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AutorBeiträge
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Originally posted by wowee zowee@12 Dec 2004, 12:31
Der erste Akt, „Part I“, spiegelt einen Optimismus wieder, wie er sonst nicht mehr auf diesem Album zu finden ist.
Hier möchte ich widersprechen. „Part VI“ lässt doch erst endgültig – wie ich eigentlich schon schrieb – nichts Böses mehr zu. „Part VI“ ist der reine Glaube (und so glaubwürdig jede Sekunde, dass es mir nie wie dagobert gehen könnte!), wohingegen „Part I“ gewissermaßen unrein ist, immer wieder etwas unentschlossen erscheint (keineswegs im negativen Sinne – insofern konnte ja doch noch was gekommen und „Part I“ war doch noch nicht gleich ein unverrückbarer Schlusspunkt am Anfang), da unterborchen wird von ruhigeren, melancholischeren Momenten.
Ansonsten sehr schön wowee!
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WerbungEin Abgesang
Brücken wollten wir bauen. Das war u.a. unser Konzept für den Thread. Nicht einfach von einem Künstler zum nächsten hüpfen, sondern wenigstens irgendeine Verbindung sollte bestehen. Von mir selbst kam der Vorschlag, die gigantische Performance von Mahalia Jackson zu benutzen um eine Brücke zu manch anderer berühmten weiblichen Stimme des Jazz´ zu bauen. Doch dieses morsche Stück Holz, das wir hier errichtet haben, führt uns von der Himmlichkeit Jacksons nirgendwo anders hin als in tiefste Abgründe.
Was erzählt er denn? Legen wir doch mal das Album auf, um das es jetzt geht. Es ertönt die Stimme einer alten Frau. Weise, auch ein bisschen frech – altdamenfrech – klingt die Stimme. Mein Blick fällt auf das Cover von „Lady in Satin“. Zur Vergewisserung anschließend auf die Fotos im Cover. Sie sieht darauf besser aus als auf Bildern, die ich von ihr kenne, auf denen sie jünger ist. Aber diese Stimme! Die Frau auf den Bildern war damals gerade 42 Jahre alt, also keine alte Frau. Aber diese Stimme!
Ich weiß nicht viel von der Person Billie Holiday. Wenn auch in den Linernotes von Ray Ellis aus dem Jahre 1997 steht, dass sie während der Aufnahmen zu „Lady in Satin“ „straight“ gehalten wurde, wäre es ein Leichtes in diese Stimme die bekannten Drogenprobleme Holidays hineinzuinterpretieren. Selbstverständlich weiß ich, dass das der Gesang von Billie Holiday ist, den man da hört, womit er längst nicht mehr weise und „auch ein bisschen frech“ klingt. Nicht einmal gut (vielleicht noch interessant, ja). Vielmehr klingt diese Stimme kaputt und vom Leben gezeichnet. Sie schmerzt unheimlich. Und wie sie bewegt! Ich hörte mal, dass Frank Sinatra angeblich Billie Holiday auf ihrem Sterbebett einen letzten Schuss setzen musste, aber all sowas muss man nicht wissen um zu verstehen. Alle Tragik steckt in dieser Stimme.
Welch einen Kontrast dazu bilden jedoch die Arrangements von Ray Ellis. Der Klang seines Orchesters ist schwebend, zart und weich, engelsgleich, er ist das Gegenteil von kaputt. In Satin umhüllt das Orchester seine Lady Day. Während Billie Holiday am Singen ist, hebt dieser Klang sie sanft dem Himmel entgegen. Das klingt pathetisch, aber ohne dass es wohl jemand während den Aufnahmen wusste (wobei Holidays Blick auf dem Cover scheinbar eine traurige Todesgewissheit in sich trägt – oder wohin geht dieser Blick?), wird Billie Holidays persönliches Lieblings-Lady-Day-Album, wird „Lady in Satin“ zum Abgesang der Lady Day. Die Stücke auf dem Album sind durchgehend alle sehr gut. Am meisten bewegt „You´ve Changed“ und „But Beautiful“. Viel mehr habe ich diesmal eigentlich nicht zu sagen. Ich finde, eine Aussage von Ray Ellis trifft die Sache ganz gut:
„After we finished the album, I went into the control room and listened to all the takes. I must admit I was unhappy with her performance, but I was just listening musically instead of emotionally. It wasn´t until I heard the final mix a few weeks later that I realized how great her performance really was.“
Etwa siebzehn Monate nach den Aufnahmen zu „Lady in Satin“ stirbt Billie Holiday wie so viele andere Jazzer viel zu früh.--
Ich habe mit meiner Gewohnheit gebrochen und Deinen Text gelesen, Nihil (die Gewohnheit mich nicht beeinflussen zu lassen :)). Wirklich sehr schön! Ich kann Deine Eindrücke absolut nachvollziehen und bestätigen. Selbst das Cover wirkt schon zu morbide, surreal – sie sieht gezeichnet aus, oder eben kaputt. Nur der Satin läßt alles im unechten, oberflächlichen Glanz erscheinen.
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Originally posted by wowee zowee@21 Dec 2004, 21:00
Selbst das Cover ist schon zu morbide, wirkt surreal – sie sieht gezeichnet aus, oder eben kaputt.Ja, stimmt schon, aber im Booklet sieht sie, wie ich finde, so gut aus, wie ich es vorher nicht gesehen habe (nicht mal unbedingt wie eine Frau über 40). Wenn auch nicht so entscheidend: einer dieser Kontraste.
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Originally posted by DR.Nihil@21 Dec 2004, 21:04
Ja, stimmt schon, aber im Booklet sieht sie, wie ich finde, so gut aus, wie ich es vorher nicht gesehen habe (nicht mal unbedingt wie eine Frau über 40). Wenn auch nicht so entscheidend: einer dieser Kontraste.Stimmt. (Naturgegebene Schönheit). Ich meinte vor allem den Blick auf dem Front-Cover – sehr, sehr unsicher.
Eine kurze Anmerkung: Ich merke, dass mich das Lesen des Textes nicht wirklich beeinflusst, sondern eher anspornt. Werde ich in Zukunft immer so halten.
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Originally posted by wowee zowee@21 Dec 2004, 21:08
(Naturgegebene Schönheit).Soweit würde ich dann doch auch nicht gehen, fand ich Lady Day ansonsten ja immer nie wirklich hübsch. Aber wir wollen mal nicht zu oberflächlich werden.
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Originally posted by DR.Nihil@21 Dec 2004, 21:13
Aber wir wollen mal nicht zu oberflächlich werden.Keine Sorge, dass wird nicht passieren. ich find sie trotzdem hübsch
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Originally posted by DR.Nihil@21 Dec 2004, 20:46
Ich hörte mal, dass Frank Sinatra angeblich Billie Holiday auf ihrem Sterbebett einen letzten Schuss setzen musste[…]Und ich las, dass sie auf demselben wegen Drogenbesitzes verhaftet wurde…
Schöner Bericht, Doc Nihil! Das deckt sich auch in etwas mit meinen Empfindungen.
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You can't fool the flat man!schöner text. ich mag das album ja nicht so gerne. finde es einfach zu kaputt. ihre frühen aufnahmen sind da strahlender, wenn auch nicht minder schmerzhaft.
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Do you believe in Rock n Roll?Originally posted by captain kidd@22 Dec 2004, 14:09
schöner text. ich mag das album ja nicht so gerne. finde es einfach zu kaputt. ihre frühen aufnahmen sind da strahlender, wenn auch nicht minder schmerzhaft.Das Album an sich ist ja nicht kaputt. Lady Day selbst scheint es zu sein, aber das Orchester bildet dazu so einen krassen Kontrast. Ich denke, es ist genau dieser Gegensatz, der so schmerzt. Erhaben und gleichzeitig kaputt (genau das ist es auch, was das Cover zeigt, wie mir gerade auffällt).
Ich habe ja vor mir nach diesem Einstieg auf jeden Fall mehr von ihr zu kaufen (besonders „Billie Holiday Sings“ interessiert mich). Womöglich, wenn das geschehen ist, fällt „Lady in Satin“ etwas bei mir. Aber das Album hat mich vorerst wirklich sehr bewegt. Kann es aber sicherlich nicht oft hören.
Was anderes: Ray Ellis? Hat der Mann ansonsten noch etwas Erwähnenswertes gemacht?
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siehe Bezugsquellen Thread. Thema: Amazon.
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Do you believe in Rock n Roll?hallo.
„lady in satin“ ist ein schwieriges thema. um es wirklich konkret und ausführlich besprechen zu können, müsste ich viel zeit und mühe aufwenden. dazu wird es in der nächsten zeit nicht kommen.
ich habe es gestern noch einmal versucht. nicht wirklich konsequent, gebe ich zu, aber immerhin.
ich bin beeindruckt von ihrer tragischen lebensgeschichte. als ich darüber las und gleichzeitig ihre schon fast gebrochene stimme des albums hörte, ging es mir sehr nahe. man kann nur vermutungen anstellen, ob das der grund dafür ist, dass sie so viel gefühl und wärme in ihrer stimme besass.musikalisch jedoch, ist das album weit davon entfernt, mich anzusprechen. selbst, wenn ich ihrer stimme etwas sympathisches abgewinnen kann (wäre es zu weit zu sagen, es weckt den beschützerinstinkt?), das zeitlupenartige spiel des orchesters geht mir auf die nerven. daran kann billie auch nichts mehr ändern.
es klingt zu durchgeplant und ohne überraschungen, dass ich nicht umhin komme zu sagen, es langweilt mich. diese musik ist ganz einfach nichts für mich. siehe „black, brown & beige“.
es fällt mir schwer, genau zu beschreiben, was mir nicht gefällt. das sehe ich ein. um es tun zu können, müsste ich evtl mehr solcher alben hören. höhö. ob das allerdings ein ziel ist, das ich verfolgen werde, wage ich zu bezweifeln.--
Ich sag einfach mal, dass ich deine Hauptkritikpunkte nachvollziehen kann, wobei offensichtlich mal wieder das, was dir nicht gefällt, mich gerade reizt (hatten wir ja in der Art schon mal). Es ist halt gerade auch dieser Kontrast, den ich mag: das Orchester „durchgeplant“, Billie hingegen hat kaum noch Kontrolle über ihre Stimme.
Was ich allerdings nicht verstehe, ist, was du mit „diese Musik“ meinst und im Zusammenhang damit wieder „Black, Brown & Beige“ erwähnst. Außer, dass auf sowohl „Lady in Satin“ wie auch auf dem besagten Ellington-Album eine der Gesang einer Frau zu hören ist, finde ich keine Gemeinsamkeiten – gut, habe auch nicht unbedingt danach gesucht -, zumindest keine, die mich die beiden Alben unter „diese Musik“ zusammentun lassen würden. Bei dir, dagobert, klingt es so, als ob du etwas, dass du an „Lady…“ nicht magst auch an „Black…“ nicht mögen würdest. Oder hab ich dich jetzt falsch verstanden?
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Leute, mir schwirren so viele Gedanken zu „Lady in Satin“ durch den Kopf, stichwortartig ist auch schon alles notiert. Hoffe, dass ich am Wochenende die Zeit finde, meine Empfindungen für das Album in einen einigermaßen geordneten Text zu verpacken.
Sorry for being late! :(--
You can't fool the flat man!DR.NihilWas ich allerdings nicht verstehe, ist, was du mit „diese Musik“ meinst und im Zusammenhang damit wieder „Black, Brown & Beige“ erwähnst. Außer, dass auf sowohl „Lady in Satin“ wie auch auf dem besagten Ellington-Album eine der Gesang einer Frau zu hören ist, finde ich keine Gemeinsamkeiten – gut, habe auch nicht unbedingt danach gesucht -, zumindest keine, die mich die beiden Alben unter „diese Musik“ zusammentun lassen würden.
hast recht.
ich wollte die beantwortung deiner frage nicht überstürzen. begünstingt durch den umstand, dass meine laune im moment wirklich zu wünschen übrig lässt, nutze ich diesen augenblick und höre mir noch einmal ellingtons „BBB“ an. und ich muss feststellen, dass sie mir plötzlich nicht mehr so weit entfernt, so fremd klingt. urplötzlich nähere ich mich ihr ein stückweit.
etwas anderes wird mir gerade auch klar. die gemeinsamkeiten, oder anders gesagt, die parallelen (= „diese musik“) zwischen „lady in satin“ und „BBB“ lassen sich weniger auf musikalischer ebene beschreiben. es ist die stimmung, die von beiden alben vermittelt wird, die zeitlupeähnlichen momente (diese besonders!), die mich zumeist abschrecken. durchstrukturierte momente, die keinen raum für sprühende ideen oder improvisationen lassen, deren struktur sofort ersichtlich ist. diese musik eben.vielleicht ist es auch schlicht ein mangel an konzentration, der mich diese sachen nicht ergründen lässt. ich weiss es nicht und möchte es an dieser stelle sicher nicht versuchen zu erläutern. nur so viel: musik ist definitiv ein thema, das tiefer in die menschliche psyche greift, als ich es bisher geahnt hatte. das wird mir im rahmen dieses threads immer klarer.
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Schlagwörter: Jazz
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