Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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Gestern abend ein double feature im Kino:

Do the Right Thing (Spike Lee, USA 1989)

La permission (Melvin Van Peebles, FR 1968)

Spike Lees Film kannte ich, aber im Kino sah ich ihn noch nie, er wirkt natürlich, quasi als afro-amerikanischer Wiedergänger von „Dog Day Afternoon“, auf der grossen Leinwand noch viel stärker … dass auch tatsächlich eine 35mm-Kopie von 1989 zum Einsatz kam, war auch schön. Van Peebles‘ Langfilm-Debut kannte ich dafür natürlich noch nicht – mit einem Budget 200’000 Dollar in ein paar Wochen in Paris gedreht, nimmt er kontraintuitiven Ansatz, um das Thema Rassismus zu beschreiben: er stellt eine mögliche Normalität dar (die dann doch Risse bekommt, ob aufgrund der Überempfindlichkeit von Turner, der Hauptfigur, oder aufgrund tatsächlichen Rassismus spielt natürlich keine entscheidende Rolle, denn es geht um die Fremd- und Selbstbeschreibung und da hat, so zumindest meine Überzeugung, die Aussensicht sowieso hintanzustehen und manch einer einfach mal besser die Klappe zu halten). Die Story ist an sich konventionell, Turner soll befördert werden und kriegt einen Urlaubs-Pass für drei Tage (eben die „permission“), er fährt nach Paris, vergnügt sich, lernt ein Mädchen kennen, tanzt mit ihr, verliebt sich, den zweiten und dritten Tag verbringen die beiden zusammen am Meer in der Normandie (wo ein Flamenco-Kitschsänger in einer Bar ein Lied für „señora grandes ojos“ und den „gentil negrito“ singen wird, was diesem eben in den falschen Hals kommt) … Turner ist verliebt, wird von weissen Kollegen entdeckt, muss dann zurück, die Beförderung wird gestrichen und das Mädchen ist am Ende auch weg. Es geht in diesem Film aber darum, wie diese Geschichte erzählt wird – mit einer Zartheit und dabei einer Beiläufigkeit, die wohl gerade in den USA damals schon ordentlich schockierend gewesen sein dürfte … und eben: als Normalität. Dabei kommen immer wieder Jump-Cuts, Traumsequenzen, Überblendungen usw. zum Einsatz, was dem eigentlich doch sehr gradlinigen, schnörkellosen Film eine Art märchenhafte Aura verleiht: Turner steht vor dem Spiegel und sein pessimistisches Ich tritt ihm als Spiegelbild gegenüber, während er selbst die optimistische Sicht vertritt … obendrein gibt es schon hier einen super Soundtrack, komponiert von Van Peebles gemeinsam mit dem Gitarristen Mickey Baker (der ab ca. Mitte der Sechziger in Frankreich lebte). Ich lese gerade, dass die im Film so bezaubernde Nicole Berger noch im April 1967 bei einem Autounfall ums Leben kam … in den USA lief der Film, der also wohl im Frühjahr 1967 gedreht wurde, erst mit über einem Jahr Verspätung im Juli 1968 unter dem Titel „The Story of a Three-Day Pass“ an. Sehenswert!

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