Otis´ 7" Faves

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  • #2456249  | PERMALINK

    otis
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    Faves # 67


    Carlene Carter with Dave Edmunds: Baby Ride Easy / Too Bad About Sandy 1980 D-WB

    Carlene ist die Tochter von June Carter, Johnny Cash ihr Stiefpapa. Eine große und verzweigte Familie und insgesamt wohl kein ganz einfaches Umfeld. Mit 21 jedenfalls hatte sie schon zwei Ehen hinter sich und zwei Kinder. Bald wurde Nick Lowe ihr dritter Mann. Er brachte seine Rockpile-Erfahrungen und Kumpel Dave Edmunds mit. Und es entstanden diese Single und das dazugehörige Album.
    Baby Ride Easy ist ein Meisterwerk straighten Country-Rocks und nimmt auf den ersten Ohrenkontakt hin den Hörer gefangen. Eine recht atemlose Melodielinie, im Duett vorgetragen von zwei Stimmen, die sich unerwartet perfekt ergänzen. So gehören die mehr als drei Minuten zu den musikalisch kurzweiligsten, die man sich denken mag.
    Eine tolle Platte, ich werde nach der LP Ausschau halten müssen.

    (·) Die Platte ist noch leicht und recht günstig zu bekommen.


    Little Peggy March: I Will Follow Him / Wind-Up Doll 1963 D-RCA

    Peggy March? Nein, ich will hier nicht auf ihre vielen deutschsprachigen Schlagersingles eingehen, von denen höchstens die eine oder andere hörenswert sein mag, obwohl sie z.T. Riesenhits waren. Aber diese Single der kleinen, damals gerade einmal fünfzehnjährigen Amerikanerin muss ich hier unbedingt vorstellen. Es ist eine rundum tolle Platte, eine kaum übertroffene Inkarnation des Girl-Pop-Gedankens. She will follow him, he is her destiny. So einfach ist das Leben. Sie betet ihn an, und wie! Mit einer sehr mädchenhaften, dennoch ausgesprochen tragfähigen Stimme. Der Song hat eine ganz eigene Dramaturgie. Er beginnt melodisch recht tief und verhalten und steigert sich dann ins Ekstatische, vom Arrangement her perfekt unterstützt durch Backgroundgirls und tiefe Männerstimmen, Relikte aus der Doo-Wop-Zeit. Herrlich, wie Peggy dann nach einer kurzen Generalpause immer wieder zurückfällt in emotional kühlere Gefilde, weshalb das in den unteren Registern gesungene I Will Follow Him um so glaubwürdiger wirkt.
    Eine wunderbare Single, ein grandioser Karrierestart mit einem Nr.1-Hit. Leider konnte Peggy March diese Klasse nicht halten, war in Amerika bald vergessen, hatte dafür bei uns viele Hits, was sie aber erst Ende der 60er veranlasste, ganz nach Deutschland umzusiedeln.
    PS: Ich sehe gerade, dass der neue Record Collector (Little) Peggy eine Seite widmet. Sie sei ihr gegönnt.

    (·) In mint mit Sleeve dürfte die Single ihre 15 – 20 Euro kosten.


    Kirsty MacColl: They Don’t Know / Turn My Motor On 1978 D-Stiff

    Von Kirsty MacColl werde ich sicher noch mehr Platten hier vorstellen. Beginnen will ich mit ihrer ersten Single auf Stiff. Eine großartige Sängerin, ein fantastischer Song, eine superbe Aufnahme. Kirsty MacKoll schrieb ihre Lieder selbst, sah sich aber weder in der Spur der Wave-Girls, wie sie damals mehr und mehr aufkamen, noch im chartsorientierten mainstream angesiedelt, sondern schien irgendwo an die 50s und 60s anzuknüpfen.
    They Don’t know ist ein relativ langsamer Rocker mit allen Ingredienzien des Girl-Pop. In einer Art Endlos-Melodie verteidigt die Sängerin ihre Liebe zu einem Jungen, von der ihr alle abraten, zurückhaltend und leicht unbeteiligt gesungen, aber garniert mit genretypischen Zutaten wie Background-Girls. Die folgende etwas dramatischere Bridge wird von einem kurzen Instrumentalteil abgelöst, womit der Höhepunkt des Tracks perfekt vorbereitet wird: jenes völlig unbegleitete, herzergreifende „Baby“, das aus dem relativ einförmigen Sound wie ein funkelnder Feuerwerkskörper aufsteigt. Kann es Schöneres geben?! Auch das druckvolle Ende mit der selten fetten „Schweineorgel“ lässt dann keinen Zweifel mehr an der Richtigkeit und Notwendigkeit dieser Beziehung aufkommen.
    Wie das obige Frontcover die A-Seite so spiegelt die Rückseite des Sleeves sehr schön die Flip wider. Kirsty in frecher Rockabilly-Girlie-Pose mit schwarzer Lederhose und rosafarbener Lederjacke. Yeah, baby, turn my motor on.

    (·) Während Kirstys Platte seinerzeit ziemlich unterging, hatte Tracey Ullmann wenige Jahre später einen No.2-Hit mit dem Song. Kirstys Single dürfte bei 12-15 Euro liegen und ist natürlich jeden Cent wert.

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    #2456251  | PERMALINK

    otis
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    Dolly Parton: Jolene / Coat Of Many Colours 1976 D-RCA

    Viel zu lange habe ich Dolly Parton eher skeptisch gegenüber gestanden. (Kannte natürlich viel zu wenig von ihr.) Aufgrund der wunderschönen Kollaboration mit Emmylou, Linda Ronstadt und ihr als „Trio“ änderte sich das vor zwei Jahrzehnten zunächst ein klein wenig, mit dem Kennenlernen ihrer ersten LPs ziemlich grundsätzlich.
    Eine Blondine, die ihre erste Single Dumb Blonde nennt, kann so dumm nicht sein. Eine Frau, die seit ihrem fünften(!) Lebensjahr Songs schreibt (sogar später von ihr aufgenommen), kann so sehr nicht daneben liegen. Ganz egal also, was man von der späteren Dolly halten mag, die bis heute offenkundig einen sehr persönlichen Deal mit dem Mainstream hat, ragen ihre frühen Werke doch arg heraus. Die erste auf RCA-LP „Just Because I’m A Woman“ von 1968 ist mir die liebste. Sonderlich erfolgreich war sie damit nicht, vielmehr wurden ihre Duett-Lps mit Porter Wagoner zu jener Zeit x-fach besser verkauft. Aber sie erkämpfte sich ihren Markt und hatte nach wenigen Jahren deutlich mehr Erfolg als der ältere Mentor. Einer ihrer Welthits war dann Jolene. Und seit die White Stripes Dolly und Jolene ihre Reverenz erwiesen, mag Mrs. Parton gar einen gewissen Kultfaktor bekommen haben.
    Jolene ist ein herzzerreißender Song. Eine Frau kämpft um ihren Mann, fleht auf Knien ihre Gegenspielerin Jolene an, doch auf diesen zu verzichten. Ja, sie erniedrigt sich gar dergestalt, dass sie die unvergleichlichen äußeren Vorzüge der Nebenbuhlerin besingt, mit sehr schönen, beinahe liebevollen Worten, völlig neid-, einfach nur hilflos.
    Coat of Many Colors, Titelsong der zugehörigen LP, ist kaum weniger großartig und zierte im darauffolgenden Jahr Emmylous erste große LP.

    (·) Die Platte dürfte noch recht leicht und günstig zu bekommen sein.


    Linda Scott: I’ve Told Every Little Star / Three Guesses 1961 US-Canadian American

    Dam, da dam, da da da… Welch ein Song, welch ein Ohrwurm, welch ein Hit. Einmal gehört, wird man diese Preziose nicht wieder vergessen. Wie es bei solchen Tracks häufiger vorkommt, sind Interpret und Titel dann oft recht unbekannt. So ging es mir auch, als ich ihn vor Jahren in Mulholland Drive wiederhörte. Ich kannte ihn natürlich, wusste aber nicht die Interpretin und musste die Single natürlich partout haben. Und es ist fürwahr eine der ganz großen jener Zeit. Begleitet von einem recht offenen Arrangement mit schöner E-Gitarre (später kommen auch noch strings) singt Linda mit ihrer ungekünstelt klaren Mädchenstimme davon, dass eigentlich jeder weiß, dass sie ihn liebt, nur der Angebetete selbst nicht. Die beiden kommen also nicht zueinander. Ein ganz kleines Drama und ganz einfach, aber ausgesprochen wirkungsvoll in großartige Musik gepackt. Eine perfekte Single.

    (·) Im Katalog als US-Pressung mit 20 $ gelistet.


    Mick Harvey & Anita Lane: Harley Davidson // Who is “In” Who Is “Out” / Hotel Specific 1996 UK-Mute

    Mag sein, dass diese Single ein wenig abfällt im Vergleich zu den anderen oben, sie ist mir aber recht lieb geworden. Der Nick Cave-Sideman Mick Harvey und des Meisters zeitweilige Muse Anita Lane präsentieren hier ein Cover eines der großen Songs des französischen 60s-Pop: Gainsbourgs Hommage an das amerikanische Kult-Bike, 1966 gesungen von Brigitte Bardot. Wusste das Original mit einem fantastischen Bassspiel zu überzeugen, so ist das Arrangement hier dichter und kommt möglicherweise näher an das heran, was man sich unter einem Harley-Song vorstellen mag. Gehöriger Drive, Coolness im Gesang und entsprechende Power vom Sound her jedenfalls sind reichlich vorhanden.
    Harvey hatte ’95 mit Intoxicated Man eine Tribute-LP an Gainsbourg aufgenommen, der dieser Titel entnommen ist. Die Rückseite enthält zwei weitere Outtakes aus den Sessions, die m.W. nicht auf der LP enthalten sind. Hotel Specific ist ein Cover von L’Hotel Particulier von Histoire De Melodie Nelson, es ist allerdings etwas schwach und überflüssig geraten.

    (·) Die Platte ist im Netz noch ganz gut für ca. 10 $ zu bekommen.

    Today’s Tops:
    1 Linda ****1/2
    2 Dolly ****1/2
    3 Peggy ****1/2
    4 Kirsty ****1/2
    5 Carlene ****1/2
    6 Anita ***

    Die ersten sind für mich ziemlich gleichwertig. Mag sein, dass ich die Reihenfolge schon morgen anders sehe.

    PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de

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    #2456253  | PERMALINK

    mikko
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    Moderator / Juontaja

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    Ah, eine reine Ladies (oder sollte ich sagen Girls?) Runde. Sehr schön!

    Ich muss zugeben, dass ich zwar bis auf Linda Scott die Damen alle kenne, aber die Platten sind mir weniger geläufig. Kirstys Single habe und liebe ich auch. Jolene und Coat Of Many Colors kenne ich natürlich (nicht zuletzt durch einen gewissen DJ). Aber dann wird’s schon schwieriger. Bei Little Peggy kenne ich den Song, aber nicht ihre Version. Ebenso im Falle von Harley Davidson. Das Original ist toll, diese Version habe ich eventuell mal gehört, aber nicht in Erinnerung behalten. Und die Single von Miss Carter und Dave Edmunds ist mir auch unbekannt. Ein Top 6 meinerseits macht da keinen Sinn.
    Obwohl ich Sängerinnen grundsätzlich sehr gern höre, sind sie in meiner Singles Collection wohl eher unterrepräsentiert. Aber Du hast mich auf den Gedanken gebracht, auch mal eine Frauenrunde zu planen.

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    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
    #2456255  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
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    Registriert seit: 15.05.2005

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    @otis: Sehr schön, nach Linda Scott werde ich mich sofort umschauen. Auf weitere Kirsty MacColl-Singles freue ich mich schon. 1983 war die Tracey Ullman-Version (an der Kirsty mitgewirkt hat) ein absoluter Favorit von mir, als ich einige Jahre das Original hörte, wirkte es auf mich etwas „spartanisch“, was ich bei dieser Art Song nicht unbedingt wünschenswert finde. Mein Eindruck ist, dass die Ullman-Version das ist, was in der Erstfassung angedacht, aber nicht voll verwirklicht war. Du siehst es wahrscheinlich anders?

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    #2456257  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

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    Übrigens, Rossi, ich finde das Original von „They Don’t Know“ gerade deshalb so großartig, weil es so zurückgenommen ist.

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    #2456259  | PERMALINK

    otis
    Moderator

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    Sehe ich genau wie du, Mikko. Das Cover spiegelt das auch sehr schön wider. Gerade deshalb ist das „Baby“ dann so phänomenal.

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    #2456261  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
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    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,223

    otisDas Cover spiegelt das auch sehr schön wider.

    Ja, das macht es mir verständlicher. Ich vermute aber, dass Kirsty schon auch ihren Spaß daran hatte, diesen Song einige Jahre später noch mal mit großer Produktion zu inszenieren, jedenfalls klingt die Ullman-Version für meine Ohren immer noch sehr mitreißend.

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    #2456263  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

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    otis[…]Ganz egal also, was man von der späteren Dolly halten mag, die bis heute offenkundig einen sehr persönlichen Deal mit dem Mainstream hat, […]

    Das hast Du schön gesagt. Wobei ich Jolene immer etwas zu überdreht fand, hektisch, spitz. Das erklärt vielleicht die vielen nicht ganz ernstgemeinten Coverversionen, die vor allem von Männern gesungen wurden. Coat mag ich wesentlich lieber. Mir ging’s so wie Dir: über Emmylou zum Original.

    Zur Kirsty-Single: sehr schön. Ich mag MacColls Stimme sehr gern (die späteren Sachen nicht so sehr).
    Hier ist ein Scan der Picture Disc, das dürfte das Backsleeve-Bild sein, das Du erwähnst.

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #2456265  | PERMALINK

    melodynelson
    L'Homme à tête de chou

    Registriert seit: 01.03.2004

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    otis Harvey hatte ’95 mit Intoxicated Man eine Tribute-LP an Gainsbourg aufgenommen, der dieser Titel entnommen ist. Die Rückseite enthält zwei weitere Outtakes aus den Sessions, die m.W. nicht auf der LP enthalten sind. Hotel Specific ist ein Cover von L’Hotel Particulier von Histoire De Melodie Nelson, es ist allerdings etwas schwach und überflüssig geraten.

    Kleine Ergänzung: Mick Harvey hat noch eine zweites Tribut an Gainsbourg namens „Pink Elephants“ (1997) veröffentlicht, auf welchem eben jene Rückseiten enthalten sind.

    Ansonsten finde ich das Projekt von Harvey erwähnenswert, aber nur für Gainsbourg-Aficionados lohnend, da er den Songs wenig hinzufügt, die Arrangements sowie Gainsbourgs „Gesangsstil“ weitestgehend übernimmt, mit Anita Lane eine wenig charismatische Chanteuse an Bord hat und das Ganze gerade durch die Übersetzungen verliert.

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    #2456267  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

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    latho Coat mag ich wesentlich lieber.

    Wegen Coat habe ich Dolly schließlich auf #2 gesetzt, vorher hatte ich sie auf #4.

    Danke für die Ergänzung, Melody.

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    #2456269  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

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    otisWegen Coat habe ich Dolly schließlich auf #2 gesetzt, vorher hatte ich sie auf #4.

    Ah ja. Wobei ich bei Jolene das Gitarrenspiel sehr gern mag. Mir ging’s eher um Gesang und vor allem Text.

    --

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    #2456271  | PERMALINK

    otis
    Moderator

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    Faves # 68
    Heute will ich einige neue Singles aus diesem Jahr vorstellen. Weniger diejenigen, die es hier im Forum schon zu Ruhm und Ansehen gebracht haben, sondern eher die, die bislang zu wenig davon abbekommen haben.


    Good Shoes: All In My Head / Wrong And Right 2006 UK-Brille

    All In My Head ist meines Wissens der dritte Tonträger der Good Shoes aus London. Und, zumindest was den Titeltrack anbelangt, es ist ihr bislang bester. Die Good Shoes sind eine jener vielen neuen Gitarrenbands der Post-Libertines-Ära, die halt wissen, wie man mit viel understatement die Gitarren gepflegt zum Klingen bringt, und das alles wie selbstverständlich mit einem guten Song drumherum. Logisch also, dass sie den Pop nicht neu erfunden haben und dennoch ist All In My Head ein besonderes Stückchen Musik.
    Überaus nervös arrangiert mit häufigen Rhythmuswechseln und breaks wird hier ein weiteres Kapitel moderner teenangst aufgeblättert, das trotz seiner relativen musikalischen Kompliziertheit hohe Ohrwurmqualitäten besitzt. So machen gerade die harten Triolen den Refrain überaus eingängig und das Ganze wirkt in sich ausgesprochen stimmig.
    Auch die kurze Rückseite kann durchaus mithalten und lässt Gutes für einen zukünftigen Long Player erwarten.
    (·) Wohl limitiert, aber offenkundig noch nicht abverkauft. Also zugreifen.


    Mr. David Viner: Silence Is Gonna Break / Love At First Sight Blues 2006 UK-Fitzrovian

    Von Mr. David Viner gibt es bislang einen Long Player und drei Singles. Für diese Single wechselte er die Plattenfirma und veröffentlichte das gute Stück bei Fitzrovian in einer nummerierten (Erst-?)Auflage von 250 Stück. Wunderbar produziert schließt die 7“ nahtlos an die beiden hervorragenden Vorgänger an, ja, sie scheint mir noch einen Deut zwingender als diese. Wieder hören wir tolle Songs, eine hervorragende Gitarrenarbeit, alles aber mit jenen ganz leicht verstörenden Elementen, die Viners Platten für mich so unwiderstehlich machen. Hier sind es der backgroundchor der Damen und seine da und dort leicht verfremdete Stimme.
    Die Rückseite geht mehr in Richtung Blues und Jugband, wie man es ebenfalls von ihm gut kennt.
    Ein wenig eigen ist auch das Drumherum: eine Art Loseblattsammlung mit Songtext, Single-Cover, pergamentenem Firmencover und Infoblatt. Hinzu kommen zwei Buttons, die die Lagerung nicht einfacher machen.
    Tolle Platte.

    (·) Falls es wirklich nur die 250 Stück gegeben haben sollte, dürfte die Single bald ausverkauft sein. Sie war von Beginn an relativ teuer und ist, wenn man sie noch für ca. 5 Pfund bekommen sollte, als Schnäppchen anzusehen.


    The Hazey Janes: Always There / Chasin’ Mary Ann 2006 UK-measured

    Dieser vierköpfigen, schottischen Band verübele ich ein wenig, dass ihre beiden LPs bislang nicht auf Vinyl erschienen sind. Ich gehe also mal davon aus, dass die Vinyl-Singles für sich zu sprechen haben. ,-)
    Always There ist eine meiner Sommersingles in diesem Jahr. Beide Seiten sind schönster Rickenbacker-Pop a la Byrds oder Big Star, die A-Seite mit einem Schuss Abbey Road-Beatles. Aber dennoch ist das alles sehr eigen und wunderbar songorientiert, so dass es unwillkürlich ins Ohr geht.
    Always There wird präsentiert von Andrew Mitchell als Sänger (+ feine harmony vocals), während Chasin’ Mary Ann von bandmate Alice dargeboten wird. Von Song und Arrangement her ist die Flip etwas einfacher, aber nichtsdestoweniger genauso earchatching. Dadurch, dass sie in sich noch runder und geschlossener wirkt, ziehe ich sie der A-Seite sogar vor. Really nice.

    (·) Die Platte dürfte noch gut zu bekommen sein.

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    #2456273  | PERMALINK

    otis
    Moderator

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    The Marshals: Make Her Cry / Leaving Penny Hill 2006 UK-Vertigo

    WD spielte Make Her Cry vor Monaten als Eröffnungstrack einer Rootssendung. Der erste Eindruck war nicht schlecht, aber für mich keinesfalls zwingend. Sehr gutes Songwriting, aber wenig zupackend und eher bedeckt verhalten von der Produktion her. So schien es mir damals. Das änderte sich erst mit dem zweiten und dritten Hören, als ich die Platte dann endlich besaß. Heute gehört Make Her Cry für mich zu einer der weiteren Großtaten des an Singles so reichen Jahres.
    Diese zurückgenommene Schärfe der Instrumente, dieser ganz leicht samtene Überwurf, den ich damals als Nachteil angesehen hatte -zumal bei dieser Art von Gitarrenmusik, die eigentlich in die Vollen geht- erweist sich nun als überaus songangemessen und letztlich als eigentliche Stärke der Platte. Die vocals treten deutlicher hervor, was wegen der feinen harmonies allemal gerechtfertigt ist, das Ganze bekommt eine Differenziertheit und abwechslungsreiche Spannung, die viele, viele Umdrehungen auf meinem Teller provoziert.
    Die Rückseite mag man sich als CSN&Y mit Fuzz-Gitarre vorstellen, mit Betonung vielleicht auf Neil Young. Wonderful, boys.

    (·) Die Platte ist bei den einschlägigen UK-Adressen noch häufiger verfügbar und dort recht günstig zu ordern.


    Palm Springs: Softly To Fallen / Sense Of Wonder 2006 UK-Random Acts Of Vinyl

    Wenn die einzige Band derart sporadisch von sich hören lässt, kann es dann einen schöneren Namen für eine Plattenfirma geben als Random Acts Of Vinyl? Softly To Fallen ist die dritte der im Jahresrhythmus erschienenen 7“s von Palm Springs. Kaum ein Vertrieb kümmert sich drum und man muss schon wissen, wo man diese kleinen Offenbarungen finden kann. Suche und Kauf lohnen sich in jedem Fall.
    Softly To Fallen beginnt ein wenig verhalten, steigert sich dann aber bis zu seinem hymnischen Ende auf unnachahmliche Art. Ein klassisch schönes Gitarrenintro, zurückhaltend sanfte Vocals, dann die Steigerung mit Gitarre und Piano bis hin zu jener Himmelfahrt „back to the star“. Sense Of Wonder ist ähnlich großartig. Ätherisch dahingehauchte backing vocals von ‚Kah’, sanftes Cellospiel und ein ebenso wunderbarer Song. Eine musikalische Inkarnation von vollkommener Schönheit.
    Damit dürften diese beiden perfekt produzierten und arrangierten Preziosen mühelos die Single-Top 5 dieses Jahres entern.
    Wer z.B. Belle And Sebastian liebt, wird an dieser Platte nicht vorbeikommen und diejenigen, denen die Singles schon lieb und teuer sind, warten sehnsüchtig auf eine LP. Es soll eine in Planung sein!

    (·) Dead & Free in Berlin (s.u.) hat noch einige Exemplare.


    Fortune Drive: My Girlfriend’s An Arsonist / — 2006 UK-xxx

    Dass es so wörtlich gemeint sein könnte mit dem arsonist, ist sicher ein netter Gag. Dennoch hat diese Single auf jeden Fall mehr zu bieten als den Cover-Gimmick, auch wenn sie nur einen Song enthält.
    Einfacher, straight gespielter Power-Pop, durchaus kompetent und mit einigem Potenzial für die Band-Zukunft, wie es scheint. Die Jungs können spielen, der Sänger gefällt und das Songschreiben haben sie großen Vorbildern abgeschaut. Dass Bass, Drums und Gitarre einen gehörigen, durchaus differenzierten Drive hören lassen, erfreut das Ohr ebenso wie das ausgefeilte Arrangement, weshalb die Single immer wieder den Weg auf meinen Plattenteller findet.
    Allerdings sind die Zündelversuche des Mädels dabei eher im Wege. Das Cover ist nämlich wirklich angebrannt (jedes ein echtes Unikat also) inklusive dem zugehörenden Schmutz, den Asche zu verursachen pflegt. Deshalb bewahre ich Sleeve und Platte in zwei getrennten Hüllen auf. Getoppt wird der Cover-Gag noch von dem echten(!) Lippenabdruck auf dem Label. Oben ein besonders vollmundiges Exemplar. Es gibt auch weniger vollkommene Varianten. Aber wie gesagt, auch die Musik lohnt. Hear it.

    (·) Diese Single dürfte nur noch vereinzelt zu bekommen sein und, falls die kommenden releases der Band halten, was dieses hier verspricht, schon bald recht teuer werden.

    Bezugsquellen:
    http://www.platten.net/deadandfree Mr Dead & Mrs Free, Berlin
    https://www.reflexcd.co.uk/choices.htm Reflex, Newcastle, UK
    http://www.actionrecords.co.uk/ Action Records, Pretson, UK
    http://www.puregroove.co.uk/ Pure Groove, London, UK
    http://www.roughtrade.com/site/index.lasso Rough Trade, London, UK

    Today’s Tops:
    1 Palm Springs
    2 Mr. David Viner
    3 Hazey Janes
    4 Good Shoes
    5 Marshals
    6 Fortune Drive

    PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de

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    #2456275  | PERMALINK

    hat-and-beard
    dial 45-41-000

    Registriert seit: 19.03.2004

    Beiträge: 20,527

    Danke, otis! Von diesen hatte ich nur drei (nämlich Deine Top 3) auf dem Zettel. Palm Springs ist jetzt schon sehr schwierig, ich hatte es vor Wochen schon bei D&F versucht (telefonisch), leider erfolglos. Hoffe, dass ich sie noch bekomme. Viner ist nochmal unterwegs, dürfte über Pure Groove noch zu haben sein. Früher oder später muss ich mir wohl eine Kreditkarte zulegen, um den Mailorder-Markt im UK noch besser nutzen zu können.

    Die anderen werde ich gleich mal suchen.

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    God told me to do it.
    #2456277  | PERMALINK

    observer

    Registriert seit: 27.03.2003

    Beiträge: 6,709

    Hallo otis, sehr schön, dass du mal eine Runde mit neuen Singles machst. Ich glaube, da ist einiges dabei, was mir auch gefallen könnte. Auf Palm Springs hast du mich jedenfalls sehr, sehr neugierig gemacht. Nicht nur, dass mich das Cover sofort anspringt, auch „After Honey“ von einer älteren Single, das man sich auf der Random Acts Of Vinyl-Seite anhören kann, ist genau nach meinem Geschmack. Auch die Hazey Janes könnten mir nach deiner Beschreibung gefallen. Leider habe ich aber das gleiche Problem wie Hat and beard, dass mir für Bestellungen aus England die Kreditkarte fehlt.

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    Wake up! It`s t-shirt weather.
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