Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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    gypsy-tail-wind
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    Zurich Film Festival (2/2)

    Eigentlich wollte ich gestern noch einen Dreierblock absolvieren, bin aber ganz froh, dass eine Besprechung (Arbeit) mich davon abhielt und ich den mittleren Film schon am Diensagabend einzeln gucken ging.

    Mr. Jones (Agnieska Holland, PO/UA 2019) | Eine fiktionalisierte (wie stark weiss ich nicht, aber ich glaub ziemlich) Geschichte über einen der Journalisten (im Film: der einzige), die an der Aufdeckung des beginnenden Holodomor in den frühen Dreissigern arbeiteten – erzählt als Mix aus Spionage-, Reportage- und Kolportagefilm, natürlich mit einer eingewobenen Liebesgeschichte und einer wilden Party im Haus des stalinfreundlichen Platzhirsches (NY Times-Korrespondent und Pulitzerpreis-Träger Walter Duranty, der Pulitzer wurde ihm trotz – willentlicher oder naiver ist wohl nicht klar – Propaganda bisher nicht aberkannt, ihm selbst kann es eh längst egal sein). Jones kriegte seine Chance dann dann W. R. Hearst doch noch. Nach seiner Rückkehr aus Russland trifft er zudem auf George Orwell, den er vom Stalin-Anhänger zum -Kritiker wandelt und ihn mit seinen Erzählungen zu „Animal Farm“ inspiriert. Wie sehr das alles im Detail historisch verbürgt ist, weiss ich nicht, aber eine Verbindung von Jones zu Orwell scheint es zumindest gegeben zu haben. Der Film arbeitet leider wie gesagt auch etwas zu sehr mit Kolportage-Mitteln – und obendrein mit billigen Effekten, wie wir sie heute leider längst gewohnt sind: Beschleunigung mit „rasenden“ Schienen oder irr drehenden Rädern und dumpf stampfender düsterer Musik und ähnliches … mir war das etwas zu dick aufgetragen, eher ein Film für ein anderes als ein gebildetes europäisches Publikum, wie es wohl im Saal sass (gerne hätte ich allerdings verstanden, was die zwei Russinnen neben mir nach dem Film sagten) – aber zugleich ist das ja ein Thema, das eigentlich weiterhin nur Ukrainer interessiert, wie Holland wohl auch gemerkt hat. Sie war anwesend, das Gespräch war aber schlecht moderiert, die etwas wirr vorgetragenen, an sich interessanten Gedanken von Holland hätten (vielleicht auch wegen sprachlicher Barrieren) jeweils etwas „sortiert“ werden müssen, doch das konnte die Dame vom Filmfestival leider nicht leisten.

    Im Fazit als Film nur mittelmässig, auch wenn dem Gegenstand durchaus mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Ich habe mir entsprechend jetzt auch endlich mal eins der Bücher von Anne Applebaum bestellt („Red Famine“ natürlich, das Buch über den Holodomor). Wann ich es lesen werde ist ein anderes Thema …
    In Sternen: * * * (vielleicht verdient er doch einen halben mehr, sehr wahrscheinlich …)

    Zeroville (James Franco, USA 2019) | Wunderbar dann der erste Film, den ich gestern über Mittag schauen ging, der jüngste von James Franco. Ein sehr vergnüglicher Film, der irgendwo zwischen warmer Hollywood-Nostalgie und einer stellenweise doch recht drastischen Psychothriller-Story schwankt, es gibt Zitate aus zahlreichen Filmen, die der streng religiös erzogene „Vikar“ (mit k, klar, gespielt von Franco selbst) erst seit ein paar Monaten entdeckt, nach dem er in George Stevens‘ „A Place in the Sun“, seinem ersten Film überhaupt, ein Erweckungserlebnis hatte – und sich gleich die Kussszene mit Monty und Liz auf den Hinterkopf tätowieren liess. Er steigt bald vom Kulissenschreiner zum Cutter auf, geht mit zu Parties (auf einer erzählen sich Coppola, Spielberg, Lucas, Scorsese und Konsorten gerade von ihren neusten Ideen, ein „Roboterhai“ ist hoch im Kurs), trifft eine Frau (DIE Frau, klar, ist ja auch Megan Fox), mit der er eine seltsame Affäre beginnt. Derweil träumt er immer wieder, sieht dabei Filmszenen, in denen die Figur von Fox jeweils für kurze Augenblicke anstelle der Hauptdarstellerin tritt: Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen prägt sich wohl am meisten ein. Dann reist Vikar auf die Philippinen, jemand muss ja schliesslich „Apocalypse Now“ schneiden … kommt nach Venedig, wird ausgezeichnet, die Frau verschwindet – und dann doch nicht, aber dann ist sie auch tot, und Vikar findet in Filmen einzelne Frames, auf denen die Figur von Fox zu sehen ist, statt den eigentlichen Darstellerinnen – er beginnt wohl damit, den einen Film zusammenzusetzen, der immer schon da war, schon bevor es das Kino gab … ach ja: Vampyros Lesbo? „I believe it’s a very good movie.“ Und obendrein ist „Le Proces de Jeanne d’Arc“ verschollen, verloren, die bekannte Version nur aus Outtakes und Ausschuss montiert … die echte Version findet Vikar nach einem Hinweis dann in einer Irrenanstalt in Oslo, in der die Frau einst eingesperrt war – und darin natürlich auch ein Frame mit ihr drin, klar. Ein phantastischer Trip!
    * * * *

    PS: Gerade diverse Verrisse online nachgelesen (positive reviews finden sich zumindest auf die Schnelle keine) – kann da nicht ganz folgen, aber was soll’s.

    Cold Case Hammarskjöld (Mads Brügger, DK/NO/SE 2019) | Den Abschluss machte dann gestern Abend ein in jeder Hinsicht irrer Dokumentarfilm, der vom ungelösten („cold case“) Fall Hammarskjöld ausgeht und dabei eine Reihe von Thesen aufstellt und soweit möglich zu erhärten versucht, die es in sich haben. Mit Göran Björkdahl hat der im Film stets präsente Brügger einen Mann an seiner Seite, der schon länger Fragen zum Tod von Hammerskjöld aufwirft (z.B. hier im Guardian). Die beiden reisen herum, interviewen Leute, lassen sich von neuen Hinweisen treiben und verfolgen eine Spur, von der lange unklar bleibt, ob sie nur ein Hirngespinst ist oder ob doch etwas dran sein könnte. Die Spur führt zum mysteriösen South African Institute for Maritime Research (SAIMR), das bei einer der letzten Anhörungen der Truth and Reconciliation Commission (TRC) auftauchte, in Form eines Dokuments, das einen Plan für die Ermordung Hammarskjölds enthält. Die TRC hat sich geweigert, Unterlagen betreffend SAIMR und deren Aktivitäten zu behandeln. Eine junge Frau, die anscheinend in das Programm verwickelt war, mit dem SAIMR gemäss der Aussage des Bruders gezielt Schwarze mit dem HI-Virus zu infizieren versuchte (in Südafrika und in Nachbarländern), wurde ermordet, als sie damit an die Öffentlichkeit gehen wollte. Der damalige angebliche Leiter von SAIMR hinterliess Jahre später, bevor er Südafrika verliess, seine Akten der Mutter der Ermordeten. Diese Dokumente und weiteres Material, das er einem Investigativjournalisten gab, gerät im zweiten Teil des Films in den Fokus. Anhand der Unterlagen können auch weitere mutmassliche Angehörige von SAIMR ausfindig gemacht werden, von denen einer bereit ist, zu reden – aber über keine Dokumente/Beweise mehr verfügt, da er alles zerstört hatte (der Mann verschwand aus Südafrika, bevor der Film veröffentlicht wurde). Der Film schwenkt dann auch wieder zurück zum Fall Hammarskjöld und den Behauptungen, dass SAIMR dahinter stecke. Wie seriös das alles recherchiert ist, wie wahrscheinlich die HIV-Story ist (es scheint Stimmen von Medizinern zu geben, die das für unmöglich halten, aber allein der Gedanke an die Absicht lässt das Blut in den Adern gefrieren) – keine Ahnung. Jedenfalls ist da eine Menge an Stoff vorhanden und es ist doch sehr zu hoffen, dass der eine oder andere Faden aufgegriffen, das Ausmass der Tätigkeiten von SAIMR etwa irgendwann doch noch aufgearbeitet werden. Der Fall Hammarskjöld wurde ja inzwischen immerhin wieder aufgenommen.
    * * * * sind auf jeden Fall drin für den Film, etwas Abzug gibt es für das manipulative Vorgehen (gegenüber dem Publikum, aber teils wohl auch den Zeugen, die im Film zu Wort kommen).

    Mehr dazu hier:
    https://www.theguardian.com/world/2019/jan/20/south-africa-weird-sinister-apartheid-mercenary-saimr-keith-maxwell
    https://www.nytimes.com/2018/03/27/world/africa/un-hammarskjold-death.html
    https://archives.un.org/content/death-dag-hammarskjöld

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #10898627  | PERMALINK

    penguincafeorchestra

    Registriert seit: 21.04.2003

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    Ad Astra ****1/2

    Natürlich bewegen sich die Story und die Ideen in bekannten Bahnen, man fühlt sich stellenweise ein bisschen an Apocalypse Now oder Der Marsianer – Rettet Mark Watney erinnert. Und auch die Auflösung, die der Film zu bieten hat, ist keine revolutionäre Erkenntnis, aber….
    Es sind bei mir die Bilder, die lange nachhallen. Physikalisch und logisch stimmt hier vielleicht nicht immer alles, aber das wird völlig unwichtig, wenn man die eindringlichen Bilder sieht, wie die Menschheit ihre Verkommenheit auf andere Planeten mitschleift vom Tierversuchslabor bis zu den Mondpiraten. Und auch die unendliche Einsamkeit im All wird gut eingefangen. Man merkt auch hier, wie untrennbar wir mit der Erde verwoben sind.
    Neben mir saß ein älteres Ehepaar im Kino und ich hörte ihn murmeln „Was für ein Scheißfilm“. Mich wundert nicht, dass der Film an den Kassen gefloppt ist. Eine meditative Reise in das Herz der Finsternis und die eigene Seele. Das ist vielen halt zu langweilig, leider.

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    I used to be darker, then I got lighter, then I got dark again
    #10900357  | PERMALINK

    cleetus

    Registriert seit: 29.06.2006

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    Hat eigentlich wirklich noch niemand Rambo 5 oder Es 2 gesehen?

     

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    Don't be fooled by the rocks that I got - I'm still, I'm still Jenny from the block
    #10900687  | PERMALINK

    motoerwolf

    Registriert seit: 25.10.2006

    Beiträge: 6,160

    Doch, freilich. Beide. Zwei Enttäuschungen letztlich. Rambo scheitert an seinen Ambitionen. Es macht unnötige Fehler (zum Beispiel die Behandlung der Story um Tom, Bevs Mann), außerdem fehlt den erwachsenen Loosern die Chemie der Kids.

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    And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame
    #10905303  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Letzten Freitag im Kino:

    Within Our Gates (Oscar Micheaux, USA 1920) – das dringend nötige Gegenstück zum KKK-Verherrlichungsschund von D.W. Griffiths („Birth of a Nation“) – sehr schöner Film! Das Video oben hat übrigens wie es scheint die Library of Congress selbst eingestellt …

    André Desponds begleitete mal wieder am Flügel und war – wie immer – herausragend!

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    #10905323  | PERMALINK

    stormy-monday
    We Shall Overcome

    Registriert seit: 26.12.2007

    Beiträge: 20,069

    Danke. Muss ich mir anschauen.

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    Well, my telephone rang, it would not stop It's President Biden callin' me up He said, "My friend, Maik, what do we need to make the country grow?" I said, "My friend, Joe, my friend Bob would advice you , Brigitte Bardot, Anita Ekberg, Sophia Loren" Country'll grow
    #10905409  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,069

    stormy-mondayDanke. Muss ich mir anschauen.

    Scheint übrigens der früheste vollständig (fast) erhaltene Film eines afroamerikanischen Regisseurs zu sein … hier noch die passende Lektüre dazu:
    https://daily.jstor.org/how-oscar-micheaux-challenged-the-racism-of-early-hollywood/

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    #10905679  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,069

    Gestern spät im Kino:

    Petit à petit (Jean Rouch, FR/NE, 1971) – ein grosses Vergnügen!

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    #10907123  | PERMALINK

    pfingstluemmel
    Darknet Influencer

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    Sommer in Orange fand ich durchgehend scheiße, der hier ist aber ganz vergnüglich, auch wenn es Max von Thun mit seiner Jack-Sparrow-Kopie etwas übertreibt.

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    Come with uncle and hear all proper! Hear angel trumpets and devil trombones. You are invited.
    #10909577  | PERMALINK

    cleetus

    Registriert seit: 29.06.2006

    Beiträge: 17,293

    motoerwolfDoch, freilich. Beide. Zwei Enttäuschungen letztlich. Rambo scheitert an seinen Ambitionen. Es macht unnötige Fehler (zum Beispiel die Behandlung der Story um Tom, Bevs Mann), außerdem fehlt den erwachsenen Loosern die Chemie der Kids.

    Rambo – Home Alone: Die Gear up-Szene ist nahezu 1 zu 1 von Home Alone abgekupftert, angefangen bei der Käse Makkaroni-Analogie, das Installieren der Fallen (hier massive respect an den Film, ich kenne wenige Actioner, in welchen tatsächlich alle bis zum Anschlag gespannten body traps tatsächlich zum Einsatz kommen), die Flucht auf bzw unter vertrautes Terrain und den coup de grace am Schluss. Die Szenen zwischen Sly und der Oma waren extrem befremdlich und zum Fremdschämen unangenehm, ebenso die komplette Synchronisation. Schade um den Film. (Ich versteh zb nicht, wieso man so einen Film drehen will, in der Optik und mit der Story und dem Setting etc, und ihn dann nicht von Tyler Sheridan oder Dennis Villeneuve filmen lässt, obwohl die Inszenierung relativ unverholen in ebendiese Richtung deutet.)

    Morgen Es Part Deux.

    --

    Don't be fooled by the rocks that I got - I'm still, I'm still Jenny from the block
    #10909751  | PERMALINK

    ford-prefect
    Feeling all right in the noise and the light

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    Tanz der Vampire (1967, Regie: Roman Polanski)

    Schwarzer britischer Humor der alten Schule zwischen Mel Brooks und Monty Python.

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    Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!
    #10909811  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Gestern abend ein double feature im Kino:

    Do the Right Thing (Spike Lee, USA 1989)

    La permission (Melvin Van Peebles, FR 1968)

    Spike Lees Film kannte ich, aber im Kino sah ich ihn noch nie, er wirkt natürlich, quasi als afro-amerikanischer Wiedergänger von „Dog Day Afternoon“, auf der grossen Leinwand noch viel stärker … dass auch tatsächlich eine 35mm-Kopie von 1989 zum Einsatz kam, war auch schön. Van Peebles‘ Langfilm-Debut kannte ich dafür natürlich noch nicht – mit einem Budget 200’000 Dollar in ein paar Wochen in Paris gedreht, nimmt er kontraintuitiven Ansatz, um das Thema Rassismus zu beschreiben: er stellt eine mögliche Normalität dar (die dann doch Risse bekommt, ob aufgrund der Überempfindlichkeit von Turner, der Hauptfigur, oder aufgrund tatsächlichen Rassismus spielt natürlich keine entscheidende Rolle, denn es geht um die Fremd- und Selbstbeschreibung und da hat, so zumindest meine Überzeugung, die Aussensicht sowieso hintanzustehen und manch einer einfach mal besser die Klappe zu halten). Die Story ist an sich konventionell, Turner soll befördert werden und kriegt einen Urlaubs-Pass für drei Tage (eben die „permission“), er fährt nach Paris, vergnügt sich, lernt ein Mädchen kennen, tanzt mit ihr, verliebt sich, den zweiten und dritten Tag verbringen die beiden zusammen am Meer in der Normandie (wo ein Flamenco-Kitschsänger in einer Bar ein Lied für „señora grandes ojos“ und den „gentil negrito“ singen wird, was diesem eben in den falschen Hals kommt) … Turner ist verliebt, wird von weissen Kollegen entdeckt, muss dann zurück, die Beförderung wird gestrichen und das Mädchen ist am Ende auch weg. Es geht in diesem Film aber darum, wie diese Geschichte erzählt wird – mit einer Zartheit und dabei einer Beiläufigkeit, die wohl gerade in den USA damals schon ordentlich schockierend gewesen sein dürfte … und eben: als Normalität. Dabei kommen immer wieder Jump-Cuts, Traumsequenzen, Überblendungen usw. zum Einsatz, was dem eigentlich doch sehr gradlinigen, schnörkellosen Film eine Art märchenhafte Aura verleiht: Turner steht vor dem Spiegel und sein pessimistisches Ich tritt ihm als Spiegelbild gegenüber, während er selbst die optimistische Sicht vertritt … obendrein gibt es schon hier einen super Soundtrack, komponiert von Van Peebles gemeinsam mit dem Gitarristen Mickey Baker (der ab ca. Mitte der Sechziger in Frankreich lebte). Ich lese gerade, dass die im Film so bezaubernde Nicole Berger noch im April 1967 bei einem Autounfall ums Leben kam … in den USA lief der Film, der also wohl im Frühjahr 1967 gedreht wurde, erst mit über einem Jahr Verspätung im Juli 1968 unter dem Titel „The Story of a Three-Day Pass“ an. Sehenswert!

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10912439  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,069

    Gestern Abend im Kino:

    The Learning Tree (Gordon Parks, USA 1969) – sehr gut!

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10912901  | PERMALINK

    ford-prefect
    Feeling all right in the noise and the light

    Registriert seit: 10.07.2002

    Beiträge: 9,666

    Stephen Kings Es (1990, mit Tim Curry)

    Noch ungefähr genauso gruselig wie damals Anfang der 1990er Jahre, auch wenn die Bildästhetik und die Effekte naturgemäß veraltet wirken. Ich mag die wohlig-schaurige Stimmung in dem Film. Verglichen mit dem, was heute so ins Kino und TV kommt, könnte man diesen modernen Klassiker mittlerweile schon fast als phantastischen Abenteuerfilm um eine Freundesclique, die in der unterirdischen Kanalisation auf das polymorphe Böse stößt, im Nachmittagsprogramm senden. Der Schluss will mir nicht ganz gefallen. Jetzt muss ich mich noch an die fragwürdige Neuverfilmung heranwagen.

    zuletzt geändert von ford-prefect

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    Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!
    #10914351  | PERMALINK

    pipe-bowl
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    Cookie Pusher

    Registriert seit: 17.10.2003

    Beiträge: 69,756

    Joker (2019/Todd Phillips) ****

    Ich las in einer Kritik, bevor ich den Film gestern Abend im Kino sah, dass man diesen Film nur lieben oder hassen könne. Falsch. Der Film kann den Zuschauer auch unentschlossen zurücklassen. Natürlich ist er näher an Taxi Driver oder King of Comedy als an einem DC-Film, natürlich ist Gotham City hier tatsächlich mal mehr das reale New York City als eben das Gotham City aus dem DC-Universum. Natürlich gibt Joaquin Phoenix wieder alles und für manchen auch sicher wieder mehr als es braucht. Mancher sagt dann ja, man solle dem Mann endlich den Oscar geben, sonst höre das nie auf. Overacting? Mag sein. Aber der Film ist ja auch dermaßen auf ihn zugeschnitten, dass die zweite Hauptrolle tatsächlich nicht mehr als die erste Nebenrolle ist. Mein Fazit: Ich verstehe viele der Kritiken an dem Film, teile sie aber zumeist nicht. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt, auch und vor allem durch Joaquin Phoenix. Und das hat mit mir und Mr. Phoenix nicht immer geklappt. So war es zuletzt bei „A beautiful day“ over the top, dagegen hat es bei „Don’t worry, he won’t get far on foot“ funktioniert.

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    there's room at the top they are telling you still but first you must learn how to smile as you kill
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