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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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gypsy-tail-windDur-Strecken? Wunderbar! Ich bin allerdings generell eher in Moll, die Tage besonders. Ich finde das mit den Prozessen ja auch spannend – bei den grossformatigen Solo-Konzerten (und natürlich noch mehr bei den Chicagoern der AACM, die das ja quasi zum Dogma erhoben). Aber bei diesen kleineren Formen ist es halt schon fraglich, ob das so funktioniert, wie Jarrett es beschreibt: dieser Kontinuierliche Aufbau (also ohne Teil 1 gäbe es Teil 2 nicht, ohne diesen Teil 3 nicht etc.). Manches wirkt auf mich dann halt eher so dahingetupft – also werden quasi ganze Segmente zu Durstrecken, es gibt dafür keinen gesamthaften dramaturgischen Bogen – aber innerhalb längerer Segmente gibt es Bögen (und erneut Durstrecken). So höre ich das wenigstens. Ich verstehen halt den Mehrwert nicht bzw. er ist für mich nicht da, im Vergleich mit den grossformatigen Konzerten. Ich fand dann allerdings die vier Auszüge vom zweiten Konzert am Ende sehr stark – und das wirft zwei Fragen auf, deren zweite mir eh dauernd im Kopf rumschwirrt, wenn ich Jarretts so arbiträr gewachsene Diskographie der letzten 30 Jahre anschaue: 1) Ist die Form mit Auszügen besser, weil die Durststrecken einfach rausgekürzt wurden? (Das könnte man jetzt anhand der DVD überprüfen, aber die schaffe ich auf keinen Fall auch noch an.) 2) Ist das erste Konzert einfach keins der allerbesten? Und wenn ich erwähne, dass mir diese Frage im Kopf rumschwirrt, dann bezieht sich das z.B. auch auf die Trio-Konzerte, von denen schwächere erschienen sind (Up for it, The Out-of-Towners), während andere, viel stärkere (My Foolish Heart) erst mit Verspätung nachgereicht wurden … ich stelle mir halt vor, dass es noch hundert weitere in bester Qualität (oder mindestens in veröffentlichungswürdiger, wie die DAT-Aufnahmen auf „A Multitude of Angels“ oder auch „After the Fall“) auch dokumentierte Solo- und Triokonzerte gibt. Ich frag mich halt ein wenig, wie gut dieses letzte Kapitel Jarretts, also besonders die Jahre nach der Zwangspause, diskographisch gesehen am Ende kuratiert sind – weil ich mir halt vorstelle, dass es solche Konzerte wie „My Foolish Heart“ auch anderswo gegeben haben muss, so viel wie Jarrett solo und im Trio unterwegs war. Und nein, das ist in keinerlei Hinsicht ein Vorwurf an ECM/Eicher, der wird ja Jarretts ganze Audio-Bibliothek nicht komplett verfügbar haben oder kennen können.
Scheen daß Du den Faden nochmal auffängst, das sind interessante Gedanken …. und das (für mich) wichtige Wort hier ist kuratiert …. ich habe keine Ahnung wie stark die Position von Jarrett gegenüber Eicher war und ob Letzterer Kurator großteils nach dem Willen des Künstlers war oder ob auch partiell „eigene Überlegungen“ eingeflossen sind …. die Veröffentlichungen sind nun mal so wie sie sind und „Editionen“ besonders gelungener Tracks/Konzerte natürlich reine Gedankenspiele …. btw. ich finde eine kritische Auseinandersetzung mit dem (Gesamt)werk schadet Jarrett de facto nicht, denn es verbleiben zahlreiche gesicherte Pluspunkte ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Highlights von Rolling-Stone.deWerbungKENNY DREW – Everything I Love
Das Label SteepleChase gab es noch nicht so lange, als diese Aufnahmen entstanden sind. Ungefähr das 7. Album im Katalog mit der Nummer 1007, „Blues For Harvey“ von Johnny Griffin hat die 1004.
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THE KENNY DREW TRIO – Pal Joey
Läuft hier mal gestreamt.
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soulpopebtw. ich finde eine kritische Auseinandersetzung mit dem (Gesamt)werk schadet Jarrett de facto nicht
das finde ich ja als aussage ein bisschen problematisch. hier sind gerade einige leute, die sich konkret mit den alben auseinandersetzen, und ich lese hier keine einzige unkritsche lobhudelei auf jarrett, sondern sehr ausgewogene und – eben – konkrete beobachtungen. wenn man eine kritische auseinandersetzung mit dem gesamtwerk einfordert, sollte man selbst die sachen der letzten 30 jahre kennen, da ist ja sehr viel neues passiert.
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Ich hätte wohl 20, nicht 30 Jahre schreiben sollen (1998 bis zum letzten Konzert 2017), aber es ist am Ende unerheblich. Die aus meinen Augen nicht immer nachvollziehbare VÖ-Politik fängt wohl mit „Tokyo ’96“ oder eher schon mit „Standards in Norway“ an. Was die Solokonzerte angeht, mag ich da gar nicht wirklich urteilen, die sind für mich ein Faszinosum, das ich aber nicht so gut kenne, als dass ich mir zutraue, da etwas wie einen Überblick zu haben. In den Liner Notes einiger Sachen (ich glaub z.B. bei der „Angels“-Box, aber auch bei Trio-Alben) kann man schon zwischen den Zeilen oder auch recht klar herauslesen, dass Jarrett wohl das letzte Wort hatte. Ab wann das so ist, weiss ich nicht, aber ich tippe mal, dass das seit seiner Pause sicher der Fall sein dürfte, vielleicht schon früher – er war ja für ECM vermutlich das, was Coltrane für Impulse war, und hat sicherlich einen besonderen Status beim Label.
Nachtmusik, zum wiederholten Mal:
Frode Haltli – Passing Images | Eigentlich wegen Maja Solveig Kjelstrup Ratkje gekauft – sowas wie ein on und off crush von mir seit 20 Jahren, live gehört erst (und bisher einzig) vor ca. 5 Jahren mit der Antifa-Band, in der Haltli auch spielt, und danach auch diese CD gekauft, weil Ratkje (voc) hier mitwirkt, neben Arve Henriksen (t), Garth Knox (vla) und dem Leader (acc). Haltli hat für die CD unterschiedliches Material aus seiner Heimat Norwegen als Basis genommen und bearbeitet, das Titelstück ist Ratkjes Bearbeitung eines Haltli-Stückes (das auch auf der CD zu hören ist), das wiederum auf einer Aufnahme eines Fiedlers aus Haltlis Heimat in Südostnorwegen basiert, der 1941 verstarb. Die Quellen sind teils aber auch jüngeren Datums. Ich weiss nicht, wie man diese Musik nennen soll oder kann, denn hier wird ja keine „folklore imaginaire“ konstruiert sondern frühere Musik(en) wird (werden) fortgeschrieben, einverleibt, adaptiert, Ratkje setzt ihre Stimmakrobatik (lautmalerisches Singen usw.) drauf. Schade ist Haltli mit Jahrgang 1975 etwas zu jung, als dass er auch im „Accordion Tribe“ gelandet ist – aber der Norden war dort eh schon fast übervertreten (Lars Hollmer aus Schweden und Maria Kalaniemi aus Finland waren neben Guy Klucevsek, dem Slowenen Bratko Bibic und Otto Lechner dabei)..
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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gypsy-tail-windIch hätte wohl 20, nicht 30 Jahre schreiben sollen (1998 bis zum letzten Konzert 2017), aber es ist am Ende unerheblich. Die aus meinen Augen nicht immer nachvollziehbare VÖ-Politik fängt wohl mit „Tokyo ’96“ oder eher schon mit „Standards in Norway“ an. Was die Solokonzerte angeht, mag ich da gar nicht wirklich urteilen, die sind für mich ein Faszinosum, das ich aber nicht so gut kenne, als dass ich mir zutraue, da etwas wie einen Überblick zu haben. In den Liner Notes einiger Sachen (ich glaub z.B. bei der „Angels“-Box, aber auch bei Trio-Alben) kann man schon zwischen den Zeilen oder auch recht klar herauslesen, dass Jarrett wohl das letzte Wort hatte. Ab wann das so ist, weiss ich nicht, aber ich tippe mal, dass das seit seiner Pause sicher der Fall sein dürfte, vielleicht schon früher – er war ja für ECM vermutlich das, was Coltrane für Impulse war, und hat sicherlich einen besonderen Status beim Label.
Danke für Dein inhaltbezogenes Feedback …. schlussendlich mglws egal ob eher 20 oder 30 Jahre um gewisse Beobachtungen/Stilmittel (oder einfach jeweilige Tagesform ?) also solche zu erkennen …. und ja, Coltrane bei Impulse könnte ein veritabler Vergleich sein ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Paul Motian – Garden of Eden | Und damit beginnt dann ein neues Kapitel von Motians Arbeit – zumindest schlägt es sich hier bei ECM erstmals nieder (anderswo geht das so in der zweiten Hälfte der Neunziger los, mit Potter, Cheek, Rosenwinkel etc. – das sind dann wirklich Leute aus der zweiten Generation der Young Lions der Neunziger, die hier aber ausser Cheek alle schon weitergezoen sind). Weg sind die alten Kämpen Lovano und Frisell (2004 war schon ein „Rückfall“, es gab bei ECM aber dann noch mal einen im Jahr 2006), und eine neue Generation tritt auf. Wobei das mal wieder interessant ist: Jerome Harris ist nur ein Jahr jünger als Lovano (und zwei als Frisell), Malaby wurde 2004 auch schon 40, Cardenas 45, Cheek erst 36. Der einzig wirklich junge ist damit Jakob Broo (*1978). Dennoch fühlt sich das wie ein Generationenwechsel an, obwohl das weiterhin unverwechselbar Motian-Musik ist. Los geht es mit zwei Mingus-Stücken, die sehr gut funktionieren (und natürlich ein wenig an „Three or Four Shades of Blues“ denken lassen): „Pithecantropus Erectus“ und „Goodbye Pork Pie Hat“. Die zwei Saxer lassen sich sehr gut auseinanderhalten, finde ich, auch wenn sie beide Tenor spielen (auf den Fotos sieht man sie nur mit Tenorsaxophonen, im Booklet steht „saxophones“, Cheek scheint zumindest auf „Mesmer“, wo ich grad bin, Altsax zu spielen – sein Spiel ist etwas kompakter, sein Ton etwas singender, seine Phrasierung eine Spur fliessender, Malabys Ton hat etwas mehr Volumen und Kanten. Bei den Gitarren mag ich das gar nicht erst versuchen, das sind alles keine Leute, die ich richtig gut kenne (am besten Ben Monder, der 15 Jahre bei Maria Schneider gespielt hat, bevor Lage Lund ihn ablöste und auf dem jüngsten Album dann keine Gitarre mehr zu hören ist).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaFrühes von Mr. Evans…
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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vorgarten
soulpope btw. ich finde eine kritische Auseinandersetzung mit dem (Gesamt)werk schadet Jarrett de facto nicht
das finde ich ja als aussage ein bisschen problematisch. hier sind gerade einige leute, die sich konkret mit den alben auseinandersetzen, und ich lese hier keine einzige unkritsche lobhudelei auf jarrett, sondern sehr ausgewogene und – eben – konkrete beobachtungen. wenn man eine kritische auseinandersetzung mit dem gesamtwerk einfordert, sollte man selbst die sachen der letzten 30 jahre kennen, da ist ja sehr viel neues passiert.
Guten Morgen „vorgarten“, nun bietet Deine Antwort – falls „so richtig missverstanden“ – genug Stoff um sich gegenseitig anzupatzen …. trotzdem dann einige Gedanken meinerseits …. bezeichnend wenn ich (tendenziell negative) Kritik an Teilen des Schaffens eines Musikers übe und dafür postwendend den Vorwurf erhalte, (allen) anderen Beitraggebern eine „unkritische Lobhudelei“ zu unterstellen …. ich habe auch keine kritische Auseinandersetzung von „anderen“ mit dem Gesamtwerk „eingefordert“, sondern ausschließlich meine eigene getätigt ….
Ich habe hier mit grossem Interesse die Beiträge zu Keith Jarrett im Rahmen der ECM Umfrage gelesen und dazu im Einzelfall Stellung bezogen …. schließlich kam die für mich seltsamste „Anmutung“ Deinerseits mit „sollte man selbst die Sachen der letzten 30 Jahre kennen“ was mich frappierend an die Äusserungen meiner „Altvorderen im Jazz“ erinnerte a la „nur wer alle 200 Duke Ellington Aufnahmen kennt kann da mitreden“ …. dazu soviel : wenn ein Musiker auf einer Aufnahme (für mich) „dahingenudelt“ hat, dann hat er dies auf dieser Aufnahme getan – nicht mehr, aber auch nicht weniger ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)guten morgen @soulpope, ausgangspunkt meines einsteigens und auch ein bisschen meines ärgers war, dass du auf der vorigen seite geschrieben hattest, „hier“ (also im jazzbereich des forums) würde jarretts werk „eher mit samthandschuhen angefasst“. das ist ja was anderes als deine persönliche kritik, dein votum für „weniger ist mehr“ usw.
ich habe keine samthandschuhe an, sondern verfolge mit großem respekt dieses werk, das sich zu solchen hörphasen sehr gut eignet, weil es so gut dokumentiert ist. ich kenne hier auch keine andere person, die jarrett mit samthandschuhen anfasst.
jetzt hast du auch noch vom gesamtwerk geschrieben, aber vor einiger zeit erklärt, eigentlich recht wenig, zumindest au den letzten 30 jahren, davon zu kennen. ist dein gutes recht, aber bei gypsy geht es gerade ja konkret um RADIANCE, was ja eine völlig neue facette im werk jarretts vorstellt – und da kam die spezifische frage auf, ob das überzeugend ist bzw. dokumentiert wird und wer über die form der herausbringung überhaupt entschieden hat. eine andere frage war die nach der krankheitsbedingten zäsur und ihren auswirkungen. eine dritte frage war die nach der veröffentlichungspraxis nach 1998. mich interessieren diese diskussion, weil ich die sachen kenne, bald auffrischen werde oder tatsächlich gerade nachhole. da finde ich es ein bisschen entmutigend, wenn so eine konkrete auseinandersetzung kritisch gerahmt wird auf der grundlage von material, um das es gerade gar nicht geht. ich hoffe, das ist soweit nachvollziehbar.
ist aber auch ein bisschen egal, ich wollte eigentlich nur wissen, worüber wir hier eigentlich sprechen, ich verstehe es nämlich immer noch nicht so recht.
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gypsy-tail-windIch hätte wohl 20, nicht 30 Jahre schreiben sollen (1998 bis zum letzten Konzert 2017), aber es ist am Ende unerheblich. Die aus meinen Augen nicht immer nachvollziehbare VÖ-Politik fängt wohl mit „Tokyo ’96“ oder eher schon mit „Standards in Norway“ an. Was die Solokonzerte angeht, mag ich da gar nicht wirklich urteilen, die sind für mich ein Faszinosum, das ich aber nicht so gut kenne, als dass ich mir zutraue, da etwas wie einen Überblick zu haben. In den Liner Notes einiger Sachen (ich glaub z.B. bei der „Angels“-Box, aber auch bei Trio-Alben) kann man schon zwischen den Zeilen oder auch recht klar herauslesen, dass Jarrett wohl das letzte Wort hatte. Ab wann das so ist, weiss ich nicht, aber ich tippe mal, dass das seit seiner Pause sicher der Fall sein dürfte, vielleicht schon früher – er war ja für ECM vermutlich das, was Coltrane für Impulse war, und hat sicherlich einen besonderen Status beim Label.
was die vö-politik angeht, geht es da bestimmt um materialüberschneidungen in den konzerten (man braucht ja auch vom standards-trio nicht unbedingt 6 versionen von „autumn leaves“, das sie ja immer ein bisschen ähnlich angehen), dann gibt es halt die blue note box und damit verbunden die frage, wie viel more of the same jetzt noch raus musste – und da gibt es so hinweise darauf, dass jarrett bisher eher die auftritte kuratiert, um die herum es besondere geschichten gibt, etwas, was nicht der normalfall war: regen an der riviera, halbtotes, dann aufwachendes publikum in montreux, erster vorsichtiger auftritt nach der krankheit nah am heimatort, vielleicht die besonderen freiheiten in luzern, die sich trotz des übelklingenden raums ergeben. und immer wieder die abwägungen, wie schlecht darf etwas klingen, das bei ecm rauskommen soll – so in etwa stell ich mir die überlegungen vor, über die sich jarrett und eicher da verständigen. spannend wird es ja jetzt zu verfolgen, was nach dem traurigen karriereende passiert – ob da dann noch kuratiert wird und von wem, ob das eher die komplettbox der auftritte in den usa wird, von denen es den CHANGELESS-zusammenschnitt gibt, oder eben die 6.,7. und 8. version von „autumn leaves“.
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Bob Stenson – Goodbye | Das Album wird für mich fortan mit Walter verbunden bleiben. Ich habe es vor einer Woche oder so schon mal gehört, war aber gar nicht in Laune dafür und legte es weg, und seit dem 13. denke ich täglich: „nein, heute passt das nicht“. Heute passt es jetzt, es braucht etwas Geduld, nach dem Sondheim-Nettigkeit zum Auftakt („Send in the Clowns“ – mag’s nicht wirklich3) geht es sehr getragen (gar etwas beschaulich, dünkt mich) weiter, Motian weiss erstmal wenig Akzente zu setzen, dafür spielt Jormin ziemlich befreit auf in seinem „Rowan“ (zweites Stück), mit „Alfonsina“ von Ariel Ramírez geht es ruhig weiter, und erst im vierten Stück, „There Comes a Time“ von Tony Williams (interessante Wahl) schalten die drei mal einen Ganz höher und Motian zeigt, dass er eben nicht nur für Rubato-Gemurmel der perfekte Mann ist. Direkt danach gibt es ein Stück von Vysostsky (wieder eine interessante Wahl – und weil es mir neulich schon auffiel: hier steht bei manchen Tracks tatsächlich „Arr.: Anders Jormin“ dabei – ich glaube es war @soulpope, der vor ein paar Wochen mal schrieb, Jormin hätte all die Klassik-Adaptionen arrangiert? Hier sind es ja eher, nun ja, wie will man Ramírez und Vysotsky unter einen Hut bringen, moderne Volkslieder? … und dann noch ein Stück von Henry Purcell, „Music for a While“, das im Anschluss an Gordon Jenkins‘ Titelstück die zweite Hälfte des Programms öffnet. Dazu gibt es noch sechs Originals (drei von Jormin, der mit vier Stücken und drei Arrangements exakt die Hälfte der Tracks verantwortet, dazu zwei von Motian und eins von Stenson) und zum Ausklang dann nochmal Ornette Coleman („Race Face“). Das ist mal wieder sehr viel Musik, und ich glaube für mich bleibt es eine Spur zuviel. Die Faszination der drei Vorgänger-Alben stellt sich hier für mich einfach nicht ein. Interessant aber: das ist das einzige Album, was ich seit Jahren (ca. seit Erscheinen vermutlich) kenne – es aber auch seit Jahren nicht mehr angehört habe … Motian war natürlich ein Kaufgrund, meine frühere Ambivalenz gegenüber Stenson habe ich ja mehrfach erwähnt, die spielte da natürlich mit rein: Trio ca. 2002 live gehört, was schon recht gut war, aber eben auch ohne die Verzauberung, die ich erst in den letzten Monaten mit den früheren Alben erlebt habe … danach gab’s noch „Smultronstället“ als Stummfilm mit Stenson, aber nur die ersten ca. 60 Minuten davon, dann stand er auf, zuckte mit den Schultern, brummelte was vor sich hin und ging von Dannen (vermutlich reichte die Gage halt nur für eine Stunde oder das [doofe] Festival hat ihm gesagt er dürfe nicht länger oder was weiss ich).
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*) Das hat allerdings eine Geschichte, die für die Schweden hier wohl von Belang war, wie ich gerade lese: das Musical, für das es Anfang der Siebziger geschrieben wurde, basiert auf Ingmar Bergmans Film „Sommarnattens leende“ von 1955)--
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gypsy-tail-windIch hätte wohl 20, nicht 30 Jahre schreiben sollen (1998 bis zum letzten Konzert 2017), aber es ist am Ende unerheblich. Die aus meinen Augen nicht immer nachvollziehbare VÖ-Politik fängt wohl mit „Tokyo ’96“ oder eher schon mit „Standards in Norway“ an. Was die Solokonzerte angeht, mag ich da gar nicht wirklich urteilen, die sind für mich ein Faszinosum, das ich aber nicht so gut kenne, als dass ich mir zutraue, da etwas wie einen Überblick zu haben. In den Liner Notes einiger Sachen (ich glaub z.B. bei der „Angels“-Box, aber auch bei Trio-Alben) kann man schon zwischen den Zeilen oder auch recht klar herauslesen, dass Jarrett wohl das letzte Wort hatte. Ab wann das so ist, weiss ich nicht, aber ich tippe mal, dass das seit seiner Pause sicher der Fall sein dürfte, vielleicht schon früher – er war ja für ECM vermutlich das, was Coltrane für Impulse war, und hat sicherlich einen besonderen Status beim Label.
was die vö-politik angeht, geht es da bestimmt um materialüberschneidungen in den konzerten (man braucht ja auch vom standards-trio nicht unbedingt 6 versionen von „autumn leaves“, das sie ja immer ein bisschen ähnlich angehen), dann gibt es halt die blue note box und damit verbunden die frage, wie viel more of the same jetzt noch raus musste – und da gibt es so hinweise darauf, dass jarrett bisher eher die auftritte kuratiert, um die herum es besondere geschichten gibt, etwas, was nicht der normalfall war: regen an der riviera, halbtotes, dann aufwachendes publikum in montreux, erster vorsichtiger auftritt nach der krankheit nah am heimatort, vielleicht die besonderen freiheiten in luzern, die sich trotz des übelklingenden raums ergeben. und immer wieder die abwägungen, wie schlecht darf etwas klingen, das bei ecm rauskommen soll – so in etwa stell ich mir die überlegungen vor, über die sich jarrett und eicher da verständigen. spannend wird es ja jetzt zu verfolgen, was nach dem traurigen karriereende passiert – ob da dann noch kuratiert wird und von wem, ob das eher die komplettbox der auftritte in den usa wird, von denen es den CHANGELESS-zusammenschnitt gibt, oder eben die 6.,7. und 8. version von „autumn leaves“.
Ok, das mit dem Repertoire ist wohl ein wichtiger Punkt (und der mit den Stories drum herum auch, den hatte ich aber selber schon im Auge) – aber auch etwas schade, irgendwi: Es gäbe ja – zumal wenn wir Jazzklassiker miteinbeziehen, was Jarrett ja tat – tausende Songs, die in Frage gekommen wären. Wenn ich mir vergegenwärtige, was Braxton an den neuen Abenden mit seime 2020 Standards Projekt gespielt hat, ist da wohl ähnlich viel Material drin, wie in all den Jahren des Standards Trios – diese vergleichsweise Reduziertheit des Repertoires fällt schon auf, ich hatte daran aber überhaupt nicht gedacht. Die „Box um ‚Changeless'“ wäre ja wiederum eine „Story“, eigentlich – vielleicht sollten wir die Eicher mal stecken, damit er das bei Jarrett tun kann
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vorgartenguten morgen @soulpope, ausgangspunkt meines einsteigens und auch ein bisschen meines ärgers war, dass du auf der vorigen seite geschrieben hattest, „hier“ (also im jazzbereich des forums) würde jarretts werk „eher mit samthandschuhen angefasst“. das ist ja was anderes als deine persönliche kritik, dein votum für „weniger ist mehr“ usw. ich habe keine samthandschuhe an, sondern verfolge mit großem respekt dieses werk, das sich zu solchen hörphasen sehr gut eignet, weil es so gut dokumentiert ist. ich kenne hier auch keine andere person, die jarrett mit samthandschuhen anfasst. jetzt hast du auch noch vom gesamtwerk geschrieben, aber vor einiger zeit erklärt, eigentlich recht wenig, zumindest au den letzten 30 jahren, davon zu kennen. ist dein gutes recht, aber bei gypsy geht es gerade ja konkret um RADIANCE, was ja eine völlig neue facette im werk jarretts vorstellt – und da kam die spezifische frage auf, ob das überzeugend ist bzw. dokumentiert wird und wer über die form der herausbringung überhaupt entschieden hat. eine andere frage war die nach der krankheitsbedingten zäsur und ihren auswirkungen. eine dritte frage war die nach der veröffentlichungspraxis nach 1998. mich interessieren diese diskussion, weil ich die sachen kenne, bald auffrischen werde oder tatsächlich gerade nachhole. da finde ich es ein bisschen entmutigend, wenn so eine konkrete auseinandersetzung kritisch gerahmt wird auf der grundlage von material, um das es gerade gar nicht geht. ich hoffe, das ist soweit nachvollziehbar. ist aber auch ein bisschen egal, ich wollte eigentlich nur wissen, worüber wir hier eigentlich sprechen, ich verstehe es nämlich immer noch nicht so recht.
Nun wir sprechen über Sichtweisen bezüglich Keith Jarrett und ich konkret über meine eigene …. wir können natürlich diskutieren, ob meine persönliche Sicht auch Beobachtungen der Rezeption beinhalten darf und was unter „mit Samthandschuhen anfassen“ subsumiert werden kann …. aber die Grundbedeutung von Letzterem ist klar und ich habe hier noch kein einziges Mal gelesen in etwa „diese Veröffentlichung von Keith Jarrett ist …. in Relation zu seiner Aufnahme xxx …. entbehrlich“, obwohl die wahre Vielzahl an Veröffentlichungen bei einem „objektivierbaren“ Zugang dies nahelegen könnte …. und da wir bei der Vielzahl sind, irgendwie hat sich bei Dir festgefressen, daß vor 30 Jahren – auch bezüglich Keith Jarrett – die musikalische Sonne bei mir untergegangen ist
…. ist natürlich nicht so, mag aber hiezu auch nicht die Beweislastumkehr tragen ….
Ich habe mit meinen Aussagen niemanden – ergo auch nicht Dich – am unvoreingenommenen und spannenden Auseinandersetzung mit Jarrets Musik gehindert …. sollte ich das falsch sehen, mich das bitte wissen lassen ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)soulpopeNun wir sprechen über Sichtweisen bezüglich Keith Jarrett und ich konkret über meine eigene …. wir können natürlich diskutieren, ob meine persönliche Sicht auch Beobachtungen der Rezeption beinhalten darf und was unter „mit Samthandschuhen anfassen“ subsumiert werden kann …. aber die Grundbedeutung von Letzterem ist klar und ich habe hier noch kein einziges Mal gelesen in etwa „diese Veröffentlichung von Keith Jarrett ist …. in Relation zu seiner Aufnahme xxx …. entbehrlich“, obwohl die wahre Vielzahl an Veröffentlichungen bei einem „objektivierbaren“ Zugang dies nahelegen könnte …. und da wir bei der Vielzahl sind, irgendwie hat sich bei Dir festgefressen, daß vor 30 Jahren – auch bezüglich Keith Jarrett – die musikalische Sonne bei mir untergegangen ist
…. ist natürlich nicht so, mag aber hiezu auch nicht die Beweislastumkehr tragen ….
Ich habe mit meinen Aussagen niemanden – ergo auch nicht Dich – am unvoreingenommenen und spannenden Auseinandersetzung mit Jarrets Musik gehindert …. sollte ich das falsch sehen, mich das bitte wissen lassen ….nein, an der auseinandersetzung hindert mich das nicht, eher am schreiben darüber. wovon ja auch nicht die welt untergeht. und das mit den 30 jahren hat sich nicht bei mir festgefressen, ich frage ja immer wieder nach, kürzlich ja auch konkret auf jarrett bezogen – weil es ja um die basis des austauschs geht.
dass jarrett-alben viele andere bei ecm querfinanzieren, finde ich halt auch einen wichtigen punkt. und was ist schon entbehrlich… für mich vieles, klar, mir reichte jetzt auch, mir THE CURE nochmal anzuhören, haben muss ich das nicht, und ARBOUR ZENA oder STAIRCASE schon mal gar nicht, für andere wars vielleicht der einstieg. und ob weniger jarrett-cds jetzt irgendjemanden auf die idee gebracht hätte, mehr von z.b. carlos ward aufzunehmen? brauche ich carlos ward auf ecm? wahrscheinlich schon…
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Schlagwörter: Ich höre gerade... Jazz
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