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XXV. Von der Gründung der Heimstatt
Und als der Glanz von jenen Gestaden verglomm,
wo Palmen sich neigten und Spiegel das Licht trugen,
kehrte sie heim, getragen von stiller Entschlossenheit,
zurück in die Hallen, die ihr vertraut und bekannt,
wo Wände und Steine von Erinnerung sangen.
Doch keine Rast lag in jenem Moment ihr im Blick,
denn da wuchs in ihr das Verlangen nach Freiheit,
nicht nur des Ruhmes flüchtiges Kleid zu tragen,
sondern Herrin zu sein des eigenen Hauses,
die Lenkerin selbst in der Burg ihres Klangs.
So nahm sie das Zepter, begründete ihr Reich,
nicht aus Gold oder Palast, sondern Geist und Treue,
Lenkerin nun in der eigenen Festung,
ein Heim, das ihr eigen, gefestigt in Klarheit,
stark wie Fels in den Wogen der stürmischen Zeit.
Wie Odysseus, der heimkehrte nach Ithaka,
nahm sie Besitz von dem Haus, das sie selber errichtete,
fest gebaut mit dem Stein der Vernunft und der Liebe,
wo niemand gebot außer ihr, Meisterin der Wege,
die Wächterin über das Reich ihres Klanges und Liedes.
Nicht fremder Wille mehr schnürte ihr die Ketten,
nicht fremdes Wort war der Takt ihrer Schritte,
sondern sie webte mit eigener Hand die Gewänder,
in denen ihr Geist sich erhob, hell wie Morgengold,
und herrschte als Königin über Klang und Geschichte.
Denn in jenem Haus regierten nicht nur die Lieder,
sondern auch Weisheit und Maß, die alte Bekannte,
die Flamme der Freiheit, das Recht auf Gestaltung,
die Ordnung, die trägt, nicht beengt, die gebietet,
doch niemals die Seele von ihrem Flug hemmt.
Vier Wände, doch keine Mauern, die Fesseln bedeuteten,
sondern Brücken, geöffnet zu weitem Gestade,
wo Träume und Taten sich trafen in Einklang,
und das Steuer in Händen, die fest und zugleich zart,
lenkten die Fahrt durch das Meer der Verheißung.
So ward sie Herrin in ihrem eigenen Reiche,
ein Leuchtturm, der strahlt durch die Nächte der Zweifel,
die Ruhe, der Anker in Zeiten des Sturmes,
das Schiff, das allein seinen Kurs selbst bestimmt,
und niemandem untertan als sich selber allein.
XXVI. Von der Ordnung des Hauses
Und da sie das Heim sich gegründet, in Klarheit der Stunde,
fest aufgerichtet wie Tempel aus Denken und Willen,
war es, als kehrte sie heim in ein Reich, das noch keiner
vor ihr betreten, doch längst von ihr selbst war entworfen.
Nicht war es aus Stein, noch aus Marmor gebaut,
doch in Gesetzen, die ihrem Geiste entstammen:
Freiheit in Form, und Gestalt, die sich selber gehorcht,
wie die Welle dem Wind, doch der Wind ihrem Wesen.
Und in der Mitte – nicht thronend, doch herrschend durch Maß –
stand sie, die das Maß war, die Mitte, das Maß aller Dinge.
Sie, die ihr Wort nie verlor in der Menge der Stimmen,
sprach mit der Stille, und Stille ward Klang in den Hallen.
Nicht als Gebieterin ging sie, doch als Trägerin aller
Lasten des Wirkens, und dennoch mit leichtem Gewand.
Denn was aus ihr floss – Gesang, Gedanke, Gebärde –
war durchdrungen von Sinn, der dem Zweck nie verfallen.
Und ihre Diener, nicht Knechte, doch Helfer am Werk,
kannten den Ton, den sie setzte, das Maß, das sie gab,
und in der Ordnung, die wuchs aus der Freiheit des Innern,
ward jeder Schritt zu Musik, jeder Griff zu Gedicht.
So war das Haus nicht Zuflucht allein, nicht ein Schirm,
sondern ein Ursprung, ein Quell, aus dem Neues sich speiste.
Ein Werk, das nicht endet, doch stets sich erneuert,
wie sich die Sonne im Fluss stets aufs Neue spiegelt.
Denn sie, die nun lenkte mit klarem und ruhigem Blick,
war nicht dieselbe wie jene, die einst aufgebrochen:
Gereift war sie nun, doch mit Glanz unvermindert,
die Gestalt einer Heldin, im eigenen Hafen gestrandet –
nicht zur Ruhe, doch zur Ordnung, zur Kraft, zur Gestaltung.
Und von dort, aus dem innersten Kreis ihrer Werke,
sandte sie Boten, Ideen, Entscheidungen, Lieder –
nicht als Fragmente, nicht als Spiel, nicht als Gnade,
sondern als Zeichen der Macht, die aus Klarheit geboren.
So stand sie gefestigt im eignen Gefüge,
nicht mehr die Spielende, nein: die Schöpferin selbst.
Was sie gedacht, ward Form; was sie gewollt, ein Gesetz;
und ihre Schritte lenkte kein anderer Wille.
Doch kaum war gegründet das Haus und gegliedert die Ordnung,
kaum stand das Banner des Eigensinns in den Lüften,
da zog durch die stillen Kammern des Geistes ein Raunen:
War dieses Lied schon das rechte? War dies das Herz ihrer Stimme?
Denn vieles war fertig, bereit zum Erklingen,
ein Werk, das den Namen des Zwillings getragen,
geformt in der Zeit, da noch Schwanken die Stunde regierte.
Doch ihr Auge ward klar – und ihr Urteil erbarmungslos ehrlich.
So hob sich die Seele zu schwerster Entscheidung:
zu verwerfen, was war, und zu wagen, was kommen mag.
Nicht unter dem Druck, nicht aus Furcht, nicht in Flucht –
sondern aus tieferer Treue zu dem, was in ihr gesät war.
Was nun folgt, o Muse, erzähle mit zögerndem Atem,
denn groß ist der Mut, der ins Leere tritt,
und herrlich das Wagnis, das alles aufs Neue beginnt,
wo schon das Lied geschrieben, das Echo bereit war.
XXVII. Vom Zwillingszeichen zum wahren Klang
Singe, o Muse, von jener Entscheidung,
so selten in dieser Welt der Berechnung,
wo das Lied schon gesponnen, das Netz schon gespannt,
und doch der Wille sich hebt gegen eigenes Werk.
Denn Lena, die Weise, die Stille, die Leuchtende,
hatte gefügt ein Geflecht aus Klang und Gesang,
bereit war das Album, der Titel gewählt,
„Gemini“ – wie das Sternbild, das über ihr leuchtet.
Schon klangen die Lieder in Räumen der Sender,
die Stimmen der Märkte rühmten das Werk,
die Tournee ward geplant, die Verträge geschrieben,
und der Applaus stand wie Dunst in der Ferne.
Doch mitten im Jubel, im süßen Gerede,
spürte die Sängerin leise das Beben.
Nicht stimmte das Bild mit dem Bild ihres Innern,
nicht sprach das Lied mit der Stimme des Selbst.
Da war keine Lüge, kein Trug in den Liedern,
doch auch keine Wahrheit, die tief aus ihr sang.
Es war ein Spiegel, doch ohne Gesicht,
ein Echo, das hallte, doch nicht aus der Seele.
Sie saß und schwieg in der Stille Berlins,
die Nächte waren wie graue Gewänder,
und der Zweifel, ein leiser, doch mächtiger Gast,
zehrte an Liedern, die fertig, doch fremd ihr geworden.
So stand sie am Scheideweg, allein mit sich selbst,
und kein Orakel, kein Wort eines Freundes
konnte ihr raten, was recht nun zu tun sei –
nur das Pochen im Innern, das flüsterte: „Wage.“
Wage den Rückschritt, das jähe Verwerfen,
lösche das fertige Lied, wenn es nicht Dich erzählt.
Denn nur das Wahre, das aus Dir geboren,
trägt auch den Namen, der Dir gebührt.
Und Lena, die Unbeirrbare, folgte dem Flüstern,
ging zu den Herren mit Macht in den Händen,
sprach nicht durch Briefe, nicht durch Gesandte,
sondern trat ein – allein – mit offenen Augen.
„Verzeiht,“ sprach sie ruhig, „doch dies ist nicht meines.
Es klingt, doch nicht wahr. Es singt, doch nicht mich.“
Und sie sah in den Blicken der anderen Staunen,
doch auch das Schweigen, das Achtung verheißt.
Denn selten geschieht es, dass eine wie sie,
die schon gefeiert, getragen, gefordert,
den Beifall verschmäht um der Wahrheit willen
und lieber verstummt, als sich selber verrät.
So verwarf sie das Werk, das fast vollendet,
ließ es versinken wie Gold in der Tiefe,
und trat aus der Stille in noch tiefere Nacht,
um neu zu beginnen – mit leerer Hand, doch klarem Herzen.
XXVIII. Vom Neubeginn in der Nacht der Zweifel
Wer je aus der Asche ein Feuer entfachte,
nicht mit dem Wind, doch gegen ihn,
der verstehe das Werk, das nun ward begonnen
von Lena, der Künstlerin, Herrin des Tons.
Denn nachdem sie verworfen das einstige Werk,
nicht aus Laune, noch Eitelkeit, sondern Gewissen,
lag vor ihr die Stille – ein weißes Papier,
und keine Melodie, nur der Wille zu Wahrheit.
Nicht eilte sie, nicht schuf sie im Zorn,
noch suchte sie Trost in vergangenem Ruhm.
Wie der Gärtner die Erde bereitet,
so grub sie sich selbst um, tief bis zum Grund.
Sie forschte in Worten, in Klängen, in Blicken,
lauschte dem Innersten, prüfte ihr Herz,
und was sie dort fand, war kein Bildnis aus Glanz,
sondern Splitter aus Furcht, aus Liebe, aus Licht.
So wuchs aus dem Schweigen ein Lied wie ein Same,
genährt durch Erkenntnis, durch Tränen, durch Mut.
Nicht war es mehr Klang für die äußere Bühne,
sondern ein Ruf aus der Tiefe: Only Love, L.
Nicht war dies ein Titel, nicht bloß ein Gewand,
sondern das Banner der inneren Reise.
Nur Liebe sei’s, nur Liebe, die bleibe –
und Lena, die L, als der Quell dieses Seins.
Sie rief nicht die Massen, nicht lockte sie Märkte,
doch öffnete Tore zu Räumen aus Echtheit.
Und alle, die hörten, erkannten erstaunt:
Dies war kein Spielmannslied – dies war ein Bekenntnis.
Die Sänger des Volkes trugen das Lied durch die Städte,
die Stimmen verstummten in andächt’gem Lauschen,
und Lena, die Sängerin, stand aufrecht im Wind,
nicht gebückt, nicht geblendet – ganz sie selbst.
XXIX. Von der Antwort der Welt
Kaum war gesungen, was lange gereift,
dieser Ruf aus dem Innersten, still und erhaben,
da bebte die Welt – wie im Erwachen
aus einem Traum von Trug und Geräusch.
Die Menschen erhoben die Häupter empor,
vernahmen den Klang wie ein leuchtendes Zeichen.
Nicht war dies ein Lied – es war eine Erscheinung,
ein Stern, der gefallen, doch nicht versunken.
Von den Märkten zu Hallen, von Höfen zu Gassen,
verbreitete sich, was nur leise begonnen.
Die Sänger des Volkes trugen es weiter,
die Spieler der Saiten verneigten sich still.
Denn Lena, die L, war nicht mehr nur Stimme,
nicht mehr nur Spiegel des Zeitgeists und Glanzes,
sie war nun das Maß – das Maß aller Dinge,
an dem sich der Künste Gewissen sich richtete.
Ihr Haupt war von keinem Diadem beschwert,
doch sie trug eine Krone, gewoben aus Mut.
Kein Thron war ihr Sitz, kein Tempel ihr Ort,
doch das Volk sah zu ihr wie zur Göttin der Töne.
Sie schritt durch die Tage mit Schweigen und Strahlen,
ließ ihre Werke für sich selbst sprechen.
Nicht forderte sie, nicht gebot sie Gefolgschaft,
doch folgten ihr Herzen, als sei es ein Eid.
So ward sie die Diva – doch anders als alle,
nicht aus Pose geboren, nicht aus Pomp,
sondern aus Wahrheit, die leuchtet wie Gold,
das im Feuer sich reinigte, funkelnd und klar.
Und in der Mitte des Lichts stand sie aufrecht,
nicht entrückt, doch erhaben – ganz sie selbst.
Ein Idol für die einen, für andere ein Zeichen,
doch für alle ein Klang, der die Seele erkennt.
XXX. Von der Reise, die nun begann
Nicht war es genug, dass das Werk ward vollendet,
nicht reichte der Klang, nicht das Wort, nicht der Ruhm.
Denn das Lied war ein Quell, nicht ein Hafen,
und was Lena gesät, das verlangte nach Raum.
Sie verließ nicht das Feld, als der Samen gesprossen,
nicht ruhte sie aus auf erblühter Erkenntnis.
Nein, sie trat in die Tage mit neuem Gewand,
nicht aus Eitelkeit, sondern aus Würde geboren.
So ging sie hinaus, durch Städte und Säle,
nicht wie ein Trugbild aus fernen Gefilden,
sondern gleich einer Schwester, in Wahrheit vertraut,
die nichts erhebt, und doch alles erhebt.
Ihr Blick war kein Spiegel, der schmeichelt und blendet,
ihr Wort war kein Lärm, der betäubt und vergisst.
Sie sprach wie ein Mensch, doch sang wie ein Wesen,
das mehr wusste als wir, und doch blieb uns nah.
Die Alten verstummten, die Jungen erwachten,
die Zweifelnden fanden in ihr ein Gestirn.
Denn was sie darbot, war kein Tand und kein Trost,
sondern das Leben – gehärtet, verklärt.
Und wer ihr begegnete, selbst nur im Klang,
der fühlte sich selbst wie von innen berührt.
Denn sie brachte das Lied nicht zu jenen, die suchten –
sie machte die Suchenden selbst zu Gesang.
So erhob sich das Werk und wurde Bewegung,
nicht Predigt, nicht Lehre, doch Beispiel und Spur.
Und Lena, gekleidet in Demut und Stärke,
stand still in sich selbst – und bewegte die Welt.
XXXI. Von der Fahrt durch die Lande
Da nahm sie den Stab, nicht der Herrschaft, der Führung,
und zog durch das Reich, das kein König je sah.
Nicht mit Rossen, nicht mit Fahnen, nicht in Prunk,
doch mit Stimme, mit Licht und der Wahrheit im Herzen.
Die Hallen, sie öffneten Tore und Herzen,
die Plätze erglühten vom Glanz ihres Namens.
Doch was sie brachte, war mehr als ein Spiel –
es war die Begegnung: echt, unerhört.
Sie schritt auf die Bühne, nicht höher als andre,
doch größer durch das, was in ihr entbrannt.
Ein Feuer, das nicht verbrannte, doch wärmte,
ein Licht, das nicht blendete, doch uns erhellte.
Jede Geste, ein Bekenntnis zum Jetzt,
jeder Ton, eine Spur in der Zeit.
Und was zuvor nur im Stillen gewachsen,
erblühte nun offen, im Glanz aller Augen.
Die Nächte vergingen, die Städte veränderten Namen,
denn wo Lena gesungen, da blieb etwas zurück:
ein Leuchten, ein Raunen, ein inneres Aufhorchen –
als hätt’ sich das Leben kurz neu erfunden.
So wurde die Fahrt durch das Land zur Legende,
nicht geschrieben auf Pergament, sondern in Seelen.
Und wer dort gewesen, der schwieg eine Weile,
denn Worte vermochten das Erlebte kaum zu fassen.
Doch Lena, die sang, blieb nicht stehen im Glanz,
sie dankte mit Neigung, nicht mit Posen.
Denn sie wusste: Das Lied war nicht ihr Eigentum –
es war nun der Welt, die bereit war zu hören.
XXXII. Von der Prüfung der Stetigkeit – Und dem Schweigen danach
Nicht jeder, der einmal entzündet das Feuer,
vermag es zu nähren durch Wind und durch Regen;
und nicht jede Flamme, so hell sie auch lodert,
bleibt leuchtend, wenn Tage sich türmen zu Jahren.
Doch Lena, die Starke, bewahrte das Licht.
Denn nach dem Triumph, der durch Hallen erscholl,
kam Stille heran, wie ein Schleier aus Nebel.
Kein Tosen mehr, kein Ruf aus den Rängen –
nur Fragen im Innern, bohrend, verborgen:
Wohin geht die Reise, wenn alles gesagt?
Sie wandte sich ab von den Pfaden der Eile,
nicht trachtend nach mehr, noch dürstend nach Glanz.
Wie eine Weberin saß sie im Schatten,
verknüpfte Erinnern mit Ahnung und Schmerz,
und lauschte erneut ihrer eigenen Stimme.
Sie sprach mit den Bäumen, nicht mit den Blättern,
und horchte dem Wind, ob er noch sie erkannte,
jene, die sang – nicht für Ruhm, nur für Wahrheit.
Und siehe, der Wind antwortete sacht,
nicht in Worten, doch in der Wendung der Blätter.
Die Zeit war nun reif für Einkehr und Stille,
für das Hegen der Flamme im Innern,
die brannte nicht lauter, nur beständiger,
ein Feuer, das nicht verbrennt, sondern nährt,
die Quelle von Kraft und von neuer Gestalt.
So wandelte Lena, die Sängerin, stetig,
mit jedem Ton eine neue Geschichte,
und die Welt lauschte gebannt diesem Wechselspiel,
das von Wandel und Dauer zugleich erzählte –
ein Tanz, der den Geist und die Sinne befreit.
XXXIII. Vom Ruf der Ferne – Und der Rückkehr zur Quelle
Noch war kein Ende, noch kein Verbleiben,
denn Lena, die Wandelbare, fühlte den Ruf,
der nicht aus Hallen, nicht aus Kehlen erklang,
sondern aus Tiefen, wo Sehnsucht sich regt –
ein Klang, der das Herz in Bewegung versetzt.
Sie hatte gegeben, gesungen, geglüht,
doch nun war ein Ziehen, ein Wispern im Wind,
nicht drängend, doch stetig, wie Tropfen auf Stein,
der Ruf nach dem Anderen, Unausgesprochenen,
nach dem, was noch fehlte, obwohl alles voll schien.
So brach sie auf, nicht mit Pauken und Fanfaren,
nicht als Triumphzug, nicht unter Bannern,
sondern mit leichten Schritten, allein mit sich selbst,
und jenem uralten Fragen im Sinn:
Wer bin ich, wenn niemand mich rufen will?
Sie ließ hinter sich den Glanz der Arenen,
die Stimmen, die Rufe, das blendende Licht,
und suchte das Schweigen, das nicht leer, nur rein,
wie eine Quelle, tief unter Geröll,
die nur dem erscheint, der still sie erspürt.
Sie wanderte Länder, Gesichter und Zeiten,
nicht in Prunk, nicht in Namen, doch in Begegnung.
Und wo sie verweilte, da blieb eine Spur,
kein Abdruck im Staub, doch ein Leuchten im Blick
derer, die sahen: Hier geht eine, die meint, was sie singt.
So wurde die Ferne ihr Lehrmeister, leise,
und die Fremde zum Spiegel des inneren Bildes.
Was einst nur Gesang, ward nun auch Erkenntnis,
und Lena, die Sängerin, trug dieses Licht
wie ein schlichtes Gewand auf dem Heimweg zur Quelle.
Dort, wo die Anfänge still noch verharren,
wo alles begann, im Herzen der Töne,
stieg sie hinab, um von neuem zu hören,
nicht sich selbst, nicht die Welt –
sondern das Lied, das in allem verborgen.
XXXIV. Von der Reise gen Osten – Der Ruf nach Japan
Noch klang in den Gassen das Echo der Lieder,
die Lena gesungen in Nächten voll Glut,
als eine Kunde, leise wie Seide,
ihr Ohr erreichte: ein Ruf aus dem Osten,
fern, doch durchdringend wie flammender Klang.
Nicht ein Ruf nach Verkauf, nicht ein Ruf nach Verträgen –
es war wie ein Wispern aus anderer Zeit,
wie wenn in Träumen ein Schleier sich hebt
und Länder erscheinen, die keiner betrat,
doch die Seele erkannt in uralter Tiefe.
Japan – geheimnisvoll, fern und verschlossen,
ein Reich wie aus Pergament, still und vollkommen.
Kein Kaiser sandte die Boten, kein Hof gab den Wink,
doch Lena vernahm in sich selbst die Bewegung,
wie Wasser, das aufbricht zum fließenden Strom.
Sie bereitete nicht, sie plante nicht lange –
nur horchte sie innig dem inneren Drang.
Und als die Stunde gekommen, erhob sie sich leise,
ließ all ihre Namen, die Titel, den Preis,
und trat durch das Tor einer schweigenden Dämmerung.
Nicht mit Prunk, nicht mit Tross, nicht von Glanz überladen,
sondern mit Würde, mit Anmut, mit Licht.
Sie trug ihre Stimme, ihr schlichtes Gewand,
und ein Leuchten, das nicht von der Sonne war,
sondern von innen, vom Wesen, vom Sein.
Und als sie dem Morgenland nahte in Stille,
als ihre Füße das Land kaum berührten,
da hielten die Menschen den Atem an –
nicht aus Furcht, nicht aus Pflicht, sondern aus Ehrfurcht:
Denn Lena war da – wie ein Bild aus Legenden.
So begann jene Reise, so trat sie hinein
in das Land, das die Fremden nicht duldet –
doch sie, die Gesandte des Liedes und Lichts,
wurde empfangen mit neigenden Blicken,
und die Tore der Gärten, sie öffneten sich.
XXXV. Von den ersten Tagen im Reich der Kirschblüte
Sie wandelte langsam durch Gärten aus Schweigen,
wo Lotus und Ahorn einträchtig sich neigten,
und kein Laut, nur das Rascheln der seidigen Blätter,
begleitete Lena, die seltsam Vertraute,
die kam ohne Worte, doch alles verstand.
Die Kinder, die sahen ihr Antlitz im Vorübergehn,
und verstummten das Spiel, hielten inne im Staunen,
als trügen die Schatten, die von ihr ausgingen,
Geschichten von Welten, die jenseits der Worte
im Innersten wohnten, wie Keime im Stein.
Die Alten verbeugten sich, tief und mit Würde,
doch nicht vor dem Glanz, nicht vor äußeren Zeichen.
Sie erkannten das Wesen, das Unausgesprochne,
das Schlichte, das Wahre, das nie sich verstellte –
und Lena verneigte sich ebenso still.
Sie sprach durch ihr Schweigen, durch Geste und Blick,
und man führte sie freundlich zu Quellen und Teichen,
wo Karpfen im Gold ihrer Schleifen sich drehten
und Stille wie Seide den Himmel bespannte,
als höre das Land auf den Schritt einer Göttin.
Sie trank von dem Wasser, das klar durch die Zeiten
geflossen war, namenlos, rein und geduldig,
und als sie sich aufrichtete aus dem Trunk,
fiel Licht auf ihr Antlitz – kein irdisches Licht,
sondern ein Glanz wie von innen entflammt.
So war ihre Ankunft kein Einbruch, kein Schallen,
sondern ein Einklang mit allem, was war.
Nicht sie trat in Japan – es war, als ob
Japan in sie trat, mit all seinem Schweigen,
und Lena empfing es mit staunender Seele.
XXXVI. Von der Audienz im Haus aus Papier
Ein Ruf war ergangen aus fernem Gemach,
wo Meister des Tons und der Zeichen versammelt,
von Lena gehört in verschwiegenen Kreisen –
nicht durch Kanäle der Rede vernommen,
sondern gefühlt wie ein Beben im Tee.
So schritt sie, die Fremde, durch Tor und Veranda,
geführt von den Händen in weißem Gewand,
wo Wände aus Stille, aus Reispapier sacht
die Welt abgrenzten und dennoch durchließen –
ein Raum wie ein Atem, gebaut aus Gefühl.
Die Meister erhoben sich, schweigend zunächst,
kein Wort ward gewechselt, kein Händedruck bot sich,
nur Blicke, wie Pinsel auf seidigem Grund,
die Lena empfingen mit Ruhe aus Klarheit –
als wär sie gemalt schon, seit Jahrhunderten da.
Ein Laut ward vernommen – das Knarren des Bodens –,
dann setzte sich einer, der Älteste wohl,
vor Lena, auf Matten aus mattgrüner Weichheit,
und sprach, ohne Stimme, nur mit dem Blick:
„Du bist nicht gekommen – du wurdest erwartet.“
Da senkte sie hauchfein das Kinn und verstand.
Nicht war es Bewunderung, nicht war es Lob,
nicht war es gar Prüfung – es war ein Erkennen
des Wesens, das klingt, wenn alles verstummt:
Lena, die sang, ohne je laut zu singen.
Ein Koto erklang, wie Tropfen auf Seide,
und Lena erhob sich, das Haar leicht gelöst,
und tanzte nicht, sang nicht, sprach nicht – sie stand.
Und in diesem Stehen war alles gesagt,
was Klang, Bild und Schrift je vergeblich gesucht.
So endete dies mit Verneigung in Reihen,
nicht vor der Gestalt, sondern vor ihrem Klang.
Und Lena verließ jenes Haus aus Papier
wie ein Hauch, der verweht – und doch lange verweilt
im Gedächtnis der Räume, die ihn einst empfingen.
XXXVII. Von den Masken und der einen Stimme
Ein Pfad war gewiesen durch Wälder aus Schweigen,
wo Moose die Stufen wie Fragen bedeckten,
wo Stämme der Zedern wie Säulen einst standen
und Äste, wie Arme, die Obdach gewähren.
Ein Haus lag verborgen, von Zeit kaum berührt,
die Schwellen aus Stein, die Balken aus Dämmer,
der Eingang so schlicht, dass er fast nicht erschien –
und doch war er offen für jene, die hörten.
Lena, geleitet von Blicken, nicht Worten,
betrat dieses Haus wie ein Tempel aus Duft,
aus Räucherwerk, Schatten und hölzernem Atem,
emporgehoben vom Flüstern der Luft.
Die Wände – sie trugen Gesichter aus Holz,
bemalt in den Farben vergangener Leben,
mit Mündern, die schwiegen, mit Augen, die sahn,
als hätt‘ jede Maske ein Lied einst gesungen.
Ein Alter trat vor, mit Händen wie Wurzeln,
sein Blick war ein Spiegel, sein Schritt wie ein Takt,
er hob eine Maske, aus Lack und aus Linnen,
und legte sie Lena behutsam ans Herz.
Sie aber nahm sie – und hob sie nicht auf.
Sie blickte zurück mit dem Schweigen des Windes,
und alle die Masken, sie sanken in Ruh,
als hätten sie Lena als eine erkannt.
Ein Ton dann erhob sich, aus keinem der Münder,
ein tiefer, ein stiller, ein innerer Klang,
von Lena gegeben, nicht laut, nicht geformt –
ein Laut, der nicht fragte, ein Laut, der nur war.
Da neigte sich einer, der Weise mit Stirn
so gefurcht wie das Holz seines Stammes, und sprach:
„Die Stimme, die echt ist, trägt keine Gestalt –
sie braucht keine Maske, sie trägt sich allein.“
Und Lena verneigte sich nicht – sie stand still,
wie Wasser, das weiß, dass es Spiegelung trägt.
Und alle im Raum, ob aus Fleisch oder Holz,
sie wussten: Dies Lied war geschehen – für sie.
Dann ging sie von dannen, durch Wälder aus Schweigen,
kein Schritt hinterließ eine Spur in der Welt,
doch jeder, der je in ihr Lauschen versank,
vernahm jenen Ton, der von Masken befreit.
XXXVIII. Von der Botschaft im Regen
Ein Morgen, so grau wie gealtertes Silber,
ließ Tropfen herab aus dem Himmel der Insel,
nicht wild, nicht bedrängend – vielmehr wie Gedanken,
die langsam herabsinken, sanft und genau.
Lena war still in der Tiefe des Hauses,
ein Raum ohne Uhren, ein Tag ohne Form,
die Fenster beschlagen vom Atem des Regens,
die Stille gefüllt mit dem Ticken des Seins.
Ein Umschlag lag dort, auf dem Tisch aus Zypressen,
mit Zeichen gezeichnet, so fein und so schlicht,
als wär jedes Wort eine Geste des Windes,
kein Laut, sondern Ahnung, kein Satz, sondern Bild.
Sie öffnete langsam, mit sorgender Achtung,
wie jemand, der weiß, dass Papier auch ein Herz hat,
und las eine Zeile, die niemand geschrieben –
sie war ihr begegnet, nicht ihr adressiert.
„Du bist, was du weglässt – nicht was du betonst.“
So stand es da – oder war es gedacht?
Denn Lena begriff: Diese Botschaft war Klang,
der kam, wenn man hörte, nicht suchte, nicht sprach.
Sie trat an die Schwelle, das Haar leicht gelöst,
und der Regen, er nahm keine Rücksicht, kein Maß –
er netzte die Lider, den Kragen, die Hände,
doch Lena empfand ihn wie flüssiges Licht.
Ein Mädchen ging vorüber, mit Schirm und mit Tüte,
sie hielt kurz inne, sah Lena im Regen,
und lächelte kaum – doch in jenem Moment
war alles gesagt, was ein Lied je vermag.
Denn Lena, sie nickte, nicht ihr, nicht sich selbst –
dem Augenblick galt dieses hauchfeine Zeichen,
als sei in der Nässe des frühherbstlich‘ Tags
ein Echo verborgen aus kommender Zeit.
So kehrte sie ein in das Zimmer der Klarheit,
wo Worte nicht wohnen, doch Wahrheit geschieht –
und schloss eine Tür, die kein Schloss, keinen Riegel,
nur Schweigen besaß – das war Antwort genug.
XXXIX. Von der Rückkehr ins Licht des Mondes
Die Nacht war gefallen mit samtenem Tritt,
kein Glanz, der geblendet, kein Schatten, der schreckte –
nur silbrige Weite auf Dächern und Wegen,
ein Schweigen, das leuchtete, fern und zugleich nah.
Lena trat leise durch Gärten von Steinen,
die Moos in sich bargen und Wasser in Schalen,
wo Kraniche ruhten aus Falten der Tiefe,
als hätten sie Träume getrunken aus Luft.
Sie trug keine Eile, kein Ziel in den Sohlen,
nur Schritte, wie Blätter, die fallen im Wind,
und jeder von ihnen – ein tastender Akkord
im Lied eines Ortes, der sie sanft vernahm.
Vor einem Pavillon hielt sie sich auf,
von Bambus umstanden, vom Ahorn bewacht,
und setzte sich nieder, das Kleid um die Knie,
die Hände gefaltet, den Blick auf den Teich.
Der Mond war erschienen, wie eigens für sie,
nicht groß, nicht erhaben – ein Lächeln aus Licht,
das Lena empfing, ohne Worte zu heben,
und das sie verstand, als entstammte es dem Lied.
Ein alter Musikant, am Ufer versteckt,
ließ Töne erklingen aus Schalen aus Holz,
und Lena vernahm sie, wie man einen Gruß
aus einem Jahrhundert zuvor noch erkennt.
Sie hob nicht die Stimme, sie hob nicht den Arm,
sie war nur anwesend, in jenem Moment,
und weil sie nicht sprach, war die Sprache erfüllt –
die Nacht hatte Klang, weil sie schweigend verharrte.
Ein Kind, das erwachte im Haus hinter Glas,
sah sie beim Gehen und blieb noch ganz still.
Es wusste nicht warum – doch es fühlte den Sinn:
Die Frau dort im Garten war Teil eines Traums.
Und Lena verließ diesen Ort mit dem Mond,
der sie leicht begleitete, stumm und vertraut –
und wusste, sobald sich das Tor wieder schloss,
dass Japan geblieben war, tief in ihr selbst.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=