Startseite › Foren › Kulturgut › Für Cineasten: die Filme-Diskussion › Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) › Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)
Das gestrige Varda-Programm, Tag Nummer 12:
Ydessa, les ours et etc. (2004) – eine kurze Dokumentation über eine verstörende Installation von Ydessa Hendeles im Haus der Kunst (2002): „The Teddy Bear Project“. Ein Raum mit über tausend alter Fotots von Leuten mit Teddybaren: Kinderportraits, Gruppen mit Maskottchen, allerlei seltsame Schnappschüsse … und je länger man drauf guckt, desto seltsamer wird das alles. Ein Raum weiter dann Catellans Junge mit dem Gesicht von Adolf Hitler – und damit erst die Kontextualisierung und das Verstehen, warum viele der Fotos so seltsam anmuteten. Hendeles hat die Fotos über Jahre gesammelt – und Varda, die glaneuse von Bildern, wollte dieser eigenwilligen Ausstellung auf den Grund gehen und hat sie in Kanada besucht, sich mit ihr unterhalten.
Le lion volatil (2003) – ein kurzer, magischer Spielfilm, sehr charmant
Hommage à Zgougou (1999) – ein kurzes Portrait der Katze, die im Rudel der Familie Varda-Demy der unangefochtene Chef war. Später hat Varda auch eine Installation mit dem „Grab“ Zgougous in Museen gebracht … in ihrem dritten Leben als „artiste contemporaine“ (das erste war natürlich das Leben als Photographin, das zweite dann jenes als Cineastin).
Deux Ans après… (2002) – eine Dokumentation über „Les glaneurs et la glaneuse“, den ich ausgelassen habe, weil ich ihn noch sehr präsent habe (vor einem guten Jahr im Kino gesehen und enorm beeindruckt davon). Das ganze Bonusmaterial der DVD reichte auch gut, um mir den Film noch einmal vor Augen zu führen. Varda wurde danach wie nie zuvor mit Zuschriften und kleinen Geschenken (und hunderten, tausenden herzförmigen Kartoffeln) eingedeckt. Im einstündigen Dokumentarfilm besucht sie einige der Leute, die im Film zu sehen sind, spricht mit ihnen: wie ist es ihnen in der Zwischenzeit ergangen, wie gefiel ihnen der Film (die Frage kann sie nur wenigen stellen), hat sich ihr Leben durch den Film verändert etc.
Les cent et une nuits (1994) – ein Star-Festival und Vardas letzter langer Spielfilm … in der Chronologie hätte ich ihn zwischen den drei Demy-Filmen gucken müssen. Der Film war ein Flop, aber aus heutiger Sicht ist er ganz witzig. Michel Piccoli brilliert als Monsieur Cinéma (in den Siebzigern gab es in Frankreich eine gleichnamige Kino-Sendung, eine Art Quizshow mit schwierigen Fragen über die septième art, das Kino, und der Autor hinter den Fragen taucht im Film auch kurz auf). Das grosse Star-Aufgebot macht Spass; die kurze Szene mit Bonnaire, in der sie ein Prinzessinen-Kostüm tragen darf, ist natürlich eine kleine Wiedergutmachung für „Sans toit ni loi“, in dem sie nie saubere Kleider tragen durfte. Marcello Mastroianni streitet sich mit Piccoli, wer wen kopiert habe, Jean-Paul Belmondo kommt als abzockender Wunderheiler mit seiner Frau Gina Lollobridgida, die dafür sorgt, dass die eingebildeten Kranken sich tatsächlich besser fühlen; Hanna Schygulla und Jeanne Moreau schauen als Ex-Frauen vorbei; Anouk Aimée darf natürlich nicht fehlen; Alain Delon wird abgewimmelt vom ihn anhimmelden Faktotum (das den Namen „Firmin“ trägt, wie die Hauptfigur im CH-Klassiker „Rapt“, der auf einer Erzählung von Charles Ferdinand Ramuz beruht – keine Ahnung, ob Varda eher auf einen anderen Firmin anspielt); Robert de Niro ist mit Catherine Deneuve im Gartenteich auf Kreuzfahrt (und ein Double fällt rein und ertrinkt) … Delon kam tatsächlich mit dem Helikopter, war am Set aber maximal entspannt und hatte zwei Tage Zeit, während De Niro nur für einen Tag dabei war, aber schon den ganzen Text phonetisch auswendig gelernt hatte … die Making Ofs und Einblicke in den Dreh auf der DVD machen bei so einem Film natürlich auch viel Freude.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba