Ich höre gerade … Jazz!

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  • #10141981  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind
    Gut möglich, dass Quebec da sein RBackground hilft, dass er eben auch einfache Dinge spielte, bei denen es mehr um das Wie als um das Was ging. Ich würde mal sagen, Rouse war generell 95% Was, das Wie ging ihm zu oft vergessen, Hawkins ist Hawkins und er konnte vieles, aber eben doch nicht alles … und Ammons ist halt auch Ammons, aber das ist ja irgendwie an seinem „Bossa“-Album auch das tolle, dass er das durchzieht und dabei ganz bei sich bleibt. Nicht, dass Quebec sich verbiegen musste, ganz im Gegenteil – aber um meinen Punkt oben (R&B) noch auszuweiten: Man vergleiche mal, wie Quebec Balladen speilt, im Gegensatz zu Hawkins (und Rouse ist ja von den genannten am nahesten an Hawkins dran, natürlich mit mehr Bebop als Swing als beim Übervater) und irgendwie auch im Gegensatz zu Ammons, den ich zwar überaus schätze, aber nicht als den ganz grossen Balladenmeister, der Quebec zweifellos ist. Bei Hawkins sind ja auch die Balladen meist von diesem insistierenden Beat geprägt, der mich so fasziniert, der wohl zu seinen wichtigsten Alleinstellungsmerkmalen zählt.

    und das ist für mich auch sehr interessant, weil ich wiederum nicht einen bruchteil von dem kenne, was ammons, rouse, quebec und (mit abstrichen) hawkins vorher gemacht haben und mir da deine expertise fehlt. ich habe nie darüber nachgedacht, dass hawkins balladen über einem insistierenden beat spielt, aber das leuchtet mir sofort ein. quebec muss aber irgendwie einen eigenen zugang zu dem bossa-material gefunden haben, von ihm gibt es da auch die meisten originalkompositionen und sie sind ziemlich gut (im sinne: passen zu dem, was er sich als bossa-spielweise überlegt hat).

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    #10141991  | PERMALINK

    vorgarten

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    friedrichIch gehe davon aus, dass beide Alben auch ein Versuch waren, mit dieser Welle ein wenig Geld zu verdienen. Da waren die beiden aber auch nicht die einzigen. Ob das verwerflich ist oder nicht, entscheide ich nicht.
    Fast schon paradoxerweise kommt für mich dabei schon wieder interessante Musik heraus. Alles andere als lupenrein, bei Gene Ammons sogar ein recht bunter und starker Cocktail – wenn man es drastisch ausdrücken wollte: ein Bastard! Aber gerade das macht ja den Reiz dabei aus. Ein bisschen Hören mit tongue-in-cheek ist bei diesen fakes ganz hilfreich.

    hierauf wollte ich eigentlich hinaus: bei @friedrich klang das ein bisschen so, als ob für solche alben mehr oder weniger wahllos und schnell ein paar sachen zusammengewürfelt werden, die sich unter dem gerade angesagten latin-label gut verkaufen lassen (anfang der 60er war es halt „bossa“). da das dann aber gar kein „lupenreiner“ bossa ist, entstehen merkwürdige „bastarde“, die ihrerseits wieder toll funktionieren können. vielleicht stimmt das so. vielleicht könnte man dann noch das missverständnis einbringen, dass man latin-musik oberflächlich als „heiß“ und „emotional“ versteht und dann eher auf hawkins, rouse, ammons kommt als auf tristano – aber jobim, gilberto usw. haben ja mit blues und r&b überhaupt nichts zu tun, die haben eher ein melancholisches stirnrunzeln oder (später) politische zornesfalten, als dass sie mal ins tanzen oder schwitzen kämen, trotzdem gibt es ein vergleichbares element, das hawkins & quebec mit der bossa zusammenführt, nämlich die eleganz – aber ob man damals so weit gedacht hat?

    auch bei der materialauswahl: schnell zusammengewürfeltes irgendwie-latin oder intensive recherche? keine ahnung. toll ist es jedenfalls, wie diese songs auf reisen gehen, immer neue verbindungen eingehen, einverleibt und nach regionalen oder globalen moden transformiert wieder ausgespuckt werden. passt sehr gut zu brasilien, da saßen ja sowieso die musikalischen allesfresser, denen kultureller „purismus“ völlig egal war (auch mit liszt- und dvorak-adaptionen hätte man da niemanden schockiert).

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    #10142055  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    vorgarten  …. da das dann aber gar kein „lupenreiner“ bossa ist, entstehen merkwürdige „bastarde“, die ihrerseits wieder toll funktionieren können ….

    Charlie Rouse erhebt auf „Bossa Nova Bacchanal“ (IMO) nicht den geringsten Anspruch auf Darstellung von „Weltmusik“, sondern er untergräbt den thematischen Anspruch schon in den ersten Sequenzen mit Zielblickrichtung Jazz …. ich mag die Aufnahme sehr gerne weil diese auf hinterfotzige Art Bewegung generieren ….

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    #10142057  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    soulpope

    vorgarten …. da das dann aber gar kein „lupenreiner“ bossa ist, entstehen merkwürdige „bastarde“, die ihrerseits wieder toll funktionieren können ….

    Charlie Rouse erhebt auf „Bossa Nova Bacchanal“ (IMO) nicht den geringsten Anspruch auf Darstellung von „Weltmusik“, sondern er untergräbt den thematischen Anspruch schon in den ersten Sequenzen mit Zielblickrichtung Jazz …. ich mag die Aufnahme sehr gerne weil diese auf hinterfotzige Art Bewegung generieren ….

    Ich mag das Album auch – es gefiel mir neulich ja so gut wie bisher noch nie. Aber insgesamt höre ich die Alben alle irgendwo zwischen 3 (Hawkins) und 4 (Quebec) Sternen, wenn man das mal so ausdrücken will. Vielleicht für Quebec sogar 4,5, dann gäbe es eine schöne Abstufung (Quebec > Ammons > Rouse > Hawkins). Aber es stimmt schon, jenseits reiner Bewertungen ist das eine interessante Diskussion!

    @redbeansandrice: Porter, das ist das neue Buch, ja? Hast Du es komplett durch? Brauche ich gelgentlich sicher auch noch!

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    #10142067  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    ich hab das Buch noch nicht, aber das Ammons Kapitel konnt man bei google books lesen… hab eben nochmal ein bisschen Billboard gelesen und so – ist schon erstaunlich, wer damals alles 1963 versucht hat, auf der Bossa Well mitzuschwimmen… Stan Kenton hatt ich zB gar nicht auf dem Schirm (und kann ich mir nicht so recht vorstellen), Ellington (Afro Bossa), Cannonball Adderley, Herbie Mann, Zoot Sims, Bud Shank, Dave Brubeck…  hier ist ein ganz interessanter Artikel von 1965, in dem Ertegun von Atlantic sagt, Bossa Nova liesse sich nicht mehr verkaufen, weil zu viel murks auf den Markt geworfen wurde… „Bossa nova was killed with over exposure. The music fell into disrepute until Stan Getz hit.“ Interessant ist hierbei eine Sache, die ich gar nicht auf dem Schirm hatte: Getz/Gilberto ist nicht etwa Teil des Anfangs sondern fast schon ein Nachzuegler der Bossa Nova Welle… das Ammons Album zB ist zwar nach der ersten Getz/Byrd Session aufgenommen (Feb 1962 vs Sept 1962), aber vor allen weiteren Getz Bossa Nova Alben…

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    #10142081  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    … wobei Bud Shank ja schon 1954 mit Laurindo Almeida ziemlich feinen Brasil-Jazz gemacht hat, der mit Bossa wiederum auch nichts zu tun hat, klar. Auch von Eric Doplhy gibt es zwei Latin-Alben von 1960/61. Vom UA-Album kennt man wohl kein exaktes Aufnahmedatum, das Prestige-Album ist mit August 1960 eineinhalb Jahre vor „Jazz Samba“ entstanden. Mann lässt sich natürlich auch nicht auf die Bossa reduzieren, sein Interesse an Afro-Latin-Rhythmen ging ja einiges weiter (das kann man ihm zugestehen unabhängig davon, was man sonst von seinen Alben hält), wohingegen ich Sims, Brubeck oder Ellington eher als Nachahmungstäter betrachten würde (wobei Ellington das natürlich mit Eleganz schafft und Brubeck in frühen Jahren einen Drummer names Cal Tjader im Trio hatte und da auch schon einiges ging (was wiederum mit Bossa auch nichts zu tun hat).

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    #10142085  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    die Anzahl Alben mit „Bossa“ im Titel bei discogs

    1961: 25
    1962: 278
    1963: 447
    1964: 69
    1965: 79
    1966: 42
    1967: 54

    auffaellig ist auch, wie international das direkt war – unter den 62er Aufnahmen finden sich Guy Lafitte, Klaus Doldinger, Rita Reys, Johnny Dankworth, Shake Keane, Nick Ayoub… wie gesagt, Byrd/Getz haben erst im Februar 62 ihr Album aufgenommen, dass dann scheinbar sehr schnell rauskam… und im Oktober liest man „It’s a Great Big Bossa-filled World We Live In, Says Almost Everybody“

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    #10142089  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    Dolphy haett ich jetzt aber eher in die afro-kubanische Ecke gestellt, also mehr in die Nachfolge von Dizzy Gillespie und so?

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    #10142091  | PERMALINK

    soulpope
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    Feine Scheibe welche (tlws) die formidable Zusammenarbeit von Teddy Charles und Charlie Mingus dokumentiert ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10142095  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Krass, dieser Peak!

    Dolphy ist sehr leicht und charmant, das hat viel mehr Brasilianischen Touch als die meisten anderen dieser Alben … aber wohl auch nicht unbedingt Bossa (bei Cannonball verhält es sich ähnlich, nur dass er das volle Gewicht seines Altsaxophons in die Waagschale legt, quasi alles wie immer, bloss mit anderer Begleitung).

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    #10142131  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    hier ist eine ganz nette Materialsammlung zu Chega de Saudade, unter anderem mit Bud Shank, der klarstellt, dass sie in den 50ern keinen Bossa Nova gespielt haben… irgendwie wuerd ich schon zu der Sicht tendieren, dass es kurzzeitig ein Bossa Nova Monopol von Jobim, Gilberto und ihren Freunden gab, und dass niemand Bossa Nova spielen kann, der von dieser Clique nicht zumindest ueber dritte beeinflusst ist… Aber auskennen tu ich mich natuerlich nicht… Nach grober Durchsicht der ganzen Aufnahmedaten, scheint es mir vorlaeuffig so zu sein, dass die einzigen, die so schnell waren, dass sie evtl quasi gleichzeitig mit Byrd/Getz an diesem Material dran waren, Dizzy Gillespie und Lalo Schifrin waren (vermutlich unter Federfuehrung von Schifrin?)… Chega de Saudade zB hatte Dizzy vor Getz…

    Und man will nicht wissen, wie das klingt, aber hier spielt „Otto Weiss an der Zauberorgel“ Chega de Saudade (aka Gruener Amazonas) sowie die von Ralph Siegel komponierte „Bossa Negrita“… und das alles 1961 vor Getz und Byrd, let alone Getz Gilberto… [edit: das Cover muss sein]

    kann man diese fruehe Verbreitung des Bossa Nova irgendwo nachlesen…? Der Film „Black Orpheus“ hat ja vermutlich auch einiges dazu beigetragen…

    zuletzt geändert von redbeansandrice

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    #10142199  | PERMALINK

    vorgarten

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    redbeansandrice
    kann man diese fruehe Verbreitung des Bossa Nova irgendwo nachlesen…? Der Film „Black Orpheus“ hat ja vermutlich auch einiges dazu beigetragen…

    ganz bestimmt, er muss ja vor seinem oscar 1960 schon in den us-kinos gelaufen sein. und die goldene palme in cannes 1959 ist auch als multiplikator nicht zu verachten. was die bossa-genese angeht, sieht mir das nach einem sehr komplexen austausch zwischen samba und jazz aus. shank und almeida haben auf jeden fall keine bossa-rhythmusgruppe, bei dizzy rutscht es eigentlich ständig (auch von der geste her) ins afrokubanische (schifrin spielt da auch sehr merkwürdiges zeug). ich denke aber auch, dass es inselbegabungen von gilberto, jobim und de moraes waren, die – als nebeneffekt – zum getz-album geführt haben. da das stück über den schwarzen orpheus schon 1956 uraufgeführt worden ist, läge das wiederum vor den gilberto-erfindungen. ich kriege aber gerade nicht heraus, ob die hits daraus nicht erst für den film komponiert wurden…

    was im billboard ganz klein ja auch noch steht, ist die ankündigung des ersten amerikanischen vocal-bossa-albums: vi velasco mit zoot sims. davon hatte ich auch noch nichts gehört (und da ist dann jim hall der gitarrist):

    danke für die tolle recherche!

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    #10142223  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    Vitor Assis Brasil – Desenhos

    hier läuft jetzt quasi der nächste Schritt, der nicht ganz so sehr durch die Welt ging: 1966, Vitor Assis Brasil und sein Quartett spielen Coltrane und McLean inspirierte Versionen der nächsten Generation brasilianischer Songwriter (Marcos Valle, Joao Donato)

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    #10142229  | PERMALINK

    soulpope
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    Daraus der Tokyo Ausflug mit Sam Rivers aka ein geniales Missverständnisz ….

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      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10142235  | PERMALINK

    vorgarten

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    redbeansandrice
    Vitor Assis Brasil – Desenhos
    hier läuft jetzt quasi der nächste Schritt, der nicht ganz so sehr durch die Welt ging: 1966, Vitor Assis Brasil und sein Quartett spielen Coltrane und McLean inspirierte Versionen der nächsten Generation brasilianischer Songwriter (Marcos Valle, Joao Donato)

    die ist super! aber die logline von der ersten richtigen brasilianischen jazzplatte würde ich anzweifeln, vorher gab es schon dieses tolle album, auf das ich regelmäßig hinweise:

    und mclean konnte verrückterweise auch bossa, das ist ein lieblingsstück von mir (komposition vom bassisten don moore, der bossa auch kann):

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