Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › "Handgemachte Musik" – Sinnvoller Begriff oder überholte Vorstellung?
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AutorBeiträge
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AlbertoGibt es diese Versuche der moralischen Überhöhung „handgemachter“ Musik eigentlich auch in anderen Ländern? „Ehrliche“ Musik verweist doch in Richtung Blues, Bluegrass u.Ä. und damit in die USA. […]
Ich habe nicht den Eindruck, dass die Entstehungsweise von Musik außerhalb bundesdeutscher Befindlichkeiten unterschiedlicher Couleur irgendeine moralische Dimension hat.Spontan fällt mir da Dylan und seine Elektrifizierung als Gegenbeispiel ein. Die negativen Reaktionen darauf hatten wohl schon eine „moralische Dimension“.
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Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. Reality denied comes back to haunt. Philip K. DickHighlights von Rolling-Stone.deIn diesen legendären Tonstudios entstanden große Alben
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Werbungbullschuetz […] zweitens finde ich es ganz spannend, eine Kategorie wie „handgemacht“ konsequent zu durchdenken, weil sich dann erst so richtig zeigt, wie fließend scheinbar scharfe Grenzziehungen sind.
Ich finde, auch wenn ich den Begriff „handgemacht“ grundsätzlich nicht treffend finde, einen Aspekt der dabei mitschwingt, dann doch ganz interessant: Die Musik, die dieses Kriterium wohl im Prinzip erfüllt, gehört zu den wenigen Kunstformen, die (nach einer gewissen Menge Vorbereitung und bei einem Mindestniveau der Künstler) spontan entstehen und vorgeführt werden können. Das unterscheidet sie sowohl von einigen anderen Musikrichtungen als auch von vielen bild- und sprachbasierten Kunstformen. Ich kann mir jedenfalls nur schlecht vorstellen, dass ein Maler oft aufgefordert wird, zur allgemeinen Unterhaltung etwas vorzumalen.
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Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. Reality denied comes back to haunt. Philip K. DickMusik ist immer handgemacht, oder besser gesagt „menschgemacht“. Sogar in so extremen Fällen wie computergenerierter Musik könnte man argumentieren, dass ja ein Mensch das Programm geschrieben hat.
Der Unterschied besteht für mich eher darin, wie unmittelbar der Klang vom Mensch erzeugt worden ist. Und da gilt für mich: je unmittelbarer, desto besser.--
life is a dream[/SIZE]ferryMusik ist immer handgemacht, oder besser gesagt „menschgemacht“. Sogar in so extremen Fällen wie computergenerierter Musik könnte man argumentieren, dass ja ein Mensch das Programm geschrieben hat.
Der Unterschied besteht für mich eher darin, wie unmittelbar der Klang vom Mensch erzeugt worden ist. Und da gilt für mich: je unmittelbarer, desto besser.Mit anderen Worten: Du bist ein totaler A Cappella-Freak? Wise Guys? Comedian Harmonists? The Flying Pickets?
Oder liebst du Body Percussion?Edit: Kunstpfeifer?
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grünschnabelMit anderen Worten: Du bist ein totaler A Cappella-Freak? Wise Guys? Comedian Harmonists? The Flying Pickets?
Oder liebst du Body Percussion?Nein, aber die menschliche Stimme (Gesang) ist mir schon am wichtigsten.
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life is a dream[/SIZE]j.w.Wenn man von Gesang redet, ist der Begriff „handgemacht“ dann völlig sinnlos.
Würde ich so nicht sagen wollen. Es gibt ja auch noch Beatboxing plus diverse andere Formen von Gesang. Bobby McFerrin wäre ein gutes Beispiel und auch frühe Mills Brothers fallen mir gerade ein.
The rapping technique has been present in many American musical genres, for 100 years or more, including early rural music, both black and white, religious songs, blues, ragtime, vaudeville, and hokum. One example is the Appalachian technique of eefing.
Additional influences may perhaps include forms of African traditional music, in which performers utilize their bodies (e.g., by clapping or stomping) as percussion instruments and produce sounds with their mouths by breathing loudly in and out, a technique used in beatboxing today.
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bullschuetzDeshalb habe ich versucht, den Faktor Zeit definitorisch ins Spiel zu bringen. Das wesensmäßig Besondere einer Lagerfeueraufführung von Blowing in the Wind oder der Aufführung einer Beethoven-Sinfonie ist, dass für den Zuhörer die Musik so, wie sie in dem Moment durch Bedienung von Instrumenten erzeugt wird, hörbar ist.
Schön analysiert!
bullschuetzBeispiel 3: Elvis Costello solo, der einen Offbeat-Rhythmus auf der Gitarre spielte, einen Takt aufnahm, live loopte, über den Loop dann die dräuende Single-Note-Melodie von Watching The Detectivs spielte, auch die wiederum loopte, über beides ein Solo spielte und schließlich – während das Feedback jaulte – eine Polizeisirene in die Hand nahm und dazu heulen ließ.
Ich halte es in der Tat auch für einen großen Irrtum zu glauben, dass „handgemachte“ Musik in der Live-Situation immer spontaner ist. […]
Ich muss allerdings einschränken: Natürlich wirkt sich bei vielen Bands die Arbeit mit Samples nicht unbedingt spontaneitätsfördernd aus. […]linn@bullschuetz: Ich finde Deine Diskursbeiträge ja wirklich interessant, aber eigentlich reicht doch schon die schlichte Erkenntnis, dass weder Gitarren noch Sequenzer auf Bäumen wachsen, um den handgemachten Schmu als das zu entlarven, was er ist: Der naive Versuch, seiner eigenen musikalischen Sozialisation ein Goldkrönchen aufzusetzen.
Setzen, sechs! So eine Bemerkung, obwohl sich bullschuetz dermaßen um Differenzierung bemüht! Dieser Beitrag ist unter deinem zuletzt gezeigten Niveau. Ad hominem argumentieren, wenn einem nix anderes einfällt; ein Rückfall in die Zeit des sinnlosen Provozierens.
Warum gehen Besucher auf Live-Konzerte, obwohl es daheim, mit dem Studiooalbum auf der Stereoanlage, bequemer, billiger, und oft genug technisch besser wäre? Warum stehen Fans auf Autogramme? Warum erfeuen sich Hörer an an der unmittelbarer zu begreifenden Analogtechnik? Nur weil sie „naiv“ sind? Nein, weil das alles einen human touch hat, der uns auf rein rational nicht erklärbare Weise berührt! Rein rational gedacht ist Musikhören aber doch generell Zeitverschwendung!
„Handgemacht“ ist eine – auch nach meiner Auffassung – zu Recht existierende Kategorie, sowohl in Hinsicht auf die Produktion, als auch in Hinsicht auf die Rezeption. Und ich will nicht bestreiten, dass es Hörer gibt, die diese Kategorie bevorzugen. Andere bevorzugen „traditionell“, „cool“, „psychedelisch“, oder was auch immer. Präziser definiert sind die aber auch nicht! Mehr ist da für mich nicht dan; insbesondere kein Grund, sich virtuell die Köpfe einzuschlagen.
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Software ist die ultimative Bürokratie.AlbertoBesatzungsmächte
Du meinst die Befreier?
Die Trommel ist übrigens ein Kultgegenstand, der auch zu musikalischen Zwecken verwendet werden kann.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIch glaube, dass zu viele in „handgemachte Musik“ zu viel hineininterpretieren (wollen), weswegen am eigentlichen Kern vorbeigeredet wird. Es soll mit dieser Etikette nicht darum gehen, um herauszufinden, was alles durch Menschenhand erschaffen bzw. bedient werden kann, sondern Musiker/Bands versuchen durch diesen Hinweis (ganz egal ob dieser Fragen aufkommen lässt) aufmerksam zu machen, dass ihre Musik ohne synthetische/elektronische Klänge auskommt und auf klassische Instrumentierung/Besetzung basiert. Und das ist einfach alles. Vergleichbar mit dem Punk, welcher sich vom Stadion- und Bombastrock abgrenzen wollte. Es geht einfach nur um Trennungslinien, nicht mehr und nicht weniger. Und ob diese Sinn ergeben, ist ein Produkt von Musikphilosophen.
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grünschnabelGenau. Und wenn dann noch die Begriffe „handgemacht“ und „ehrlich“ in einem Zusammenhang verwendet werden, dann ahnt man schon, was für ein Blödsinn in die Musik und vor allem auch die Musiker hineinprojiziert wird. Schwachsinn das.
Ich erinnere mich an an Konzert von Bernhartd Lassahn und Heiner Reiff. Dabei spielte letzter nicht das, womit er heute bekannt ist, sondern stand hinter einem Keyboard und drückte Knöpfe. Was davon live war, war nicht festzustellen. Und da ist eben die Verbindung von „handgemacht“ und „ehrlich“. Live gilt als ehrlich (und wer übt, fällt den Kollegen in den Rücken).
Jan LustigerDie Live-Shows der Pet Shop Boys liebe ich übrigens gerade deswegen, weil sie vom unsinnigen Ideal, in einem Konzert müsse jeder Ton originär auf der Bühne entstehen, Abstand nehmen, um so eine Show zu ermöglichen, die die Mittel eines Musikkonzertes um weitere Elemente, etwa filmische oder theatralische, erweitert.
Und diese weiteren Elemente wären bei Live-Musik nicht möglich?
linn@bullschuetz: Ich finde Deine Diskursbeiträge ja wirklich interessant, aber eigentlich reicht doch schon die schlichte Erkenntnis, dass weder Gitarren noch Sequenzer auf Bäumen wachsen, um den handgemachten Schmu als das zu entlarven, was er ist: Der naive Versuch, seiner eigenen musikalischen Sozialisation ein Goldkrönchen aufzusetzen.
Wenn man das Adjektiv „handgemacht“ auf das Einschalten eines nicht auf Bäumen gewachsenen Gerätes runterbricht, ist es in der Tat nicht sinnvoll. Nur machen die Leute, die den Begriff benutzen, das ja nicht.
Im übrigen finde ich es schade, daß es hier keine Moderatoren gibt, die persönliche Beleidigungen unterbinden. Dagegen ist ja der Fußballstammtisch ein richtiger Kuschel-Thread.
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Noch mehr Comics für alle! Jetzt PDF herunterladen!ReinoIch erinnere mich an an Konzert von Bernhard Lassahn und Heiner Reiff. Dabei spielte letzter nicht das, womit er heute bekannt ist, sondern stand hinter einem Keyboard und drückte Knöpfe. Was davon live war, war nicht festzustellen. Und da ist eben die Verbindung von „handgemacht“ und „ehrlich“. Live gilt als ehrlich (und wer übt, fällt den Kollegen in den Rücken).
Okay, verstanden – und genau diese Kurzschließung von „handgemacht“ mit „ehrlich“ überzeugt mich nicht. Denn wenn jemand hinter einem Keyboard steht, Knöpfe drückt, und wenn dann der Zuhörer nicht weiß, was Erzeugung von Tonfolgen durch traditionelle Tastenbedienung und was Auslösung von vorgefertigten Tonfolgen durch Abruf per Knopfdruck ist – was soll daran „unehrlich“ sein? Der Künstler macht dem Publikum doch nichts vor, sondern lässt es schlicht im Unklaren. Das mag daran liegen, dass dem Künstler die Unterscheidung in dem Moment nicht wichtig ist, das mag daran liegen, dass der Künstler die Unterscheidung ganz bewusst, aus konzeptionellen Gründen, unterläuft – egal. „Unehrlich“ wäre es jedenfalls nur, wenn eine Band explizit mit dem Etikett und Verkaufsargument „handgemacht“ hausieren geht und in Wahrheit mit Einspielungen arbeitet. Aber auch dann wäre nicht die Musik „unehrlich“, sondern nur der Werbespruch zur Verkaufe der Musik.
Demons Beschreibung der Faszination Live-Erlebnis leuchtet mir natürlich ein: Der Zuhörer sucht den Reiz des Hier-und-jetzt, den Thrill einer Musiziersituation, in der ein Qantum Unberechenbarkeit mitschwingt, in der es Momente des Misslingens oder auch des ganz verblüffenden Gelingens geben kann, in der Platz ist für Risiken, Spontaneität und Kommunikation mit dem Publikum, es geht nicht einfach um fehlerfreie Reproduktion fertiger Kompositionen, sondern ums Gestalten des Moments.
Nur lässt sich diese Live-Situation eben nicht nur mit herkömmlichem Saiten-, Tasten- und Mundstück-Instrmentarium herstellen, sondern auch durch den kreativen Einsatz elektronischer Technologie (siehe die von mir oben genannten Beispiele Tab Two, Jamie Lidell und Elvis Costello – es gibt noch viele, viele mehr, bei denen noch viel weniger „Handgemachtes“ und viel mehr „Elektronisches“ zum Einsatz kommt). Und umgekehrt ist der Einsatz von konventionellem Instrumentarium nicht im mindesten eine Garantie für ein spontanes Live-Erlebnis, wie ebenfalls mehrfach beschrieben wurde. Mit anderen Worten: Ich plädiere dafür, das Ideal „Live-Erlebnis“ methodisch vom Prinzip der „Handgemachtheit“ zu trennen.
ReinoIm übrigen finde ich es schade, daß es hier keine Moderatoren gibt, die persönliche Beleidigungen unterbinden.
Falls damit auch linns Einwand gegen meine Argumentationsversuche gemeint sein sollte – also, das fand ich nun wirklich nicht schlimm. Ich glaube auch, dass an linns Argumentation was dran ist: Natürlich geht es bei der Huldigung des Handgemachten bisweilen darum, der „eigenen musikalischen Sozialisation ein Goldkrönchen aufzusetzen“ -allenfalls könnte man das etwas freundlicher ausdrücken: Wer in seiner Jugend erleben durfte, wie erregend das klassische Live-Erlebnis mit wilder Interaktion lauter Gitarren, Bass und Schlagzeug sein kann, der neigt womöglich dazu, beim sehr anders konzipierten Live-Erlebnis, das die Pet Shop Boys bieten, etwas zu vermissen.
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Mich erinnert die Diskussion an Zeiten als Blueskünstler ins Studio gingen und unbedingt in einem Stil spielen sollten (auf keinen Fall mit elektrischer Gitarre), den sie längst hinter sich gelassen hatten, da es sonst nicht „authentisch“, „ehrlich“ und „unkommerziell“ wäre (zugegebenermaßen mit teils faszinierenden Aufnahmen).
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bullschuetzNur lässt sich diese Live-Situation eben nicht nur mit herkömmlichem Saiten-, Tasten- und Mundstück-Instrmentarium herstellen, sondern auch durch den kreativen Einsatz elektronischer Technologie (siehe die von mir oben genannten Beispiele Tab Two, Jamie Lidell und Elvis Costello – es gibt noch viele, viele mehr, bei denen noch viel weniger „Handgemachtes“ und viel mehr „Elektronisches“ zum Einsatz kommt).
Darüber hinaus ist jeder Sound, den eine mittels PA abgemischte E-Gitarre-Bass-Drums-Band herstellt, schon technologisch verfremdet, sowohl im Klang wie auch in der Lautstärke. Sonst würden die Instrumente aufgrund ihrer akustischen Eigenschaften überhaupt nicht zusammen funktionieren. Das ist so ehrlich oder unehrlich wie der Einsatz von Loops oder Samples oder anderer Klangerzeuger.
StaggerleeMich erinnert die Diskussion an Zeiten als Blueskünstler ins Studio gingen und unbedingt in einem Stil spielen sollten (auf keinen Fall mit elektrischer Gitarre), den sie längst hinter sich gelassen hatten, da es sonst nicht „authentisch“, „ehrlich“ und „unkommerziell“ wäre
Schöner Vergleich!
Staggerlee(zugegebenermaßen mit teils faszinierenden Aufnahmen).
Muddy Waters, „Folk Singer“!
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ReinoIm übrigen finde ich es schade, daß es hier keine Moderatoren gibt, die persönliche Beleidigungen unterbinden. Dagegen ist ja der Fußballstammtisch ein richtiger Kuschel-Thread.
Nun mach aber mal einen Punkt. Wenn wir solche Diskussionen, die ja – was man den Moderatoren nun wirklich nicht in die Schuhe schieben kann – immer denselben Gang nehmen, live (handgemacht?) begleiten müssten, bräuchten wir alle ein Kindergärtnerpatent (inkl. Krankenkassenzulage und so).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: Deutsche Kulturarbeit, Ehrlich währt am längsten, entweder - oder, Handwerk, led zeppelin
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