Jazz-Glossen

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  • #7661097  | PERMALINK

    tejazz

    Registriert seit: 25.08.2010

    Beiträge: 1,100

    Fef:
    Die USA gehören zum Westen. Sie werden als Prototyp des Westens weltweit angesehen. Wo, wenn nicht in den USA, werden Produkte so schnell auf den Markt gehievt und wieder hinauskatapultiert? Seit Jahrzehnten? Das gilt auch für Musik. Und letztlich auch WM. Ich will das nicht loben, es ist nur eine (grob vereinfachte) Beschreibung. Kein Erfolg – schon vergessen.
    Musiker, die in früheren Jahrzehnten ein paar Jahre aussetzten oder in Europa „hängenblieben“, hatten in der Regel viel zu tun, später in den USA wieder Fuß zu fassen. Namen wurden vergessen, neue Stile hatten sich breitgemacht.

    Worüber schreiben wir hier? Die Musik WM ist auch ein Produkt der Entwicklung. Es ist nicht der Ragtime oder der „reine“ New Orleans-Stil. WM spielt letztlich eine Musik, die sich in Jahrzehnten entwickelt hat. Wenn er diesen Stand „seiner“ Musik konservieren will, ist das in Ordnung, er kann ja spielen, was er will. Er soll auch seine Meinung sagen – aber seinen großen und trotzdem beschränkten Jazz-Horizont eben nicht als das Maß aller Dinge betrachten und das auch noch bei günstigen Gelegenheiten heraus posaunen. Das ist der große Kritikpunkt. Und der Jazz entwickelt sich, ob er will oder nicht, weiter. Als Nischenmusik gibt es nicht mehr und oft die großen Sprünge. Vielleicht bleibt er auch bald stehen, man weiß es nicht. Aber: Free Jazz und Jazz mit Rockelementen sind nicht wegzuleugnen.
    Es entwickelt sich ständig etwas. Manchmal wird etwas von Kritikern „hochgejazzt“, aber in der Regel sind bahnbrechende Ergebnisse wie Bebop oder Free Jazz Zeugnis einer Entwicklung, die ans Licht durchbricht. Kein Kritiker hatte die Spielereien in Mintons’s Playhouse verfolgt. Und der Free Jazz hat auch etwas mit politischen Entwicklungen zu tun.

    Der Versuch, Dixieland gegen Bop usw. aufzurechnen ist für mich irgendwie eigenartig. Was soll das bedeuten? Dixieland als großer Fluß, der ab und an ein paar Nebenflüsse bei Hochwasser erzeugt, die aber mit dem breiten Strom nicht konkurrieren können?
    Egal, wie – aber es gab z.B. Bebop und der unterscheidet sich schon gewaltig vom Dixieland.

    Swing, Bebop, Freejazz, Bossa Nova usw. waren Musik ihrer Zeit. Für mich ist Dixieland das auch. Keine Ahnung, ob sich da was entwickelt hat. Letztlich ist das alles Unterhaltung. Einer mag das eine, der nächste das andere. Manche haben ordentliche Bandbreiten. Manche Hörer und Musiker nicht.

    Die Übersetzungen von „Eingeborenen-Musik“ zu geglätteter Weltmusik finde ich nicht falsch. Manche Dinge sind eben fremd (ich erinnere mich an den Besuch eines chinesischen Theaterstückes mit einer früheren Freundin, die nach ca. 15 Minuten gehen wollte) und „funktionieren“ bei Hörern anderer Kulturbereiche nicht sonderlich. Warum nicht probieren, ob es nicht einen Kompromiß gibt? Dieses Ergebnis als authentisch zu betiteln ist dann natürlich fatal. Aber, wenn es keiner merkt…
    Ich bin ganz froh, beim Chinesen an der Ecke eher nicht-folkloristisches Essen zu bekommen.

    Und ob Obama immer lässig durchs Weiße Haus geht und was das bedeutet, erschließt sich mir nicht.

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    #7661099  | PERMALINK

    fef

    Registriert seit: 05.04.2010

    Beiträge: 127

    Mein Gedanke war: Dass ein „Schwarzer“ im Weißen Haus sitzt, erfüllt wohl viele Leute, die gewohnt sind, dass man sie als minderwertig ansieht, mit Stolz. Und dieser Obama hat etwas von der Coolness und Geschmeidigkeit der afro-amerikanisch Sub-Kultur, die die Menschen seit den Anfängen des Jazz überall in der Welt fasziniert hat. So könnte man das vielleicht vereinfacht sagen. Und es ist vielleicht eine ähnliche Sache, die manchen mit Stolz erfüllt, wenn Betty Carter in der Carnegie-Hall mit ihren alten und jungen Kollegen die Musik-Kultur der verachteten afro-amerikanischen Minderheit zelebriert. Und wie sie das machen! Mit dieser bestechenden Lässigkeit, Lockerheit, mit dieser „Kommunikativität“, mit Spontaneität und Witz, und sehr viel feinem Feeling!

    Ansonsten ist es einfach schwer, die Missverständniss, die aus den unterschiedlichen Perspektiven vielleicht zwangsläufig entstehen, alle auszuräumen.

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    #7661101  | PERMALINK

    fef

    Registriert seit: 05.04.2010

    Beiträge: 127

    Inwiefern waren Ornette Coleman, Cecil Taylor, Sun Ra, John Coltrane, Muhal Richard Abrams, Anthony Braxton, Don Cherry politischer als Dizzy Gillespie und Duke Ellington? Ist der politische „Free Jazz“ ein Mythos der 1968er Bewegung?

    Und wenn es heute irgendeinen Jazz-Musiker gibt, der wenigstens ein ganz klein wenig eine politische Wirkung für die afro-amerikanischen Bürgerrechte hat, dann ist das am ehesten Marsalis – ob man das wahrhaben will oder nicht.

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    #7661103  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    FefInwiefern waren Ornette Coleman, Cecil Taylor, Sun Ra, John Coltrane, Muhal Richard Abrams, Anthony Braxton, Don Cherry politischer als Dizzy Gillespie und Duke Ellington? Ist der politische „Free Jazz“ ein Mythos der 1968er Bewegung?

    nicht, dass mich das Thema sonderlich interessieren würde, aber lies mal hier rein
    http://www.ayler.co.uk/html/cricket.html
    das deckt sicher nicht den ganzen Free Jazz ab, aber politische Untertöne hat es zweifellos… und es sind andere als man sie von Ellington und Gillespie gehört haben dürfte…

    --

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    #7661105  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,343

    Sie waren politisch, indem sie sich mit der Bürgerrechtsbewegung mehr oder weniger deutlich solidarisierten – Coltrane hat „Alabama“ geschrieben, Roach und Rollins haben „Freedom Suites“ geschrieben, Blakey eine LP namens „The Freedom Rider“ aufgenommen, die Liste lässt sich fortschreiben. Das sind alles klare Statements.
    Andere haben sich zudem auch sozial engagiert, Festivals, Konzerte, Bürger-Initiativen, politisches Theater gemacht etc. etc.

    Ich glaube, es wäre nicht besonders schwierig, zu begründen, warum Marsalis der Sache der Schwarzen in den USA schadet. Mit Bürgerrechten im Zusammenhang hab ich ihn jedenfalls noch nie gesehen. Eher als erfolgreichen mittelständischen Unternehmer.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #7661107  | PERMALINK

    fef

    Registriert seit: 05.04.2010

    Beiträge: 127

    gypsy tail wind… Coltrane hat „Alabama“ geschrieben, Roach und Rollins haben „Freedom Suites“ geschrieben, Blakey eine LP namens „The Freedom Rider“ aufgenommen ….

    Ja genau, diese Namen werden im Zusammenhang mit der Bürgerrechtsbewegung überall genannt, Mingus auch. Aber das ist alles kein „Free Jazz“. Armstrong hatte sich auch kritisch geäußert.

    Ayler stimmt, zumindest irgendwie, darum habe ich ihn weggelassen (danke für den interessanten Link!). Und vor allem gab es Archie Shepp (Theaterwissenschaftler und „Theatraliker“) . Von ihm und dem Nicht-Musiker Amiri Baraka stammen all die revolutionären Aussagen. Aber sonst sehe ich bei den Free-Jazzern eigentlich nicht so wahnsinnig viel mehr Politik als das, was die anderen davor machten. Oder?

    gypsy tail wind… Marsalis … Mit Bürgerrechten im Zusammenhang hab ich ihn jedenfalls noch nie gesehen. Eher als erfolgreichen mittelständischen Unternehmer.

    Ja genau diese Sicht kriegt man vermittelt. Man hat all dieses „Neo-traditionell“- und „Neo-konservativ“-Gerede in den Ohren, dass man schon fast glaubt, er wäre mit Reagan und Bush im selben Boot gesessen. Dass dieses für Jazz-Fans besonders unsympathische Bild immer wieder erzeugt wurde, hat meines Erachtens handfeste Gründe: Markt-Interessen. Marsalis kämpfte beinhart um seine Position und man kann das ruhig unsympathisch finden. Aber jene, die ihn zum Jazz-Feind Nummer 1 stilisierten, kämpfen genau aus den gleichen Gründen und mit der selben Härte. Da geht es nicht um Interessen der Hörer und darum sollte man sich da als Hörer nicht instrumentalisieren lassen. Darum rede ich gegen diese bereits Jahrzehnte alte Feindseligkeit. Mittlerweile haben längst auch Musiker wie Henry Threadgill und Greg Osby im Lincoln Center gespielt. Vor allem als Hörer kann man sich also ruhig auf ein differenzierteres Bild einlassen. Das war meine Anregung.

    --

    #7661109  | PERMALINK

    tejazz

    Registriert seit: 25.08.2010

    Beiträge: 1,100

    Marsalis kämpfte beinhart um seine Position und man kann das ruhig unsympathisch finden. Aber jene, die ihn zum Jazz-Feind Nummer 1 stilisierten, kämpfen genau aus den gleichen Gründen und mit der selben Härte. Da geht es nicht um Interessen der Hörer und darum sollte man sich da als Hörer nicht instrumentalisieren lassen.

    Aber das macht WM doch eben auch! Das ist hier doch der Punkt. Er ist nicht Jazzfeind Nr. 1 (sowieso fraglich), weil er die Sache des Jazz vehement vertritt, sondern weil er SEINE SICHT AUF DEN JAZZ als DIE EINZIG WAHRE hinstellt und alles andere unter den Tisch fallen läßt. Und eben durch seine Marktmacht versucht, diese Meinung durchzudrücken.
    Wie Du schreibst, Marsalis kämpfte beinhart um seine Position. Aber nur um seine. Und instrumentalisiert den Jazz dafür, indem er ihn auf sich/seine Sichtweise reduziert.
    WM ist nicht DER JAZZ. Er ist nur ein Musiker, ein Vertreter – von vielen.

    Es geht um Vielfalt, nicht Einfalt.

    --

    #7661111  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    #7661113  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Beiträge: 68,343

    Pi Records feiert seinen 10. Geburtstag – ein feines, kleines Label, von dem ich mehr kaufen sollte!

    In der NYTimes gab’s vor ein paar Tagen einen Artikel:
    http://www.nytimes.com/2011/08/17/arts/music/pi-recordings-a-jazz-label-finds-a-way-to-thrive.html?pagewanted=1&_r=3

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    #7661115  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

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    gypsy tail windPi Records feiert seinen 10. Geburtstag – ein feines, kleines Label, von dem ich mehr kaufen sollte!

    In der NYTimes gab’s vor ein paar Tagen einen Artikel:
    http://www.nytimes.com/2011/08/17/arts/music/pi-recordings-a-jazz-label-finds-a-way-to-thrive.html?pagewanted=1&_r=3

    coleman’s MANCY OF SOUND kam gestern an. werde darüber und über ein paar andere sachen in kürze was im neuerscheinungen-thread schreiben.
    ist ja interessant, dass er durch den wechsel von label bleu zu pi überhaupt erst wieder im amerikanischen bewusstsein auftauchte (und mit seiner ersten pi-veröffentlichung gleich auf mehreren jahresbestenlisten auftauchte).

    --

    #7661117  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,343

    Pi ist ja diesbezüglich sehr geschickt. Wenige Releases, alles durchdacht und wohlüberlegt – und auch soweit sie es können Promotion für die Releases.

    Die Coleman-CD klingt mir nach dem, was ich gelesen habe, leider nach einer Überdosis Jen Shyu – aber berichte dann mal!

    Musiker, die für Label wie Label Bleu, Dreyfus oder ähnliche europäische Label aufnehmen, werden in den USA eh kaum wahrgenommen. Es gibt Hat und es gab FMP, um deren Alben ein gewisser Kult entstanden ist, sonst denke ich kann ein Musiker noch so viele Releases in Europa haben, das wird in den USA leider nur selten wahrgenommen.

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    #7661119  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,716

    das jazzwerkstadt-label scheint die ausnahme zu sein – jedenfalls erhält die boom-box-cd „jazz“ in den USA sehr gute kritiken.

    --

    #7661121  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,343

    Kritiken gibt’s wohl schon hie und da, und auch gute – aber über die Bekanntheit sagt das ja leider oft auch nichts aus. Hast Du die Boom Box CD schon? Lohnt sich bestimmt ;-)

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    #7661123  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,716

    ja, habe ich, ist großartig. hatte ja vorab ein stück in meinem ersten bft vorgestellt. weiteres auch im neuerscheinungsthread.

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    #7661125  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    es ist sehr profan, aber zu gut um es nicht mal kurz zu melden, kann man danach ja immer noch alles kaufen; der Katalog von simfy hat sich in den letzten Wochen so sehr verbessert, dass es eine Freude ist… dutzende weitere Labels sind jetzt dort zu hören, Uptown, WhyNot, NimbusWest (Horace Tapscott!!! 10 Alben!!!), Pi, viel mehr Tzadik…

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