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die verbindung von ravi coltrane und geri allen bestand seit den frühen 1990ern und kam durch charlie haden zustande, der ravi geri allens musik vorspielte. der sohn von john und alice begann zu dieser zeit, sich als eigenständige tenorstimme in new york zu etablieren. zu seinen frühesten föder_innen gehörten neben joe lovano und haden bald geri allen selbst, die, wie coltrane sagte, ihn oft an seine mutter erinnerte.
nach seinem von steve coleman produzierten debüt MOVING PICTURES (1998) wählte ravi sich eine kompakte band für sein folgealbum FROM THE ROUND BOX, ebenfalls auf bmg/rca. ralph alessi (tp) ist wieder mit dabei (er und ravi kennen sich seit dem studium), diesmal sitzt geri allen auf dem klavierstuhl, die weitere rhythm section bilden james genus (b) und eric harland (dm). mir gefällt dieses album nicht ganz so gut wie das debüt, es mag sein, dass diese band weniger zeit hatte, um sich aufeinander einzustellen. ravis kompositionen blinzeln mir zu stark in den mainstream, geri allen zieht sich mit ihren ambivalenten akkorden viel zu stark zurück, auch harland ist viel braver als man ihn heute kennt. die schönsten kompositionen sind von alessi, daneben gibt es clevere arrangements von shorters „blues à la carte“ (mit einer leichten rhythmischen verschiebung im thema, die das ganze sofort in die nuller jahre katapultiert) und „monk’s mood“, „the blessing“ von ornette coleman funktioniert auch nicht schlecht.
das ist vielleicht aber auch die phase von allen, in der sie verhältnismäßig brav agiert hat, ohne den frühen biss und ohne die manchmal fassungslos machende komplettheit ihres ansatzes, der am ende offenbar wurde. hier jedenfalls die gemeinsame, ziemlich spielfreudige shorter-interpretation:
zur nächsten zusammenarbeit mit der kompletten „from-the round-box“-band kam es auf ravis blue-note-debüt 12 jahre später. coltrane, allen, alessi, genus und harland spielen 5 der 11 stücke ein, zwei davon mit produzent joe lovano als gast. die anderen 6 stücke wurden in einer anderen session mit ravis langjähriger working band (luis perdomo, drew gress und e.j. strickland) aufgenommen, die einen dermaßen elastischen organismus bilden, dass sie 3 stücke davon als freie interpretation abliefern. trotzdem kickt die band mit geri allen mehr, was auch wieder an den tollen, absurd komplexen, aber auch immer wieder in großer schönheit landenden alessi-kompositionen liegt. allen hält sich wieder sehr zurück, kommt aber dann gewaltig in der hypnotischen ballade „yellow cat“, in der ihre dunklen linien gegen die unisono-spielenden bläser anrollen. absurd ist die ornette-interpretation „check out time“, die ein bisschen blöd anfängt, in den soli aber dann eine schräge tiefe bekommt (lovano, coltrane, alessi, allen). ganz toll kurz vor schluss dann ein trio von coltrane, lovano und allen über paul motians „fantasm“, in dem die beiden herren um den schönsten ton ringen und von geri allens sparsamen akzenten eingedunkelt werden. ein stehendes gemälde mit verlaufenden farben.
geri allen und ravi coltrane haben immer wieder miteinander gespielt, das kann man auf youtube-live-mitschnitten gut verfolgen. sehr berührend ist ihr gemeinsamer duo-auftritt bei der beerdigung von ornette coleman:
aber richtig fantastisch ist das erneute aufeinandertreffen von beiden in joe lovanos spiritual-john-coltrane-tribut im lincoln center 2016 (unfassbar, dass geri allen in dieser berührenden band, wo noch tom harrell herumsteht und reggie workman sein alter komplett vergessen lässt, die erste sein soll, die knapp ein jahr später nicht mehr auf erden weilt) – allens solo über „spiritual“ ist jedenfalls grandios und das absolute highlight (ab 15’35, aber der gesamte ausschnitt lohnt sich):
„30 years ago, Charlie Haden introduced me to the music of Geri Allen. I still recall the mutual excitement and enthusiasm in the room as we listened to Geri’s incredible piano solos. When I arrived in New York in ’91, Geri was one of the first to embrace me, calling me for gigs, taking me under her wing, so to speak. There were others who filled a similar role but none quite like Geri. She was kind and dignified, with a quiet strength that often reminded me of my mother Alice. I’ll never forget the first times performing with her and feeling elevated by her accompaniment, like my feet were literally rising off the stage a little. I could play one or two notes and her musical response could evoke all the answers to the universe. And she did it all with such ease, grace and strength. I am forever grateful for the many years and many opportunities I had to know and work with Geri. She was a beautiful, warm, and soulful friend. Her music, hrr sound, her approach to the piano and improvisation was completely and totally her own. The love and enthusiasm and excitement I felt for Geri from day one will continue on throughout my entire life.“ — Ravi Coltrane, saxophonist
von hier.
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