2022 & 2023 & 2024 & 2025: jazzgigs, -konzerte, -festivals

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  • #12467523  | PERMALINK

    icculus66

    Registriert seit: 09.01.2007

    Beiträge: 2,378

    Die fett markierte Stelle lässt mich an Roots Reggae denken,
    und was dann andere Akteure (insbes. außerhalb von Jamaica) daraus
    gemacht haben.

    Bowdlerization wird oft benutzt anstelle von Expurgation.
    Erläuterung: https://en.wikipedia.org/wiki/Expurgation
    Also war die „Schere“ von friedrich schon mal gar nicht
    so schlecht gedacht.

    --

    Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)
    Highlights von Rolling-Stone.de
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    #12467535  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    sowohl in dem Semmes paper als auch im Lewis Buch selber schreiben Leute, die sich auskennen, über spannende Themen… ich muss nur zugeben, dass ich bei dieser „wissenschaftlichen“ Sprache immer schnell keine Lust mehr hab… aber ja: ist hier off-topic

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    #12467805  | PERMALINK

    travis-bickle

    Registriert seit: 30.06.2007

    Beiträge: 7,562

    Falls jemand spontan morgen zu Kamasi Washington in Zürich möchte, ich habe noch ein Ticket übrig und würde es verschenken. Da ich hier nur unregelmässig bin, bitte per whatsapp melden.

    zuletzt geändert von travis-bickle

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    When shit hit the fan, is you still a fan?
    #12467969  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,342

    Kann leider nicht morgen @travis-bickle – Oper um 13 und Kino um 18 Uhr… sonst wär ich unbedingt für ein Wiedersehen zu haben.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12477439  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    Nik Bärtsch’s Ronin / 17.04.2025 / A-Trane / Berlin

    Nik Bärtsch, p; Sha, b-cl + a-sax; Jeremias Keller, b; Kaspar Rast, dr.

    Ich hatte verpennt, Tickets für das Konzert um 20 h reservieren zu lassen. Leider war dann schon einige Wochen vorher ausverkauft. Wegen der großen Nachfrage kam dann glücklicherweise ein Zusatzkonzert um 17:30 h zustande. Also direkt von der Arbeit aus dem Gewerbegebiet in das feine Berlin-Charlottenburg, wo sich das A-Trane zwischen Boutiquen, Kunstgalerien und Edelrestaurants befindet. Etwas eigenartig, bei Tageslicht in einen Jazzclub zu gehen. Im Publikum geschätzt 70 Zuhörer, der Club also etwa 2/3 voll.

    Nik Bärtsch nennt seine Kompositionen „Module“ und nummeriert sie durch. Ich weiß nicht, was durch diese Module definiert ist, ob es nur ein paar Takte lange rhythmische Patterns und melodische Kürzel sind, die improvisierend variiert und entwickelt werden können oder ob die Entwicklung schon vorgegeben wird. Ich vermute ersteres.

    Jedenfalls stehen die vier Musiker ohne Noten auf der Bühne, werfen sich schmunzelnd Blicke zu, wenn sich im Spiel eine besonders schöne Situation ergibt und wie man es auch auf Ronins Studioalben hören kann, ruft Nik Bärtsch manchmal laut „Ho!“ in die Runde und ein paar Takte später nimmt die Musik einen anderen Verlauf oder sogar eine komplette Wendung. Und die ganze Spannung und Erleichterung der Musik zeigt sich im Gesichtsausdruck von Nik Bärtsch, der hoch angespannt und konzentriert schaut, zwischendurch aufgeregt in die Saiten (!) des Flügels greift und dann, wenn die Kurve oder die Bergkuppe genommen ist, erleichtert und strahlend lächelt.

    Bärtsch am Piano und der großartige drummer Kaspar Rast bauen ein dynamisches und funky Gerüst, Bassist Jeremias Keller verdichtet dieses Gewebe und Bassklarinettist und Alt-Saxofonist Sha fügt Klangfarben hinzu und setzt Spitzen – aber das alles ohne ausgeprägte Soli. Einmal spielt Sha minutenlang mantra-artig mit leichten Variationen immer nur die gleichen 3-4 Töne, nur etwas begleitet von den drums, dann verdichten Bass und Piano dieses Gewebe und steigern langsam die Intensität bis man ganz berauscht ist – und es dann zu einer aufregenden Wendung kommt und sich alles auflöst. Spannung durch die Variation des Immergleichen.

    Nach einer Stunde kurze Pause, begeisterter Applaus, die Band kommt wieder auf die Bühne, eine halbe Stunde Nachschlag. Ich habe während des Konzerts dauernd auf der Lehne des vor mir stehenden freien Hockers mit-getrommelt. Am liebsten hätte ich mich danach auf dem Klo versteckt und dann auch noch das zweite Set am Abend gehört.

    Nik Bärtsch, der auf Fotos immer so spröde und asketisch aussieht, erweist sich übrigens als charmanter und humorvoller Mensch, der gerne mit dem Publikum kommuniziert. Ich kaufe ihm am Ausgang die aktuelle CD SPIN ab, die er mir mit persönlicher Widmung signiert. Toller Nachmittag!

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #12477781  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,342

    Chico Freeman’s Exotica – Moods, Zurich – 18.03.2025

    Chico Freeman – tenor & soprano sax, bass clarinet
    Heiri Känzig – double bass & acoustic bass guitar
    Reto Weber – percussion

    Nachdem ich am Montag endlich mal wieder ein paar Zeilen zu den Klassik-Konzerten der letzten Wochen geschrieben habe, ist das noch eine Pendenz. Ich hatte dazu schon mal ein paar Gedanken formuliert, aber das blieb dann leider liegen. Der schöne Bericht von @friedrich über Bärtsch erinnerte mich daran (dass ich den im Lauf des Frühlings mal hören gehen wollte, hat bisher nicht geklappt, aber Montag 21 Uhr – sein fast wöchentlicher Slot in Zürich – ist für einen Frühaufsteher halt wirklich die blödest mögliche Zeit).

    Nicht nur im Rückblick ist der Eindruck vom Konzert eher lauwarm als heiss. Dass die drei sehr viel Spass hatten auf der Bühne, kam zwar deutlich rüber, aber ich hätte mir halt doch einen druckvoll agierenden Drummer gewünscht, nicht den verspielten Percussionisten, der mit seinem breiten Instrumentarium am Ende doch recht monotone Beats beisteuerte (quasi ein Sound pro Stück, aber in fast jedem Stück einen anderen). Die Grooves waren teils echt gut, es gab auch mal ein Duo von Freeman mit Weber oder einen Blues im Duo mit dem Bass – und das Zusammenspiel von Freeman und Känzig war sowieso superb. Die zwei spielen ja schon länger zusammen – es gibt eine Intakt-CD von 2014 und ich habe die zwei auch schon in einem Konzert gehört, bei dem auch Thierry Lang mitwirkte (Känzig gewann da einen Preis, spielte mit beiden im Duo und dann auch im Trio – auch da fehlte der Drummer, der Druck macht, aber das störte mich damals – 4. Dezember 2016, leider habe ich nichts dazu notiert oder gar hier gepostet – viel weniger).

    Freemans Ton vor allem am Tenorsax ist immer noch toll. Auch am Sopran und der Bassklarinette fand ich ihn toll. Allerdings setzte sich wie erwähnt der Eindruck etwas fest, dass er mit einer klassischen Rhythmusgruppe (am besten wohl inklusive Klavier, nicht nur Bass/Drums) am besten aufgehoben ist. Aber so direkt vor ihm zu sitzen und seinen Sound aufzusaugen war schon sehr toll.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12477785  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,716

    danke. die drei waren kürzlich auch in berlin, ich bin dann doch nicht hingegangen, obwohl ich eigentlich zeit hatte. mein bauchgefühl sagte mir: eher nichts für mich.

    habe in diesem jahr erst zwei jazzkonzerte erlebt (kris davis und marquis hill), das ist ein bisschen wenig.

    --

    #12477791  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,342

    vorgarten
    danke. die drei waren kürzlich auch in berlin, ich bin dann doch nicht hingegangen, obwohl ich eigentlich zeit hatte. mein bauchgefühl sagte mir: eher nichts für mich.

    Ja, ich hatte das auch gedacht … aber wollte Freeman dann halt doch wieder hören gehen. Und beim ersten Mal mit Känzig (und dann im Trio mit Lang) war’s auch wirklich gut.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12478149  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    gypsy-tail-wind
    (…) Der schöne Bericht von friedrich über Bärtsch erinnerte mich daran (dass ich den im Lauf des Frühlings mal hören gehen wollte, hat bisher nicht geklappt, aber Montag 21 Uhr – sein fast wöchentlicher Slot in Zürich – ist für einen Frühaufsteher halt wirklich die blödest mögliche Zeit).(…)

    Vielen Dank, @gypsy-tail-wind!

    Für Dich als Frühaufsteher wäre der 17:30 h-Gig wohl genau das richtige gewesen. Ich bin bei Tageslicht in den Club rein und bin auch bei Tageslicht wieder raus. ;-) Der Auftritt von Ronin war wirklich toll und auch das aktuelle Album SPIN ist super! Schreibe ich später an anderer Stelle noch was dazu.

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #12480427  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Kyle Eastwood Quintet / Anouar Brahem Quartet – Basel, Stadtcasino – 27.04.2025

    Kyle Eastwood Quintet – „Eastwood Symphonic“
    Quentin Collins (t, flh), Brandon Allen (ts, ss), Andrew McCormack (p), Kyle Eastwood (b, elb), Chris Higginbottom (d)

    Anouar Brahem Quartet feat. Dave Holland
    Anouar Brahem (oud), Dave Holland (b), Django Bates (p), Anja Lechner (vc)

    Festivaleröffnung heisst immer auch ein paar Ansprachen. Jubiläum – 35 Jahre Festival, 50 Jahre Konzertserie – erst recht. Vor Eastwood sprach kurz der Veranstalter, der seit Anfang dabei ist (und heuer einen Musiker von der ersten Ausgabe wieder präsentiert, Daniel Humair, während Dave Holland mit Gateway 1977 erstmals dort war) und ein Vertreter der Regierung von Basel Stadt, die Vertreterin von Basel Landschaft (das sind zwei Halbkantone, kann man googeln bei Interesse, jedenfalls haben sie ihre Jazz- und Pop-Kredite zusammengelegt) wurde für ihre Rede voller Plattheiten, für die sie es nicht nötig befunden hatte, die Aussprache von ein paar Namen und Fremdwörtern wie „Oud“ vorgängig zu klären, vom Publikum durch unvermittelt verfrühten Applaus fast zum Abbruch gezwungen, aber sie stand es tapfer durch.

    Auch für mich gab’s eine Irritation: Nach der Pause sass plötzlich wer auf meinem Platz – und hatte tatsächlich auch eine Karte, die auf diesen Platz ausgestellt war … ich konnte zum Glück in der ersten Reihe des seitlichen Balkons einfach etwas weiter nach hinten rutschen, da das Konzert nicht ausverkauft war – aber einerseits dass sowas überhaupt passieren kann bei professionellen Ticketing-Firmen und andererseits die Kaltschnäuzigkeit der Leute auf meinem Platz warfen mich schon für 10 oder 15 Minuten aus dem Konzept, bis Brahems wunderbare Musik mich dann wieder reinholte. Ich hab mich jetzt mal noch beschwert, aber das wird ja nichts nützen, ob ich einen allfälligen Gutschein (das wäre zumindest die „grosszügige“ Geste, die ich erwarten würde) je einlösen könnte oder möchte, steht nach diesem ersten Besuch beim Festival erstmal in den Sternen. Fotos hab ich dann auch keine mehr gemacht, weil ich mich einfach auf die Musik fokussieren wollte.

    Aber gut, zur Musik. Auch die begann mit etwas Irritation bzw. der Bestätigung, dass Schuhschachtel-Konzertsäle einfach nicht für verstärkte Jazzbands mit Drums geeignet sind. Das Quintett von Kyle Eastwood begann sein Set nach einem kurzen Film-Einspieler, der Clint und Kyle im Dialog zeigte, mit „Cool Blues“ von Charlie Parker. Das ganze Set bestand aus Stücken, die für Eastwood-Filme geschrieben oder in Eastwood-Filmen verwendet wurden. Lalo Schifrin, John Williams, Ennio Morricone … und Kyle Eastwood, dessen Thema zu „Gran Torino“ (mit Jamie Cullum zusammen komponiert) das stärkste letzte Drittel des Sets einleitete. Als Zugabe gab es am das Thema aus „The Good, the Bad and the Ugly“, sehr effektiv für die zwei Bläser arrangiert – das spukte mir dann in der ganzen Pause im Kopf herum. Der Sound wurde nach den ersten zwei Stücken etwas besser, aber die Drums und die Trompete (und das Flügelhorn, mit demselben Ansteckmikro verstärkt) waren viel zu laut, das Horn viel zu hallig, der Bass hatte keine Kontur, das Klavier klang im ganzen Mix einfach nur nach hohem Brei (wenig Mitten, weniger Tiefen) … und die Drums deckten viel zu viel zu. Das Sax – und für sich genommen auch Trompete/Flügelhorn – klangen schön, aber das war’s klanglich auch schon. Ansonsten war das klassischer aktueller Mainstream-Jazz, mit teils etwas stärker durchgetakteten Stücken als üblich, aber kompetenten Soli vor allem von den Bläsern, einer recht tighten Rhythmusgruppe … und irgendwann mittendrin dann auch mal einem langen unbegleiteten Kontrabass-Intro, in dem Eastwood seine Skills auch mal beweisen konnte. Das ganze kam locker daher, die Jungs wissen, was sie können (und was nicht) und wissen, wie sie wirken … wo wir es drüben im Hörfaden neulich vom Konzept der badness hatten: keine Spur davon. Und da ging mir beim Hören ein weiterer für die Diskussion zentraler Gedanke durch den Kopf, weil das Eastwood Quintet mit seinen Film-Themen durchaus auch eine Fortschreibung klassischer West Coast Jazz-Combos von Shelly Manne bis zum Quartet West ist: in Kalifornien gibt es badness allenfalls an den Rändern, bei der verschupften Central Avenue Leuten (Teddy Edwards! Carl Perkins!) – aber bestimmt nicht in der vornehmlich weissen Szene der Fünfzigerjahre (und eben auch nicht im Quartet West, Haden ist ja eh der Inbegriff von good, und er mochte wohl auch keine Posen, und so eine ist badness ja schon auch, auch wenn man das nicht zu kurz fassen und zu vereinfacht sehen sollte).

    Nach der Pause dann der Grund, weshalb ich überhaupt nach Basel fahren wollte: Anouar Brahem mit Dave Holland, der als erstes und mit riesigem Applaus auf die Bühne gerufen wurde (er sei glücklicherweise aus dem Krankenhaus wieder herausgekommen, meinte der Veranstalter, auf mich wirkte Holland ähnlich wie vor einem Jahr, als ich sein Trio in Stans hörte, ihn dort zum ersten Mal live sah), mit dem Londoner Pianisten Django Bates und der bayrischen Cellistin Anja Lechner. Links sass Bates am Flügel, rechts Lechner am Cello, neben dem Flügel Holland und zwischen ihm und Lechner, wie üblich zwischen zwei kleinen Lautsprechern auf Kopfhöhe (wozu dienen die? nicht als Monitor-Ersatz jedenfalls) Brahem auf einem kleinen Podest (wie es bei klassischen Konzerten gern Cellist*innen kriegen, aber Lechner hatte keins). Der Sound war nun wie erhofft gut: das Klavier klang sehr gut, der Bass immerhin etwas definierter (Holland spielte dasselbe Reiseinstrument mit kürzerem Unterteil, wie es oben auf dem Foto zu sehen ist … Stephan Crump sah ich auch schon mit so einem Instrument), die Oud und das Cello klangen wunderbar. Sehr viele Saiten in dieser Band – und auch keine 88 gestimmten Trommeln. Bates erwies sich immer wieder als zarter Feingeist, entlockte dem Instrument besonders in der hohen Lage eigenwillige, stets enorm schöne Töne. Die Hauptachse lief zwischen Bass und Oud – ein gemeinsames Atmen auch da, wo die Time gedehnt und wieder komprimiert wurde, ein Verständnis, das jede Freiheit zuliess – mitten im über 90 Minuten langen Set – die Band spielte zwei lange Zugaben – war ein Duo von Brahem und Holland einer der Höhepunkte des Abends. Eine weitere Achse verlief zwischen Brahem und Bates, und der Pianist erwies sich als so etwas wie das Gravitationszentrum der Gruppe, der Kitt zwischen den anderen, der aber in ständiger Bewegung war, sich immer wieder neu formierte. Bates und Brahem gaben manchmal kleine Einsätze für Lechner, die ihre Parts von Noten spielte, und die manchmal im sehr viel freier als auf CD wirkenden Rahmen ein wenig verloren schien. Aber das waren nur kurze Momente, sie fand immer wieder souverän rein und steuerte – wie auf der CD – viele wesentliche Elemente zum Gelingen des Ganzen bei: ein singender, manchmal fast sägender oder schneidender Ton am Cello (romantisch oder süss finde ich bei ihr gar nichts, ich weiss nicht mehr, wie das im Hörfaden formuliert wurde, von @redbeansandrice glaub ich?). Was ich auch reizvoll fand ist, wie immer wieder Fliehkräfte auftauchten: wenn Brahem aus dem Beat in ein sehr freies Rubato fiel, Holland sofort mit ihm ging, während Lechner ihre Parts  mit festem Metrum fortsetzte – und Bates dazwischen war, dafür sorgte, dass alles passte. So entstand immer wieder wesentlich mehr Reibung, die dann eben auch die Passagen hervorstechen liess, in denen die vier als ein Wesen atmeten und walteten. Am Ende war das wirklich grossartige, sehr lyrische, oft stille, aber auch ziemlich virtuose Musik, in der ausser vom Leader wenig Einzelleistungen zu vermelden sind sondern ein echtes Miteinander entsteht – vielleicht ist das wirklich die Musik für nach dem letzten Himmel? „Where should we go after the last frontiers? / Where should the birds fly after the last sky? / Where should the plants sleep after the last breath of air?“ – das Gedicht von Mahmoud Darwisch, das Brahem zwischen zwei Stücken rezitierte, war wohl neben einer Setlist das einzige, was bei ihm auf dem Notenpult lag. Bei Holland waren da wohl auch Noten drauf, Bates hatte nur ein paar Blätter am Boden, auf die er zwischen den Stücken rasch guckte. Ich kann die Musik nicht besser in Worte fassen, als ich es in meinem Post zum neuen Album drüben schon versucht habe – jedenfalls war es unfassbar gut und auch unglaublich schön, was die vier gemeinsam dargeboten haben.

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    #12480437  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    Bob Graettinger nicht bad? sehr schöner Text!

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    #12480441  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    redbeansandrice
    Bob Graettinger nicht bad?

    Hm, es gibt sicher da und dort halbe Ausnahmen … vielleicht auf seine eigene Art Brew Moore? Aber z.B. wirklich keine Shelly Manne Band jemals (auch wenn Edwards oder Strozier … aber mit Candoli daneben? No way!). Pepper vielleicht um 1960 („Intensity“) – aber auch da nicht immer (nicht mal mit Wynton Kelly hätte ich jetzt gesagt, und mit den Eleven natürlich gar nicht). Aber gut, das wäre eine Diskussion für andere Threads :-)

    Und was ich im Text oben völlig herauszustreichen vergass: die Grooves … vollkommen entspannt auch in den irrsten Metren, die ich zwar schnell erfasst hatte, aber nicht hätte auszählen können (es gab z.B. ein Stück mit sowas wie 5/4 und dann zweimal Viertriolen, was 9 ergäbe, aber halt 5 Schläge im einen Tempo und dann 6 Schläge in etwas schnellerem Tempo)

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    #12480447  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    Dupree Bolton war bad, Elmo Hope Trio auf Hifi Jazz auch, Earl Anderza, Hadley Caliman auf Mainstream, Jack Wilson im richtigen Moment, Roy Ayers sicher.. Aber dieses kleine Konvolut an Musik fällt auch deshalb so auf, weil der Rest halt eben überhaupt nicht bad ist.

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    #12480449  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    redbeansandriceDupree Bolton war bad, Elmo Hope Trio auf Hifi Jazz auch, Earl Anderza, Hadley Caliman auf Mainstream, Jack Wilson im richtigen Moment, Roy Ayers sicher.. Aber dieses kleine Konvolut an Musik fällt auch deshalb so auf, weil der Rest halt eben überhaupt nicht bad ist.

    Ja, das sind die Leute, die ich mit Central Avenue wenig präzise meinte (und eben auch Teddy Edwards … Tapscotts Anfänge). Die Linie geht da nach Hautfarbe bzw. der dadurch geprägten Zugehörigkeit, ist an der Ostküste ja auch nicht unähnlich, aber dort waren die weissen halt viel weniger dominant (und vielleicht war Phil Woods, etwas später, mit – hahaha, Treppenwitz – der European Rhythm Machine manchmal sogar bad).

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    lotterlotta
    Schaffnerlos

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    nach deiner beschreibung bin ich nun um so mehr gespannt, glaube aber, dass man ein konzert von anouar nicht wirklich mit wörtern beschreiben kann, objektiv schon mal gar nicht! das was da über einen kommt trifft einen emotional so sehr, dass es rational nicht mal mehr ansatzweise zu erfassen ist, ein film, der in einem selbst abläuft, der einen gefangen nimmt, in dem man mitschwebt oder man bleibt völlig außen vor und man glaubt langweilig immer das gleiche zu hören….ich nehme am nächsten wochenende eine bekannte  mit, die mit jazz bzw. dieser art von musik bisher nichts anfangen kann. bin gespannt wie sie das wahrnimmt….

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    Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!  
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