Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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    gypsy-tail-wind
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    Varda Tag #10:


    Jane B. par Agnès V. (1987) – gestern das Doppelpacket mit Jane Birkin … ein Jahr lang nistete Varda sich mit ihrer Crew im Haus der Familie ein (Charlotte Gainsbourg hat später erzählt, dass sie die Zeit gar nicht mochte) und drehte neben semi-dokumentarischen auch Ausschnitte aus Filmen, die Birkin gerne gedreht hätte, oder die Varda gerne mit Birkin gesehen hätte … u.a. die Geschichten von Ariadne und von Jeanne d’Arc. Und dann ist da natürlich die tolle Szene mit Birkin und Varda als Laurel und Hardy, gedreht in der Bäckerei, die schon in „Daguerréotypes“ vorgekommen ist.


    Kung-Fu Master (1987) ist der Schwesterfilm … basierend auf einer seltsamen Idee von Birkin: eine fast vierzigjährige Frau (sie, sie wurde 1986 vierzig) und ein fast fünfzehnjähriger Junge (Matthieu Demy) verlieben sich. Verstörend, aber behutsam gefilmt – und es gibt diese Geschichten ja, in denen es natürlich ein Machtgefälle gibt und die ganz viele Fragen aufwerfen … Jacques Demy war zunächst dagegen, dass der gemeinsame Sohn mitspielt, aber als klar wurde, dass Charlotte Gainsbourg mitwirkt, beschloss man, den Film en famille zu machen. In den Sommerferien 1987 (der verregnete Sommer mit grossen Unwettern zumindest hier in der Schweiz, ich war acht, als wir in dem Sommer in den Bergen eingeregnet wurden und zu Fuss runter steigen mussten, weil die Brücke weg war, auf deren anderen Seite das Auto stand) wurden also die Dreharbeiten für „Jane B. par Angès V.“ unterbrochen und der Film gedreht, in dessen Vorspann der junge Demy die Figur aus seinem Lieblingsvideospiel spielt, „Kung-Fu Master“. Es gibt einen Ausflug nach London zu den Eltern Birkins (die echten) und dann eine Flucht auf eine kleine Insel, wo die Familie eine Hütte besitzt … und es gibt, zurück in Paris, den Skandal … aber das ist alles mit viele Auslassungen erzählt und am Ende eben doch ein Film, der so schön geworden ist, dass die Ambivalenz des Schauens noch einmal um ein Vielfaches gesteigert wird. Als Hintergrundrauschen ist zudem die AIDS-Pandemie über den ganzen Film hinweg präsent. Auf die ganzen heiklen Fragen gehen weder Varda noch Birkin in den Gesprächen ein, die auf der DVD als Bonusmaterial dabei sind – die sind aber dennoch informativ und oft ziemlich witzig.

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    #12514141  | PERMALINK

    latho
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    pfingstluemmelAußerdem gesehen:
    Little Buddha (Regie: Bernardo Bertolucci – Italien/Frankreich/Großbritannien, 1993) 4,5/10
    The Tattooist (Regie: Peter Burger – Neuseeland/Singapur, 2007) 4/10
    […]
    Was ist passiert? Und: Hätte man in Seattle, 1993, Nirvana nicht viel einfacher finden können?

    You great wit!

    Das mit Pasolini wusste ich noch gar nicht. Aber wundert mich etwas, schon Il conformista ist ja dann weit ab vom Schuss.

    --

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    #12514193  | PERMALINK

    pfingstluemmel
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    Weit ab vom Schuss?

    --

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    #12514241  | PERMALINK

    latho
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    pfingstluemmelWeit ab vom Schuss?

    Hmm, so ein Wort sollte ich vielleicht nicht im Zusammenhang mit Pasolini verwenden – ich meinte, dass ich bei Bertolucci wenig Pasolini erkennen kann.

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    #12514343  | PERMALINK

    pfingstluemmel
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    @latho: Ach so, ja, Bertolucci wäre kein guter Schüler, wenn er einfach das wiederkäut, was der Lehrer vorsetzt. Obwohl ich dies z.B. bei Michele Soavi und Dario Argento reizvoll finde. Nicht, dass Soavi keinen eigenen Stil hätte, doch den großen Argento-Einfluss mag ich dann schon sehr gerne.

    Weiterhin gesehen:

    Citizenfour (Regie: Laura Poitras – USA/Deutschland, 2014) 8/10

    Es soll nicht um die Person Edward Snowden gehen, zu Beginn hat das gesamte Unternehmen aber einen leichten suicide by cop-Vibe, so entschlossen wie sich Edward Snowden in das Unterfangen hineinstürzt. Ist zehn Jahre später natürlich schon wieder komplett verdrängt, die vermeintlich freie Welt hat neue alte Feinde gefunden, man salbadert weiterhin von Freiheit und Demokratie und rüstet Geheimdienste und Militär weiter auf, damit bei der endgültigen Übernahme der Faschisten ohne Verzögerung losgelegt werden kann. Und obwohl man die Geschichte mittlerweile bis ins Detail kennt, wirkt diese Dokumentation immer noch spannend, aufwühlend und, ja, gruselig und bedrückend.

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    #12514349  | PERMALINK

    latho
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    pfingstluemmel@latho: Ach so, ja, Bertolucci wäre kein guter Schüler, wenn er einfach das wiederkäut, was der Lehrer vorsetzt. Obwohl ich dies z.B. bei Michele Soavi und Dario Argento reizvoll finde. Nicht, dass Soavi keinen eigenen Stil hätte, doch den großen Argento-Einfluss mag ich dann schon sehr gerne.
    […]

    Ich wollte da auch keine Vorgaben machen. Hatte zB. Il vangelo secondo Matteo vs. The Last Emperor im Kopf…

    zuletzt geändert von latho

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    #12514351  | PERMALINK

    pfingstluemmel
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    The Last Emperor kenne ich nicht, die zeitliche Nähe zu Little Buddha und die verwandte Thematik lassen jedoch Böses erahnen…

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    #12514455  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Tag 11 meiner Varda-Strecke war Jacques Demy gewidmet. In dessen DVD-Box (die ich ganz ähnlich vor ein paar Jahren in einem Sommer am Stück durchguckte) sind nur die zwei reinen Dokus drin, den schönsten der drei Filme, die semi-fiktionalisierte Jugend-Biographie, kannte ich noch nicht:


    Jacquot de Nantes (1990) – am 17. Oktober waren die letzten Aufnahmen abgedreht, zehn Tage später starb Demy. In seinen letzten Monaten fing er an, handschriftlich Jugenderinnerungen niederzuschreiben und gab Varda jeden Tag ein paar Seiten zu lesen. Sie meinte, er solle daraus doch einen Film machen. Er: Mach Du den Film. Und so kam es. In Eile suchte Varda nach Geld und einer Crew (drei Kameraleute waren involviert, weil niemand am Stück Zeit hatte) … man konnte im Sommer in Nantes in der Garage drehen, in der Demys Familie damals lebte und arbeitete, aber weil die Zeit nicht reichte, wurden die Sets dann alle auch nochmal nachgebaut … drei junge Darsteller spielen Demy im Alter von ca. 4 bis 18 Jahren, episodenhaft wird seine Kindheit und Jugend zwischen Schule, Krieg, der Liebe für Musik, Theater und Kino erzählt. Demy fängt an, Puppentheater zu machen, kriegt während der Zeit, als ihn seine Eltern aufs Land brachten wegen der deutschen Besatzung, eine erste Kamera und Filmrollen von Chaplin-Shorts ausgeliehen … und bald fängt er selbst zu experimentieren an, kriegt dann eine erste automatische Kamera (siehe ganz unten), muss aber eine Berufslehre machen, darf nicht aufs Gymnasium oder an die Filmschule. Erst als ein paar Leute sein Talent erkennen und dem Vater zureden, erlaubt dieser, dass Jacques davonzieht. Da endet dann der Film, in dem es zwischendurch ständig Ausschnitte aus Demys Filmen gibt, die sich auf die Jugend beziehen (nicht zuletzt natürlich seine kurze Doku „Le sabotier du Val de Loire“ über das ältere Paar, das Demy und seinen Bruder damals beherbergte), aber auch aktuelle Aufnahmen von Demy – er erzählt etwas, oder die Kamera fährt ganz nah über sein Gesicht, seine Haare, seinen gebeutelten, kranken Körper. Zu den letzten Aufnahmen am Meer war Demy nur bereit, wenn Varda filmt. Das tat sie dann, während ein alter Freund und Mitarbeiter und Rosalie hinter ihr die Batterie und Kabel hertrugen. Alles sehr bewegend, sehr traurig, aber auch sehr schön.


    Les demoiselles ont eu 26 ans (1966 & 1992) – zum 25. Geburtstags des Films, der das Städtchen Rochefort aus dem Schlaf weckte, wurde Varda im Rahmen mit grossen Feiern beauftragt, eine Dokumentation zu drehen. Das war – kurz nach Demys Tod – keine leichte Aufgabe. Auch Catherine Deneuve fällt es manchmal nicht leicht, über Françoise Dorléac zu spreche, sie erinnert sich an die wiedergewonnene enge Freundschaft, die sie nach ihrem Auszug aus dem Elternhaus verloren hatten – und es gibt auch von den beiden intime Aufnahmen, die Varda beim Dreh machte, stumm und auf 16 Millimeter. In der Regel hielten Demy und Varda sich von den Sets der anderen fern, aber in diesem Fall zog die ganze Familie nach Rochefort zum Dreh – und Rosalie erzählt, wie besonders Deneuve immer für einen Spass zu haben war, wie sie den beiden Schwestern beim Schminken und einkleiden zugucken durfte. Michel Legrand, Bernard Evein und weitere Schauspieler*innen kommen zu Wort, die Schwester von Demy und Deneuve taufen Plätze, die Demy und Dorléac gewidmet werden, es gibt Gespräche mit den Einwohner*innen von Rochefort, die natürlich schon damals im Film mitspielten (witzig ein Ehepaar: er spielte damals mit 10 oder 11 einen der Schuljungen, die aus dem Schulhaus kommen, sie mit 15 seine Mutter … Anfang der Siebziger trafen sie sich wieder und heirateten dann).


    L’Univers de Jacques Demy (1993/95) – für diesen Film-Essai, einem nicht ganz chronologischen Durchgang durch Demys Werk, konnte Varda auf Aufnahmen eines nicht fertiggestellten Dokumentarfilms über Demy zurückgreifen. Dazu kommen Filmausschnitte und Interviews mit Deneuve, Jeanne Moreau, Dominique Sanda (oben rechts), Danielle Darrieux, Anouk Aimée, Bertrand Tavernier usw. Und mit Harrison Ford, der sich erinnert, wie er für „Model Shop“ vorgesehen war und mit Demy einen solchen besuchte … bis dann die Produktionsfirma auf Gary Lockwood bestand – Ford habe in dem Geschäft keine Zukunft.


    Demy mit seiner ersten automatischen Kamera, die er in einem Geschäft in der Passage Pommeraye in Nantes kaufte, die in „Lola“ und „Un Chambre en ville“ zu sehen ist (Stills aus „Jacquot de Nantes“).

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    #12514485  | PERMALINK

    cleetus

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    The Amateur (5/10) – Nicht so gut wie die sehr gute Romanvorlage (Littell ist überhaupt spitze), dafür sehr stylisch und gut gefilmt.

    Gladiator 2 (5/10) – Rundenbasiertes Martial Arts-Spektakel das sich selbst und seine Hauptdarsteller viel zu ernst nimmt. Die Handlung ist hier völlig nebensächlich aber es reiten Leute auf Nashörnern, das rettet einen mit second screen über die Zeit.

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    Don't be fooled by the rocks that I got - I'm still, I'm still Jenny from the block
    #12514979  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Das gestrige Varda-Programm, Tag Nummer 12:


    Ydessa, les ours et etc. (2004) – eine kurze Dokumentation über eine verstörende Installation von Ydessa Hendeles im Haus der Kunst (2002): „The Teddy Bear Project“. Ein Raum mit über tausend alter Fotots von Leuten mit Teddybaren: Kinderportraits, Gruppen mit Maskottchen, allerlei seltsame Schnappschüsse … und je länger man drauf guckt, desto seltsamer wird das alles. Ein Raum weiter dann Catellans Junge mit dem Gesicht von Adolf Hitler – und damit erst die Kontextualisierung und das Verstehen, warum viele der Fotos so seltsam anmuteten. Hendeles hat die Fotos über Jahre gesammelt – und Varda, die glaneuse von Bildern, wollte dieser eigenwilligen Ausstellung auf den Grund gehen und hat sie in Kanada besucht, sich mit ihr unterhalten.


    Le lion volatil (2003) – ein kurzer, magischer Spielfilm, sehr charmant


    Hommage à Zgougou (1999) – ein kurzes Portrait der Katze, die im Rudel der Familie Varda-Demy der unangefochtene Chef war. Später hat Varda auch eine Installation mit dem „Grab“ Zgougous in Museen gebracht … in ihrem dritten Leben als „artiste contemporaine“ (das erste war natürlich das Leben als Photographin, das zweite dann jenes als Cineastin).


    Deux Ans après… (2002) – eine Dokumentation über „Les glaneurs et la glaneuse“, den ich ausgelassen habe, weil ich ihn noch sehr präsent habe (vor einem guten Jahr im Kino gesehen und enorm beeindruckt davon). Das ganze Bonusmaterial der DVD reichte auch gut, um mir den Film noch einmal vor Augen zu führen. Varda wurde danach wie nie zuvor mit Zuschriften und kleinen Geschenken (und hunderten, tausenden herzförmigen Kartoffeln) eingedeckt. Im einstündigen Dokumentarfilm besucht sie einige der Leute, die im Film zu sehen sind, spricht mit ihnen: wie ist es ihnen in der Zwischenzeit ergangen, wie gefiel ihnen der Film (die Frage kann sie nur wenigen stellen), hat sich ihr Leben durch den Film verändert etc.


    Les cent et une nuits (1994) – ein Star-Festival und Vardas letzter langer Spielfilm … in der Chronologie hätte ich ihn  zwischen den drei Demy-Filmen gucken müssen. Der Film war ein Flop, aber aus heutiger Sicht ist er ganz witzig. Michel Piccoli brilliert als Monsieur Cinéma (in den Siebzigern gab es in Frankreich eine gleichnamige Kino-Sendung, eine Art Quizshow mit schwierigen Fragen über die septième art, das Kino, und der Autor hinter den Fragen taucht im Film auch kurz auf). Das grosse Star-Aufgebot macht Spass; die kurze Szene mit Bonnaire, in der sie ein Prinzessinen-Kostüm tragen darf, ist natürlich eine kleine Wiedergutmachung für „Sans toit ni loi“, in dem sie nie saubere Kleider tragen durfte. Marcello Mastroianni streitet sich mit Piccoli, wer wen kopiert habe, Jean-Paul Belmondo kommt als abzockender Wunderheiler mit seiner Frau Gina Lollobridgida, die dafür sorgt, dass die eingebildeten Kranken sich tatsächlich besser fühlen; Hanna Schygulla und Jeanne Moreau schauen als Ex-Frauen vorbei; Anouk Aimée darf natürlich nicht fehlen; Alain Delon wird abgewimmelt vom ihn anhimmelden Faktotum (das den Namen „Firmin“ trägt, wie die Hauptfigur im CH-Klassiker „Rapt“, der auf einer Erzählung von Charles Ferdinand Ramuz beruht – keine Ahnung, ob Varda eher auf einen anderen Firmin anspielt); Robert de Niro ist mit Catherine Deneuve im Gartenteich auf Kreuzfahrt (und ein Double fällt rein und ertrinkt) … Delon kam tatsächlich mit dem Helikopter, war am Set aber maximal entspannt und hatte zwei Tage Zeit, während De Niro nur für einen Tag dabei war, aber schon den ganzen Text phonetisch auswendig gelernt hatte … die Making Ofs und Einblicke in den Dreh auf der DVD machen bei so einem Film natürlich auch viel Freude.

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    #12515679  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Varda am Wochenende – Tag 13 und 14:

    Les 3 boutons (2015) – ein Kurzfilm, von Miucca Prada gesponsert


    Les Plages d’Agnès (2008) – eine tolle, sehr nachdenkliche Dokumentation über die Filme und die Arbeit am Film … und die Zeit mit Demy (nicht: die Arbeit mit … denn die gab es ja nicht, selbst bei „Jacquot“ liess er sie anscheinend einfach machen und mischte sich nie ein).

    Viennale Walzer – Der Viennale Trailer (2004) – für die Viennale 2004 drehte Varda einen ganz kurzen Film – ein paar wiederkehrende Bilder: der Boden, der Strand … und etwas klassische Musik, obwohl Varda sonst eine Vorliebe für Barockmusik hatte, nicht für Wienerwalzer oder überhaupt Romantisches.


    Quelques es Veuves de Noirmentier (2005) – manche Bilder tauchen in Vardas Filmen mehrfach auf … die letzten Aufnahmen, die Varda selbst von Demy am Strand drehte zum Beispiel. Den Witwen von Noirmentier (bzw. einigen von ihnen) widmete Varda eine Installation, die in Museen gezeigt wurde. Vierzehn kleine Bildschirme um ein zentrales Bild herum angeordnet, dazu vierzehn Stühle mit Kopfhörern, auf denen man sich jeweils den Ton zu einem der Bildschirme anhören konnte, eine Geschichte pro Bildschirm und Stuhl. Dazu gab es dann auch einen mittellangen Dokumentarfilm, in dem Varda darüber reflektiert, dass sie auch eine der „veuves de Noirmentier“ ist. Dort, an der Atlantikküste, in der Nähe von Nantes, hatten sie und Demy schon in den Sechzigern ein Haus gekauft, und Vardas Film „Les Créatures“ (1965) entstand auch dort (und Sautet begab sich mit „César et Rosalie“ wohl auf Vardas Spuren: Paris, Sète und Noirmentier).


    Les trois vies d’Agnès (2012) – drei Leben hatte Varda, so sagte sie in späten Jahren gerne: ein erstes als Fotografin, das zweite als Cineastin und das dritte dann als Künstlerin („artiste contemporaine“ sagte sie). Sie wurde immer öfter eingeladen, etwas für Ausstellungen beizutragen und freute sich sehr darüber. Anfragen, bei Filmvorstellungen dabei zu sein, nahm sie vor allem dann an, wenn in der betreffenden Stadt oder Gegend ein Museum war, das sie (wieder-)entdecken konnte, sagt sie in einem dieser Filme. Im Bild ist ihre „La Cabane d’echec devenue la Cabane de Cinéma“ (eine solche „Cabane“ gab es auch 2023 in der Varda-Ausstellung der Cinémathèque Française zu sehen, die ich zum Glück besuchen konnte). Der Fehlschlag (echec – Scheitern, Niederlage usw.) war „Les Créatures“, der gerade erwähnte Film: die zahlreichen zurückgesendeten Filmrollen hatte Varda offensichtlich behalten und daraus dann Dach und Wände der „cabane“ gestaltet, über ein Metallgerüst gespannt. Zum ersten Mal aufgebaut wurde die Installation 2012 in der Fondation Cartier.


    Agnès de ci, de là Varda (2011) – gestern dann die fünfteilige Miniserie über die Kunstreisende Varda. Über mehrere Jahre hat sie ihre Reisen dokumentiert: nach Berlin, Venedig (dort richtete sie 2003 ihre „Patatupia“ ein und lief im Kartoffelkostüm herum, hinter ihr Yoko Ono), Mexiko, Los Angeles, St. Petersburg, die Art Basel, natürlich die Côte, Sète … immer auch auf den eigenen Spuren, manchmal auf den gemeinsamen Spuren mit Demy – die wichtigen Orte und Menschen noch einmal treffen, Erinnerungen an Verstorbene heraufbeschwören (z.B. die wunderbare Sabine Mamou, ihre Cutterin, die in „Documenteur“ auch als Schauspielerin zu sehen ist, aber z.B. auch Jim Morrison, von dem Varda Fotos machte, als er den Dreh von Demys „Peau d’âne“ besuchte und mit dem die beiden anscheinend sowas wie befreundet waren?). Varda trifft Chris Marker (sein Gesicht ist nie zu sehen, die Katze ist seine Stellvertreterin, er spielt Second Life und lässt dort eine Varda-Doppelgängerin tanzen), Manoel de Oliveira und seine Frau (der über 100jährige macht den Charlot und will danach Vardas kleine Videokamera ausprobieren), Christian Boltanski, Annette Messager, Pierre Soulages … dazwischen sieht man sie auch manchmal beim Erstellen eigener Werke wie den Portrait-Serie „Portraits brisées“ (unten rechts hier mehr) … das bewegt sich zwischen biographischem Rückblick, humorvoller Nabelschau und neugierigem Blick auf die Gegenwartskunst, manchmal schweift der Blick auch weiter zurück, ins 15. oder 16. Jahrhundert, zu Baldung von Grien oder Rogier van der Weyden.


    Als Fussnote dazu noch Quelques femmes bulles von Marion Sarraut (1938-2021 und von Anfang an Teil der Szene um die „Cahiers du cinéma“ und die nouvelle vague) – eine 50minütige TV-Sendung von 1978, die als Nebenprodukt von „L’une chante l’autre pas“ (1976) entstand: mit dem gleichen Frauentrio L’Orchidée sowie auch François Wertheimer und ihren Chansons (nicht denselben wie im Film bzw. auch zusätzlichen), dazu eine Art Clown-Revue inkl. Blasmusik-Kapelle (wie es sie im Film nicht gibt). Das nimmt sich in den Momenten dann wie eine Hommage an Fellini aus … und Varda selbst ist für einmal in einigen Szenen vor der Kamera zu sehen. Den Film gibt’s als Bonus auf der entsprechenden DVD, ich hatte ihn am passenden Abend ausgelassen.

    Jetzt habe ich noch zwei letzte DVDs vor mir, „Visages, villages“ (2017, mit JR als Co-Regisseur) und „Varda par Agnès“ (2019, mit Didier Rouget als Co-Regisseur). In der Menge an Filmen, die die DVD-Box bietet, wird es gar nicht so klar, dass schon 1995 mit „Les Cent et Une Nuits“ mit grossen Spielfilmen Schluss war (wobei „schon“: es liegen ja 40 Jahre zwischen dem Film und ihrem Debut). Es ist wirklich toll, das ganze Werk inklusive der ganz kurzen Filme zu entdecken, wie es die grosse DVD-Box gestattet (sie erschien wohl 2012 zum ersten mal als „Tout(e) Varda“, meine Ausgabe, wohl von 2019, heisst „L’Intégrale“ und enthält statt 22 sogar 24 DVDs). Und ich bin froh, dass ich ungefähr chronologisch geguckt habe, weil es so bis hin zu „Les 3 boutons“ zwischen dem ganzen (Semi-)Dokumentarischen, (Auto-)Biographischen und Essayistischen der späten Jahre auch noch ab und zu etwas Fiktion gibt.

    „Loin du Viet-Nam“ fehlt in der Box übrigens … soweit ich das sehe, hat Varda nach aktuellem Stand des Irrtums (und da die ja eh fast alle schon gestorben sind, kommt da kaum noch viel mehr heraus) nur im Hintergrund mitgewirkt und nie bei den Drehs selbst. Aber gut, die Chris Marker DVD-Box kommt dann vielleicht nächsten Sommer dran.

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    #12515727  | PERMALINK

    motoerwolf

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    Ich muss hier auch mal wieder was schreiben, schließlich habe ich seit meinem letzten Eintrag hier schon wieder 30 Filme im Kino gesehen. Was natürlich Teil des Problems ist, warum ich mit dem Schreiben nicht hinterher komme (auch im Reise-Thread).

    Drop – Tödliches Date (Drop, Christopher Landon, 2025)

    Ich mochte Landons bisherige Filme Scouts vs. Zombies – Handbuch zur Zombie-Apokalypse, Happy Deathday, Happy Deathday 2U und Freaky. Nicht alle sind gleich gut, besonders der alberne Scouts vs. Zombies fällt ein wenig ab, macht aber immer noch Spaß, entsprechende Stimmung vorausgesetzt. Landon hat es mit dreien dieser Filme geschafft, bekannte Ideen ansprechend zu inszenieren. So erinnert Happy Deathday stark an Und täglich grüßt das Murmeltier, Freaky ist eine Horrorversion von 30 über Nacht. Mit Drop liefert Landon nun seine Version von Nicht auflegen!. Leider ist Drop aber der bisher schwächste Film des Regisseurs, zwar immer noch spannend, aber nur gutes Mittelmaß.

    Warfare (Alex Garland & Ray Mendoza, 2025)

    Warfare ist wohl extrem realistisch und fühlt sich für den Zuschauer auch so an. Garland verzichtet weitestgehend auf eine Heroisierung seiner Protagonisten und zeigt uns einfach eine Szene aus dem Krieg. Das ist heftig, aber letztlich auch banal. Krieg ist die Hölle. Quid novi? Trotzdem absolut sehens- und hörenswert.

    zuletzt geändert von motoerwolf

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    #12515749  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Und ich hab zwischen all den tollen Varda-Filmen noch diesen Vierfünftelausfall vergessen:

    Elvis (Baz Luhrman, 2022) – leider artifizieller Scheiss …

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    pfingstluemmel
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    Außerdem gesehen:

    Andrea lässt sich scheiden (Regie: Josef Hader – Österreich, 2024) 6,5/10
    C’era una volta il West: Internationale Fassung (Regie: Sergio Leone – Italien/USA, 1968) [Re-Watch] 10/10
    Hyena Road (Regie: Paul Gross – Kanada, 2015) 6/10

    Warum ich mir schon wieder diese Kriegsscheiße antue? Kamera: Karim Hussain. Dessen Brillanz blitzt nur hin und wieder kurz auf, im Geröll von Afghanistan möglicherweise auch keine leichte Aufgabe. Vielleicht gibt es ja bald ein weiteres Projekt mit Brandon Cronenberg – oder noch besser: Einen eigenen neuen Film von Karim Hussain.

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