Funktionen von Musik

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  • #5114441  | PERMALINK

    go1
    Gang of One

    Registriert seit: 03.11.2004

    Beiträge: 5,644

    „Funktion“ ist erstmal nicht eindeutig. Es kann ein Fremdwort sein für Zweck, dann ist’s die Frage: Wozu hört man Musik, so als einzelne Person. Oder es kann soziologisch gemeint sein, wie in dem Beispiel: Die gemeinsamen Rituale der Mitglieder des Indianerstammes bekräftigen das Zusammengehörigkeitsgefühl, haben also die Funktion (die notwendige Wirkung), die Gemeinschaft zusammenzuhalten. Dann wäre es die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion von Musik bzw. dem Musikhören.

    Ah Um hat schon drauf hingewiesen, dass das Musikhören nicht unbedingt ein „um zu“ braucht: Man hört Musik, weil man da etwas Schönes vor sich hat (oder darauf hofft, beim Auflegen der Platte), und das Anschauen des Schönen ist Selbstzweck. Es ist jedenfalls besser als rumzusitzen und nichts zu tun. Man kann natürlich auch Musik auflegen, um die Stimmung im Raum zu beeinflussen. Oder man will tanzen und braucht einen guten Beat. Oder man will sein Erleben in einem Lied ausgedrückt, überhöht, dramatisiert finden (wie es in dem alten Hit über Don McLean heißt: „strummin’ my pain with his fingers, tellin’ my life with his words…“). Bei Liebeskummer mag so etwas helfen, zum Beispiel. Manche schotten sich vielleicht mit Musik von der Umgebung ab, wenn sie im Zug oder in der Straßenbahn sitzen, ziehen sich inmitten einer Menschenmenge in einen privaten Raum zurück. Oder oder oder.

    Häufig wird es darum gehen, den Alltag erträglicher zu machen. Man vertreibt die Langeweile oder man betreibt die Beschäftigung mit der Musik sogar als ernsthaftes Hobby, in das man viel Aufwand steckt und das einem als Zufluchtsort dient. Dann hat man immer etwas, worauf man sich freuen kann. Und wenn sich Gleichgesinnte finden, haben sie ein unerschöpfliches Thema, über das sie reden können. Solche Hobbys werden wohl die gesellschaftliche Funktion haben, den Leuten das Mitmachen im alltäglichen Getriebe zu erleichtern.

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    To Hell with Poverty
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    #5114443  | PERMALINK

    thomlahn

    Registriert seit: 11.11.2003

    Beiträge: 8,143

    Daniel_BelsazarDaher ist rein „funktionale“ Musik herstellbar: Die Kühe geben mehr Milch bei Mozart-Berieselung als bei Schönberg, die Menschen geben dem Supermarktbetrieb mehr Geld, wenn sie mit Muzak beregnet werden, sie geraten in Aufzügen oder Flughafentunneln (Chicagoer Flughafen = Eno „Music for Airports“ + Leuchtinstallation) weniger leicht in Panik, oder sie putzen halt leichter oder poppen lieber oder was auch immer.

    Das sind ja aber natürlich alles die Funktionen, die uns eigentlich herzlich wurscht – weil „banal“ – sind, wo die instinktgeleiteten Handlungen durch Musik geregelt werden.

    Interessanter sind da offensichtlich für unsern Intellekt die „höheren“ Funktionen. Dazu würden z.B. gehören: Ästhetischer Genuß (Ah_Ums Schönheit), Lernen (Kultur, der Blick in die Erfahrungswelt anderer Menschen wie z.B. auch in der Literatur), bewusste Kommunikation.

    Banal? Ich bin sicher dass der ‚Intellekt‘ die Musik gerade so auswählt wie er sie gerade braucht – unbewusst natürlich. Wenn man – sagen wir mal – die Stimmung dämpfen möchte eben Joy Division und eben was flottes um die Energie zu steigern. Wir sind also gar nicht so arg weit weg von Mozart zur Steigerung der Milchleistung. Unser ‚Intellekt‘ gaukelt uns natürlich was anderes vor.

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    #5114445  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,865

    Müßiges Thema. Bereits die Prager Strukturalisten wußten, daß Ästhetik die Funktion des pragmatischen Wertes abschwächt und außer Kraft setzt. Deswegen wohl auch der Irrtum bei der CD: Kann man überall hören, ohne Qualitätsverlust kopieren, das Klangbild ist einfacher strukturiert und schneller zugänglich, also ist der Wert größer. Volle Funktionsfähigkeit nun mal.

    Wäre ich eine Kuh, würde ich eher zu Schoenberg Milch geben.

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    A Kiss in the Dreamhouse  
    #5114447  | PERMALINK

    tops
    This charming man

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 3,598

    Lustig in diesem Zusammenhang, daß die berühmte Niederlage der Digi-Industrie in den Ställen von Minnesota genau 20 Jahre her ist. „They can’t con the cows“, stand damals in „The Absolute Sound“. Drei oder vier Jahre später: „They conned the cows. Big deal“.

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    #5114449  | PERMALINK

    thomlahn

    Registriert seit: 11.11.2003

    Beiträge: 8,143

    Napoleon DynamiteMüßiges Thema. Bereits die Prager Strukturalisten wußten, daß Ästhetik die Funktion des pragmatischen Wertes abschwächt und außer Kraft setzt. Deswegen wohl auch der Irrtum bei der CD: Kann man überall hören, ohne Qualitätsverlust kopieren, das Klangbild ist einfacher strukturiert und schneller zugänglich, also ist der Wert größer. Volle Funktionsfähigkeit nun mal.

    Bitte nochaml erklären. Kapier ich nicht, sorry.

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    #5114451  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    topsLustig in diesem Zusammenhang, daß die berühmte Niederlage der Digi-Industrie in den Ställen von Minnesota genau 20 Jahre her ist. „They can’t con the cows“, stand damals in „The Absolute Sound“. Drei oder vier Jahre später: „They conned the cows. Big deal“.

    Kannst du darüber ein zwei Sätze mehr verlieren, falls das ernst gemeint war? Ich kenne die Story nicht.

    --

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    #5114453  | PERMALINK

    ah-um

    Registriert seit: 24.02.2006

    Beiträge: 1,398

    Napoleon Dynamite

    Müßiges Thema. Bereits die Prager Strukturalisten wußten, daß Ästhetik die Funktion des pragmatischen Wertes abschwächt und außer Kraft setzt. Deswegen wohl auch der Irrtum bei der CD: Kann man überall hören, ohne Qualitätsverlust kopieren, das Klangbild ist einfacher strukturiert und schneller zugänglich, also ist der Wert größer. Volle Funktionsfähigkeit nun mal.QUOTE]

    Diskussionen über musikalische Ästhetik sind also müßig, weil die „Prager Strukturalisten“ (Linguisten, wenn ich nicht irre; ist nicht mein Fachbereich) sie ex cathedra entschieden haben?

    Wenn ich deinen Satz richtig deute, dann sagen die Prager Gelehrten, dass Ästhetik und Funktionalität in einem Widerstreit stehen und die eine immer zu Lasten der anderen geht. Ist nicht so weit von dem entfernt, was ich oben schon mal formuliert hatte, oder? Ein Standpunkt zwar, aber weder besonders neu noch unbestreitbar.

    Zum „einfacher strukturierten Klangbild“ der CD verkneife ich mir eine Bemerkung; hat mit dem Thema auch nichts zu tun.

    --

    There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)
    #5114455  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Ah UmZum „einfacher strukturierten Klangbild“ der CD verkneife ich mir eine Bemerkung; hat mit dem Thema auch nichts zu tun.

    Ich meine, irgendwie schon.

    --

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    #5114457  | PERMALINK

    ah-um

    Registriert seit: 24.02.2006

    Beiträge: 1,398

    Ich versuch mal zu ordnen:

    Dass Musik bestimmte Funktionen erfüllen kann und zu diesem Zweck auch eingesetzt wird, dürfte klar sein. Wir könnten jetzt diese Funktionen aufzählen, beschreiben und den Hirnforschern die Details überlassen.

    Die weitere, sehr viel schwierigere Frage ist, ob Musik durch diesen empirischen Ansatz erschöpfend abgehandelt ist. Anders gesagt: Gibt es einen Aspekt von Musik (oder Kunst im Allgemeinen), der über alle empirischen Funktionszusammenhänge hinaus ins Transzendente weist (also Materialismus vs Idealismus, ganz klassisch)?

    Antwort: Ich weiß es auch nicht. Aber die Vorstellung, dass die Musik nicht um ihrer selbst willen existiert, sondern nur um zu funktionieren, finde ich schon etwas, nunja, wenig prickelnd.

    --

    There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)
    #5114459  | PERMALINK

    tops
    This charming man

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 3,598

    @ Otis

    Kennst Du nicht? Um den Fall in all seiner Absurdität zu erzählen, ist hier wohl nicht ganz der richtige Platz. Deshalb nur in aller Kürze: Milch-Farmer in Minnesota hatten ihre Stall-Beschallungsanlagen „modernisiert“ und von MC auf CD umgestellt. Worauf die Milchleistung der Kühe um ca. 8% einbrach, um jenen Prozentsatz also, den sie qua Musikbeschallung etliche Jahre davor zugelegt hatten. Wohlgemerkt: die Art der Musik selbst blieb unverändert. Irgendein Digi-Gegner der Audio-Fachpresse entdeckte per Zufall einen entsprechenden Artikel in einer Farmer-Postille, wo Bauern über ihre Erfahrungen mit der CD-Beschallung berichteten und davor warnten. Wasser auf die Mühlen der Analogiker! Eine Schlagzeile lautete seinerzeit: „They Can’t Even Con Cows“. Oder so ähnlich (müßte ich mal nachschlagen). Anyway, die Milchwirtschaft installierte wieder die alten Cassettengeräte, die Kühe dankten es. Indem sie wieder mehr Milch gaben.
    Die Digi-Industrie war nicht amüsiert. Sie befand sich ohnehin am Rand des Kollapses, nachdem die CD-Umsatzzahlen zwei Jahre nach Einführung des so minderwertigen wie überteuerten Tonträgers nicht annähernd so gut waren wie erwartet. Milde ausgedrückt. Man schickte eilends „Experten“ nach Minnesota, monatelange Tests wurden durchgeführt (eine scheußliche Sache, diese Tierversuche), und 1989 verkündete dann ein Industrieverbandssprecher ganz stolz in „Billboard“, man habe das „Problem“ nunmehr gelöst (mit Filtern o.ä.), sodaß die Kühe nun auch mehr Milch produzierten, wenn man sie einer Musikberieselung mittels CD aussetze. „Wow!“, spendeten die Audio-Ästheten von „The Absolute Sound“ schlagzeilend Beifall, „They Conned The Cows – Big Deal“.

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    #5114461  | PERMALINK

    j-w
    Moderator
    maximum rhythm & blues

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 40,481

    Ah UmAntwort: Ich weiß es auch nicht. Aber die Vorstellung, dass die Musik nicht um ihrer selbst willen existiert, sondern nur um zu funktionieren, finde ich schon etwas, nunja, wenig prickelnd.

    Ich halte es für problematisch der „Musik“ eine eigene Identität als Subjekt zuzuschreiben. Sie ist nicht um ihrer selbst willen aus dem Nichts entstanden, sondern wurde von einem Künstler kreiert, der damit eigene Ziele erreichen wollte. Ob diese nun „das Schaffen von Kunst“, „die Möglichkeit zur Ausdruck eigener Befindlichkeit“, „der Plan durch Musik bei den Frauen/Männern zu landen“, „finanzieller Erfolg“ oder alles zusammen waren, ist dabei nebensächlich. Wir Hörer machen uns die Musik zueigen und die Bedürfnisse, die wir dabei befriedigen kann man sehr wohl in Funktionen oder Kategorien einteilen. Und wenn man widerum dieses ablehnt um die Musik nicht zu kategorisieren oder aus romantischen Idealen, macht man auch nichts anderes, gibt es nur nicht zu.

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    Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Blue
    #5114463  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    tops, bemerkenswert die Geschichte von den Kühen.
    Die schlauen digi-boys haben doch bestimmt auch mittlerweile herausgefunden, worauf die Kühe nun genau reagieren. Würde mich interessieren. Haben sie einfach ein gutes Gehör? Und sind es eher horizontale Melodielinien oder vertikale harmonische Schichtungen, auf die sie reagieren?

    --

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    #5114465  | PERMALINK

    tops
    This charming man

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 3,598

    Jedenfalls wurde ihr Musikempfinden durch die Digitalisierung so nachhaltig gestört, daß sie mißmutig reagierten. Butch Hancock hat seinerzeit bei Konzerten einen Running Gag daraus gemacht. Seine No-Two-Alike-Albumserie ist dann nur auf MC erschienen. Für Vinylpressungen fehlte ihm das Geld.

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    #5114467  | PERMALINK

    ah-um

    Registriert seit: 24.02.2006

    Beiträge: 1,398

    @ Jan Wölfer:

    Indem du das „Schaffen von Kunst“ als mögliches Motiv für das Musizieren nennst, räumst du selbst ein, was du abstreiten willst: Kunst als Selbstzweck.
    Wenn es so wäre, wie du eigentlich sagen willst, dann läge das Motiv zur Erschaffung bzw. Rezeption von Kunst immer außerhalb der Kunst, könnte aber nie die Kunst selbst sein.

    --

    There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)
    #5114469  | PERMALINK

    j-w
    Moderator
    maximum rhythm & blues

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 40,481

    Ah Um@ Jan Wölfer:

    Indem du das „Schaffen von Kunst“ als mögliches Motiv für das Musizieren nennst, räumst du selbst ein, was du abstreiten willst: Kunst als Selbstzweck.

    Natürlich ist Kunst immer subjektiv. Kunst entsteht im Auge des Betrachters, oder des Schaffenden, aber ein anderer wird diesen künstlerischen Aspekt in einem Werk womöglich nie erkennen. Kunst ist nie objektivierbar und deshalb nur als ein passives Subjekt anzusehen, dass geschaffen wurde (in Augen mindestens eines Betrachters oder Schaffenden), aber nie von sich aus agiert.

    Ah Um
    Wenn es so wäre, wie du eigentlich sagen willst, dann läge das Motiv zur Erschaffung bzw. Rezeption von Kunst immer außerhalb der Kunst, könnte aber nie die Kunst selbst sein.

    Nein, da hast Du mich falsch verstanden.

    --

    Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Blue
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