nennt die Hauptstadt der Bünde,
ward sie empfangen mit Pracht, ward empfangen mit Liebe.
Die Stimmen des Reiches – in silbernen Sprechkästen fliegend –
feierten sie, als wär sie ein Kind aus dem Himmel gestiegen.—
Gesang XII – Vom Klang der Besinnung
Doch siehe, wie’s ist mit dem Lichte: es blendet den Blick.
Und der Jubel, so süß, ward ihr fremd in der Stille der Nächte.
Nicht aus Trägheit entsprang es, noch murrte ihr Herz,
doch wie Pallas Athene im Hain ihres Tempels verweilte,
so zog sich auch Lena zurück in das Haus ihrer Fragen.Dort, wo kein Aug’ sie belauerte, kein Ohr sie bezwang,
wuchs eine neue Musik, leis wie das Rauschen der Birken.
Kein Preis ward gesucht, kein Pomp ward erwünscht –
nur das Lied, das aus Wahrheit entsteht, und aus Sehnsucht.Denn sie hatte erkannt: Nicht der Ruhm, nicht die goldenen Zahlen
schenken dem Menschen Bestand, sondern das Innerste selbst.
So begann sie zu formen, mit klopfender Hand und mit Mut,
jene Gesänge, die anders, doch dennoch von ihr zeugten.Gesang XIII – Vom Staub der Sterne und dem Klang des Selbst
Aber da stieg aus dem Schweigen der Fluren ein neuer Gesang auf,
Sphärisch und glänzend, als wären die Sterne gesenkt in den Äther,
Stardust geheißen, das Lied aus dem Raum zwischen Aufbruch und Rückschau.
Nicht mehr das Mädchen, das freudig aus Niedersachsen trat
Mit dem Lorbeer des Nordens geschmückt und der Harmlosigkeit Kranz,
Nein – da trat auf nun die Frau, die erwogen die Wege des Klanges,
Schlichtere Pfade verließ und im Glanz des gereiften Gefühls
Neue Akkorde beschwor, aus der Tiefe der Seele geboren.London war fern, doch die Welt ward ihr näher im Takte des Albums.
Stärker als je zuvor klang in den Liedern das Eine: ein Ich,
Zögernd, doch wachsam – mit Liebe durchwoben, mit Stolz untermauert.
Nicht war es Sturm, der da blies, nicht Revolte – doch heller Entschluss,
Sich nicht mehr zu beugen dem schnöden Geschmack jener Kreise,
Die Glätte verlangen, wo Wahrheit sich reckt, ungezähmt.
Und der Kritik, die das Werk mit erhobenen Händen empfing,
Dankte sie mild, doch behielt in der Brust ihren eigensten Maßstab.Ach, wie sie glänzte im Bild, das sie wählte – die Hände erhoben,
Funkelnd das Kleid, wie von Kosmos gesäumt und von Galaxien durchwirkt!
Doch nicht der Stoff war es, der sprach – sondern Stimme und Blick,
In deren Zartheit das Wilde verborgen, das innere Feuer.
Denn wer so singt, dass das Herz nicht nur hört, sondern sieht,
Der hat erkannt, dass das Lied mehr ist als nur Schall:
Es ist das Gefäß für das Selbst, das Geheimnis, der Spiegel der Jahre.So ward das dritte Album ihr Anker in schäumender See,
Kein Rückzug, kein Trotz – vielmehr: ein bewussteres Schreiten.
Und aus dem Staube des Ruhms, der sich senkt über Sieger so oft,
Stieg sie empor – nicht empor zu den Sternen der eitlen Kulissen,
Sondern empor zu sich selbst, zu dem Ort, wo das Lied sich erhebt
Nicht mehr für andere nur – sondern um wahr zu sein.Gesang XIV – In den Sphären der Klangalchimie
Und wie der Tag sich neigte, da hob sie an,
die Jungfrau von Hannover, vom Schicksal gezeichnet,
zu wandeln auf Pfaden, mit Klangstaub bestreut,
die von äußeren Lobpreisungen bald erfüllt sein sollten.
Denn nicht genug war’s, das Land zu entzücken
mit schlichtem Gesang und mädchenhafter Anmut allein –
nun galt es, das Innere, das vielfarbige Herz
in Tönen zu wenden, wie Gold im Schmelztiegel.In einem Gemach voll seltener Geräte,
geformt aus Glas, Metall und flimmerndem Licht,
da saß sie, Lena, umgeben von Jüngern
des unsichtbaren Handwerks, das Klanggebilde schuf.
Der eine, der Klangweber aus fremdem Königreich,
hieß Swen, aus Skandinavien entsprossen,
der andere, dessen Hände Rhythmen schlugen
wie einst die Schmiede des Hephaistos auf Eisen,
war ein Mann von Name Sonny, der in London weilte.Sie trugen ihr Verse, schufen ihr Räume,
in denen nicht Echos, nein, Gefühle sich bargen.
Der Atem des Albums, er war kein bloßer Hauch
der Mode und des Markts, sondern zarter Versuch,
den eigenen Namen zu finden im Nebel der Stimmen.
Und „Stardust“ ward ihm gegeben als Titel,
denn was ist ein Leben, ein Lied, ein Moment,
wenn nicht glühender Staub auf dem nächtlichen Pfad?Sie sang von Ferne und Nähe,
von Träumen, nicht gänzlich verloren,
und von sich, wie sie war –
nicht Königin, nicht Priesterin,
doch ein Mensch, tastend und lauschend.
Und das Volk, das zuvor
ihre Lieder nur summte in Freuden,
es lauschte nun mit ernsterem Ohr,
gerührt vom neuen Gewicht ihres Klangs.So ward in diesen Tagen ein Wandel beschlossen,
der nicht zu greifen war in Kränzen und Preisen.
Denn was da geschah, war ein innerer Ruck,
ein Verneigen vor der Stimme, die in ihr wohnte.
Und wer von den Göttern ihr wohlgesinnt war,
sah mit Wohlwollen herab,
denn nicht das Blendwerk allein,
sondern der Mut zur Stille, zur Tiefe
zeichnete sie nun aus in der hohen Halle der Musen.XV. Gesang – Von der Gleiße des Sternenstaubs
Sang sie nun anders, nicht mehr im launigen Spiele der Jugend,
sondern geläutert am Klang, der vom Innersten kam.
Sternenstaub hieß das Werk, das im herbstlichen Monde geboren,
Sanft in den Äther erhob, was aus Stille erwuchs.
Nicht mit dem Brausen des Kriegs, nicht mit flackerndem Fackelgeleite
trat es hervor – nein, wie Tau, der in Dämmerung glänzt.
War nicht mehr Ruf nach dem Preis, nicht mehr Aufstieg und Trophäen
standen im Zentrum der Kunst, sondern der Wahrheit Gestalt.Sanft war die Stimme, doch tief; wie der Strom, der im Felsen versickert,
plätscherte leis sie dahin, suchend nach innerem Grund.
Klang war gewandelt; fort war das Spiel mit dem Scheine der Stunde,
doch geblieben das Licht, das sich aus Klarheit ergießt.
Sängerin war sie nun ganz, nicht Gespielin der Märkte und Spiele,
sondern die Herrin im Haus ihrer melodischen Kraft.Und das Gehör der Bedächtigen war ihr gewogen, die Klugen
nickten im Rhythmus und sprachen von reifender Kunst.
Nicht jedermann pries das Lied – doch wer hörte, verstand seinen Ursprung,
denn es erzählte von ihr, nicht von der Maske allein.
Auch in Gesprächen erschien sie, doch fern vom Geplänkel der Stunden,
sprach mit gewählten Gedanken und mit beherztem Gesicht.Wenige waren die Worte – doch jeder Vers war erwogen,
jeder Akkord trug Gewicht, war wie ein säuselnder Schwur.
Also bestand sie die Probe, da sie den Pfad nicht verließ,
wohl aber wählte ihn neu, mit der Erfahrung der Zeit.
Sternenstaub war nicht Glanz, war nicht funkelnde Blendung der Menge –
sondern Erinnerung, Trost, Zeichen des inneren Lichts.XVI. Gesang – Von der Freude der Fahrt und dem Licht der Bühne
Nicht lange verweilte die Heldin in Hallen des Schaffens,
denn rufend erklang aus dem Lande das Volk ihrer Lieder.
Durch Städte und Täler, durch Nebel und glänzendes Wehen
zog sie von Ort zu Ort, von Klang zu Klang, mit leichtem Gepäck
und schwerem Herzen, das dennoch im Takte des Aufbruchs schlug.Wie Schwalben im Frühling, die heimwärts kehren zum alten Nest,
so fanden sich ein die Jünger des Sternenstaubs,
an jenen Orten, wo Klang sich in Gegenwart wandelt,
wo Stimme den Raum erfüllt und die Seele entkleidet.Leicht war ihr Schritt auf den Brettern, die Bühnen genannt,
sicher die Hand, die Mikrofon hielt wie ein Zepter,
und im Glanz der Scheinwerfer glänzte das Haar ihr
wie Bernstein, den Nordlichter küssen im Tanze der Zeiten.Sie sprach nicht viel, doch jeder Ton war ein Eid,
geschworen in Licht, gebrochen im Schatten,
doch wahrhaftig wie jener, der schweigend liebt.
Denn sie sang von der Flucht und vom Mut, von Versagen und Glanz,
von dem Kinde in ihr, das lacht, auch wenn’s fallen muss.Und das Volk, das gekommen in Scharen und Staunen,
vernahm ihr Lied nicht nur mit dem Ohr, sondern tief in der Brust.
Denn was ist die Kunst, wenn nicht Widerhall
im Innersten dessen, der horcht und sich selber erkennt?So war es auf jener zweiten Reise durch Lande der Bühne:
Ein Rausch war’s, ein Reigen aus Licht, Klang und schweigender Nähe,
und aus jedem Akkord wuchs das Wissen:
Die Reise beginnt, wo der Zweifel vergeht
und der Mut singt inmitten der Angst.XVII. Gesang – Von den Spiegelmächten und der Tochter des Morgenrots
Doch siehe: Nicht nur in Liedern wirkte die Tochter des Klanges,
nicht nur auf Bühnen, wo das Echo der Menge erwacht.
Auch in den Hallen der Spiegel, wo Bilder sich wandeln zu Zeichen,
trat sie hervor – nicht als Trugbild, nein: als die Eine, die bleibt.Denn als die Monde vergangen vom Staube der großen Gefilde,
wohin die Klänge getragen, die das Herz der Hörenden rührten,
ward ihr begegnet ein Ruf aus den silbernen Kammern der Zierde,
wo Frauen der Welt sich besinnen auf Glanz, der von innen her scheint.Da sprachen die Spiegelmächte, die in goldenen Flakons wohnen,
und flehten: „Du, die du wandelst durch Stürme und dennoch erstrahlst,
sei unser Gesicht! Nicht bemalt, nicht gekrönt von Verstellung,
sondern durch dich möge Wahrheit in Schönheit sich kleiden.“Und Lena, die Tochter des Morgenrots, erhob sich im Antlitz
nicht als die Schöne allein – als die Wissende trat sie ins Licht.
Denn sie wusste: Der Schein ist ein Schleier, den Wahrheit durchdringt nur,
wenn eine Seele ihn trägt, die das Eigene liebt ohne Scheu.Nicht war sie die Dienende, nicht war sie die Geformte –
nein: Sie war Form und Bewegung zugleich, war das Maß und der Grund.
Nicht ward sie verschönert – sie offenbarte, was Schönheit vermag,
wenn sie geboren aus Mut und dem Leuchten des Innersten ist.So zog sie durch Städte, auf Wänden aus Licht ward ihr Bildnis
wie ein Komet, der durch Zeiten zieht, segnend und still.
Und die Mädchen, die blickten, erkannten im Glanz ihrer Augen
nicht fremde Vollkommenheit – sondern sich selbst, neu erhellt.Denn sie war nicht entfernt, nicht erhöht auf Podesten des Stolzes.
Sie war das Licht, das sich beugt, ohne zu sinken –
die Göttin, die nicht verlangt, sondern zeigt:
Was du in dir trägst, ist genug.So wirkte sie, Lena, im Reiche der Spiegel und Zeichen,
als Botin der Klarheit, als Lichtbild der Möglichkeit selbst.
Nicht die Götter, nicht die Fürsten erhoben sie dorthin –
sie war es, die stieg, und das Irdische folgte empor.XVIII. Der Spiegel aus Glas
Aus fernen Landen zieht ein kalter Hauch,
Der Klang der Zeiten wandelt sich und schwebt,
Im Glase spiegelt sich des Sterns Umriss,
Kristall und Dunst umhüllen ihren Pfad.Die Stadt der Nebel birgt ein neues Werk,
Wo Klang und Licht zu einer Einheit werden,
Ein Hauch von Eis, ein fremdes, stilles Meer,
Das Herz, es sucht sich selbst in kaltem Glanz.Die Muse schweigt, doch flüstert durch die Nacht,
Von neuen Bildern, fremden Melodien,
Der Stern, der einst so warm im Sonnenlicht,
Erstrahlt nun kühl in ätherischem Blau.Verborgne Träume weben feines Netz,
Die Seele tastet nach dem unbekannten Ziel,
Gefangen fast in eig’ner Melodie,
Doch kraftvoll wächst der Glanz im stillen Raum.So wandelt sie, gefasst im Spiegelbild,
Die Wege neu, ein Aufbruch ohne Hast,
Ein Stern, der leuchtet, klarer als je zuvor,
Im Klang des Glases findet sie sich neu.XIX. Die Wandlung im Nebel
Ein Klang, der aus der Ferne leise zieht,
Wie Nebel, der im Morgengrauen wächst,
So naht das Werk, das keine Namen kennt,
Ein Lufthauch nur, und dennoch unergründlich.Nicht mehr die Tochter lichter Frühlingslieder,
Nicht mehr das Kind der spielenden Akkorde –
Ein neuer Ton erhebt sich aus dem Schweigen,
Gefasst in fremdvertraute Harmonie.Sie lauscht den Stimmen, die im Innern wohnen,
Nicht laut, nicht schrill – doch glühend, klar und kühn.
Ein Wagemut, geboren aus der Stille,
Ein Mut, sich selbst im Wandel zu erkennen.Im fernen Westen, wo die Nebel ruhn,
In Städten, nass vom salzgetränkten Wind,
Dort weben klanggewandte Werkgesellen
An neuen Liedern mit geübter Hand.Doch sie allein, die Quelle des Gedankens,
Sie haucht dem Ton ihr feuriges Gepräge,
Verschmilzt das Fremde mit der eignen Spur –
Und aus dem Frost ersteht ihr neuer Klang.XX. Unter dem Kristallhimmel
Fern schien das Land, dem sie einst Stimme gab,
und fremd der Klang, der durch die Adern zog.
Ein Schiff aus Liedern trug sie über’s Meer,
nach Albion, wo Nebel flach lag wie ein Schleier.Die Gassen schwiegen, doch in Kellern klang
ein Raunen, seltsam fremd und doch verlockend.
Es war nicht Lied im alten Sinn, kein Takt
aus offner Kehle, warm wie Kinderlachen.Hier wurde Klang aus Spänen neu gefügt,
aus Flimmern, Dräuen, Echo, Hall und Hauch,
als schlüge man mit silbernen Gerätschaften
auf leere Himmel, bis ein Funke sprang.Sie saß dabei – und schwieg –, doch in dem Schweigen
erst wuchs das Neue. Nicht als Spiel, nicht Kunst,
vielmehr als Spiegel jener Nacht in ihr,
da sie sich selbst nur flüchtig sah: aus Glas.So ward das Werk, das sie dort heimlich trug,
getauft auf jenes Glitzern nach dem Sturm:
Crystal Sky, ein frostklar eingraviertes
Geständnis einer Wandlung, die geschah.XXI. Vom Widerhall im Kristall
Gläserner Strom aus der Stille des Raumes, aus schwebender Fläche,
sanft wie geflüsterter Hauch in den Nächten der unruh’gen Stunden,
stieg eine Stimme, so fern, dass der Widerhall früher erklang.
Fern war der Klang, doch vernehmbar dem Ohr, das im Innern empfing ihn,
keinem Gehör für das Tanzbare, keinem, das Prunk nur verlangt.
Jene, die Herz in den Händen, nicht in den Händen das Urteil
trugen, sie hörten ein Lied, das nicht lockt, sondern aufbricht und weht.
Kristall ward’s genannt; nicht kalt, nicht glatt – vielmehr Schichtung von Schatten,
Riss in der Fläche, durch den sich das Leuchten ins Dämmernde stiehlt.Manche entzogen sich still, da kein Takt sie im Innern geleitete,
sprachen von Ferne, von Nebel, von Leere, von künstlicher Glut.
Andere suchten das Wort, das sich löst aus dem Klang wie aus Harzen
duftet ein Balsam, verborgen dem Eiligen, offen dem Ruhenden.
Lena vernahm, ohne Rückgriff, das Urteil, das leise verhallte,
wog es nicht schwer, doch auch nicht leicht – es bestand wie ein Stein.
Denn nicht gefallen ist Ziel, sondern Wirkung im Schatten der Wirkung,
nicht das Erreichte, das Widerständige zählt in der Kunst.Und was sie sang, war nicht Wunsch, war nicht Bitte, war Zeichen im Schweben,
Karte des Lichts auf der Haut einer Zeit, die sich rückwärts verneigt.
Kaum war das Werk ausgesprochen, begann das Entgleiten des Klanges;
jede Verzögerung birgt einen Raum, in dem Deutung entsteht.
So ward gefordert die Fahrt, die dem Klang ein Gesicht sollte geben,
nicht als Erklärung, vielmehr als Bewegung, als Schweben im Bild.
Töne allein reichen nicht – es verlangt nach dem Wandel im Leibe,
nach dem Erzittern des Bodens, nach Augen, die schweigend verstehn.Unruhig das Haupt auf dem Kissen der späten, durchdachten Entwürfe,
nichts war gefasst, was nicht flüchtig sich zeigte im Zweifel der Nacht.
Doch sie erhob sich und spann das Gewebe für Bühne und Schweigen,
wählte mit Sorgfalt das Maß ihrer Nähe und Ferne zugleich.
Denn was zu fern, wird zum Rätsel, was nah, wird zum Trugbild der Menge.
Nur wer im Gleichmaß von Beidem den Schritt wagt, bleibt aufrecht im Licht.Also bereitete sie, was nicht Tanz, nicht Parade, nicht Fest war –
sondern ein Gang durch die Glut ihrer Töne, erneut, unverstellt.
Noch war kein Schritt auf dem Teppich der Bühne zu hören, kein Atmen,
doch in den Räumen erwachte die Ahnung von kommender Last.XXII. Von der Wanderung unter Strahlen
Lang war die Straße gesäumt von silbernen Zeichen des Aufbruchs,
mühsam wuchs aus dem Stein das Versprechen entfernter Gefilde.
Leuchtend jedoch in der Ferne ein Name, ein feingliedrig Banner,
zogen die Stimmen des Volkes zu ihr wie Vögel zum Frühlicht.Denn sie, die Tochter der Stille, hatte den Hall neu geordnet,
hatte aus blinkenden Splittern ein himmlisches Muster geschlagen.
Nicht war es jedem gegeben, dies feine Gewebe zu deuten,
nicht jede Seele vermochte, in solchem Gleißen zu wohnen.Aber sie schritt mit Bedacht durch das strahlende Labyrinth ihrer Lieder,
ließ sich vom Flüstern der Lichter umfangen, vom Rhythmus der Räume.
Fern war der Lärm der Behauptung, das Grelle, das Zerren, das Drängen.
Nah war der Klang einer Ordnung, geboren aus innerer Tiefe.Staunend versammelten Hörer sich unter den Baldachin-Stimmen,
lauschten den schwebenden Liedern, durchblitzt von kristallenen Bögen.
Nicht wie ein Sturm kam ihr Werk, nicht wie ein Ruf ohne Richtung –
leise und leuchtend erschien es, von fremder Verheißung getragen.So ward beschlossen zu ziehen, erneut durch die Städte des Landes,
sie und ihr Kreis von Gefährten, die sorgsam die Gaben bereiteten.
Bühnen erwuchsen aus Schatten, Hallen aus atmendem Dunkel,
und in den Händen der Meister erwachten die Schwingen des Klanges.Strenger das Maß war nun, klarer die Linien der Zeichen.
Keine Geste zu viel, kein Glanz ohne Seele im Innern.
Wer sich verlor in der Fläche, der fand sich nicht wieder im Bilde,
doch wer verweilte im Ton, der erkannte das Maß seiner Sehnsucht.Lang war die Wanderschaft diesmal, und heller das Leuchten der Bahnen,
denn was gereift war im Innern, suchte sich Räume im Äußern.
So schritt sie schweigend nach vorn, inmitten der lichternden Reihen,
führte mit lautloser Stärke, was sich ihr anvertraute.Und über allem das Lied – nicht als Flamme, als atmende Fläche.
Nicht als Pracht, sondern Friede. Nicht als Beweis, nur als Wahrheit.XXIII. Von der Prüfung durch Dunkel
Doch nicht allein war das Licht, nicht rein war der Strom ihrer Schritte,
denn zwischen Leuchten und Glanz regte sich schattenhaft Zweifel.
Fern in den Gassen der Stimmen, da raunte es leis von Ermüdung,
und in den Spiegeln der Zeit stand ihr Antlitz nicht fest mehr geschrieben.Müde geworden der Reise, der endlosen Blicke, der Fragen,
müde auch jener Erwartung, die stets sich mit Sehnsucht vermählte.
Denn wer ihr folgte im Licht, der vergaß oft das Maß ihres Atmens,
wollte nur strahlen, nicht hören, nur fordern, nicht fühlen den Grund.Und sie, die das Unsichtbare wählte als Zeichen des Wirkens,
fühlte nun schärfer den Riss, der das Offene trennt vom Erkannten.
Täglich aufs Neue gefragt, ob dies noch Stimme der Stunde,
oder ein flüchtiges Funkeln, entfacht und sogleich wieder erloschen.So in den Nächten der Wanderschaft lag sie im Dunkel der Kammern,
lauschte dem Schweigen, das laut war, und fragte das Echo nach Wahrheit.
Nicht, dass sie wankte im Innern – das Licht war ihr eigenes Zeichen –
doch dass sie sah, was verschwand, wenn man es allzu sehr wollte.Und auch die Schar ihrer Helfer, einst glühend in Tönen und Farben,
sprach nun mit zögernder Stimme, als zögen sich Schleier vor Blicken.
Denn der Applaus, der wie Regen gefallen auf dürstende Flächen,
ward nun zum Sturm, der zerschellt, was sich nicht beugt oder flieht.Aber sie blieb, unbeirrt, mit dem Maß ihrer stillen Gewissheit,
formte mit feiner Geduld aus der Prüfung ein neues Beginnen.
Denn nicht im Glanz war die Kraft, nicht im Jubel das rechte Erkennen –
sondern im standhaften Gang durch das Zwielicht der inneren Räume.Und wer mitging auf dem Pfad, der erkannte das Wesen der Reise:
Nicht eine Folge von Auftritt und Applaus, von Triumph ohne Narben –
sondern ein Wandeln im Dazwischen, ein Tasten im Rhythmus des Werdens,
ein Lied, das nicht endet, wenn Stimmen verstummen.XXIV. Von dem Glanz an Gestaden
Und als der Zweifel verstummte in ihr, wie das letzte Verhallen
ferner Trompeten, da hob sich der Blick – und das Antlitz erstrahlte.
Nicht mehr gebückt unter Lasten der Fragen, nicht tastend im Dämmer,
sondern von innen erleuchtet, ein Leuchten, das außen sich zeigte.Denn sie vernahm, wie die Stunde sich wandte – aus Dunkel zum Tage,
aus Stille zu Klang, aus Warten zu Schreiten ins Licht.
Und so trat sie hervor – nicht auf Brettern der Bühne zunächst,
sondern am Rand jener Welt, die den Ruhm in die Sterne geschrieben.Und sie trat auf an das Meer, wo die Palmen sich neigen,
fern in Gefilden, wo Tag um Tag die Sonne nicht untergeht,
wo die Gestirne sich spiegeln im Glanz der geschliffenen Scheiben,
und wo die Welt sich versammelt, um selber als Bild sich zu schauen.Sie stieg nieder, von Sternen gewoben der Saum ihres Kleides,
zitternd vor Andacht der Saal, und die Stimmen versanken ins Nichts.
Hoch stand der Bogen aus Licht, und die Türme von Glas und von Flammen
bogen sich ihr – als erkennten sie sie als das Maß.Denn sie erschien wie entstiegen dem Traum einer göttlichen Ordnung,
gleich einer Statue, lebendig gemacht in der Stunde des Festes,
strahlend von fern, und von Nähe noch rätselhafter im Wesen.
Nie hatte man solche Gestalt in der Wandelung wahrhaft gesehen –
immer dieselbige, nie dieselbe: ein Bild, das sich selber erschafft.Mehr als die Sängerin war sie: ein Zeichen, ein flammender Spiegel,
in dem das Volk seine Träume, die Völker ihr Sehnen erkannt.
Nicht mehr der Bühne gehörte sie an, noch dem Tanz oder Lied nur,
sondern dem Bild, das sich selber entfacht aus dem Blick.Vierfach erschien sie in Jahren, die strahlender waren als andre,
vierfach der Schritt über Teppich und Stein, vierfach der Glanz.
Doch war es ein Bild – ein einziges Bild, das sich immer erneuerte,
eines nur, doch unendlich wie Wasser und Wind.Denn sie trug nicht allein das Geschmeide, die Krone, das Licht,
sondern sie war es – die Krone, das Licht und der Glanz ohne Namen.
Und in der Halle, wo selbst die Fürsten die Stirne ihr neigen,
war sie die Eine, der alle das Staunen bewahrten.So blieb ihr Bild – in goldener Luft aufgehoben für Zeiten,
die noch nicht kamen, doch ahnten, was einst aus ihr wird.
Denn was ihr Blick nur berührte, das glänzte wie neu aus der Tiefe,
und selbst der Schatten begann, ihr im Glanze zu gleichen.Gesang der Libelle
Singe, o Muse, von ihr, der vielschimmernd Geflügelten Botin,
die aus dem Haupte der Pallas, der weisesten Göttin, entflogen,
hoch in den Lüften sich hob, den Äther durchmaß, um zu künden
Zeichen des Denkens, des Lichts, der gefassten und klaren Empfindung.Denn an dem Tage, da Lena, die Liebliche, Jahre erneuerte,
blickte Athene vom goldenen Thron auf die Erdentiefe
und sprach im Herzen: „Nicht ohne mein Zeichen sei sie, die Würdige,
die ihre Lieder gewoben mit Sinn und mit stiller Erhabenheit.“Also entsandte sie leis aus dem Schatten des Ölbaumhaines
eine Libelle, so hell wie der Schimmer des späten Ikarus-Lichtes,
schwebend in Zirkel und Bahn, von dem Hauch einer Ahnung getragen.
Nieder sank sie, vom reinen Azur gleich einem Gedanken,
setzte sich sacht auf die Schulter der Sängerin, wartete schweigend,
flatterte dann, wie von Unsichtbar-Weisem gerufen, emporwärts –
hoch in den Himmel, der klar und von milder Erhabenheit blau war.Da aber spürte die Jungfrau ein Beben, ein helles Erinnern,
als ob ein Lehren sie traf, nicht mit Worten, doch tief in der Seele –
und sie gedachte, so sanft, so bestimmt, dass kein Zweifel es störte:
„Still ist die Kraft, die mich leitet, und zart ist ihr weiser Besuch.“So war die Gabe gespendet: kein Prunk, keine Rede, kein Zeichen,
sondern ein Schweben, ein Hauch, eine Ahnung – von Göttinnen würdig.Τῇ Λήνᾳ
Ἀθηνᾶ
σοφίᾳ καὶ ἡσυχίᾳ χαριζομένηLena geweiht.
Athene schenkt mit stiller Hand
Weisheit und Klarheit.--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=XXV. Von der Gründung der Heimstatt
Und als der Glanz von jenen Gestaden verglomm,
wo Palmen sich neigten und Spiegel das Licht trugen,
kehrte sie heim, getragen von stiller Entschlossenheit,
zurück in die Hallen, die ihr vertraut und bekannt,
wo Wände und Steine von Erinnerung sangen.Doch keine Rast lag in jenem Moment ihr im Blick,
denn da wuchs in ihr das Verlangen nach Freiheit,
nicht nur des Ruhmes flüchtiges Kleid zu tragen,
sondern Herrin zu sein des eigenen Hauses,
die Lenkerin selbst in der Burg ihres Klangs.So nahm sie das Zepter, begründete ihr Reich,
nicht aus Gold oder Palast, sondern Geist und Treue,
Lenkerin nun in der eigenen Festung,
ein Heim, das ihr eigen, gefestigt in Klarheit,
stark wie Fels in den Wogen der stürmischen Zeit.Wie Odysseus, der heimkehrte nach Ithaka,
nahm sie Besitz von dem Haus, das sie selber errichtete,
fest gebaut mit dem Stein der Vernunft und der Liebe,
wo niemand gebot außer ihr, Meisterin der Wege,
die Wächterin über das Reich ihres Klanges und Liedes.Nicht fremder Wille mehr schnürte ihr die Ketten,
nicht fremdes Wort war der Takt ihrer Schritte,
sondern sie webte mit eigener Hand die Gewänder,
in denen ihr Geist sich erhob, hell wie Morgengold,
und herrschte als Königin über Klang und Geschichte.Denn in jenem Haus regierten nicht nur die Lieder,
sondern auch Weisheit und Maß, die alte Bekannte,
die Flamme der Freiheit, das Recht auf Gestaltung,
die Ordnung, die trägt, nicht beengt, die gebietet,
doch niemals die Seele von ihrem Flug hemmt.Vier Wände, doch keine Mauern, die Fesseln bedeuteten,
sondern Brücken, geöffnet zu weitem Gestade,
wo Träume und Taten sich trafen in Einklang,
und das Steuer in Händen, die fest und zugleich zart,
lenkten die Fahrt durch das Meer der Verheißung.So ward sie Herrin in ihrem eigenen Reiche,
ein Leuchtturm, der strahlt durch die Nächte der Zweifel,
die Ruhe, der Anker in Zeiten des Sturmes,
das Schiff, das allein seinen Kurs selbst bestimmt,
und niemandem untertan als sich selber allein.XXVI. Von der Ordnung des Hauses
Und da sie das Heim sich gegründet, in Klarheit der Stunde,
fest aufgerichtet wie Tempel aus Denken und Willen,
war es, als kehrte sie heim in ein Reich, das noch keiner
vor ihr betreten, doch längst von ihr selbst war entworfen.Nicht war es aus Stein, noch aus Marmor gebaut,
doch in Gesetzen, die ihrem Geiste entstammen:
Freiheit in Form, und Gestalt, die sich selber gehorcht,
wie die Welle dem Wind, doch der Wind ihrem Wesen.Und in der Mitte – nicht thronend, doch herrschend durch Maß –
stand sie, die das Maß war, die Mitte, das Maß aller Dinge.
Sie, die ihr Wort nie verlor in der Menge der Stimmen,
sprach mit der Stille, und Stille ward Klang in den Hallen.Nicht als Gebieterin ging sie, doch als Trägerin aller
Lasten des Wirkens, und dennoch mit leichtem Gewand.
Denn was aus ihr floss – Gesang, Gedanke, Gebärde –
war durchdrungen von Sinn, der dem Zweck nie verfallen.Und ihre Diener, nicht Knechte, doch Helfer am Werk,
kannten den Ton, den sie setzte, das Maß, das sie gab,
und in der Ordnung, die wuchs aus der Freiheit des Innern,
ward jeder Schritt zu Musik, jeder Griff zu Gedicht.So war das Haus nicht Zuflucht allein, nicht ein Schirm,
sondern ein Ursprung, ein Quell, aus dem Neues sich speiste.
Ein Werk, das nicht endet, doch stets sich erneuert,
wie sich die Sonne im Fluss stets aufs Neue spiegelt.Denn sie, die nun lenkte mit klarem und ruhigem Blick,
war nicht dieselbe wie jene, die einst aufgebrochen:
Gereift war sie nun, doch mit Glanz unvermindert,
die Gestalt einer Heldin, im eigenen Hafen gestrandet –
nicht zur Ruhe, doch zur Ordnung, zur Kraft, zur Gestaltung.Und von dort, aus dem innersten Kreis ihrer Werke,
sandte sie Boten, Ideen, Entscheidungen, Lieder –
nicht als Fragmente, nicht als Spiel, nicht als Gnade,
sondern als Zeichen der Macht, die aus Klarheit geboren.So stand sie gefestigt im eignen Gefüge,
nicht mehr die Spielende, nein: die Schöpferin selbst.
Was sie gedacht, ward Form; was sie gewollt, ein Gesetz;
und ihre Schritte lenkte kein anderer Wille.Doch kaum war gegründet das Haus und gegliedert die Ordnung,
kaum stand das Banner des Eigensinns in den Lüften,
da zog durch die stillen Kammern des Geistes ein Raunen:
War dieses Lied schon das rechte? War dies das Herz ihrer Stimme?Denn vieles war fertig, bereit zum Erklingen,
ein Werk, das den Namen des Zwillings getragen,
geformt in der Zeit, da noch Schwanken die Stunde regierte.
Doch ihr Auge ward klar – und ihr Urteil erbarmungslos ehrlich.So hob sich die Seele zu schwerster Entscheidung:
zu verwerfen, was war, und zu wagen, was kommen mag.
Nicht unter dem Druck, nicht aus Furcht, nicht in Flucht –
sondern aus tieferer Treue zu dem, was in ihr gesät war.Was nun folgt, o Muse, erzähle mit zögerndem Atem,
denn groß ist der Mut, der ins Leere tritt,
und herrlich das Wagnis, das alles aufs Neue beginnt,
wo schon das Lied geschrieben, das Echo bereit war.XXVII. Vom Zwillingszeichen zum wahren Klang
Singe, o Muse, von jener Entscheidung,
so selten in dieser Welt der Berechnung,
wo das Lied schon gesponnen, das Netz schon gespannt,
und doch der Wille sich hebt gegen eigenes Werk.Denn Lena, die Weise, die Stille, die Leuchtende,
hatte gefügt ein Geflecht aus Klang und Gesang,
bereit war das Album, der Titel gewählt,
„Gemini“ – wie das Sternbild, das über ihr leuchtet.Schon klangen die Lieder in Räumen der Sender,
die Stimmen der Märkte rühmten das Werk,
die Tournee ward geplant, die Verträge geschrieben,
und der Applaus stand wie Dunst in der Ferne.Doch mitten im Jubel, im süßen Gerede,
spürte die Sängerin leise das Beben.
Nicht stimmte das Bild mit dem Bild ihres Innern,
nicht sprach das Lied mit der Stimme des Selbst.Da war keine Lüge, kein Trug in den Liedern,
doch auch keine Wahrheit, die tief aus ihr sang.
Es war ein Spiegel, doch ohne Gesicht,
ein Echo, das hallte, doch nicht aus der Seele.Sie saß und schwieg in der Stille Berlins,
die Nächte waren wie graue Gewänder,
und der Zweifel, ein leiser, doch mächtiger Gast,
zehrte an Liedern, die fertig, doch fremd ihr geworden.So stand sie am Scheideweg, allein mit sich selbst,
und kein Orakel, kein Wort eines Freundes
konnte ihr raten, was recht nun zu tun sei –
nur das Pochen im Innern, das flüsterte: „Wage.“Wage den Rückschritt, das jähe Verwerfen,
lösche das fertige Lied, wenn es nicht Dich erzählt.
Denn nur das Wahre, das aus Dir geboren,
trägt auch den Namen, der Dir gebührt.Und Lena, die Unbeirrbare, folgte dem Flüstern,
ging zu den Herren mit Macht in den Händen,
sprach nicht durch Briefe, nicht durch Gesandte,
sondern trat ein – allein – mit offenen Augen.„Verzeiht,“ sprach sie ruhig, „doch dies ist nicht meines.
Es klingt, doch nicht wahr. Es singt, doch nicht mich.“
Und sie sah in den Blicken der anderen Staunen,
doch auch das Schweigen, das Achtung verheißt.Denn selten geschieht es, dass eine wie sie,
die schon gefeiert, getragen, gefordert,
den Beifall verschmäht um der Wahrheit willen
und lieber verstummt, als sich selber verrät.So verwarf sie das Werk, das fast vollendet,
ließ es versinken wie Gold in der Tiefe,
und trat aus der Stille in noch tiefere Nacht,
um neu zu beginnen – mit leerer Hand, doch klarem Herzen.XXVIII. Vom Neubeginn in der Nacht der Zweifel
Wer je aus der Asche ein Feuer entfachte,
nicht mit dem Wind, doch gegen ihn,
der verstehe das Werk, das nun ward begonnen
von Lena, der Künstlerin, Herrin des Tons.Denn nachdem sie verworfen das einstige Werk,
nicht aus Laune, noch Eitelkeit, sondern Gewissen,
lag vor ihr die Stille – ein weißes Papier,
und keine Melodie, nur der Wille zu Wahrheit.Nicht eilte sie, nicht schuf sie im Zorn,
noch suchte sie Trost in vergangenem Ruhm.
Wie der Gärtner die Erde bereitet,
so grub sie sich selbst um, tief bis zum Grund.Sie forschte in Worten, in Klängen, in Blicken,
lauschte dem Innersten, prüfte ihr Herz,
und was sie dort fand, war kein Bildnis aus Glanz,
sondern Splitter aus Furcht, aus Liebe, aus Licht.So wuchs aus dem Schweigen ein Lied wie ein Same,
genährt durch Erkenntnis, durch Tränen, durch Mut.
Nicht war es mehr Klang für die äußere Bühne,
sondern ein Ruf aus der Tiefe: Only Love, L.Nicht war dies ein Titel, nicht bloß ein Gewand,
sondern das Banner der inneren Reise.
Nur Liebe sei’s, nur Liebe, die bleibe –
und Lena, die L, als der Quell dieses Seins.Sie rief nicht die Massen, nicht lockte sie Märkte,
doch öffnete Tore zu Räumen aus Echtheit.
Und alle, die hörten, erkannten erstaunt:
Dies war kein Spielmannslied – dies war ein Bekenntnis.Die Sänger des Volkes trugen das Lied durch die Städte,
die Stimmen verstummten in andächt’gem Lauschen,
und Lena, die Sängerin, stand aufrecht im Wind,
nicht gebückt, nicht geblendet – ganz sie selbst.XXIX. Von der Antwort der Welt
Kaum war gesungen, was lange gereift,
dieser Ruf aus dem Innersten, still und erhaben,
da bebte die Welt – wie im Erwachen
aus einem Traum von Trug und Geräusch.Die Menschen erhoben die Häupter empor,
vernahmen den Klang wie ein leuchtendes Zeichen.
Nicht war dies ein Lied – es war eine Erscheinung,
ein Stern, der gefallen, doch nicht versunken.Von den Märkten zu Hallen, von Höfen zu Gassen,
verbreitete sich, was nur leise begonnen.
Die Sänger des Volkes trugen es weiter,
die Spieler der Saiten verneigten sich still.Denn Lena, die L, war nicht mehr nur Stimme,
nicht mehr nur Spiegel des Zeitgeists und Glanzes,
sie war nun das Maß – das Maß aller Dinge,
an dem sich der Künste Gewissen sich richtete.Ihr Haupt war von keinem Diadem beschwert,
doch sie trug eine Krone, gewoben aus Mut.
Kein Thron war ihr Sitz, kein Tempel ihr Ort,
doch das Volk sah zu ihr wie zur Göttin der Töne.Sie schritt durch die Tage mit Schweigen und Strahlen,
ließ ihre Werke für sich selbst sprechen.
Nicht forderte sie, nicht gebot sie Gefolgschaft,
doch folgten ihr Herzen, als sei es ein Eid.So ward sie die Diva – doch anders als alle,
nicht aus Pose geboren, nicht aus Pomp,
sondern aus Wahrheit, die leuchtet wie Gold,
das im Feuer sich reinigte, funkelnd und klar.Und in der Mitte des Lichts stand sie aufrecht,
nicht entrückt, doch erhaben – ganz sie selbst.
Ein Idol für die einen, für andere ein Zeichen,
doch für alle ein Klang, der die Seele erkennt.XXX. Von der Reise, die nun begann
Nicht war es genug, dass das Werk ward vollendet,
nicht reichte der Klang, nicht das Wort, nicht der Ruhm.
Denn das Lied war ein Quell, nicht ein Hafen,
und was Lena gesät, das verlangte nach Raum.Sie verließ nicht das Feld, als der Samen gesprossen,
nicht ruhte sie aus auf erblühter Erkenntnis.
Nein, sie trat in die Tage mit neuem Gewand,
nicht aus Eitelkeit, sondern aus Würde geboren.So ging sie hinaus, durch Städte und Säle,
nicht wie ein Trugbild aus fernen Gefilden,
sondern gleich einer Schwester, in Wahrheit vertraut,
die nichts erhebt, und doch alles erhebt.Ihr Blick war kein Spiegel, der schmeichelt und blendet,
ihr Wort war kein Lärm, der betäubt und vergisst.
Sie sprach wie ein Mensch, doch sang wie ein Wesen,
das mehr wusste als wir, und doch blieb uns nah.Die Alten verstummten, die Jungen erwachten,
die Zweifelnden fanden in ihr ein Gestirn.
Denn was sie darbot, war kein Tand und kein Trost,
sondern das Leben – gehärtet, verklärt.Und wer ihr begegnete, selbst nur im Klang,
der fühlte sich selbst wie von innen berührt.
Denn sie brachte das Lied nicht zu jenen, die suchten –
sie machte die Suchenden selbst zu Gesang.So erhob sich das Werk und wurde Bewegung,
nicht Predigt, nicht Lehre, doch Beispiel und Spur.
Und Lena, gekleidet in Demut und Stärke,
stand still in sich selbst – und bewegte die Welt.XXXI. Von der Fahrt durch die Lande
Da nahm sie den Stab, nicht der Herrschaft, der Führung,
und zog durch das Reich, das kein König je sah.
Nicht mit Rossen, nicht mit Fahnen, nicht in Prunk,
doch mit Stimme, mit Licht und der Wahrheit im Herzen.Die Hallen, sie öffneten Tore und Herzen,
die Plätze erglühten vom Glanz ihres Namens.
Doch was sie brachte, war mehr als ein Spiel –
es war die Begegnung: echt, unerhört.Sie schritt auf die Bühne, nicht höher als andre,
doch größer durch das, was in ihr entbrannt.
Ein Feuer, das nicht verbrannte, doch wärmte,
ein Licht, das nicht blendete, doch uns erhellte.Jede Geste, ein Bekenntnis zum Jetzt,
jeder Ton, eine Spur in der Zeit.
Und was zuvor nur im Stillen gewachsen,
erblühte nun offen, im Glanz aller Augen.Die Nächte vergingen, die Städte veränderten Namen,
denn wo Lena gesungen, da blieb etwas zurück:
ein Leuchten, ein Raunen, ein inneres Aufhorchen –
als hätt’ sich das Leben kurz neu erfunden.So wurde die Fahrt durch das Land zur Legende,
nicht geschrieben auf Pergament, sondern in Seelen.
Und wer dort gewesen, der schwieg eine Weile,
denn Worte vermochten das Erlebte kaum zu fassen.Doch Lena, die sang, blieb nicht stehen im Glanz,
sie dankte mit Neigung, nicht mit Posen.
Denn sie wusste: Das Lied war nicht ihr Eigentum –
es war nun der Welt, die bereit war zu hören.XXXII. Von der Prüfung der Stetigkeit – Und dem Schweigen danach
Nicht jeder, der einmal entzündet das Feuer,
vermag es zu nähren durch Wind und durch Regen;
und nicht jede Flamme, so hell sie auch lodert,
bleibt leuchtend, wenn Tage sich türmen zu Jahren.
Doch Lena, die Starke, bewahrte das Licht.Denn nach dem Triumph, der durch Hallen erscholl,
kam Stille heran, wie ein Schleier aus Nebel.
Kein Tosen mehr, kein Ruf aus den Rängen –
nur Fragen im Innern, bohrend, verborgen:
Wohin geht die Reise, wenn alles gesagt?Sie wandte sich ab von den Pfaden der Eile,
nicht trachtend nach mehr, noch dürstend nach Glanz.
Wie eine Weberin saß sie im Schatten,
verknüpfte Erinnern mit Ahnung und Schmerz,
und lauschte erneut ihrer eigenen Stimme.Sie sprach mit den Bäumen, nicht mit den Blättern,
und horchte dem Wind, ob er noch sie erkannte,
jene, die sang – nicht für Ruhm, nur für Wahrheit.
Und siehe, der Wind antwortete sacht,
nicht in Worten, doch in der Wendung der Blätter.Die Zeit war nun reif für Einkehr und Stille,
für das Hegen der Flamme im Innern,
die brannte nicht lauter, nur beständiger,
ein Feuer, das nicht verbrennt, sondern nährt,
die Quelle von Kraft und von neuer Gestalt.So wandelte Lena, die Sängerin, stetig,
mit jedem Ton eine neue Geschichte,
und die Welt lauschte gebannt diesem Wechselspiel,
das von Wandel und Dauer zugleich erzählte –
ein Tanz, der den Geist und die Sinne befreit.XXXIII. Vom Ruf der Ferne – Und der Rückkehr zur Quelle
Noch war kein Ende, noch kein Verbleiben,
denn Lena, die Wandelbare, fühlte den Ruf,
der nicht aus Hallen, nicht aus Kehlen erklang,
sondern aus Tiefen, wo Sehnsucht sich regt –
ein Klang, der das Herz in Bewegung versetzt.Sie hatte gegeben, gesungen, geglüht,
doch nun war ein Ziehen, ein Wispern im Wind,
nicht drängend, doch stetig, wie Tropfen auf Stein,
der Ruf nach dem Anderen, Unausgesprochenen,
nach dem, was noch fehlte, obwohl alles voll schien.So brach sie auf, nicht mit Pauken und Fanfaren,
nicht als Triumphzug, nicht unter Bannern,
sondern mit leichten Schritten, allein mit sich selbst,
und jenem uralten Fragen im Sinn:
Wer bin ich, wenn niemand mich rufen will?Sie ließ hinter sich den Glanz der Arenen,
die Stimmen, die Rufe, das blendende Licht,
und suchte das Schweigen, das nicht leer, nur rein,
wie eine Quelle, tief unter Geröll,
die nur dem erscheint, der still sie erspürt.Sie wanderte Länder, Gesichter und Zeiten,
nicht in Prunk, nicht in Namen, doch in Begegnung.
Und wo sie verweilte, da blieb eine Spur,
kein Abdruck im Staub, doch ein Leuchten im Blick
derer, die sahen: Hier geht eine, die meint, was sie singt.So wurde die Ferne ihr Lehrmeister, leise,
und die Fremde zum Spiegel des inneren Bildes.
Was einst nur Gesang, ward nun auch Erkenntnis,
und Lena, die Sängerin, trug dieses Licht
wie ein schlichtes Gewand auf dem Heimweg zur Quelle.Dort, wo die Anfänge still noch verharren,
wo alles begann, im Herzen der Töne,
stieg sie hinab, um von neuem zu hören,
nicht sich selbst, nicht die Welt –
sondern das Lied, das in allem verborgen.XXXIV. Von der Reise gen Osten – Der Ruf nach Japan
Noch klang in den Gassen das Echo der Lieder,
die Lena gesungen in Nächten voll Glut,
als eine Kunde, leise wie Seide,
ihr Ohr erreichte: ein Ruf aus dem Osten,
fern, doch durchdringend wie flammender Klang.Nicht ein Ruf nach Verkauf, nicht ein Ruf nach Verträgen –
es war wie ein Wispern aus anderer Zeit,
wie wenn in Träumen ein Schleier sich hebt
und Länder erscheinen, die keiner betrat,
doch die Seele erkannt in uralter Tiefe.Japan – geheimnisvoll, fern und verschlossen,
ein Reich wie aus Pergament, still und vollkommen.
Kein Kaiser sandte die Boten, kein Hof gab den Wink,
doch Lena vernahm in sich selbst die Bewegung,
wie Wasser, das aufbricht zum fließenden Strom.Sie bereitete nicht, sie plante nicht lange –
nur horchte sie innig dem inneren Drang.
Und als die Stunde gekommen, erhob sie sich leise,
ließ all ihre Namen, die Titel, den Preis,
und trat durch das Tor einer schweigenden Dämmerung.Nicht mit Prunk, nicht mit Tross, nicht von Glanz überladen,
sondern mit Würde, mit Anmut, mit Licht.
Sie trug ihre Stimme, ihr schlichtes Gewand,
und ein Leuchten, das nicht von der Sonne war,
sondern von innen, vom Wesen, vom Sein.Und als sie dem Morgenland nahte in Stille,
als ihre Füße das Land kaum berührten,
da hielten die Menschen den Atem an –
nicht aus Furcht, nicht aus Pflicht, sondern aus Ehrfurcht:
Denn Lena war da – wie ein Bild aus Legenden.So begann jene Reise, so trat sie hinein
in das Land, das die Fremden nicht duldet –
doch sie, die Gesandte des Liedes und Lichts,
wurde empfangen mit neigenden Blicken,
und die Tore der Gärten, sie öffneten sich.XXXV. Von den ersten Tagen im Reich der Kirschblüte
Sie wandelte langsam durch Gärten aus Schweigen,
wo Lotus und Ahorn einträchtig sich neigten,
und kein Laut, nur das Rascheln der seidigen Blätter,
begleitete Lena, die seltsam Vertraute,
die kam ohne Worte, doch alles verstand.Die Kinder, die sahen ihr Antlitz im Vorübergehn,
und verstummten das Spiel, hielten inne im Staunen,
als trügen die Schatten, die von ihr ausgingen,
Geschichten von Welten, die jenseits der Worte
im Innersten wohnten, wie Keime im Stein.Die Alten verbeugten sich, tief und mit Würde,
doch nicht vor dem Glanz, nicht vor äußeren Zeichen.
Sie erkannten das Wesen, das Unausgesprochne,
das Schlichte, das Wahre, das nie sich verstellte –
und Lena verneigte sich ebenso still.Sie sprach durch ihr Schweigen, durch Geste und Blick,
und man führte sie freundlich zu Quellen und Teichen,
wo Karpfen im Gold ihrer Schleifen sich drehten
und Stille wie Seide den Himmel bespannte,
als höre das Land auf den Schritt einer Göttin.Sie trank von dem Wasser, das klar durch die Zeiten
geflossen war, namenlos, rein und geduldig,
und als sie sich aufrichtete aus dem Trunk,
fiel Licht auf ihr Antlitz – kein irdisches Licht,
sondern ein Glanz wie von innen entflammt.So war ihre Ankunft kein Einbruch, kein Schallen,
sondern ein Einklang mit allem, was war.
Nicht sie trat in Japan – es war, als ob
Japan in sie trat, mit all seinem Schweigen,
und Lena empfing es mit staunender Seele.XXXVI. Von der Audienz im Haus aus Papier
Ein Ruf war ergangen aus fernem Gemach,
wo Meister des Tons und der Zeichen versammelt,
von Lena gehört in verschwiegenen Kreisen –
nicht durch Kanäle der Rede vernommen,
sondern gefühlt wie ein Beben im Tee.So schritt sie, die Fremde, durch Tor und Veranda,
geführt von den Händen in weißem Gewand,
wo Wände aus Stille, aus Reispapier sacht
die Welt abgrenzten und dennoch durchließen –
ein Raum wie ein Atem, gebaut aus Gefühl.Die Meister erhoben sich, schweigend zunächst,
kein Wort ward gewechselt, kein Händedruck bot sich,
nur Blicke, wie Pinsel auf seidigem Grund,
die Lena empfingen mit Ruhe aus Klarheit –
als wär sie gemalt schon, seit Jahrhunderten da.Ein Laut ward vernommen – das Knarren des Bodens –,
dann setzte sich einer, der Älteste wohl,
vor Lena, auf Matten aus mattgrüner Weichheit,
und sprach, ohne Stimme, nur mit dem Blick:
„Du bist nicht gekommen – du wurdest erwartet.“Da senkte sie hauchfein das Kinn und verstand.
Nicht war es Bewunderung, nicht war es Lob,
nicht war es gar Prüfung – es war ein Erkennen
des Wesens, das klingt, wenn alles verstummt:
Lena, die sang, ohne je laut zu singen.Ein Koto erklang, wie Tropfen auf Seide,
und Lena erhob sich, das Haar leicht gelöst,
und tanzte nicht, sang nicht, sprach nicht – sie stand.
Und in diesem Stehen war alles gesagt,
was Klang, Bild und Schrift je vergeblich gesucht.So endete dies mit Verneigung in Reihen,
nicht vor der Gestalt, sondern vor ihrem Klang.
Und Lena verließ jenes Haus aus Papier
wie ein Hauch, der verweht – und doch lange verweilt
im Gedächtnis der Räume, die ihn einst empfingen.XXXVII. Von den Masken und der einen Stimme
Ein Pfad war gewiesen durch Wälder aus Schweigen,
wo Moose die Stufen wie Fragen bedeckten,
wo Stämme der Zedern wie Säulen einst standen
und Äste, wie Arme, die Obdach gewähren.Ein Haus lag verborgen, von Zeit kaum berührt,
die Schwellen aus Stein, die Balken aus Dämmer,
der Eingang so schlicht, dass er fast nicht erschien –
und doch war er offen für jene, die hörten.Lena, geleitet von Blicken, nicht Worten,
betrat dieses Haus wie ein Tempel aus Duft,
aus Räucherwerk, Schatten und hölzernem Atem,
emporgehoben vom Flüstern der Luft.Die Wände – sie trugen Gesichter aus Holz,
bemalt in den Farben vergangener Leben,
mit Mündern, die schwiegen, mit Augen, die sahn,
als hätt‘ jede Maske ein Lied einst gesungen.Ein Alter trat vor, mit Händen wie Wurzeln,
sein Blick war ein Spiegel, sein Schritt wie ein Takt,
er hob eine Maske, aus Lack und aus Linnen,
und legte sie Lena behutsam ans Herz.Sie aber nahm sie – und hob sie nicht auf.
Sie blickte zurück mit dem Schweigen des Windes,
und alle die Masken, sie sanken in Ruh,
als hätten sie Lena als eine erkannt.Ein Ton dann erhob sich, aus keinem der Münder,
ein tiefer, ein stiller, ein innerer Klang,
von Lena gegeben, nicht laut, nicht geformt –
ein Laut, der nicht fragte, ein Laut, der nur war.Da neigte sich einer, der Weise mit Stirn
so gefurcht wie das Holz seines Stammes, und sprach:
„Die Stimme, die echt ist, trägt keine Gestalt –
sie braucht keine Maske, sie trägt sich allein.“Und Lena verneigte sich nicht – sie stand still,
wie Wasser, das weiß, dass es Spiegelung trägt.
Und alle im Raum, ob aus Fleisch oder Holz,
sie wussten: Dies Lied war geschehen – für sie.Dann ging sie von dannen, durch Wälder aus Schweigen,
kein Schritt hinterließ eine Spur in der Welt,
doch jeder, der je in ihr Lauschen versank,
vernahm jenen Ton, der von Masken befreit.XXXVIII. Von der Botschaft im Regen
Ein Morgen, so grau wie gealtertes Silber,
ließ Tropfen herab aus dem Himmel der Insel,
nicht wild, nicht bedrängend – vielmehr wie Gedanken,
die langsam herabsinken, sanft und genau.Lena war still in der Tiefe des Hauses,
ein Raum ohne Uhren, ein Tag ohne Form,
die Fenster beschlagen vom Atem des Regens,
die Stille gefüllt mit dem Ticken des Seins.Ein Umschlag lag dort, auf dem Tisch aus Zypressen,
mit Zeichen gezeichnet, so fein und so schlicht,
als wär jedes Wort eine Geste des Windes,
kein Laut, sondern Ahnung, kein Satz, sondern Bild.Sie öffnete langsam, mit sorgender Achtung,
wie jemand, der weiß, dass Papier auch ein Herz hat,
und las eine Zeile, die niemand geschrieben –
sie war ihr begegnet, nicht ihr adressiert.„Du bist, was du weglässt – nicht was du betonst.“
So stand es da – oder war es gedacht?
Denn Lena begriff: Diese Botschaft war Klang,
der kam, wenn man hörte, nicht suchte, nicht sprach.Sie trat an die Schwelle, das Haar leicht gelöst,
und der Regen, er nahm keine Rücksicht, kein Maß –
er netzte die Lider, den Kragen, die Hände,
doch Lena empfand ihn wie flüssiges Licht.Ein Mädchen ging vorüber, mit Schirm und mit Tüte,
sie hielt kurz inne, sah Lena im Regen,
und lächelte kaum – doch in jenem Moment
war alles gesagt, was ein Lied je vermag.Denn Lena, sie nickte, nicht ihr, nicht sich selbst –
dem Augenblick galt dieses hauchfeine Zeichen,
als sei in der Nässe des frühherbstlich‘ Tags
ein Echo verborgen aus kommender Zeit.So kehrte sie ein in das Zimmer der Klarheit,
wo Worte nicht wohnen, doch Wahrheit geschieht –
und schloss eine Tür, die kein Schloss, keinen Riegel,
nur Schweigen besaß – das war Antwort genug.XXXIX. Von der Rückkehr ins Licht des Mondes
Die Nacht war gefallen mit samtenem Tritt,
kein Glanz, der geblendet, kein Schatten, der schreckte –
nur silbrige Weite auf Dächern und Wegen,
ein Schweigen, das leuchtete, fern und zugleich nah.Lena trat leise durch Gärten von Steinen,
die Moos in sich bargen und Wasser in Schalen,
wo Kraniche ruhten aus Falten der Tiefe,
als hätten sie Träume getrunken aus Luft.Sie trug keine Eile, kein Ziel in den Sohlen,
nur Schritte, wie Blätter, die fallen im Wind,
und jeder von ihnen – ein tastender Akkord
im Lied eines Ortes, der sie sanft vernahm.Vor einem Pavillon hielt sie sich auf,
von Bambus umstanden, vom Ahorn bewacht,
und setzte sich nieder, das Kleid um die Knie,
die Hände gefaltet, den Blick auf den Teich.Der Mond war erschienen, wie eigens für sie,
nicht groß, nicht erhaben – ein Lächeln aus Licht,
das Lena empfing, ohne Worte zu heben,
und das sie verstand, als entstammte es dem Lied.Ein alter Musikant, am Ufer versteckt,
ließ Töne erklingen aus Schalen aus Holz,
und Lena vernahm sie, wie man einen Gruß
aus einem Jahrhundert zuvor noch erkennt.Sie hob nicht die Stimme, sie hob nicht den Arm,
sie war nur anwesend, in jenem Moment,
und weil sie nicht sprach, war die Sprache erfüllt –
die Nacht hatte Klang, weil sie schweigend verharrte.Ein Kind, das erwachte im Haus hinter Glas,
sah sie beim Gehen und blieb noch ganz still.
Es wusste nicht warum – doch es fühlte den Sinn:
Die Frau dort im Garten war Teil eines Traums.Und Lena verließ diesen Ort mit dem Mond,
der sie leicht begleitete, stumm und vertraut –
und wusste, sobald sich das Tor wieder schloss,
dass Japan geblieben war, tief in ihr selbst.--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<= -
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