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Das ist alles mal wieder viel länger als geplant geworden als beabsichtigt.
Die Passage über Clifford Brown ist grosses Kino.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deOh, du Hässliche! Die 25 schrecklichsten Weihnachtsalben-Cover
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Werbungdanke dir!! wenn man diese alten hefte liest, wir sind echt besser informiert (also, den wissensstand des durchschnittlichen jazzpodiumredakteurs von 1953 vermittelt wikipedia in sekunden, wenn auch wohl nicht die begeisterung), aber irgendwie ist es immer noch das gleiche hin und her um die gleichen themen…
steht da echt Monk West? (nehm mal an der Nachname ist im wesentlichen der Vorname seines Bruders :lol: )
die Ereignisse im Ost-Sektor dürften der 17. Juni gewesen sein, und die Nachricht verspätet?
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.redbeansandricedanke dir!! wenn man diese alten hefte liest, wir sind echt besser informiert (also, den wissensstand des durchschnittlichen jazzpodiumredakteurs von 1953 vermittelt wikipedia in sekunden, wenn auch wohl nicht die begeisterung), aber irgendwie ist es immer noch das gleiche hin und her um die gleichen themen…
Manches ist beim (vermuteten) damaligen Wissensstand wirklich bemerkenswert. Dem Monk-Text Berendts muss ich mich später mal anderswo ausgiebiger widmen.
redbeansandricesteht da echt Monk West? (nehm mal an der Nachname ist im wesentlichen der Vorname seines Bruders :lol: )
Ja, Monk West – hab mich auch ziemlich gewundert, aber das „electronic“ fand ich noch schöner
redbeansandricedie Ereignisse im Ost-Sektor dürften der 17. Juni gewesen sein, und die Nachricht verspätet?
Das musste ich jetzt grad rasch nachlesen – macht auf jeden Fall Sinn, dass das so sein könnte. Das Heft erschien anscheinend in den letzten Tagen des Vormonates (so wird im Heft vom Dezember 1953 noch eine Radio-Sendung vom 29.11. empfohlen), dann war der Abstand nur eineinhalb Monate, das ist immer noch eine eher kürzere Reaktionszeit, als sie vergleichbare Zeitschriften heute zu haben scheinen.
Weisst Du übrigens noch, ob die Jones-Verwechslung in einer Plattenkritik stand? Die habe ich nämlich bisher nur höchst oberflächlich durchgeschaut (die stand aber eh nicht 1953 drin).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbadie Jones Verwechslung stand in einem etwa ganzseitigen Artikel, ich glaube auf einer rechten Seite, und wie gesagt, das war ein Bericht von jemandem, der Miles in Toronto gesehen hatte (mit „John Cotrain“, Garland, Chambers, Jones)
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.Gut danke – werd ich dann Ausschau halten, wenn ich weiterlese.
Ein weiteres kleines Streiflicht: der „Fall Hans Koller“ – anscheinend hat die BBC auf Intervention der englischen Musikergewerkschaft wenige Minuten vor Sendung die Ausstrahlung eines Konzertes von Hans Koller verhindert. Es wird dann in Jazz-Echo (Dezember 1959) berichtet, wie der Südwestfunk reagierte – nämlich miit Spielverbot für englische Musiker, nachdem keine Einigung mit der englischen Gewerkschaft gefunden werden konnte.
Ähnliche Fälle gab’s damals mindestens auch in Frankreich (soweit ich mich erinnere, gehörte Guy Lafitte zu den Gewerkschaftsvertretern, die den unrühmlichen Job – das Durchsetzen von Quoten inländischer Musiker überall, wo’s was zu verdienen gab (ist ja an sich nicht völlig falsch) – übernommen hatten (bin mir aber nicht mehr sicher und weiss auch nicht mehr, wo ich das gelesen habe).Der internationale deutsche Jazz-Poll 1958/59:
Musiker des Jahres:
John Lewis (Miles Davis, Sonny Rollins, Art Blakey, Count Basie…)Big Band:
Count Basie (Duke Ellington, Stan Kenton…)Combo Modern:
Modern Jazz Quartet (Mulligan Quartet, Blakey’s Jazz Messengers, Miles Davis Combo, Dave Brubeck Combo, Jimmy Giuffre Trio, Oscar Peterson Trio, Max Roach Quintet/Bud Shank Ensembles…)Combo Traditional:
Louis Armstrong All Stars (Eddie Condon, Muggsy Spanier…)Miles Davis (t) (Armstrong, Gillespie, Baker, Byrd, Eldridge, Thad Jones/Spanier, Art Farmer…)
J.J. Johnson (tb) (Bob Brookmeyer, Kai Winding, Jack Teagarden, Curtis Fuller…)
Jimmy Giuffre (cl) (Tony Scott, Benny Goodman, Budy De Franco, Edmond Hall, John La Porta…)
Lee Konitz (as) (Bud Shank, Sonny Stitt, Paul Desmond, Art Pepper, Johnny Hodges…)
Stan Getz (ts) (Sonny Rollins, Bill Perkins, Zoot Sims, Coleman Hawkins, Bob Cooper, Coltrane/Lester Young…)
Gerry Mulligan (bari) (Pepper Adams, Harry Carney, Jimmy Giuffre, Al Cohn, Lars Gullin, Ronnie Ross…)
Bud Shank (fl) (Frank Wess, Herbie Mann, Buddy Collette…)
Milt Jackson (vib) (Lionel Hampton, Red Norvo, Teddy [sic] Gibbs, Teddy Charles…)
John Lewis (p) (Erroll Garner, Oscar Peterson, Horace Silver, Thelonious Monk, Brubeck…)
Barney Kessel (g) (Tal Farlow, Jim Hall, Freddy Greene…)
Ray Brown (b) (Percy Heath, Paul Chambers, Oscar Pettiford, Red Mitchell, Charlie Mingus…)
Max Roach (d) (Art Blakey, Kenny Clarke, Shelly Manne, Jo Jones…)Sonstiges: Fred Katz (vc) (Bob Cooper-ob, Joe Venuti-v, Sidney Bechet-ss, Johnny Graas-frh, Jimmy Smith-org…)
Sängerin: Ella Fitzgerald (Sarah Vaughan, Billi [sic] Holiday, June Christy, Anita O’Day…)
Sänger: Louis Armstrong (James Rushing, Joe Turner, Joe Williams, Frank Sinatra, Chet Baker…)
Arrangeure: John Lewis (Ellington, Mulligan, Rugolo, Q, Gil Evans, Giuffre)
Ein paar Dinge stechen doch ins Auge… Bud Powell taucht nicht mal auf den hinteren Rängen auf, die Massierung von Cool-Leuten wie Perkins und Shank (die zusammen zweimal auf DE-Tour waren damals), June Christy (zehrte wohl noch immer von den Kenton-Konzerten?), Mulligan…
Der Fall liegt sehr klar bei den Combos (MJQ mit fast 34% vor Mulligan mit nicht ganz 14%, Satchmo mit fast 31% vor nicht ganz 14% für Condon), der Trompete (Miles: 39.3%, Satchmo: 12.9%, Dizzy: 11,3%), der Posaune (JJ: 32.5%, Brookmeyer: 17.5%, Winding: 16.9%), dem Altsax (Konitz: 27.4%, Shank: 17.8%, Stitt: 13.1%), dem Barisax (Mulligan: 47.7%, Adams: 10.7%, Carney: 8.2%), dem Vibraphon (Bags: 49%, Hamp: 14.6%, Norvo: 14.3%), der Gitarre (Kessel 27.5%, Farlow 15.8%, Hall: 15.1%), dem Bass (Brown: 26.9%, Heath: 19.3%, Chambers 14.2%), den Drums (Max: 26%, Bu: 16.3%, Klook: 14.4%, Shelly:12.3%) und den Arrangeuren (Lewis: 23.7%, Ellington: 10.2%, Mulligan: 9.6%, Rugolo: 9.5%)
Einigermassenden klar ist der Fall auch bei der Klarinette (Giuffre: 26.2%, Scott: 19.7%, Goodman: 19.2%), dem Tenorsax (Getz: 23.4%, Rollins: 20%, Perkins: 11.9%, Sims: 11.3%), der Flöte (Shank: 36.5%, Wess: 33.6%, Mann: 9.1%), sonstigen (Katz: 16.5%, Cooper: 12.9%, Venuti: 11.5%, Bechet: 10.7%, Graas: 7.9%, Smith: 7.1%)
Bei den Sängerinnen ist der Fall auch sehr klar. Ella: 40.3%, Sassy: 18.9%, Billie: 12.7, June: 10.3.
Bei den Sängern war der Entscheid weniger deutlich. Satchmo: 29.4%, Rushing: 24.5%, Turner: 10.3% – und lustig auf den Rängen, dass hinter Sinatra (Joe Williams: 7.8%, Frankie: 7.7%) direkt Chet Baker (3.6%) folgt. Bing Crosby liegt mit 0.7% am Ende der Liste (hinter Ray Charles/Jack Teagarden, Big Bill Broonzy, Jimmy Witherspoon, Nat King Cole, Billy Eckstine, Ken Colyer, James W. Park, David Allen)Die knappen Entscheide gab’s in den Kategorien Musiker des Jahres (Lewis: 26%, Miles 25.5%, Rollins dann 11.6%), bei der Big Band (Basie: 30,6%, Ellington: 29%, Kenton dann 9.3%) und beim Piano (Lewis: 18.6%, Garner: 17.5%, OP: 15.4%, Silver: 10.4%)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaZur Situation des Jazz in Deuschland
Ein kleines Sittenbild
Aus dem Jazz Podium, Januar 1957 (Nr. I/VI):* * *
Dieter Zimmerle in seinem Neujahrsgruss unter der Überschrift „Das gefährliche Spiel“ zum Aufkeimen des Rock ’n‘ Roll:
Es geht jeden von uns an und so liegt die Spannung auf der Menschheit, die zum überwiegenden Teil den Dingen, die sich begeben können, in einer Art ohnmächtiger Hilflosigkeit entgegenzusehen scheint. Die Symptome treten deutlich in Erscheinung: Sucht nach dem stark dosierten Nervenkitzel, der im Augenblick die Angst der Ungewißheit überdeckt, Hang zum Oberflächlichen, das vom Nachdenken abhält, Lethargie den Gegenwartsfragen gegenüber, die an die Vogel-Strauß-Politik erinnert, und Sturz in die fachliche Spezialisierung, die grundsätzliche Lebensprobleme zweitrangig erscheinen läßt und von der scheinbar unlösbaren Frage sinnvollen gesellschaftlichen Zusammenlebens ablenkt.
All das spiegelt sich im Tun und Handeln der Menschen wieder — nicht zuletzt auch in den Gestaltungen auf dem Gebiet kulturellen Lebens. Die Entwicklung des Jazz gibt ein deutliches Bild der Situation. Das Kennzeichen des frühen Jazz: die spontane individuelle Aussagemöglichkeit auf der Basis echter Gemeinschaft, die dabei im Vordergrund stehende Offenbarung menschlicher Regungen, der lebendige Bezug zur Umweltund zu den Problemen des Daseins, all das, was den Jazz für viele Menschen besonders beachtenswert machte, ist mehr und mehr in den Hintergrund getreten.In der Folge meint Zimmerle, der Jazz sei zwar „hie und da […] seinem Wesen nach weiterhin lebendig“ geblieben, aber er sonnt sich gar zu sehr in fataler deutscher Untergangssehnsucht, scheint mir. Der Hauptgrund allen Übels ist am Ende nicht die „verfeinerte“, immer weniger „der Aussage […] dienende Form“, auch nicht „die vielerlei Verästelungen“, die anstelle der „menschliche[n] Botschaft“ immer mehr ans Ausstrahlung gewannen. Zimmerle beobachtet (meint zu beobachten?), wie sich aus „swingenden Tanzmmusik“ der Rock ’n‘ Roll, aus der „Vortragsart sich ablösender Solo-Improvisationen“ die „Einzelstimme vor einem Steicherhintergrund“ entwickelte, wie das Musizieren nach Arrangements zum völlig durchkomponierten Orchesterwerk“ wurde. Doch dann, unmittelbar auf die gerade wiedergegebenen Überlegungen, folgt der eigentliche Hammer (fasten your seatbelts) — eine Hygienediskurs, den ich nicht unbedenklich finden kann:
Im Rock ’n‘ Roll erkennt man den erwähnten Hang zum ekstatischen Sich-vergessen, man reagiert die Lebenskräfte ab, die man anderweitig nicht sinnvoll anwenden zu können glaubt. Von der Verkäuferseite wird die Situtation skrupellos ausgenützt und die in keiner Weise desinfizierte Musik-Spritze mit billigen rhythmischen Narkotikenn gegen teures Geld verabreicht. Die Krankheitsherde in unserer Welt werden damit nicht bekämpft, sondern es wird lediglich der Mensch bewußtlos gemacht und dadurch seine Widerstandskraft gelähmt; die Geschwüre können ungehindert weiterwuchern.
Diese Entwicklung bring mit sich, daß sich die gesunden Kräfte noch stärker isolieren, daß sie sich in ihrem Schaffen von dem krankhaft geschäftigen Trubel weg in die Sphäre eines völligen Individualismus einkapseln und in das andere Extrem verfallen: in das Eigenschaffen ohne jeden Bezug zur Umwelt. Sie werden nur noch von einem kleinen Kreis von „Fachleuten“ verstanden, die sie sowieso schon auf ihrer Seite haben, und ihre Kräfte verpuffen in der Verinsellung, aus der keine Botschaft an die Menschheit mehr get. Die aber den Mittelweg zwischen der lautstarken Massenhysterie und der Abgeschiedenheit des spezialisierten Experimentierens gehen, bewegen sich meist auf einer fadenscheinigen Oberfläche, weil ihnen das eine zu primitiv und das andere zu überspannt erscheint.
Eine Rückkehr zu natürlichen Lebensprinzipien ist nur möglich, wenn Machthunger, übersteigerter persönlicher Ehrgeiz, Snobismus, Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit nicht mehr das menschliche Handeln bestimmen.
Zimmerle meint dann, die Diagnose zu stellen reiche nicht, man müsse mit der Therapie beginnen – und dies müsse jeder bei sich selbst tun… na dann…
Die ganze Rhethorik ist bis dahin schon so abstossend, dass ich gar nicht weiterzitieren mag, wie Zimmerle davon redet, dass „die maximen des menschlichen Handelns nicht von der Erkenntnis einer gesunden und natürlichen Lebensgestaltung bestimmt werden“. Das alles bewegt sich auf einem ganz schmalen Grat und ist ideologisch ziemlich bedenklich. Unabhängig davon allerdings ist es spannend zu lesen, wie man sich also schon 1957 von der Welt abkehrt, den Jazz als tot betrachtet (die Welt generell wohl als verloren zu geben gewillt scheint).
Die gesunde Haltung war also jene des – scheinbar! – unverkrampften, direkten, „menschlichen“ traditionellen Jazz… die Verfeinerung, das abgekapselte Individualschaffen ist wohl im Bebop (inkl. Cool) zu sehen, der Weltuntergang, die Verrohung des Gemeinschaftssinnes (Kommunismus, anyone?) im Narkotikum Rock ’n‘ Roll.
Spannend sind auch die kleinen Zwischentöne, etwa die „in keiner Weise desinfizierte“ Spritze, die verabreicht wird. Es braucht also eine Instanz (möglicherweise – zugegeben – eine innere), durch welche die Massenhysterie kanalisiert und abgeschwächt wird, bevor sie aufs Publikum losgelassen werden kann. Das Publikum, notabene, das mit einem „Seitensprung auf der Bühne“, mit jedem bedachten oder unbedachten „Schachzug der Regie“ (wer ist denn diese Regie?) zu einem Getrampel verführt werden kann, „das eine Welt in Trümmer gehen läßt“.
* * *
Auf der Seite, auf der Zimmerles irrgeleiteter Text endet, gibt’s auch einen Bericht über Lionel Hamptons Besuch in Europa Ende 1956: „Hampton selbst stellte dazu fest, dass der Begriff Rock ’n‘ Roll für das, was er bietet, nicht zutreffend ist. Er zieht dabei den Trennungsstrich zwischen Rhythm and Blues und RaR, den man zweifellos anerkennen muß. Hampton spielt eine Art negroider Tanzmusik, wie sie von Kansas City bis Harlem seit langem gang und gäbe ist.“ Später im Text dann der lustige Satz: „Wenn man ihm auch nicht den Vorwurf ersparen kann, daß er selbst zu einem Teil dazu beigetragen hat, daß er mit billigem RaR-Rummel identifiziert wird, so soll nicht negiert werden, daß sich Hamp und seine Musiker auf einer anderen Ebene bewegen als etwa Presley und seine Kopisten.“
* * *
Ebenfalls von derselben Doppelseite folgende schöne Notiz:
Als Sidney Bechet während einer Fahrt mit dem Hausboot des „Club Sidney Bechet“ auf der Seine gefragt wurde, waas er von Rock ’n‘ Roll halte, antwortete er: „Rock ’n‘ Roll? Aber das ist doch die Musik, die ich mein Leben lang gespielt habe!“ […]
Man sollte also, Herr Zimmerle, etwas mehr auf die „authentischen“ alten Jazzer hören, als sich zusammenreimen, was sich aus kulturpessimistischer, europäischer Sicht nach überstandener Hitlerei vermeintlich an den musikalischen Entwicklungen ablesen lässt. Aber hey, wer weiss heute denn noch, wie man 1957 gedacht hat…
Der Kampf, den Zimmerle hier ficht, erinnert bezeichnenderweise sehr stark an den Kampf, den brave Bundesbürger (zumal welche, die sich dafür hielten) ein paar Jahre früher schon gegen den Jazz (und die assoziierte Tanzmusik wohl) als ganzes ausgetragen haben.
* * *
Eine der grossen Stories der Januar-Nummer widmet sich dem „Jazz in Deutschland“, „Rückblick und Umschau“ wird versprochen. Frühe amerikanische Besucher werden erwähnt: Tommy Ladnier 1925 in Berlin, Sidney Bechet 1919/20 (mit Marion Cooks Band, der auch Arthur Briggs angehörte) und 1925 (mit der „Revue Negre“, u.a. mit Josephine Baker). Bechet trat 1929 dann im Cafe Vaterland in Berlin auf, aber: „Das Gastspeil von Sydney Bechet in Berlin (1929) hatte kaum eine größere Ausstrahlung.“
Nach einer kurzen Bemerkung zur Nazerei und dem Jazz, der gerade in Berlin so populär war, dass dem Treiben ein Riegel geschoben werden mußte, folgt erneut eine Stil-, eine Abgrenzungs-Debatte:
Was seinerzeit [in den frühen Dreissigerjahren] — wiederum als USA-Import — in Europa und damit auch in Deutschland Mode wurde, war indessen nicht eigentlich Jazz, sondern es war der Swing — besonders der Big-Band-Swing als Tanzmusik.
Das Casa Loma Orchester wird als „beliebtes Vorbild“ bezeichnet, die „führenden Orchester waren die von James Kok (später von Erhard Bauschke cl, as übernommen), Heinz Wehner, Conny Ostermann, George Nettelmann, die 7 Rommes (von Max Rumpf, später Big Band), ferner die Berliner Tanzsymphoniker und als Schallplatten-Studio-Band die Goldene Sieben.“ … „Keiner kann im eigentlichen Sinne des Wortes von der heutigen Warte aus als Jazzmusiker angesprochen werden. Nur ein Name blieb unter den Jazzfreunden bekannt: Ernst Höllerhagen. Dieser Klarinettist und Saxophonist fiel bereits in den 30er Jahren besonderrs auf und gehörte bis zu seinem tragischen Tod im September 1956 zu den bedeutendsten Jazzsolisten in Deutschland.“
Wenn es heisst, in der Nazizeit hätten jene, „die sich etwa in Jazzreisen zusammenfanden“, „sich von vornherein verdächtig“ gemacht, springt mir der Zusatz „von vornherein“ ins Auge… aber belassen wir es dabei.
Die dritten Mal nach den Zwanzigern und frühen Dreissigern wurde der Jazz nach dem Krieg Mode „und auch in diesem Fall war es nicht das Wesen des Jazz, was sich der Allgemeinheit mitteilte, sondern es war der hektische Amüsierbetrieb, der eine rhythmisch stark akzentuierte Tanzmusik nach sich zog.“
Nachdem sich vorerst „zweitrangige Musiker“ in dern „Clubs der Besatzungsmächte eine Existenz suchten“, bildeten sich mit der Zeit ein paar Band, „die die musikalische Leistung in den Vordergrund stellten und die dann nach langjähriger Tätigkeit zu beachtlichen Resultaten gelangten. An dieser Stelle sind heute als Big Bands die von Erwin Lehn und Kurt Edelhagen, als Combos die von Helmut Brandt, Jochen Brauer, Hans Koller, Michael Naura, Pepsi Auer, Wolfgang Lauth, Fatty George und die Frankfurter All Stars zu nennen. Sie pflegen alle als Berufsmusiker den neuen, zum Teil sogar einen experimentellen Jazzstil, während der old time Jazz fast ausschließlich auf junge Amateurmusiker beschränkt bleibt, die vielfach als ’semiprofessionals‘ recht gute Resultate erzielen konnten (Two Beat Stompers, Frankfurt; Spree City Stompers, Berlin; Feetwarmers, Düsseldorf; Occam Street Footwarmers, München).“
Es wird dann kurz über die Entwicklung des Schallplattenmarktes, der Jazz-Clubs, der „Deutschen Jazz Föderation“ berichtet, über deutschsprachige Jazzliteratur und Jazz in Zeitschriften, am Runfunk und im Fensehen.
Das Fazit:
Die Gesamtsituation des Jazz in Deutschland läßt sich heute folgendermaßen umreißen: Der Jazz in seiner ursprünglichen Art als ausdrucksstarke Aussage volksmusikalischer Prägung, wie er in den 30er Jahren von den deutschen Jazzkreisen behandelt wurde, ist heute vor allem in der privaten Sphäre der Plattensammler und Amateurmusiker lebendig. Auch von musikwissenschaftlicher und soziologischer Seite wird dem ursprünglichen Charakter des Jazz großes Interesse entgegengebracht. Die Berufsmusiker, Komponisten und Arrangeure indessen konzentrieren ihre Tätigkeit verständlicherweise fast ausschließlich auf die neuen Jazzformen und es ist weniger der Aussagewille, der in Erscheinung tritt, als die Freude an der formalen Gestaltung, an der musikalischen Linienführung und an den Klangmöglichkeiten, die den Anreiz zur musikalischen Betätigung gibt [kann das letzte Wort nicht lesen, Kopierfehler, aber das „g“ steht da]. Mit der Jazz-Komposition, dem Jazz-Arrangement und der damit verbundenen weitgehend festgelegten Interpretation hat man sich eindeutig von der Tendenz zur individuellen Aussage innerhalb einer sich in der menschlichen Haltung entsprechenden Musikergemeinschaft, gelöst. Stark vertreten ist auch die Bestrebung, den Jazz in seinen Darstellungsformen mit den abendländischen Entwicklungsstufen zu vergleichen, um ihm damit eine gleichberechtigte Stellung im Musikleben zu verschaffen.
Das allgemeine Interesse ist aber auf die europäisch zugeschnittenen Dixieland-Vorträge, Big Band-Swing und Rock ’n‘ Roll gerichtet. Ein großer Teil der Jugend fühlt sich zu erregenden Musikformen hingezogen, um sich abzureagieren, aufzufallen, mitzumachen. Im großen un ganzen sind die Ausgangspunkte, von dene aus der Jazz gepflegt, betrachtet und diskutiert wird, sehr verschiedenartig und so spielt sich auch die deutsche Jazzszene auf verschiedenen Ebenen ab. In großem Maße wird pro und contra Jazz gesprochen, geschrieben, debattiert — ohne Rücksicht auf eine vorausgehende, exakte Begriffsbestimmung.
Es wird dann noch über den sich breitmachenden Dilletantismus gejammert, wie auch – erneut – darüber, dass „die Vergnügungsindustrie und das Managertum“ überhand nehmen würden und „der ernsthafte Musikfreund, der den Jazz in seiner in vieler Beziehung wertvollen Substanz vetritt, eine schwere Stellung hat“.
Das ganze ist ein so eigenartiges Gemisch aus falschen Vorstellungen und verdrehten Betrachtungsweisen, vermischt mit durchaus vorhandener Empathie und auch nicht ohne jegliches Verständnis für die Materie… ich weiss gar nicht, wo man überall ansetzen müsste, um das ausführlich zu kommentieren.
Schön auch die sexuelle Aufladung: „erregend“ ist Rock ’n‘ Roll, „erregend“ ist die rhythmische Tanzmusik. 1953 gab’s diesen Leserbrief mit den „erotischen“ Menschen (s.o.) – und inzwischen hat die hohe deutsche Jazzkritik den Spiess bereits umgedreht? Beklagt sich aber zugleich über die Professionalisierung, die den wahren menschlichen, „volksmusikalischen“ (ha!) Charakter des Jazz verdecke…
Es scheint mir gut möglich zu sein, dass auch der im Tonfall moderater formulierte obige Überblick von Zimmerle stammt, er ist allerdings nicht gezeichnet (und gibt daher wohl die „Redaktionsmeinung“ wieder).
* * *
Im Januar werden Europa-Konzerte folgender Bands als geplant erwähnt:
– Eddie Condon All Stars
– Count Basie
– Gerry Mulligan
– Gorge Shering
– Erroll Garner
– Duke Ellington
– Lionel Hampton
„Erfahrungsgemäß sind jedoch alle diese Pläne mit großer Zurückhaltung zu behandeln, da an ihre Realisierung viele Voraussetzungen geknüpft sind, die sich oft nicht durchweg erfüllen lassen.“* * *
Ansonsten werden für das Musik Festival in Donaueschingen zwei Jazz-Konzerte angekündigt: J.E. Berendt befinde sich in Verhandlungen mit dem Modern Jazz Quartet, Jimmy Smith, Chico Hamiltons Quintett sowie Andre Hodeirs „Jazz Group de Paris“.
* * *
In einer Leserzuschrift (über einen obdachlos gewordenen Jazz-Zirkel, der sich zum gemeinsamen Hören von Platten in Nebenzimmern von Gasthäusern traf) ist zudem die Rede von „einer grösseren Anzahl SS-Offizieren“, die sich von der Musik gestört fühlten, so habe der Wirt die Gruppe informiert und aus dem Lokal geschmissen. Das im September 1956 –
* * *
Und zum Abschluss die tollste Glosse des Heftes:
Der auch in Deutschland bekannt gewordene Hornist Dave Amram versucht sich jetzt in den USA auf einem neuen Instrument, das sich Tumbum nennt und als Kreuzung zwischen Tuba und Posaune bezeichnet werden kann.
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:laola0: :lala:
Ja, die 50er Jahre waren eine biedere Zeit alles muss ordentlch und genau durchorganisiert sein unter dem Korsett leidet auch etwas das Festival von 55 in Frankfurt. Die wenigen richtigen Jazzer die es damals gab kannten sich sicher alle.
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Na ja, irgendwie ist das ja alles etwas zwiespältig… ich bin immer noch der Ansicht, dass der deutsche Jazz erst mit Albert Mangelsdorff und den Kühns und dem frühen Doldinger wirklich interessant wird. Davor gab’s natürlich den Österreicher Hans Koller und seine Gruppe mit Jutta Hipp (und Mangelsdorff), aber abgesehen von Kollers schon da sehr reifen und eigenständigen Stimme, war die Musik dieser Gruppe eben doch… derivativ? Und ging dann – mit Kovac – genau in die falsche Richtung, nämlich in jene, die der Komposition, dem Arrangement noch grösseren Wert beimass als dem individuellen Ausdruck.
Dass übrigens der traditionelle Jazz – ich würd mich bei den damaligen Fans und Kritikern jetzt mit meiner Terminologie bestimmt als völligen Ignoranten blossstellen -, der New Orleans Jazz, der Hot Jazz, oder wie immer man ihn nennen soll, das Dixieland-Etikett wurde ja anscheinend abgelehnt, dass es da also weit her war mit der Freiheit, sich ausdrücken zu können, ist natürlich eine völlige Illusion… genau das straffe Korsett der frühen Jazz-Formen hat ja auch dazu geführt, dass sukzessive immer weitere Öffnungen – oder aber neue starre Formen – gesucht, gefunden und geschaffen wurden.
Jedenfalls ging’s nach den Anfängen in den frühen Fünfzigern irgendwie nicht so recht weiter, erst in den frühen Sechziger tauchen neue Leute auf, die mit einer neuen Spielhaltung an die Sache herantreten, experimentierfreudig sind, die Musik öffnen und eben auch der individuellen Stimme, dem meinetwegen „menschlichen“ Ausdruck, den Weg wieder öffnen. Vielleicht sehe ich das falsch, ich kenne ja auch längst nicht alles, was in Deutschland lief, aber man nenne mir die spannenden Ansätze, die zwischen, sagen wir 1954 und 1962 zu hören sind.
Im Vergleich dazu scheint anderswo mehr gelaufen zu sein. In Frankreich jedenfalls bildeten sich um Leute wie Barney Wilen, Bobby Jaspar, Martial Solal, Maurice Vander, Roger Guerin, Rene Urtreger und andere spannende Bands, es wurde ein Jazz gepflegt, der irgendwo zwischen West Coast, Lester Young, Bebop und Cool eine Nische fand. In der Schweiz lief auch nicht besonders viel, aber es gab doch Ansätze zum Bop, wie sie auch in Italien zu beobachten waren. Kurz gefragt: Gab’s deutsche Bebopper? (Also nahmhafte/gute/whatever Bebopper… natürlich gab’s Jungs in irgendwelchen Kellern, die sich dran versuchten und einige von ihnen hätten es wohl auch verdient, dass ich sie heute noch kannte… Und nein, ich will nicht „Hans Koller!“ zur Antwort! Ob der eher dem deutschen als dem österreichischen Jazz zuzuordnen ist, ist mir Wurst, er mag ein Bopper gewesen sein, so wie die Cool Jazzer in den USA Bopper waren, aber er war eine Ausnahmeerscheinung im frühen modernen Jazz in ganz Europa!)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbahier findet sich wolfram knauers antwort
http://www.jazzinstitut.de/Jazzbrief/jazzbrief200606.htm
Rolly’s Bebop von 1948, das dort erwähnt wird (Rolly=Rolly Kühn) kann man hier hören, die Behauptung, es hätte nirgends in Europa Bebop gegeben, würd ich so nicht allerdings unterschreiben, den Aufnahmen von Django Reinhardt mit Hubert Fol oder den frühen Sachen der Clique um Pelzer/Jaspar/Thomas (keine Ahnung wo ich die mal gehört hab) würd ich jedenfalls ein besseres Bop Verständnis einräumen wollen als Rollys Bebop… was die großen Franzosen betrifft (Solal, Wilen…) bin ich mir nicht sicher, ob ich da Bebop sagen würd, oder doch eher, dass sie nicht ganz so leicht zwischen Bebop, Cool und Hard Bop einsortierbar sind wie Koller, Kovac und Konsorten (die klar Cool sind…)Helmut Zacharias „erste deutsche Komposition im Bebop Stil“ ist gegen Rolly übrigens vergleichsweise gelungener… (aber ansonsten natürlich keine Konkurrenz zu gar nichts)
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.Danke, kannte ich nicht. Die erwähnten Aufnahmen sind alle im Amiga-Set „Jazz in Deutschland aus dem Amiga-Archiv 1947-1965“ zu hören…. das Problem ist, dass sie überaus steif sind, so gar nichts vom Impulsiven, Fiebrigen haben, das den Bebop ausmacht.
Coco Schumann ist allerdings auf jeden Fall eine Erwähnung wert!
Das mit dem steifen, quasi notengetreu vorgetragenen, Bebop war in der Schweiz übrigens auch so. Ich kenne da allerdings nur ganz wenige Stücke. Die Entwicklung ging dann aber etwas anders, mit Flavio Ambrosetti gab’s wenigstens einen sehr flüssigen und coolen Hardbop-Saxophonisten. Hardbop – wir hörten’s in meinem BFT – war in Deutschland ja irgendwie bei allem Spass an der Musik auch noch eine eher steife Sache… erst danach, als die Fesseln der Funktionsharmonik ganz gesprengt waren oder wenigstens sehr viel gelassener mit ihnen umgesprungen wurde, scheint sich in Deutschland wirklich was zu tun.
Bei den Franzosen gab’s durchaus passablen Bebop. Die Sachen, die Du erwähnst, kenne ich zwar nicht, aber andere Aufnahmen von Henri Renaud mit Bobby Jaspar und Sandy Mosse (diese CD mit Renauds Saturne-Sessions, die Paris Jazz Corner herausgegeben hat). Das hat schon eine andere – und ja: bessere – Qualität, als die paar Sachen, die ich aus Deutschland und der Schweiz kenne. Aus Italien kenne ich ein paar Stücke von Gil Cuppini (der später mit Wilen, Goykovich, Gruntz und Geier eine wunderbare Hardbop-Scheibe vorgelegt hat), die auf der ersten Doppel-CD der Soul Note-Ausgabe von Giorgio Gaslinis komplettem (frühen) Werk zu finden sind. Auch das scheint mir vergleichsweise lockerer, weniger an den Noten klebend, lebendiger gespielt.
Nochmal zu Frankreich: natürlich machten Jasper oder Wilen keinen reinen Bebop, auch Hubert Fol nicht (um mal in die Vierziger zurückzugehen… Fohrenbach gab’s da auch schon, aber wie Guy Lafitte hing er dem Swing an, war am ehesten von der Hawkins-Schule geprägt… und wohl von Don Byas, der damals in Frankreich und Spanien lebte und spielte). Aber die Musik von Jaspar und Wilen ist ohne Bebop nicht vorstellbar, ohne „Bebop-Informiertheit“ oder wie man das nennen will jedenfalls. Das könnte man bei Hans Koller auch sagen, aber er bleibt dann eben im deutschsprachigen Raum der einzige, oder? Flavio Ambrosetti war dann vielleicht schon bald der nächste (er gehörte 1949 zu Hazy Osterwalds Band, die in Paris für Aufsehen sorgte, wie Hazy mit Miles spielte er dort mit Parker…), aber ihm sollte nie grosse Aufmerksamkeit zuteil werden (und er war, wie Sohn Franco, immer Amateurmusiker, so diese Unterscheidung bei Leuten auf diesem Niveau denn noch Sinn machte… Flavio war Fabrikant, Franco hat den Betrieb übernommen… keine Ahnung, wie das mit der nächsten Generation aussieht, aber Francos Sohn steht inzwischen auch mit dem Vater auf der Bühne).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaZu redbeans‘ Link noch ne kurze Anmerkung – in den Liner Notes, die Ingmar Ganzelius zu einer Konitz-LP geschrieben hat, heisst es gemäss Knauer:
Daher waren wir wahrscheinlich dankbar für die Musik von Tristano und Konitz, die es uns erlaubte, uns rhythmisch zurückzuhalten und uns stattdessen auf das Erfinden melodischer Linien zu konzentrieren.
Das ist ein (wohl recht weit verbreiteter Irrtum). Die Musik vielleicht nicht von Konitz, aber von Tristano und erst recht von Warne Marsh ist rhythmisch so nuanciert und komplex wie wenig anderes. Komplex in sich, in der Linie, der Phrasierung – nicht im Zusammenspiel oder so (wie bei Parker, wo das sehr wichtig war, ohne Roach wären seine klassischen Studio-Aufnahmen nicht annähernd so aufregend, wie sie es heute noch sind). Zugegeben, Konitz hat sich am stärksten weg entwickelt, seine Linien klingen schon in den späten Fünfzigern fast heiss, jedenfalls was den rhythmischen Drive betrifft… aber wir reden hier ja von den späten Vierzigern und den frühen Fünfzigern. Tristano wollte von seinen Drummern auch deswegen, dass sie quasi nur ein Metronom spielen, damit er selbst rhythmisch (nicht melodisch!) alle möglichen Freiheiten hatte (die melodischen hatte er sowieso).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaBei den Amiga Aufnahmen merkt man schon das handwerklich noch was fehlt und viele noch hinter herspielen.Die Situation für den Jazz in der DDR war noch schwieriger als in der BRD.
Habe heute Aufnahmen vom Heinrich Schönberger gehört der spielt feinsten Swing als Benny Goodman.
Ja Coco Schumann war ein führender Gitarrist, der hatte als erste die bekannte Les Paul Gitarre! Hab zwei Doppelcds von ihm ein sehr bewegtes Leben. Ganz im Stil vom Django Reinhardt.
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Nee, mich dünkt, dass der Jazz aus der DDR eher spannender, offener, freier war, jedenfalls in den Sechzigern. Im Westen gab’s Mangelsdorff, später die Wuppertaler, aber im Osten gab’s viel mehr Musiker, die etwas eigenes zu machen versuchten: Petrowsky, Gumpert, Zerbe, Sommer, Schönfeld, Katzenbeier…. Der Jazz genoss in der DDR anscheinend eine Art Narrenfreiheit, die Musiker konnten einigermassen ungestört ihre Sachen machen (hatten allerdings Auftrittsverbot, wenn sie denn mal nach „drüben“ durften), man schien sie für unwichtig zu halten, Überwachungs- oder Infiltrationsmassnahmen im grösseren Stile waren also nicht angesagt.
Übrigens ist das auch Petrowsky, der im Film dieses unsympathischen Adelssprosses, der für viel Aufsehen sorgte (Frau Gedeck durfte nicht an die Oscar-Nacht) und so schlecht gar nicht ist, die mittelprächtige Tanzkappelle leitete, die für die Genossen zum Tanz aufspielte. Musikalisch ist das allerdings gar nicht bemerkenswert.
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http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/447-Von_Hitler_vertrieben_von_Stalin_verfolgt
Eddie Rosner hat eine haarsträubende Biographie in der Weimarer Republik, der Nazizeit, dem Stalinismus und am Ende auch in der Bundesrepublik gehabt. Die Achterbahnfahrt seines Lebens – Erfolg, Emigration, wieder Erfolg, dann Ungnade und Gulag, wiederum Emigration und am Ende das Versinken in Vergessenheit – ist nicht nur darin begründet, dass er Jazzmusiker war, sondern auch und vor allem, dass er Jude war – bzw. dass diese Eigenschaften über die Zeiten sehr unterschiedlich hoch im Kurs standen. Ich finde solche Geschichten ebenso faszinierend wie beängstigend.
Hier die sogar recht ausführliche Biographie bei Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Eddie_Rosner
Etwas Musik und eine kleiner Video-Clip über sein Leben, allerdings auf Russisch:
http://www.youtube.com/watch?v=S5MGsJwGXpo&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=-J7awM0t6XU&feature=related
„It didn’t help being a Jew playing Negro music. Even if your name was Adolph.“ – Adolph Ignatievich Rosner, aka Eddie Rosner.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Lustig, dass Du auf Rosner kommst! Hab neulich die Doku über ihn gesehen (lief auf 3sat oder arte) und mir dann diese Doppel-CD gekauft:
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Schlagwörter: Albert Mangelsdorff, Cool Jazz, Free Jazz, Hans Koller, Jazz in Deutschland, Jutta Hipp
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