Geri Allen (1957-2017)

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    soulpope
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    In meiner Erinnerung zu Geri Allen besteht irgenwie auch eine Verzahnung mit Michelle Rosewoman – begründet wohl daß ich beide Pianistinnen wohl in engem Zeitrahmen live erlebt habe (aka Mitte der 80er) …. biographisch – neben dem Fakt daß sowohl Michelle Rosewoman (Soul Note) als auch  Geri Allen (Minor Music) im Jahr 1984 ihre Plattendebut als Leader feierten und Rosewoman in Sessions mit Greg Osby M-Base Territorium überquerte – habe ich dafür keine weitere Handhabe ….

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    gypsy-tail-wind
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    Roy Brooks (1938-2005) spielte 1972/73 mit Charles Mingus, als Dannie Richmond mal eben weg war … dort traf er auf Don Pullen, den mittleren von drei Klavierpartnern auf diesem Album. Den Auftakt macht Randy Weston, auf ihn folgt Woody Shaw (der auf Brooks‘ tollem Album „The Free Slave“ aus dem Jahr 1970 zu hören ist), und den Abschluss macht, das war ja klar, Geri Allen. Von jedem Duo sind zwei Stücke zu hören, aufgenommen der Reihe nach 1983 (Weston), 1984 (Shaw), 1987 (Pullen) und 1989 (Allen), die CD erschien 1993 auf Enja und ist überaus hörenswert. Es gibt Stücke von Weston und Pullen, Kollaborationen von Shaw und Allen mit Brooks, eine Hommage von Brooks and Mingus und mit Allen auch Brooks‘ „Samba del sol“. Man blickt zurück und gedenkt gemeinsamer Freunde und Partner … und gerne würde man weiterhören oder wäre bei den Konzerten, von denen die Aufnahmen stammen, dabei gewesen!

    Das erste Duo mit Allen ist eben „Samba del sol“, und Brooks ist an Steel Drums zu hören, deren fröhlicher Klang (ich kann ihn selten wirklich ertragen) von Allens düsterem Piano-Vamp kontrastiert wird. Allen ist es denn auch, die in dem kurzen Stück ein Solo spielt, das gekonnt die Balance hält zwischen dem fröhlichen Rhythmus und dem eher düsteren Groove darunter. Als zweites gibt es dann das etwas längere „Duet in Detroit“ (der Auftritt mit Allen ist leider nur 12 Minuten kurz, die CD enthält 68 Minuten Musik, es ist aber v.a. das Duo mit Pullen, von dem in 27 Minuten wesentlich mehr zu hören ist). Hier setzt Allen mit einem repetierten Ton ein, den sie ein paar Male wiederholt, zunächst fast ohne die rechte Hand. Sie spielt dann ein ganz kleines, repetitives Motiv, aus dem sich ein Groove entwickelt, in den Brooks einfällt. Nach zwei Minuten – inzwischen im nächsten repetitiven Motiv, stoppt Allen, öffnet, doch Brooks nützt den Raum nur sparsam, wartet, lässt Platz, den Allen für eine freie Improvisation nützt, die vom Schlagzeug kommentiert und ergänzt wird. Es entwickelt sich ein dichter Dialog, in den Allen immer wieder kleine Motive einstreut, die die freien Ausbrüche unterbrechen. Dann setzt sie kurz aus, Brooks verdichtet sein Spiel – und wenig später ist Allen mit wilden Clustern zurück und die Performance findet ein Ende denkt man, doch eine zuvor schon einmal gehörte Sirene (aus Brooks‘ Arsenal, nehme ich an), führt zu einer groovenden kurzen Schlagzeug-Coda.

    Dass Geri Allen 1989 mit Brooks auftrat, war natürlich kein Zufall, denn Brooks stammte ebenfalls aus Detroit und hatte seinen ersten wichtigen Gig mit Yusef Lateef. Später spielte er u.a. mit Horace Silvers Quintett (zu dem damals natürlich auch Woody Shaw gehörte), stiess 1970 zu Max Roachs M’Boom und gründete 1972 seine Gruppe The Artistic Truth. Mag der Name heute nur noch wenigen geläufig sein, so war er in der Hard Bop-Ära ein bekannter und zentraler Drummer, der aber 1977 nach Detroit zurückkehrte und für die lokale Szene von Bedeutung war. Roy Brooks war es auch, der den Gig mit Woody Shaw (1944-1989) in einem der wichtigsten Clubs Detroits – Baker’s Keyboard Lounge – mitschnitt, bei dem er, Bassist Robert Hurst und Geri Allen den Trompeter Woody Shaw begleiteten. Die Aufnahmen wurden von Malcolm Addey für Blue Note nachbearbeitet, bei dem die Doppel-CD 1997 erschien. Für das Cover gewann man Gil Mellé, der einst selbst tolle Aufnahmen für Blue Note gemacht hatte, und – vor Reid Miles zum Team stiess – auch einige Cover designt hatte, vornehmlich für 10-Inch-Alben aus den frühen Fünfzigern (und in Sachen Blue Note-Trivia: es war Gil Mellé, der mit Aufnahmen zu Alfred Lion kam, die Rudy Van Gelder gemacht hatte – wohin das führte, ist ja bekannt).

    Die Aufnahmen starten mit Monks „Bemsha Swing“, später folgen auch noch „Well You Needn’t“ und „Nutty“ aus der Feder des Pianisten, den Ausklang macht Brooks‘ Hommage „Theloniously Speaking“ (ohne Shaw, Allen taucht tief in die Monk’sche Klangwelt ein und ist einmal mehr grossartig). Dazwischen sind zwei Shaw-Originals zu hören, „Ginseng People“ und „In a Capricornian Way“ (zuerst 1968 bei einer Booker Ervin Blue Note-Session mit Shaw aufgenommen), zudem Wayne Shorters „United“, der Standard „Star Eyes“ (über das altbekannte Ostinato, aber in zügigem Tempo – ein Highlight übrigens: Brooks ist schon im Thema formidabel und macht Shaw richtig Feuer, allen folgt mit einem super Solo) und – als erstes Feature für die Rhythmusgruppe“ – Allens „Eric“. Neben Monk und Shorter (dessen „United“ Shaw regelmässig spielte) wird auch vor Miles Davis der Hut gezogen, denn es ist sein Arrangement von „Well You Needn’t“, das die Band spielt, inklusive Shout-Chorus vor Brooks‘ Solo. Shaw, der in seinen letzten Jahren keine eigene Band mehr leitete, sprüht hier nur so vor Ideen, begleitet auch mal leise, wenn Allen soliert. Und mit Allen und Brooks ist auch in der Rhythmusgruppe für ein grosses Mass an Charakter gesorgt. Allens Spiel gefällt mir hier wieder enorm gut – und wenn ich zurückblicke, wäre dieser Mitschnitt schon vor Jahren ein weiterer Hinweis darauf gewesen, dass ich bloss etwas hartnäckiger hätte an ihr dranbleiben müssen, denn was man hier zu hören kriegt, gefiel mir schon immer. Hurst am Bass setzt solistisch ebenfalls seine Akzente und begleitet einwandfrei – mehr ist auch gar nicht vonnöten, wenn von Klavier und Schlagzeug schon so viele Impulse kommen, die über das Erwartete hinausgehen. Allens „Eric“ ist natürlich auch Eric Dolphy gewidmet – an dessen Seite Woody Shaw 1963 schon aufgenommen hat. Doch er setzt hier aus und in Sachen Allen ist das einer der Höhepunkte dieses Albums – sie wird sehr effektiv begleitet, hat die Nummer ganz für sich und macht sie zu einem – sehr zarten und lyrischen – Parforceritt. Eins von Brooks Markenzeichen sind seine Toms mit variabler Tonhöhe – sie kommen immer wieder zum Einsatz. Besonders toll – nicht nur im Hinblick hierauf – sind einige Runden von Fours mit Books, Shaw und Allen. In „Nutty“ hat der Gute sogar mal die Impertinenz, nach einem Knall auf die Eins des ersten Taktes, einfach vier Takte Pause zu machen. Soviel zum Thema Personality. Grossartige Sache, diese Doppel-CD!

    Eine kleine Abschweifung, aber das spukt mir seit der Nachricht von Allens Tod im Kopf herum, weil da eben auch wieder Kenny Kirkland und andere genannten wurden: Er hat – im Gegensatz zu Allen – regelmässig mit Woody Shaw gespielt, wurde ebenfalls sehr geschätzt und starb vor ein paar Jahren auch unerwartet und deutlich zu früh: Mulgrew Miller (1955-2013). Würde mich sehr wundernehmen, wie sein Einfluss auf andere jüngere Pianisten eingeschätzt wird bzw. ob es damals abgesehen von einer Menge Respektbekundungen auch Äusserungen in die Richtung gab, wie es bei Allen jetzt der Fall ist? Klar, er war tiefer im Mainstream drin, aber dennoch …

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    gypsy-tail-wind
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    Geri Allen Ephemera, Folge 17 (Teil 2): Wayne Shorter – Joy Rider (1989) | Shorters letztes Columbia-Album wurde 1987 in Los Angeles aufgenommen, die Kern-Band besteht aus Shorter (ss, ts), Patrice Rushen (keys), Nathan East (elb) und Terri Lyne Carrington (d). Unter den Zuzügern ist Geri Allen (p, synth) am prominentesten, nämlich auf fünf der sieben Stücke dabei. Ob das Piano dabei stets von ihr kommt oder uach mal von Rushen wage ich nicht zu analysieren. Zweimal kommt Frank Colon (perc) dazu, auf den beiden Stücken ohne Allen ist Darryl Jones (elb) der Gast, auf dem einen der zwei ist auch Herbie Hancock (synth) dabei. Auf dem Closer sind neben Allen (p, synth), auch Hancock (synth) und Dianne Reeves (voc) dabei. Wer genau was spielt, spielt aber hier irgendwie keine Rolle. Klar ist Jones‘ Bass präsent, klar sind Carringtons trockene (und für sich genommen meinst zum Gähnen langweilige) Beats und Shorters Saxophone klar herauszuhören, beim Rest ist nicht mal klar, ob die krassen 80er-Effekte auf manchen Beats von Carrington oder (eher, denke ich) einem Synthesizer stammen (man hört sie aber auch in dem einen Track, in dem weder Allen noch Hancock und damit nur die „Keys“ von Rushen dabei sind, aber „Keys“ heisst ja je nach Definition alles inkl. Synthesizern). Shorter ist da und dort an beiden Hörnern simultan zu hören, aber das Sopran ist solistisch die einzige Stimme auf dem Album, die heraussticht – und sei es nur mit kleinen Motiven, von Improvisationen mag man da kaum reden. Umso faszinierende aber, dass mir das gerade sehr gut gefällt. Wenn man mit WR, als Shorter nicht mehr wirklich solierte, klar kommt, dürfte sich das hier ganz gut erschliessen. Irgendwie ist das sehr eng verzahnte Gruppenmusik, die zugleich ganz vom kalifornischen Edelpop-Hochglanz geprägt ist, sehr entspannt, sehr geräumig, aber doch auch sehr kompakt – und damit wieder einmal Zeugnis des Komponisten/Arrangeur/Mastermind Wayne Shorter, dem es seit den späten Siebzigern nur noch selten um Soli oder den individuellen Ausdruck der beteiligen Musiker ging. Ersthörgang aus der „Complete Columbia Albums Collection“ übrigens. Da sind auch sämtliche Shorter-Kompositionen der WR-Alben von 1971 bis 1985 auf zwei CDs zu finden – habe das Hörexperiment noch nicht gewagt, aber das dürfte eine ziemlich aufschlussreiche Sache sein, und gerade im Hinblick auf die drei Columbia-Alben aus den 80ern höchst interessant („Phantom Navigator“ habe ich auch noch nie angehört, „Atlantis“ vor langer Zeit, als ich noch kein Verständnis für diese Phase in Shorters Schaffen aufbrachte).

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    gypsy-tail-wind
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    Geri Allen Ephemera, Folge 6: Reggie Workman – Cerebral Caverns (1995) | Ein seltsames Album, dieses zweite von Reggie Workman für das Label Postcards eingespielte. Der Vorgänger aus dem Vorjahr hiess „Summit Conference“ und allein das Line-Up verspricht schon viel: Julian Priester, Sam Rivers, Andrew Hill, Workman, Pheeroan akLaff. Das Album ist düster und toll, Rivers wirkt fokussiert, der späte Priester ist eh super … und Workman war offensichtlich nie darauf aus, aus seinen Credentials (Blakeys Jazz Messengers, Coltrane) Kasse zu machen sondern ist offensichtlich in erster Linie an neuer Musik interessiert, die niemals in neoklassizistische fallen wird. Auf „Cerebral Caverns“ sind Priester und Rivers (an Flöte, Tenor und Sopran) erneut dabei, Geri Allen stösst auf der Hälfte der acht Stücke am Klavier dazu, Gerry Hemingway und Al Foster teilen sich die Schlagzeugarbeit, dazu kommt auf ein paar Stücken (auch auf dem Opener, wo er nicht angegeben wird) noch Tapan Modak (tabla). Die im Opener sofort hörbare besondere Stimme kommt aber von Elizabeth Panzer an der Harfe. Mit Flöte, Bass und Drums als Begleitung prägt sie den Einstieg ins Album, „Cerebral Caverns I“.

    Weiter geht es im Trio mit Geri Allen, Workman und Hemingway. Eine etwas unruhige freie Improvisation (vermute ich, finde im Booklet keine Composer-Credits), die den Eindruck des Openers bestärkt: im Vergleich zum düster-getragenen Vorgänger ist „Cerebral Caverns“ viel offener und freier angelegt. Allen bricht bald in wild umherspringende Läufe aus, die sie aber mit clusterähnlichen Verdichtungen zurückbindet, während Hemingway sich auf die nervöse Reise einlässt, Workman eher etwas im Hintergrund bleibt, bis er dann nach knapp drei Minuten in walkende Linien fällt, die Hemingway ungewöhnlich punktiert, während Allen weitersoliert, ohne zu solieren. Der stete Gang kommt dann ins Stottern, zunächst von Allen angedeutet, von Workman sofort aufgegriffen, dann fährt die Performance über eine Dreiviertelminute herunter ohne auszufasern.

    Das dritte Stück, „Fast Forward“, wird im Quartett gespielt: Priester, Rivers (ts), Workman, Foster. Eine dichte, dunkle, rasante Nummer, in der sich Workman/Foster aneinander zu reiben scheinen, während Rivers sofort am Tenor loslegt. Ein Schlagzeugsolo ändert völlig die Stimmung und hinter Julian Priesters sprechender Posaune fällt Workman in einen repetitiven Groove, der mit wenigen Tönen auskommt. Allmählich verdichtet sich das Geschehen wieder, Workman walkt bzw. rennt, aber ohne dass je Hektik aufkäme. Priester glänzt mit seinem grossartigen Ton. Rivers stösst am Ende dazu, Workman spielt Orgeltöne und steigt von da aus in sein Solo, das Foster nur sehr sparsam begleitet. In „Ballad Explorations I“ stösst Tapan Modak dazu und Gerry Hemingway übernimmt wieder am Schlagzeug. Los geht es mit einem Dialog von Priester und Modak, Rivers stösst dann mit gehaltenen Tönen und langen Linien dazu, Workman punktiert ein wenig am Bass, auch von Hemingway hört man da und dort ein paar Schläge auf die Becken – das ganze klingt für westliche Ohren ungewohnt, weil die Tabla-Rhythmen ziemlich rasch sind und nicht so recht zum Thema „Ballade“ passen wollen, aber das mit fast neun Minuten längste Stück des Albums ist doch sehr schön, auch als eine Art Ruhepunkt in der Mitte.

    „Half My Soul (Tristan’s Love Theme)“ heisst das nächste Stück, in dem alle beteiligten Musiker ausser Hemingway zu hören sind. Es öffnet mit Allen solo am Klavier. Sie spielt ein schönes Intro mit leisen Dissonanzen. Dann steigt Rivers an der Flöte ein, Foster und Workman kommen dazu, aber das Stück bleibt im Rubato. Erst mit der Übergabe an Priester fällt die Rhythmusgruppe in einen swingenden Dreiertakt – und die Harfe stösst zur Begleitung dazu. Rivers‘ Flöte, wieder im Rubato, beendet das Stück dann, das sich an das vorangegangene sehr schön anfügt. Weiter geht es mit „Eastern Persuasion“ und Workmans Bass, gespielt auf eine Weise, die an nahöstliche Instrumente erinnert. Die Harfe fällt dazu ein, Hemingway spielt seine elektronischen Pads wie im Opener und dazu auch Percussion/Drums, allmählich schält sich ein Groove aus der Klangkulisse heraus.

    Auch das nächste Stück fügt sich nahtlos an, Rivers am Sopran in frei schwebenden Linien über Workmans Bass, Piano-Akzenten von Allen und getupften Schlägen von Hemingways Schlagzeug. Plötzlich etabliert sich ein Beat, Rivers setzt aus, Allen übernimmt und stapelt dichte Läufe und Akkorde übereinander, das wirkt zugleich etwas beliebig und völlig konsequent, offen aber mit einer klaren Richtung, einem Plan, der sich aber nicht so einfach entschlüsseln lässt. Das Tempo zerfällt wieder, Rivers bläst leise Töne, Workmans Bass übernimmt, dann wieder Rivers am Sopran, über eine freie Begleitung ohne festes Metrum. Das planlose, das aber nicht absichtslos ist, zieht sich überhaupt durch das Stück, das den sinnigen Titel „Evolution“ trägt und vermutlich auch wieder frei improvisiert ist – und wo ich das Album zum ersten Mal so aufmerksam höre, merke ich wohl erst, wie gut es wirklich ist. Ein Lieblingsalbum wird es wohl nicht mehr, einfach weil mich das Klangbild und das etwas patchwork-artige nicht völlig überzeugt, aber das hat dann mit der Qualität der gebotenen Musik nichts zu tun, nur mit meinen Vorlieben, mit Geschmack.

    Der Closer heisst „Seasonal Elements (Spring-Summer-Fall-Winter) und präsentiert einmal mehr Allen, diesmal im Trio mit Workman und der Harfe von Elizabeth Panzer. Gestrichener Bass zum Einstieg, dazu dann Glöckchen, Geschepper (von Allen wohl, oder Hemingway ist doch auch mit dabei?), ein paar Töne von der Harfe, dann Arpeggi. Allen greift wohl ins Innere des Flügels, ja – das Geschepper gehört wohl mit zu ihren Präparierungen. Workman fällt dann in ein Bass-Lick, Allen lässt einzelne Saiten schnurren, Planzer zupft an der Harfe einzelne spitze Töne. Konventionelle Klaviertöne hört man hier nicht, höchstes mal einen gedämpften einzelnen Anschlag, ansonsten spielt Allen das Instrument sparsam als drittes Saiteninstrument und es ist Workman am Bass, der die Richtung vorgibt, während Harfe und Klavierinneres begleiten, ausschmücken, kommentieren. Ein schöner, nachdenklicher Ausklang, am Ende wieder mit gestrichenem, sehr tiefem Bass.

    Von Allen hört man hier am Ende nach dem tollen freien Trio-Track und dem Intro auf halbem Weg recht wenig, aber das macht das Album nicht weniger hörenswert.

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    gypsy-tail-wind
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    Franco Ambrosetti – Movies (1986) | Ersthörgang – und ich bin sehr positiv überrascht, hatte gepflegten Postbop erwartet, doch das hier ist viel lebendiger. Allen am Klavier setzt ihre Akzente, ebenso Scofield an der Gitarre (Abercrombie bei Lloyd gar nicht unähnlich), Daniel Humair ist super wie immer, Michael Formaneks Bass funktioniert vielleicht als Anker, bleibt dabei aber sehr agil, und Jerry Gonzalez, den ich sonst (@woulpope: ich weiss, ich weiss) noch immer nicht kenne, hat auf ein paar Nummern das sagen bzw. gibt all den anderen rhythmisch und groovetechnisch den Tarif durch … und dann ist da noch Franco Ambrosetti selbst, der eine wirklich glänzende Trompete spielt, mal mit Dämpfer à la Miles, dann offen und zupackend, aber immer mit vollendeter Eleganz. Dass das ganze funktioniert mag ihn nun nicht gerade in die Liga Wheeler/Rava heben, aber weit davon weg ist er nicht, auch wenn er deren freien Sachen in seiner Diskographie wenig entgegenzusetzen hat. Es gibt zarte Momente, wilde Ritte – und Langeweile kommt bestimmt nicht auf. Das Programm reicht von Standards („Summertime“, „That Old Black Magic“, „Good Morning Heartache“) über die Beatles („Yellow Submarine“) bis zu Friedrich Hollander („Falling Love Again“ im t/g-Duo, bezaubernd) und einem Ambrosetti-Original, das er für einen Film komponiert hat.

    Franco Ambrosetti – Movies II (1988) | Ersthörgang auch dies … Ambrosetti, Allen, Scofield, Formanek und Humair sind erneut dabei, statt Gonzalez stösst aber diesmal Greg Osby als sechster Mann zur Band. Los geht es mit „Mon Homme“, später folgt „God Bless the Child“, zudem Themen aus „Steppenwolf“, „Superman“, „Peter Gunn“ etc. Sehr schön ist „Angel Eyes“, das an zweiter Stelle zu finden ist, mit einem tollen Groove von Formanek/Humair und schönen Soli von Ambrosetti, Scofield, Osby (am Sopransaxophon) und schliesslich auch Allen, die in einem solchen Umfeld wohl immer Impulse gab, die fast den Rahmen sprengten. Aber hier zünden alle Beteiligten Feuerwerke, Osby als zweiter Bläser tut dem Setting jedenfalls gut – und mit Allen hat er natürlich eine mehr als adäquate Komplizin an der Seite.

    Alles in allem zwei sehr schöne Alben, natürlich aus den Achtzigern, natürlich manchmal etwas brav, aber in beiden steckt doch mehr drin als ich sie – ziemlich skeptisch – neulich aus Japan und gemeinsam mit drei weiteren Enja-Alben Ambrosettis geordert habe.

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    #10220059  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Dewey Redman Quartet – Living on the Edge (1989) | Das Album ist dann wohl so unerwartet brav, wie die Ambrosettis unerwartet frisch sind … was nicht heissen will, dass Dewey Redman nicht mit seinem grossartigen Ton glänzt, dass er nicht ziemlich viel zu bieten hat. Klar hat er das, aber mir scheint – das war auch meine Live-Erfahrung (mit Rita Marcotulli, John Betsch und … Bassist müsste ich nachschauen bzw. kann man wie ich sehe sogar hier, Tracklist habe ich auch nicht, sonst wäre sie auch dort zu finden: John Menegon also – Moods, Zürich, 2002 – mein MD-Recorder lief unter dem Stuhl mit) – eben auch, dass er sich gerne etwas verzettelte, vielleicht verlor, gerade wenn er „brave“ Tunes und Standards spielte (ein catchy Dexter Gordon-Blues stand damals auf dem Program, ich glaube derjenige aus der Feder von Billy Eckstine, der auf einem der Blue Note-Klassiker drauf ist, aber man behafte mich nicht auf sowas, müsste das nachhören und habe natürlich selbst am wenigsten Ahnung, wo die Aufnahme sich gerade verstecken könnte). Hier wird Redman (er spielt Alt und Tenor) von Geri Allen (p), Cameron Brown (b) und Eddie Moore (d) begleitet. Die ersten drei Stücke hier stammen von Redman, dazu gibt es eine schöne Version von „If I Should Lose You“ und zum Ausklang Coltranes „Lazy Bird“ (von „Blue Train“) – bei beiden werden Redman und Allen als Arrangeure gelistet, ansonsten Redman. Das Stück zwischen den beiden Fremdkompositionen heisst „As One“ und ist ebenfalls von Redman, der hier nur von Allen begleitet wird. Das Stück erschliesst sich wohl nicht beim ersten Hören, aber es gefällt mir immer besser, ist das mit Abstand freieste und persönlichste auf dem Album. Allen setzt zwischendurch komplett aus und Redman rauht seinen Ton auf, singt durch sein Horn.

    Joseph Jarman – Inheritance (1983) | Ein paar Jahre früher wirkte Allen im Quartett eines anderen Veteranen mit, Joseph Jarman (ts, ss, fl). Mit Fred Hopkins (b) und Don Moye (d) sind zwei weitere wichtige Exponenten der Chicagoer-Szene dabei. Allen ist an Piano und Synthesizer zu hören, stilistisch ist das sehr viel offener als bei Redman und den Italienern im Kontrollraum – dass neben fünf Jarman-Originals auch Sidney Bechets „Petite Fleur“ (all the women get wet crotches – der Satz ist auf ewig eingebrannt, was „Petite Fleur“ betrifft, und klar, schon der Name des Stückes spricht ja davon … von wem das Zitat stammt muss ich hier nicht öffentlich ausbreiten) und Charlie Parkers „Blues for Alice“ zu hören sind, ändert daran nichts. Moye und Hopkins sind zugleich völlig geerdet und total frei, eine faszinierende Kombination, die in Chicago wohl häufiger als sonstwo anzutreffen ist. Allen kriegt ihren Platz und ist die perfekte Wahl für den Rahmen, in dem Cluster und eingängie Bass-Licks bestens zueinanderpassen, in dem Verdichtung nie heisst, laut zu werden oder gar aggressiv – die ruhende Kraft in dieser Musik ist viel intensiver als wildes Geschrei, wie es damals die Europäer bevorzugten (die laberten aber eher von Titten und Bier, die Kunst der Andeutung – „Soft and Furry“, „Warm Valley“ etc. passte nichts in Programm). Wenn ich sage „damals“ meine ich natürlich nicht 1983 und nicht Geri Allen sondern die Zeit, in der Jarman, Hopkins und Moye ihre Sporen abverdienten: AEoC, AACM, Air etc. Das Album funktioniert übrigens für mich heute auch zum ersten Mal so richtig. Dass ich innerhalb des AEoC eine Präferenz für Roscoe Mitchell habe, ist bekannt und liegt wohl in erster Linie daran, dass es mir recht schwer fällt, Joseph Jarman zu fassen. Aber wo ich jetzt begriffen habe – ohne es im Detail erklären zu können – was Geri Allen macht, kommt hier alles schön zusammen. Das ist – wie das Redman-Album auch – kein Meisterwerk, aber es ist schon ziemlich gut, wie ich es nach vielen Jahren endlich wieder einmal höre.

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    #10225643  | PERMALINK

    vorgarten

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    We attended Geri Allen’s services at Bethany Baptist Church in Newark yesterday, and we were so grateful that we managed to get there. We were seated in the „non-playing musicians“ section of pews, which struck us humorously as probably the first time anyone has categorized me as a „non-playing m.f.“ (musician’s joke). The musical and verbal tributes we heard at Geri Allen’s services were magnificent, as to be expected from students and colleagues of Geri Allen. They included Kenneth Barron, Terri Lyne Carrington, Andrew Cyrille, Jack DeJohnette, Robert Hurst, Vijay Iyer, Oliver Lake (we didn’t hear or see him, but he may have played before we got there), Joe Lovano, Carmen Lundy (didn’t hear her either), Nicholas Payton, Christian Sands, and Valerie Simpson. Speakers included the great Dr. Dwight Andrews and Dorthaan Kirk.
    I myself had played five concerts with the great Geri Allen, and they were surely pinnacles of my musical life: July 24th, 2012: Henry Grimes and Geri Allen, the Stone, NYC; October 9, 2012: Jazz for Obama benefit, Henry Grimes w/ Geri Allen & Jeff „Tain“ Jeff Watts, Symphony Space, NYC; July 3rd, 2014: Nicole M. Mitchell w/ Geri Allen, Henry Grimes, & Pheeroan akLaff, the Stone, NYC; Nov. 17th, 2015: Cecil Taylor celebration, w/ Geri Allen, Henry Grimes, Jason Moran, and Henry Threadgill, Harlem Stage, Village of Harlem, NYC; June 7th, 2016: Henry Grimes Lifetime Achievement Award day, Henry Grimes quartet w/ Geri Allen, Andrew Cyrille, & Graham Haynes, Vision Festival at Judson Memorial Hall, NYC.
    I’ve been ill and wasn’t in touch about possibly playing at the services, but I was content to sit in the audience and feel tremendously re-inspired and heartened and encouraged by having known, loved, and made music with the great Geri Allen, who is (no past tense), not only a musical genius, but as close to a perfect human being as we have ever known.

    henry grimes, wahrscheinlich von margaret gechannelt, am 9.7. auf fb.

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    #10253077  | PERMALINK

    vorgarten

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    die verbindung von ravi coltrane und geri allen bestand seit den frühen 1990ern und kam durch charlie haden zustande, der ravi geri allens musik vorspielte. der sohn von john und alice begann zu dieser zeit, sich als eigenständige tenorstimme in new york zu etablieren. zu seinen frühesten föder_innen gehörten neben joe lovano und haden bald geri allen selbst, die, wie coltrane sagte, ihn oft an seine mutter erinnerte.

    nach seinem von steve coleman produzierten debüt MOVING PICTURES (1998) wählte ravi sich eine kompakte band für sein folgealbum FROM THE ROUND BOX, ebenfalls auf bmg/rca. ralph alessi (tp) ist wieder mit dabei (er und ravi kennen sich seit dem studium), diesmal sitzt geri allen auf dem klavierstuhl, die weitere rhythm section bilden james genus (b) und eric harland (dm). mir gefällt dieses album nicht ganz so gut wie das debüt, es mag sein, dass diese band weniger zeit hatte, um sich aufeinander einzustellen. ravis kompositionen blinzeln mir zu stark in den mainstream, geri allen zieht sich mit ihren ambivalenten akkorden viel zu stark zurück, auch harland ist viel braver als man ihn heute kennt. die schönsten kompositionen sind von alessi, daneben gibt es clevere arrangements von shorters „blues à la carte“ (mit einer leichten rhythmischen verschiebung im thema, die das ganze sofort in die nuller jahre katapultiert) und „monk’s mood“, „the blessing“ von ornette coleman funktioniert auch nicht schlecht.

    das ist vielleicht aber auch die phase von allen, in der sie verhältnismäßig brav agiert hat, ohne den frühen biss und ohne die manchmal fassungslos machende komplettheit ihres ansatzes, der am ende offenbar wurde. hier jedenfalls die gemeinsame, ziemlich spielfreudige shorter-interpretation:

    zur nächsten zusammenarbeit mit der kompletten „from-the round-box“-band kam es auf ravis blue-note-debüt 12 jahre später. coltrane, allen, alessi, genus und harland spielen 5 der 11 stücke ein, zwei davon mit produzent joe lovano als gast. die anderen 6 stücke wurden in einer anderen session mit ravis langjähriger working band (luis perdomo, drew gress und e.j. strickland) aufgenommen, die einen dermaßen elastischen organismus bilden, dass sie 3 stücke davon als freie interpretation abliefern. trotzdem kickt die band mit geri allen mehr, was auch wieder an den tollen, absurd komplexen, aber auch immer wieder in großer schönheit landenden alessi-kompositionen liegt. allen hält sich wieder sehr zurück, kommt aber dann gewaltig in der hypnotischen ballade „yellow cat“, in der ihre dunklen linien gegen die unisono-spielenden bläser anrollen. absurd ist die ornette-interpretation „check out time“, die ein bisschen blöd anfängt, in den soli aber dann eine schräge tiefe bekommt (lovano, coltrane, alessi, allen). ganz toll kurz vor schluss dann ein trio von coltrane, lovano und allen über paul motians „fantasm“, in dem die beiden herren um den schönsten ton ringen und von geri allens sparsamen akzenten eingedunkelt werden. ein stehendes gemälde mit verlaufenden farben.

    geri allen und ravi coltrane haben immer wieder miteinander gespielt, das kann man auf youtube-live-mitschnitten gut verfolgen. sehr berührend ist ihr gemeinsamer duo-auftritt bei der beerdigung von ornette coleman:

    aber richtig fantastisch ist das erneute aufeinandertreffen von beiden in joe lovanos spiritual-john-coltrane-tribut im lincoln center 2016 (unfassbar, dass geri allen in dieser berührenden band, wo noch tom harrell herumsteht und reggie workman sein alter komplett vergessen lässt, die erste sein soll, die knapp ein jahr später nicht mehr auf erden weilt) – allens solo über „spiritual“ ist jedenfalls grandios und das absolute highlight (ab 15’35, aber der gesamte ausschnitt lohnt sich):

    „30 years ago, Charlie Haden introduced me to the music of Geri Allen. I still recall the mutual excitement and enthusiasm in the room as we listened to Geri’s incredible piano solos. When I arrived in New York in ’91, Geri was one of the first to embrace me, calling me for gigs, taking me under her wing, so to speak. There were others who filled a similar role but none quite like Geri. She was kind and dignified, with a quiet strength that often reminded me of my mother Alice. I’ll never forget the first times performing with her and feeling elevated by her accompaniment, like my feet were literally rising off the stage a little. I could play one or two notes and her musical response could evoke all the answers to the universe. And she did it all with such ease, grace and strength. I am forever grateful for the many years and many opportunities I had to know and work with Geri. She was a beautiful, warm, and soulful friend. Her music, hrr sound, her approach to the piano and improvisation was completely and totally her own. The love and enthusiasm and excitement I felt for Geri from day one will continue on throughout my entire life.“ — Ravi Coltrane, saxophonist

    von hier.

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    #11328239  | PERMALINK

    vorgarten

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    fundstück, geri allens aufnahmedebüt, 1979, mit einem sehr wiedererkennbaren solo:

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    #11722375  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Geri Allen (12. Juni 1957 – 27. Juni 2017)

    She hails from a culture that celebrates flight as a metaphor for freedom. From the folk tales of enslaved Americans who abandon the fields and fly back to Africa to the fugitive slave narratives of the 19th century; from Paul Laurence Dunbar’s exquisite poem of 1899, „Sympathy,“ with its singing caged bird (the inspiration for Maya Angelou’s „I Know Why the Caged Bird Sings“ (1970) to Abbey Lincoln’s „Bird Alone“ (1991), African American culture is dominated by images and sounds of movement, mobility, fugitivity and flight.

    Geri Allen is nothing if not deeply rooted in the cultures of Africans in America. She is also a highly accomplished, cosmopolitan, world-class artist. As such, like the music she plays, she is always open to new influences. Consequently, upon hearing Native American legends that also resonated with her own people’s love of music and near mystical celebration of flight, she allowed them to inform her aesthetic vision as well. One such tale, the „Legend of the Flute,“ is the story of a young hunter who follows a red-headed woodpecker. Together the two, man and bird, „fly toward the sound“ of a beautiful song only to discover it coming from a tree branch fashioned into a flute. (Her connection to Native American culture is familial as well as intellectual. Her grandmother’s name, Bertha Long, appeared on Cherokee Nation Census Rolls.) For her entire life, Geri Allen has been flying toward the sound.

    ~ Farah Jasmine Griffin, Phd (Liner Notes zu „Flying Toward the Sound“, Motéma, 2010)

    Geri Allen kam in Pontiac, Michigan, zur Welt und wuchs in Detroit auf. Mit sieben begann sie, Klavier zu spielen, und als Teenager wusste sie bald, dass sie Pianistin werden wollte. Allen besuchte die Cass Tech High School in Detroit und war dort Schülerin von Marcus Belgrave. 1979 schloss sie ihr Studium an der Howard University in Washington, DC, ab. Im Anschluss studierte sie mit Kenny Barron in New York und machte 1982 einen Masterin Musikethnologie an der Universität Pittsburgh, worauf sie nach New York zurück kehrte. Dort traf sie auf das M-Base-Kollektiv und spielte kurze Zeit mit Steve Colemans Five Elements. Mit der Band tourte sie in den späten Achtzigern auch durch Europa.

    When I was a young girl, crossing a major street alone was one of the first of many rites of passage. Grand River Avenue, an eight-lane street once one of the busiest urban thoroughfares in the world was my first rite. Years later, attending Cass Tech on Grand River Avenue (one of the nation’s premier high schools back then), was another rite. At that time, the face of the music curriculum of the Detroit Public Schools was revolutionizing the world from the basement of Motor City up. Kids like us were changing the world with talents crafted and honed in these schools. Years before, that same musical public school training had fueled Detroit’s powerful jazz legacy, which became the musical rhizome feeding the Motown Sound. At Cass Tech, we didn’t just have a few music classes, we had three years of intensive training by master teachers, and Detroit artists in residence, invited to conduct workshops – from the fields of the classics – old and modern – jazz, spirituals and the blues.

    ~ Geri Allen (Liner Notes zu „Grand River Crossings“, Motéma, 2013)

    Hier ist Allen 1993 mit Marcus Belgrave zu hören – die beiden teilten sich übrigens den Geburtstag:

    In New York spielte Allen im Lauf der Achtzigerjahre u.a. mit Oliver Lake, David Friedman, Joseph Jarman, Lester Bowie, Frank Lowe oder Franco Ambrosetti. 1984 erschien ihr Debut, „The Printmakers“, im Trio mit Anthony Cox und Andrew Cyrille.

    Ihre folgenden Alben der Achtziger dokumentieren Allens breite Interessen. Auf ein starkes Solo-Album, das wie das Debut ihre Fähigkeit, „inside“ und „outside“ zu verbinden, demonstriert, folgten mit „Open on All Sides in the Middle“ und „Twylight“ zwei Alben, denen man ihre Entstehung in den Achtzigern recht gut anhört. Doch beide sind voll mit tollen Kompositionen und gelungenen Arrangements.

    1987 stiess Geri Allen zu Charlie Hadens „Liberation Music Orchestra“ für eine Tour durch Europa und Cuba, „Charlie and Paul recognized an extraordinary new collaborator in their midst.“ – und So entstand das Trio von Geri Allen, Charlie Haden und Paul Motian, das zwei Studio-Alben sowie Live-Alben vom Montréal Jazz Festival und aus dem Village Vanguard hinterliess – von den Aufnahmen aus New York ist Anfang Jahr eine zweite CD mit mehr Material erschienen. Howard Mandel zitiert in den Liner Notes zum Soul Note-Album „Etudes“, aus denen bereits das vorangehende Zitat stammt, Paul Motian: „I liked her right away – very night. Geri’s solos were great … She plays with more dynamics than most pianists. She’s really sensitive. As the tour progressed, we’d play ‚Silence'“ – it’s a hymn to the power of quietude – „as an encore, just the three of us. Charlie and I would look at each other …“ (Das Foto oben stammt von der Rückseite der LP, gemacht hat es Ruth Cameron, Hadens Frau.)

    Ein Schlüsselerlebnis für Allen war die Begegnung mit der Sängerin Betty Carter:

    „Betty wanted to do a project that would be exciting an challenging for her as an artist, and she invited us along,“ says Allen. The opportunity to perform with Betty, watching her at the top of her craft each night, making each concert hall her own, was priceless. „That was the beginning, and the time spent with Betty, Jack and Dave continues to inform my creative process. Right after that tour, I recorded ‚Twenty-one‘ with Ron Carter and the late Tony Williams. That event seriously changed my life. The ‚Feed the Fire Tour‘ and ‚Twenty-one‘ signaled the beginning of a clear musical journey that was a continuation and crystallization of my work with trumpeter/husband Wallace Roney as well as my own project.“

    ~ Dan Ouellette, Liner Notes zu „The Life of a Song“ (Telarc, 2004)

    1995 heiratete sie den Trompeter Wallace Roney, mit dem sie eine ganze Reihe Alben aufnahm. Im Jahr darauf erhielt Allen den renommierten Jazzpar Preis und war auf zwei Alben mit Ornette Coleman zu hören – dessen Bands normalerweise seit den späten Fünfzigerjahren kein Klavier mehr enthielten. Allen mag in den Neunzigern nicht so bekannt gewesen sein wie etwa Brad Mehldau oder in den Achtzigern Kenny Kirkland und Marcus Roberts – aber wie Ethan Iverson in seinem Text zum 60. Geburtstag (der unerwartet – Allen starb zwei Wochen später – zum Nachruf wurde), schreibt: „Many of the celebrated younger pianists of the current moment — a recent poll has names like Jason Moran, Vijay Iyer, Craig Taborn, David Virelles, Kris Davis, Matt Mitchell, Aruán Ortiz — don’t play like Kirkland, Roberts, or Mehldau. They play like Allen.“

    Wallace Roney war auch mit dabei, als Allen im Lauf der Neunziger Allens Interesse an Kompositionen und Arrangements wuchs. Auf Alben wie „The Nurturer“ (Blue Note, 1990) und „Maroons“ (Blue Note, 1992) arbeitete Allen mit Musikern wie Marcus Belgrave und Kenny Garrett in wechselnden Besetzungen, Kulminationspunkt dieser Entwicklung war „The Gathering“, das 1998 bei Verve erschien.

    In den Neunzigern und Nullern spielte Allen auch mit dem Bassisten Buster Williams, dem Vibraphonisten Bobby Hutcherson, dem Tenorsaxophonisten Charles Lloyd, oder im Trio mit Dave Holland und Jack DeJohnette, die ebenfalls zum „Feed the Fire“-Trio gehörten – weshalb die Episode mit Betty Carter in den Liner Notes zum gemeinsamen Album „The Life of a Song“ thematisiert wird. Allen wirkte zudem im Film „Kansas City“ mit – da spielt die Mary Lou Williams, deren Musik sie sich später sowohl zusammen mit dem Trio 3 (Oliver Lake, Reggie Workman und Andrew Cyrille – unter Lake hatte Allen in den Achtzigern mehrere Alben aufgenommen, mit Workman in den Neunzigern an dessen „Cerebral Caverns“ mitgewirkt, und Cyrille war der Drummer ihres Debut-Albums) wie auch mit dem Mary Lou Williams Collective widmete (mit Buster Williams, Billy Hart bzw. Cyrille).

    Allens Output der Zehnerjahre darf man wohl eklektizistisch nennen. Neben einem wunderbaren Solo-Album („Flying Towards the Sound“ mit der Widmung: „A Solo Piano Excursion Inspired by Cecil Taylor, McCoy Tyner and Herbie Hancock“) gab es ein Projekt mit einem Stepptänzer (Timeline), ein Weihnachtsalbum („A Child Is Born“), eine Hommage an Motown und den Detroit Sound („Grand River Crossing“) und mehr. Dazu zählen auch eine weitere Begegnung mit Franco Ambrosetti, zwei Alban mit Ravi Coltrane, Aufnahmen mit Jaimeo Brown oder der Big Band von David Weiss.

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    #11722443  | PERMALINK

    vorgarten

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    wie schön, vielen dank für den thread & die schönen texte, die ich morgen nochmal nachlesen muss. hab neben james blood die ganze woche schon geri allen gehört, gestern zum ersten mal SEGMENTS, heute zum ersten mal TWYLIGHT, große faszination. und noch viele lücken.

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    #11722651  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich hab ja v.a. ein paar Dinge zusammengetragen … auffällig ist, wie lange es dauert, bis mal Liner Notes da sind, in denen es ein paar Worte zu ihr gibt. Das erste solche Album ist „Etudes“, aber da geht es direkt konkret um das Trio und wie es zusammenkam (s.o.), den klassischen kurzen biographischen Überblick gibt es auch dort nicht. Ansonsten eher mal lange Danksagungen (das bleibt bis zum Schluss so) oder auch mal poetische Texte, die die Musik ergänzen, nicht erläutern.

    Von Ethan Iverson sollte wohl das Statement hier auch noch prominent platziert werden:

    But for now, on the occasion of her 60th, I just wanted to make sure that the official record was correct. In this music, there was before Geri Allen and after Geri Allen. She’s that important.

    Gleiche Quelle wie oben schon verlinkt:
    https://ethaniverson.com/the-breakthrough-of-geri-allen/

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    #11722895  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windauffällig ist, wie lange es dauert, bis mal Liner Notes da sind, in denen es ein paar Worte zu ihr gibt. Das erste solche Album ist „Etudes“, aber da geht es direkt konkret um das Trio und wie es zusammenkam (s.o.), den klassischen kurzen biographischen Überblick gibt es auch dort nicht. Ansonsten eher mal lange Danksagungen (das bleibt bis zum Schluss so) oder auch mal poetische Texte, die die Musik ergänzen, nicht erläutern.
    Von Ethan Iverson sollte wohl das Statement hier auch noch prominent platziert werden:

    But for now, on the occasion of her 60th, I just wanted to make sure that the official record was correct. In this music, there was before Geri Allen and after Geri Allen. She’s that important.

    ich hatte damals auch den eindruck, dass zum 60. geburtstag zum ersten mal so was versucht wurde wie ein erstes resümee ihrer karriere und ihres einflusses – und dann war sie plötzlich nicht mehr da. iversons ständchen zum 60. ist insofern interessant, dass er selbst ja gerade nicht zu den pianisten gehört, die sich auf allen beziehen, er ist ja eher die hersch/mehldau-ecke, wie auf seinem neuen album auch sehr deutlich wird.

    (beim thema geri allen gerate ich mit meiner kleinschreibung an grenzen, stelle ich immer wieder fest.)

    vor 2 jahren gab es ein (online-)symposium zu geri allen am heyman center an der columbia, das steht z.t. auf youtube; vijay iyer hat seinen vortrag später publiziert, ich komme da leider nicht dran, die einwahl über meine uni funktioniert nicht.

    ich versuche mir manchmal vorzustellen, warum geri allen anfang der 80er solch ein novelty act war – klar hat es geholfen, jung, weiblich und gutaussehend zu sein, aber es hat auch was mit ihrem spiel zu tun, ihrer abkürzung waller-nichols-taylor oder so, während eigentlich damals hancock, corea und jarrett die stars waren.

    habe vorhin nochmal in ihrem alterssegment geschaut, also pianist:innen mit geburtsjahr mitte 50er, da ist auffällig, wie viele davon schon nicht mehr leben (allen, kirkland, miller, mseleku, ruiz), dann, dass es wirklich wenig vergleichbare ansätze gibt: post-tyner (kenny werner, kirkland, mseleku), post-evans (hersch), miller & roberts als junglöwen, postmoderne spaßvögel wie caine und horvitz… vergleichbar finde ich eigentlich nur rosewoman (die ich nicht gut kenne, die aber in der gleichen szene unterwegs war) und myra melford, gleichalt, lehrer: byard, threadgill, pullen, aber dann doch erstmal mit den weißen jungs unterwegs (ehrlich, douglas). den vergleich mit melford fänd ich überhaupt mal interessant, ich kenne von ihr noch immer nicht viel.

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    #11722909  | PERMALINK

    john-the-relevator

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    @gypsy-tail-wind: Ganz herzlichen Dank. Hatte mir in den letzten Wochen einiges aus dem Thread „Das piano im Jazz“ über Allen durchgelesen und geschaut, was für mich interessant und auf Vinyl zu bekommen ist. Leider ist der Vinyl Output äußerst mager. Bleibt halt nur das streamen. Bestellt habe ich mir aber in der Tat das Piano-Solo Album „Flying Towards the Sound“.  Werde am Thema, auch durch deine Expertisen, dran bleiben.

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    Music is like a river, It's supposed to flow and wash away the dust of everyday life. - Art Blakey
    #11722921  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Auf den Text habe ich auch keinen Zugriff … und Iyer ist ja in den sozialen Medien etwas verschlossen, glaub nicht, dass ich ihn drum bitten kann. Falls er jemand von euch irgendwo folgt, müsste das aber gehen?

    Diese Pianisten ab den 80ern sind ja gar nicht mein Kerngebiet – ich könnte die glaub ich nicht so einfach sortieren. Rosewoman kenne ich bisher praktisch nicht, Melford ebenfalls nur recht oberflächlich. Das mit den Szenen/Gigs entlang der Hautfarbe hatten wir ja schon ein paar Male – ich vermute stark, dass sich das durch die vorgefundenen Strukturen mehr oder weniger einfach so ergibt, dass es also einen Extra-Effort (bzw. halt ein grosses Interesse) voraussetzt, um das anders zu halten. Ist ja bei anderen Gruppen/Subszenen (Halvorson/Laubrock/Rainey/Crump/Davis z.B.) nicht so anders.

    Übrigens hab ich gestern spät dann auch noch den r.i.p.-Thread von dir entdeckt, den ich völlig vergessen habe. Wenn es okay ist, würde ich das im Index dann mal so eintragen (also den einen mit den Lebensdaten und diesen hier als neuen Anlauf, um über die Musik zu reden? Mich wird das hier ordentlich Zeit kosten, aber ich möchte tatsächlich nochmal von vorne anfangen mit hören und hier in losen Abständen etwas berichten – und allenfalls mal was von drüben hier rüberholen? Oder ist das albern und wir machen einfach drüben weiter – ich bin grad hin- und hergerissen.

    Bin bei Allen übrigens in Sachen Sidewoman-Aufnahmen absolut nicht komplett, von den Alben mit Oliver Lake kenne ich z.B. nur das eine aus der Black Saint-Box, die auf Novus sind mir unbekannt … und eins der schönen Peterson-Alben, das erst in den letzten Jahren gekaufte „Volition“, das dritte mit Allen, habe ich leider hartnäckigst verlegt. Und die Alben mit Greg Osby oder Gary Thomas kenne ich auch nicht.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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