Sun Ra

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  • #10043685  | PERMALINK

    vorgarten

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    tour of new york state colleges, mai 1966

    [nachdem ich heute den ganzen tag mal wieder sun ra gehört und einige blogeinträge hier repariert habe, mache ich hier mal ein bisschen weiter.]

    wir sind bereits im jahr 1966 und damit schon in der schlussphase des new-yorker arkestras (der umzug nach philadelphia erfolgt im herbst 1968). und plötzlich, im märz, stellt sich eine kleine stabilität ein: der underground-club „slug’s saloon“, die 3rd street von ras „sun palace“ ein paar blocks weiter östlich runter, reserviert dem arkestra den montag abend, an dem ansonsten die jazzclubs geschlossen haben. daraus wird ein regelmäßiger gig, der auch von philadelphia aus noch oft wahrgenommen wird, bis der laden 1972 schließt (bald nachdem lee morgen dort erschossen wurde). dazu später.

    eine andere gelegenheit zur selbstinszenierung ergibt sich im mai. stollmans ESP-label erhält einen kleinen zuschuss des new york state council of the art für eine tour seiner new-thing-„stars“ durch 5 colleges im bundesstaat new york. stollman bringt ran blake, burton greene, patty waters, giuseppi logan und das arkestra auf den weg und nimmt alle auf: COLLEGE TOUR von patty waters ist ein interessantes produkt der tour (sie wird von greene, blake, logan und anderen – dave burrell, scoby stroman – begleitet), greenes trio-aufnahme ON TOUR ein weiteres; vom arkestra wird 1969 ein album namens NOTHING IS… veröffentlicht, mit insgesamt 7 stücken und einem tollen cover, auf dem ein porträt von ra von einer flamme überblendet wird. 39 minuten musik von einem auftritt in der st. lawrence university, potsdam am 18. mai. archivar michael d. anderson hat sich die rechte an den bändern gesichert und 2010 COLLEGE TOUR VOL 1 – THE COMPLETE NOTHING IS… herausgebracht, als doppel-cd mit 90 minuten bonusmaterial – das komplette erste set, dazu teile des zweiten und des soundchecks. (jetzt bloß nicht nach vol. 2 fragen, ist natürlich nie erschienen.)

    „sun ra and his band from outer space will entertain you now“, wird als space chant angestimmt, gleich nach der vorstellung durch burton greene und einem cluster-solo von sun ra. die band aus dem weltraum besteht aus ra, ali hassan und teddy nance (tb), marshall allen (as, fl, picc, ob), john gilmore (ts, perc), pat patrick (bs, fl, perc), robert cummings (bcl, perc), james jacson (fl, log drums), ronnie boykins (b, tuba!), clifford jarvis und roger blank oder jimmy johnson (dm), außerdem ist carl nimrod dabei und spielt gong und das „sun horn“.

    das programm beginnt eigenartig verhalten, mit freien einzelauftritten der bandmitglieder. aber spätestens ab der unter 2 minuten dauernden „sattelites are spinning“-nummer geht es ab. altes zeug aus dem chicago-repertoire ist zu hören, „velvet“, „space aura“ und „advice to medics“ (auf der original-lp weggelassen), neben jüngeren sachen, abstraktionen, sketche, melodien, kollektivimprovisationen, offensichtlich von ra durch zurufe angesteuert. wie sich erst auf dieser archiv-veröffentlichung herausstellt, spielt die band ein potpourri aus allem, was sie kann. in den aufgewärmten chicago-nummern gibt es viel klassischen solo-raum, der paritätisch aufgeteilt wird. in der zweiten hälfte des ersten sets kommt dann das klangfarbenschöne „exotic forrest“ mit marshall allen an der oboe, bevor es quasi ein medley aus space chants gibt (ganz toll: „theme of the stargazers“, eine völlig verloren-entrückte seufzernummer). es folgt der höhepunkt (und opener von NOTHING IS…), „shadow world“, mit freiem beginn, boppiger weiterentwicklung, einem unfassbar tollen gilmore-solo (quasi im trio mit jarvis und boykins, ra zieht sich nach einigen anfeuernd-störrischen blockakkorden zurück), ein 10-minütiges arkestra-drama im freien flug, dabei immer mehr intensität erzeugend, bis ra gilmores ermüdung aufgreift und ins thema zurückleitet. das ende des sets bilden kürzestschnipsel aus „imagination“ und zwei space chants, man trifft sich, nach zwischenaufenthalt auf dem jupiter, auf dem mars wieder. (großer applaus aus dem publikum.)

    im zweiten set passiert alles viel organischer. lange, im schreitrhytmus angelegte versionen von den sich drehenden satelliten und den weltraumreisen lassen platz für tolle soli (immer wieder auch von den drummern), aber es bleibt der eindruck eines gesamt-tripps, der mehr und mehr die konzertsituation ausblendet und auf eine eigene umlaufbahn gerät. das arkestra ist plötzlich ganz bei sich. dräuende, anschwellende bläsersounds begleiten ein musical-klavier, eine basslinie macht sich selbstständig, drummer fallen – von allen anderen ignoriert – in einen swing, alle haben plötzlich den persilschein, sich gehen zu lassen, ohne dass die anderen eingreifen. das publikum wird unsichtbar. wenn der leader sich mal zu wort meldet, hat das eine selten so verspürte autorität, seine soli sind ein trip für sich. am ende, in „it is eternal“, hängt er kurz jarrettmäßig auf einem vamp fest, den boykins aufgreift, irgendwo, verhallt, eine sparsame percussion, alles hält den atem an, dann leiert das band. ein fast sinfonisch organisierter bläsersatz übernimmt irgendwann, geheimnisvolle sounds – dann plötzlich „state street“ mit knarzendem baritonostinato, wir sind plötzlich in new orleans und haben uns einer marching band angeschlossen, ein messerscharf verzahnter bläsersatz. ist das das ende des auftritts?

    es gibt einen schnitt und eine angehängte zweite version vom „exotic forest“, da sind wir wieder im filmscore, gips-kulissen und mit schlechten, verführerischen, leichtbekleideten schauspielern. allens oboe deliriert, die drums machen ihr eigenes ding, ein indischer elefant fällt aufs klavier. glöckchen klingeln. soundcheck in hollywood. stromausfall. der schlangenbeschwörer nickt ein. die cobra nimmt reißaus. das publikum applaudiert im dunkeln. das band bricht ab.

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    #10043697  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Schön, dass es weitergeht! Mit dieser Aufnahme wurde ich bisher nicht richtig warm, habe sie aber auch noch kaum gehört … es sind wohl diese freien, unzusammenhängenden Dinge, die mich draussen liessen. Hab ich ja anderswo kein Problem damit, aber bei Ra funktioniert das für mich irgendwie nicht so richtig.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10043709  | PERMALINK

    vorgarten

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    hast du das originalalbum oder die „komplett“-ausgabe? so oder so – ich würde ein weiteres hineinhören sehr empfehlen. allein „dancing shadows“, der opener, ist es wert. bzw. – ich finde die auswahl, die esp aus dem material getroffen hat, ziemlich schlüssig.

    --

    #10043719  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

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    vorgartenhast du das originalalbum oder die „komplett“-ausgabe? so oder so – ich würde ein weiteres hineinhören sehr empfehlen. allein „dancing shadows“, der opener, ist es wert. bzw. – ich finde die auswahl, die esp aus dem material getroffen hat, ziemlich schlüssig.

    Das Originalalbum einst kopiert, einmal gehört, mich dabei gelangweilt und die Kopie weggelegt, die Komplettausgabe dann zwei, dreimal gehört, aber das ist beides länger her.

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    #10043743  | PERMALINK

    vorgarten

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    funktioniert für mich sehr gut. habe das aber auch seit dem letzten eintrag immer wieder, mit zunehmender faszination, gehört. alle spieler bekommen raum, um zu glänzen. gilmore ist unfassbar gut in einzelnen momenten.

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    #10043751  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Biomasse

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    vorgartenfunktioniert für mich sehr gut. habe das aber auch seit dem letzten eintrag immer wieder, mit zunehmender faszination, gehört. alle spieler bekommen raum, um zu glänzen. gilmore ist unfassbar gut in einzelnen momenten.

    Hatte ich ja neuerdings mitgekriegt, Du hattest es wohl im Hörthread mal beiläufig erwähnt … ich hatte damals schon daran gedacht, die Doppel-CD wieder einmal anzuhören. Wird nachgeholt, aber derzeit bin ich grad in anderen Gefilden unterwegs (irgendwo zwischen Bruckner, Liszts „Années de Pelèrinage“, von der gerade zwei neue Einspielungen gekommen sind, StoneFM am 5. Januar und Jahreslisten und so).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10043765  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windaber derzeit bin ich grad in anderen Gefilden unterwegs (irgendwo zwischen Bruckner, Liszts „Années de Pelèrinage“, von der gerade zwei neue Einspielungen gekommen sind, StoneFM am 5. Januar und Jahreslisten und so).

    verstehe ;) na dann bis gleich, im saloon.

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    #10044483  | PERMALINK

    vorgarten

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    special attraction – mondays at slugs‘ (1966-72)

    in der nummer 242, east 3rd street, zwischen avenue b und c, ist heute eine kleine bakery, “rossys”. die straßen sind sauber, hell und voller leute, die es sich leisten können, dort zu wohnen, und keinen ärger machen. in den 1960ern sah es dort natürlich ganz anders aus, so weit im osten (nur einen block weiter und man ist am east river). dreckig, dunkel, 1-raum-wohnungen mit bad in der küche für 50 dollar, eine armer, multikultureller bevölkerungs-mix, eine drogenszene, die langsam von leichten sachen auf speed und heroin umsteigt. „niemand lief da abends einfach so rum“, erzählt jerry schultz, ein hippie, dem 1964 vom leiter seiner gurdjieff-gruppe aufgetragen wird, etwas soziales und interaktives zu machen. er beschließt, mit seinem partner robert schoenholt für wenig geld ein zum verkauf stehendes armenisches restaurant zu übernehmen und einen club daraus zu machen.

    gentrifizierung im east village, 1964: erst kommt die drogenszene, dann ihre besten kunden, die jazzmusiker, schließlich die bohème. der laden ist auf rustikal zurück gebaut – ein langer schlauch, die backsteine liegen frei, ein paar große lampen geben nur wenig licht, ganz hinten eine vergleichsweise große bühne, eingangstür und –schild machen auf western. platz haben offiziell 75 besucher_innen, es sind oft doppelt so viele. in den paar momenten zwischen aussteigen aus dem taxi und betreten des clubs konnte man überfallen werden. touristen bleiben da erstmal weg, u-bahn-haltestellen sind weit weg.

    dass aus dem schneckensalon (bei gurdjieff waren „slugs“ dreihirnige wesen, „saloon“ durfte der club bald nicht mehr genannt werden, also bald „slugs‘ in the far east“) einer der wichtigsten jazzclubs in new york wurde (zumindest zwischen 1967 und 1972), ging vor allem auf die musiker selbst zurück, die dort um auftrittsmöglichkeiten baten (einer der ersten war jackie mclean, ohne kabarettkarte, also am eintritt beteiligt, und es kamen 200). lange zeit bleibt es ein ort für insider, für musiker und ein informiertes publikum. mit der die gegend dominierenden gang, der „nunchaku brotherhood“, hat man sich geeinigt, und die drogenhändler sind natürlich trotzdem jede nacht vor ort. der musikalische kurator (jim harrison) ist schwarz, eine seltenheit in new york mitte der 60er. alle damals wichtigen musiker treten auf: miles ist einmal die woche da, entdeckt dort jack dejohnette und jarrett, deren arbeitgeber charles lloyd wird dort groß (resonance hat gerade frühe aufnahmen aus dem club veröffentlicht), mingus, mclean, monk lässt sich häufig von pannonica hinfahren und spielt, wenn die gebuchten bands aufgehört haben, lee morgan bereitet dort sein comeback vor, für ornette coleman erhöht man ausnahmsweise den eintrittspreis, cecil taylor beschädigt spielend den angeblich so tollen steinway (larry willis erinnert sich dagegen an ein ziemlich schlechtes klavier). im schlepptau die schwarzen künstler, maler, schriftsteller, baraka mehrmals in der woche, aber auch salvador dalí, leary und ginsberg, dann natürlich die jazzkritiker. eine kellnerin bedient mit umgehängter lebender boa constrictor. ein soziales experiment, east village underground, far out von dienstag bis sonntag.

    in diesem underground gibt es einen „sub-underground“, und der findet regelmäßig ab märz 1966 an montagen zwischen 21 und 4 uhr statt. das arkestra, das sonst keinen ort in new york findet, wird zur special attraction, wenn ansonsten in der stadt die lichter ausgehen. schultz hat keine intimen erinnerungen an ra, obwohl dieser und seine männer zwischen 1966 und 1972 fast jeden montag auftreten (ab 68 reisen sie mit dem zug aus philadelphia an). sonny sei „kein mixer“ gewesen, sehr ruhig. die musiker hätten niemals mit den anderen gespielt, sie waren ein kult, sehr freundlich, sehr ernst. sie hätten halt ihr ding gemacht. und: niemals drogen genommen, völlig merkwürdig an diesem ort. meistens seien sie früher am tag gekommen und hätten geprobt – also manchmal 15 stunden am stück gespielt. aber sub-underground hieß auch: es dauert, bis die kritiker auch mal am Montag vorbeikommen. und diese wundern sich über sachen, die wir heute längst der diskografie abgelesen haben: elektrifizierte instrumente! kollektivimprovisationen! swing-nummern dazwischen! plötzlich wird gesungen! musiker bewegen sich, tanzen, haben merkwürdige kostüme an! michael zwerin findet in der village voice, das alles sei „ugly and beautiful and terribly interesting“, auch john wilson von den new york times wundert sich und weiß nicht, was er davon halten soll. stefan brecht schreibt in der vergreen review, der merkwürdige mix aus swing-big-band-formeln und schreiender kakophonie sei ausdruck von „bad taste“, aber möglicherweise etwas, was uns in die zukunft führe, indem es uns unsere historizität deutlich mache. auf keinen fall sei sun ra „ironisch“.

    ra hatte sich geärgert, als er in einem plattenladen fletcher-henderson-aufnahmen unter dem titel „a study in frustration – the fletcher henderson story“ gebündelt sah. er transkribierte daraufhin henderson-aufnahmen für seine band, inklusive der fehler, als wertschätzung. dem henderson-veteranen russell procope fiel die kinnlade herunter, als er im slugs‘ gilmore einen seiner eigenen fehler reproduzieren hört, von einer aufnahme aus 1933. das publikum erlebt die band als ultimativen ausdruck szenischer schrägheit, auf manche macht sie aber auch einen leicht beunruhigenden eindruck, mit ihren dunklen brillen und den merkwürdigen kostümen – szwed findet, dass sich das arkestra, ironie hin oder her, von allen showmanship-konventionen absetzte, die weiße von schwarzen künstlern verlangten – ohne provokant zu sein oder bescheiden. sondern „blues people“ (baraka), in ekstatischen zuständen des sprechens und tanzens, das, was später auch hendrix und james brown vorführen würden.

    das ensemble selbst wächst. baraka vermittelt neue musiker mithilfe des HARYOU ACTs, einer hilfsorganisation für kreative schwarze jugendliche. leute kommen vorbei und spielen mit. der ehemalige hindemith-schüler james jackson, ein oboist und hornist, hat einen antiquitätenladen in der nachbarschaft, war auch für das schild und die geschnitzte tür des slugs‘ verantwortlich, darf mehr und mehr mitspielen; übernimmt schließlich die riesige trommel von black harold, mit der die auftritte des arkestras gemeinhin begonnen werden und nennt sich „jacson“. später kommen sänger_innen und tänzer_innen dazu. manchmal wird ein film auf die band projiziert.

    die aufnahmen, die es vom arkestra aus dem slug’s gibt, sind von 1972; zu finden auf einer 6-cd-box von transition. das ist schon weit in ihrer philadelphia-phase, in einer völlig anderen besetzung als 1966. und aus der schlussphase des clubs. lee morgan war dort im februar von seiner freundin erschossen worden, die betreiber hatten keine lust mehr auf die immer heroinverseuchtere und beschaffungskriminelle nachbarschaft, konnten sich aber nicht leisten, in soho einen club mit innovativem jazz aufzumachen. also war im august schluss. es gibt aufnahmen aus dem slugs‘ von mingus, lloyd, tolliver und natürlich ayler. aber so richtig abbilden, wofür dieser club stand, können sie wohl kaum.

    hier ein einziges, schlechtes, foto vom arkestra im slug’s (im booklet der 6-cd-box zu finden):

    White decorators interested in Art,
    Black file clerks with theatrical ambitions,
    kids making pharmaceutical revisions
    in journals Comp. instructors urged they start,
    the part-Cherokee teenage genius (maybe),
    the secretary who hung out with fairies,
    the copywriter wanting to know, where is
    my husband? the soprano with the baby,
    all drank draft beer or lethal sweet Manhattans
    or improvised concoctions with tequila
    in summer when, from Third Street, we could feel a
    night breeze waft in whose fragrances were Latin.

    (anfang eines gedichts von marilyn hacker über das „old reliable“, eine bar, die sich 1966 schräg gegenüber vom slugs‘ befand)

    --

    #10060511  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    lektürehinweis – ein (vergleichsweise) neuer versuch über sun ra’s afrofuturistisches konzept. bin recht gespannt darauf.
    https://utpress.utexas.edu/books/youngquist-a-pure-solar-world

    --

    #10060569  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

    Registriert seit: 02.12.2013

    Beiträge: 56,509

    vorgarten lektürehinweis – ein (vergleichsweise) neuer versuch über sun ra’s afrofuturistisches konzept. bin recht gespannt darauf. https://utpress.utexas.edu/books/youngquist-a-pure-solar-world

    Danke für den Hint ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10060599  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    vorgartenspecial attraction – mondays at slugs‘ (1966-72)

    White decorators interested in Art,
    Black file clerks with theatrical ambitions,
    kids making pharmaceutical revisions
    in journals Comp. instructors urged they start,
    the part-Cherokee teenage genius (maybe),
    the secretary who hung out with fairies,
    the copywriter wanting to know, where is
    my husband? the soprano with the baby,
    all drank draft beer or lethal sweet Manhattans
    or improvised concoctions with tequila
    in summer when, from Third Street, we could feel a
    night breeze waft in whose fragrances were Latin.

    (anfang eines gedichts von marilyn hacker über das „old reliable“, eine bar, die sich 1966 schräg gegenüber vom slugs‘ befand)

    Wow, nichts wie hin, in dieses Bohème-Wonderland!

    Im Ernst: Sehr schön geschrieben. Fast eine stadt-soziologische Studie über Glanz und Elend, Niedergang, Verwandlung und Wiederaufstieg eines Stadtviertels – wobei es eine Frage der Perspektive ist, wo oben oder unten ist und wo sich die Perspektive über die Zeit auch noch ständig verschiebt. Pannonica de Koenigswarter fährt mit Monk im Bentley im Ghetto vor: Was für eine Szene!

    zuletzt geändert von friedrich

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    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #10060845  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    friedrichWow, nichts wie hin, in dieses Bohème-Wonderland!

    ja, marilyn hacker (heute professorin für englische literatur am city college in new york) war übrigens als lesbische (weiße, jüdische) dichterin mit dem schwulen (afroamerikanischen) science-ficiton-autor (und singer/songwriter) samuel delany verheiratet. sie (beide aus relativ reichen familien) haben sich am ersten tag an der uni kennen gelernt und mit 19 eine wohnung (eher: ein loch) in greenwich village bezogen, das war zu frühzeiten der bohème, ende der 50er. delany hat über diese zeit ein fantastisches buch geschrieben, THE MOTION OF LIGHT IN WATER, das es beim tollen kleinen golkonda-verlag auch auf deutsch gibt. darin erinnert er sich u.a. daran, wie er dem unbekannten bob dylan einen auftritt organisiert hat, wie marilyn und er mit einem jungen arbeiter eine dreierbeziehung geführt haben und er wiederum mit diesem ein jahr lang die küste hoch gezogen ist, zum krabbenfischen und gitarrespielen. seine romane sind wiederum auch fantastische, queere, afrofuturistische entwürfe, die es für mich geradezu unglaublich machen, dass er offenbar nie auf das arkestra gestoßen ist.

    sun ra und delany als quellen zusammenzuführen, hat aktuell rob mazurek übernommen, dessen „exploding star orchestra“ beide zitiert. so kommen dann drei dinge bei mir zusammen.

    hier ein bild von delany aus wilden zeiten (heute sieht er eher aus wie eine afroamerikanische variante von george r.r. martin, und die beiden kennen und schätzen sich natürlich):

    und hier ein foto von marilyn hacker mit der gemeinsamen tochter ivy, natürlich aus nicht mehr so wilden zeiten (leider):

    --

    #10061219  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    Wo Du den Namen gedroppt hast:

    „There was music in the cafés at night
    And revolution in the air“

    Bob Dylan, singer/songwriter (weiß, hetero, jüdisch) in seinem Song Tangled Up In Blue (1974), der sich so liest wie die Beschreibung eines Bohème-Lebens in den 60er Jahren. Genau genommen spricht Dylan hier zwar von einer Straße in Brooklyn (die inzwischen supergentrifiziert ist), aber eigentlich ist das das gleiche.

    Mythische Zeiten und Welten, wild und flüchtig:

    „All the people we used to know
    They’re an illusion to me now
    Some are mathematicians
    Some are carpenters’ wives
    Don’t know how it all got started
    I don’t know what they’re doin’ with their lives“

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #10084465  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    „Over the years, Sun Ra and Afrofuturism have become intimately bound together. But what is Afrofuturism? And why has Sun Ra’s body of work become associated with a term that was coined years after his death?

    If these questions have been rattling around in your head, then you would do well to watch this cool animated video. It explains how an alien abduction in the 1930s informed Sun Ra’s ideas about music, the future and black emancipation. Check it out below“

    Von hier.

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #10084937  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    sehr schön!

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