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gypsy tail wind“because money wasn’t strong enough“… der für mich berührendste Satz von Aylers gesprochenem Intro zu „My Name Is Albert Ayler“.
ja, das Intro ist wirklich schwer zu schlagen, und sehr interessant (diese Betonung von Golf, dass „Money“ beide Male so gesagt wird, dass es einem sehr auffällt, das abrupte Ende, als hätt er eigentlich noch was anderes sagen wollen und ist dann spontan auf „it’s, one day everything will be as it should be“ umgebogen, mit affirmativem Lächeln am Ende… die Formulierung „money wasn’t strong enough“ ist ja auch ein gutes Stück „old-time religion“… danke für die tollen Texte!
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Dort gibt’s zudem auch ein Booklet, das Paul Haines zum Album erstellt hat, muss ich nachher mal lesen, hab ich grad erst entdeckt! Lag das dem Album bei?Also meinem Exemplar nicht, aber Du weißt sicher, dass es der Holy-Ghost-Box beiliegt.
Sehr schöne Texte wieder mal, gyspy.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75Also meinem Exemplar nicht, aber Du weißt sicher, dass es der Holy-Ghost-Box beiliegt.
Sehr schöne Texte wieder mal, gyspy.
Danke!
Ähm… ich dachte mir doch, das Cover hätte ich schon gesehen… aber dass das dasselbe Booklet ist wie in der „Holy Ghost“ Box hatte ich noch nicht bemerkt…
Mal sehen, ob man irgendwo die ersten Trio-Aufnahmen finden kann, laut Chaloins Text war das ja eine sehr viel besser funktionierende Band als jene auf „My Name Is Albert Ayler“!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIn an interview for Down Beat, I once asked Albert and Don Ayler if they had any advice how to listen to their music. „One way not to,“ said Don, „is to focus on the notes and stuff like that. Instead, try to move your imagination toward the sound.“ Albert added: „You have to relate sound to sound inside it. You have to try to listen to everything together.“ „Follow the sound,“ Don broke in, „the pitches, the colors, you have to watch them move.“
Robert Palmer, 1978 (Liner Notes zu: Albert Ayler – The Village Concerts, Impulse IA-9336-2, nachgedruckt in: Albert Ayler – Live in Greenwich Village: The Complete Impulse Recordings, 2CD 1998
Im Jahr 1965 war Ayler mit einer neuen Band unterwegs. Die wichtigste Änderung: sein Bruder Donald spielte fortan für mehrere Jahre Trompete. Kein grosser Techniker und kein bedeutender Solist, wurde er doch zu einem partner in sound – und zugleich sollte die Bruder-Beziehung auch tragische Dimensionen annehmen. Donald Ayler erlitt um 1967/68 einen Zusammenbruch und verliess die Band, Albert Ayler scheint sich dafür die Schuld gegeben zu haben.
Der früheste dokumentierte Auftritt der neuen Band fand zu Silvester 1964/65 in Cleveland statt: Donald und Albert traten mit Charles Tyler (as), Mutawef Shaheed (damals Claude Shy) (b) und Larry Hancock (d) auf. Im Februar spielten sie in New York mit Lewis Worell (b) und Sunny Murray, auch mit Roswell Rudd und Pharoah Sanders. Zudem ist Ayler auch als Gast mit dem New York Art Quartet aufgetreten (er stiess da erneut auf John Tchicai und Roswell Rudd).
Am 28. März fand im Village Gate ein „Jazz Concert to Aid Harlem Repertory School“ statt, an dem neben Albert Ayler auch John Coltrane, Cecil Taylor, Archie Shepp, Grachan Moncur III, Sun Ra, Charles Tolliver, Bobby Hutcherson und Betty Carter aufgetreten sind.
Impulse hat die Auftritte mitgeschnitten und teilweise auf dem Album The New Wave in Jazz (AS-90) veröffentlicht. Von Ayler wurden anscheinend zwei Stücke mitgeschnitten, „Holy Ghost“ und „Saints“, aber nur ersteres ist auf Tonträgern erschienen. Mit Albert und Don spielten der Cellist Joel Freedman, Lewis Worrell und Sunny Murray. Das Stück ist auch auf der Doppel-CD Live in Greenwich Village: The Complete Impulse Recordings zu hören, auf der ansonsten die 1966/67 entstandenen Live-Aufnahmen für Impulse versammelt sind.
„Holy Ghost“ ist eine hektische Performance, getrieben von Lewis Worrells rasendem Bass und Sunny Murrays hektischen Rhythmen, oft mit repetitiven, intensiven Snare-Beats unterstrichen. Donald Aylers blechige, flächig gespielte Trompete ist zuerst zu hören, vor Alyer zu einem intensiven Solo ansetzt. Es folgt Joel Freedman mit einem tollen Cellosolo, das zu Beginn nur von Worrell begleitet wird.Am 1. Mai 1965 trat Ayler in der Town Hall auf. Mit ihm: Don Ayler, Charles Tyler, Lewis Worrell und Sunny Murray sowie ein unbekannter Perkussionist. Ein paar Wochen zuvor war Malcolm X ermordet worden, Ayler sollte ab diesem 1. Mai regelmässig im Programm des „Black Arts Repertory Theatre“ Unterschlupf finden. Zwanzig Minuten des Konzerts wurden auf einer einseitigen ESP‘-Disk LP veröffentlicht: Bells. Die Stimmung hat sich verändert, die Musik ist nicht mehr so jubilierend wie im Vorjahr, düstere, dunklere Stimmungen haben sich eingeschlichen. Neben den einfachen Melodien hören wir eine Tenor/Bass-Passage, die stark an einen Standard angelehnt scheint, auch dirge-ähnliche Passagen, wie sie für die nächsten Jahre prägend werden sollten.
Dan Morgenstern schrieb im Down Beat vom 15. Juli 1965 über diese Gruppe:
Albert Ayler is certainly original. His tenor saxophone sound, on fast tempos, is harsh and guttural, with a pronounced vibrato and a multitude of what used to be called freak effects in King Oliver’s day. He plays with a vehemence that startles the listener, either repelling him or pulling him into the music almost brute force. The effect can be oddly exhilarating.
On slow tempos, Ayler favors a vibrato so wide that it brings to mind Charlie Barnet’s old take-off on Freddy Martin. It is an archaic sound, and the phrasing that goes with it – drawn-out notes, glissandi, sentimental melodic emphasis – is quite in keeping.
Trumpeter Don Ayler plays like his brother plays fast tenor: loud, staccato, and broadly emphatic. …. He did not solo at slow tempo. Altoist Tyler fits the brothers. His sound is not unlike Albert’s but more grating and less controlled – some of his overtones were involuntary, whereas the tenorist meant every note he played to be.
The music that goes with this definitive instrumental approach is no less personal. It resembles at times – in texture as well as voicings and melody – the music of a village brass band or a military drum-and-bugle corps. In spite of its abrasiveness, the music is quite gay and friendly – „country“ might be the word for it. The harmonies are stark and almost primitive, with occasional forays into bagpipe effects.Den Verweis auf Freddy Martin versteh ich nicht ganz, Martin war ein Bandleader/Tenorsaxophonist, der wohl einen sehr publikumswirksamen Stil innerhalb der Swing/Tanzmusik der frühen 30er Jahre entwickelt hat… hat Barnet ihn parodiert? (Wikipedia über Martin)
Ich nehme jedenfalls an, dass es darum geht, dass Aylers Ton bisweilen kitschig und mit seinem Vibrato wie eine Parodie auf das „sweet“ Saxophon der Swing-Ära klingt.Die zwanzig Minuten Musik, die auf Bells dokumentiert sind sind jedenfalls grossartig – leider in ziemlich breiiger Klangqualität, vor allem Lewis Worrells Bass leidet darunter – man hört aber deutlich, dass er im Vergleich zu Gary Peacock sehr viel erdiger, tiefer spielt, ohne aber bloss ein einfaches Fundament zu liefern. In schnellen Passagen rast er in der Tiefe, während Murray drüber die Rhythmen durcheinanderwirbelt. Mit den Melodien und Ausbrüchen der Bläser darüber ist das eine durch und durch kathartische Performance.
Im September fand dann in der Judson Hall die nächste Studio Session für ESP statt, das resultierende Album war Spirits Rejoice. Neben den Ayler Brüdern, Tyler und Murray sind die beiden Bassisten Henry Grimes und Gary Peacock zu hören, sowie Call Cobbs am Cembalo.
Guy Kopelowicz hat eine Erinnerung an die Session geschrieben, der hier nachgelesen werden kann. Seine tollen Fotos sind zudem hier zu sehen (jene von W. Eugene Smith, der auf Guys Bildern einige Male auftaucht, scheinen nicht überliefert zu sein).
Den Down Beat Review des Albums hat Harvey Pekar verfasst, er gab ***1/2 – nachlesen kann man ihn neben diversen anderen hier.
Zur Musik kann ich selber erst wenig sagen, das Album ist mir bisher noch nicht so vertraut wie die Aufnahmen von 1964 oder „Bells“. Allerdings ist die Qualität der Aufnahme gerade im Vergleich mit „Bells“ ein Genuss, die beiden Bässe und Murray spinnen ein dichtes Netz, über das die drei Bläser ihre mal repetitiven gesanglichen Melodien, mal frenetisch irren kollektiven Passagen und ihre expressiven Soli blasen.
Die Stimmung ist weniger düster als auf „Bells“, aber zugleich fehlt es etwas an ruhigeren Passagen, die Atmosphäre scheint aufgeladen, „charged“, die Musik ist dicht und nervös, es gibt aber auch hier die Momente der wiederholten folklore-artigen Motive, einfach brechen die Musiker daraus nicht in jubilierende Soli aus sondern in grübelnde, hektische Improvisationen.
Call Cobbs‘ Cembalo ist nur auf dem Stück „Angels“ zu hören – es bringt eine surreale Komponente in die Musik, Aylers „shaky“ Tenor klingt fast wie eine Parodie… ein Moment grossartigen Kitsches!Die letzte Aufnahme aus dem Jahr 1965 entstand im November unter Leitung von Sunny Murray. Drei der Stücke erschienen auf der LP auf dem Jihad Label, das vierte erschien auf einer 45 rpm Single. Anstelle von Donald Ayler ist hier wieder Don Cherry an der Trompete zu hören, dazu die beiden Bassisten Grimes und Worrell und natürlich Murray am Schlagzeug. Leroi Jones (dessen Label Jihad meines Wissens war ) stösst auf „Black Art“ als Rezitator eines eigenen Textes zur Gruppe.
Das Inlay, das der LP beilag, findet sich hier. Wie aus Max Harrisons Kritik und seinem später nachgeschobenen Brief deutlich wird, wurde dieses Album schon damals kritisch aufgenommen, vor allem wegen Leroi Jones ausfälligem und rassistischen „Gedicht“. Die beiden langen Stücke „Virtue“ und „Justice“ sind jedoch toll, Cherry ist auch hier wieder eine Bereicherung, eine eigenständige Stimme im Fluss der dichten Musik. Ayler ist allerdings – obwohl Sideman – enorm prägend und die Achse zwischen ihm, Cherry und Murray fuktioniert hervorragend. Mir gefallen die beiden Stücke jedenfalls eher besser als „Spirits Rejoice“, obwohl dieses gerade durch seine atemlose Dichte einen ganz eigenen Reiz entwickelt.Abschliessend für heute möchte ich noch – im Rahmen des bigger picture – auf die Debatte hinweisen, die 1983 im damals ganz jungen Wire stattfand. Sie kann hier nachgelesen werden, einige Punkte, die Mike Hames macht, halte ich für wichtig und gültig. Spannend auch die Ayler-Zitate, die eingestreut sind.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIch höre nun also die allerersten eigenen Aufnahmen von Albert Ayler, die am 25. Oktober 1962 in Stockholm entstanden sind mit dem Bassisten Torbjorn Hultcrantz und dem Drummer Sune Spangberg.
Sehr bemerkenswerte Musik! Die Rhythmusgruppe ist offen, geht mit Ayler mit, durch das Fehlen eines Harmonieinstrumentes hat die Musik viel Raum, den Ayler nutzt, sein Ton ist schon hier höchst unkonventionell, von den späteren Elementen fehlt vor allem das parodistisch-kitschige (das Ayler ja bestimmt ernst gemeint hat als Mittel der Expression, aber ich kann’s nicht besser beschreiben).
Die Setlist der beiden LPs ist ziemlich konventionell auf den ersten Blick. Die Standards „I’ll Remember April“, „Softly as in a Morning Sunrise“ und „I Didn’t Know What Time It Was“, die Originals „Tune Up“, „Moanin'“, „Good Bait“, ein einziges Ayler-Stück namens „Free“ (laut Brian Priestley wohl ein Take von „Moanin'“, bei dem das eröffnende Thema fehlt), sowie die Paradenummer Aylers, das simple Sonny Rollins Thema „Sonnymoon for Two“ (das hier unter dem Titel „Rollins‘ Tune“ fungiert). Das thematische Material bildet durchaus den Ausgangspunkt für die Soli, aber Ayler geht in seiner ungehemmten Expressivität, den Flektionen und Multiphonics weit über konventionelles „jammen“ hinaus. Die Rhythmusgruppe hört zu, ist flexibel was das Tempo und die Dichte der Begleitung betrifft, setzt manchmal fast völlig aus, treibt dann die Musik wieder voran. Das Begleitgespann war schon seit einiger Zeit miteinander vertraut, hatte in der Gruppe von Bernt Rosengren gespielt und auch Bud Powell während Auftritten in Schweden begleitet. Gegen Ende des langen Textes von Marc Chaloin wird Spangberg aus einer Erinnerung, die er 1992 verfasst hat, zitiert:
But now, together with Albert Ayler, this whole experience was a matter of an entirely different way of traveling. For sure, I have never experienced such ease of flying. Everything about it was like a giddy adventure of bearing or bursting. Can we feel the ground? Are we keeping it up? Is my time right? Are the harmonic patterns okay? And at the same time, that relaxed, self-evident reciprocity. … Audacious phrasing and capricious rhythmic groupings, often with unexpected leaps and displacements, made it so that the form itself was broken up to float in suspension. Ayler moved with superb freedom in a music that was transparent and seemingly without bar lines. What deliverance and release to yield to all this as a participant! Like being lifted up high and empowered to discern unending possibilities! A spontaneous and unhesitating flood of inspiration, at the same time conscious and unconscious. Like a blessed gift of grace–it isn’t I who is playing–I allow myself to be played. But if for a moment I would ask myself how this condition is possible, logically to seek to understand how it happens–then in an instant I would lose everything, the wholeness is broken …
Die Komplizenschaft hört man der Musik durchaus an und das grenzt sie auch ab von der Aufnahme des folgenden Jahres, die als „My Name Is Albert Ayler“ erschienen sollte. Jedenfalls wird hier bei allem Epigonentum – Sonny Rollins‘ motivische Improvisation stand bestimmt Pate! – deutlich, wohin Ayler unterwegs war, und dass es auch 1962 in Europa bereits Musiker gab, die gewillt und einigermassen in der Lage waren, diesen Weg mitzugehen.
Niels Bronsteds Erinnerung an die Kopenhagener Session im Januar 1963 liest sich (auch wieder aus Chaloins Bericht) ziemlich anders:
As for Brønsted, he frankly admits that he „couldn’t relate to [Ayler’s] style of music“ and that he did not like the record at all: „I think it is embarrassing to hear. … But especially my own playing is horrible on that record.“ The pianist-turned-theosophist (he quit playing music in the mid-’70s) liked Ayler as a person but is skeptical as to the extent of his technical abilities–something he finds very difficult to evaluate in a musician who plays so differently from everybody else. „Because you don’t know if what comes out of the horn comes out voluntarily or by chance. I think a little bit of both. … But I don’t think he was completely in control of what was happening with his fingers … He was more like a big heart trying to expressing himself through a limited ability.“ Brønsted nonetheless concedes that Ayler had „a certain control of his tone, histone color or what you call it: the harmonic sound of his horn,“ as well as „a lot of things to express,“ and that „on ‘Summertime’ maybe, he said some of them.“
Vor dem Hintergrund der drei 1962/63er Sessions (die erste fand im Juni in Helsinki mit Herbert Katz statt – siehe oben) wird auch die herausragende Bedeutung klar, die den 23 Minuten zukommt, die im November 1962 mit Cecil Taylors Trio dokumentiert worden sind, sie sind in der Tat das „missing link“:
Historically speaking, this 23-minute performance is the first recording from anywhere in the jazz spectrum of a long-form improvisation with no overt synchronization – of time, structural harmony, or song. That may seem merely statistical, but while the fact is an important milestone, the real story is that Taylor-Lyons-Murray + Ayler could play in an artistically meaningful free space with such balance and fluidity. „Four“ is, as tenor saxophonist Mats Gustafsson has put it, the missing link.
~ Ben Young, The Sessions, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 140
In dieser einen Aufnahme mit Taylor kommt alles zusammen, was Aylers Musik ausmachen würde – zum ersten Mal. Der Kontrast von Lyons apollonischem und Aylers dionysischem Approach funktioniert zudem wunderbar und bringt – auch im Vergleich mit den grossartigen Aufnahmen, die auf „Nefertiti“ dokumentiert sind – eine wesentliche Bereicherung für den Sound der damaligen Cecil Taylor Unit.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDas Albert Ayler Quintett vor dem Slugs‘ in New York, v.l.n.r.: Donald Ayler, Albert Ayler, Lewis Worrell, Ronald Shannon Jackson, Michel Samson (Photo: Ole Brask)
Das Jahr 1966 ist dasjenige, in dem Ayler am häufigsten dokumentiert wurde – besonders von der Europa-Tournee im November existieren mehrere Aufzeichnungen. Allerdings liegt mit „Spirits Rejoice“ die letzte grosse Studio-Scheibe schon eine Weile zurück, ein nächstes Studio-Album sollte erst mit „Love Cry“ (Impulse 1968, rec. 1967/68) folgen, das bereits die Spätphase von Aylers Werk einläutete. Wir stehen hier allerdings gerade erst am Beginn der mittleren Periode.
Ayler was a jammer from the beginning. As a young adult, he haunted the Euclid Avenue and Kinsman Road clubs in Cleveland’s east side, then he haunted the Paris Left Bank clubs while stationed in nearby Orléans. In addition to checking up on the organ-combo scene on 125th Street, he installed himself for most of his first year in New York at the Take 3 Coffee House on Bleecker Street.
Settling later into his middle period Ayler also settled into Slugs‘ as his regular perch. For the rest of his career, but especially in 1966, Slugs‘ was the most consistent place to find Ayler. His memorable shows at the club are preserved in a couple of hours of audio recordings, dozens of photographs, and hundreds of stories from those who took part or bore witness.
~ Ben Young, The Sessions, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 146
Aus dem Slugs‘ stammt das erste Dokument von 1966: zwei Ausschnitte, in denen Ayler mit dem Quartett des Pianisten Burton Greene zu hören ist. Der eine Auschnitt ist auf der „Holy Ghost“ Box zu hören, dieser sowie ein zweiter waren davor auf dem „Ayler Tree“ in Zirkulation. Neben Ayler ist Frank Smith am Tenorsax zu hören, Steve Tintweiss spielte Bass und Rashied Ali sass am Schlagzeug. Greenes eigenes ESP-Disk‘ Album ist übrigens unter dem Titel Bloom in the Commune auf CD greifbar – neben Frank Smith ist Marion Brown am Altsax zu hören, Henry Grimes spielt Bass, Dave Grant und Tom Price spielen Schlagzeug – und als Bonus enthält die CD längere Interviews mit Greene.
Albert & Donald Ayler, The Village, New York, 28. März 1965 (Photo: Charles Stewart)
Im April wurde Ayler im La Cave in Cleveland mitgeschnitten. Diese Aufnahmen bilden gewissermassen Herzstück der „Holy Ghost“ Box. Auf zwei CDs finden sich jeweils zwei Sets vom 16. und 17. April 1966 mit Don Ayler (t), Michel Samson (v), Mutawef Shaheed (damals Claude Shy) (b) und Ronald Shannon Jackson (d). Am zweiten Abend stösst Frank Wright (ts) fürs zweite Set zur Band.
Mit dieser Band war Ayler für längere Zeit unterwegs, nur Shaheed wurde bald durch Lewis Worell und später durch William Folwell ersetzt und Jackson machte Platz für Beaver Harris, später ersetzte Milford Graves diesen. Michel Samsons Präsenz – ein Weisser! und was spielt er? Violine! – war damals für viele eine Provokation, Ayler hielt aber an ihm fest.
Samson stammte aus den Niederlanden und war in Cleveland, um solo klassische Stücke zu spielen an der Eröffnung des Kleiderladens von Peter Bergman, der wiederum Aylers erstes Konzert als profesioneller Musiker in seiner Heimatstadt organisiert hatte. Ben Young zitiert Samson wie folgt:I looked in the newspaper and saw that Albert Ayler was playing; „Why don’t we go there?“ – this was in the afternoon – „Maybe they’re jamming.“ I had heard about Albert Ayler but never heard his music. So we went over to the club. They were playing; I introduced myself and asked if I could sit in. He asked me to play with them. It was very simple; you could do whatever you wanted. Although there was a tremendous prejudice against white musicians, being European broke the barrier. That started a relationship of almost two years
But Samson’s entry into the scene was not unanimously hailed. Ayler’s alto saxophonist Charles Tyler, still a stalwart follower of Elijah Muhammad, wanted no part of an integrated bandstand. He left La Cave without playing a note and in the same stroke permanently left the band once it became clear that Samson would be part of the first show. On his way out, Tyler passed Cleveland jazz enthusiast Jon Goldman going in. At Ayler’s last-minute request Goldman tape-recorded the second and third nights of the engagement […].
~ Ben Young, The Sessions, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 148
Ronald Shannon Jackson war neu in der Band, Shy war nur für diesen Gig in Cleveland engagiert worden. Samsons Präsenz war noch so neuartig, dass die anderen Musiker während vieler seiner Soli fast ganz aussetzen – die Aufnahmen schwanken daher zwischen sehr ruhigen Passagen und den bekannten, lärmigen und intensiven Tutti.
Schnell wird auch deutlich dass das Zusammenspiel von Donald und Albert Ayler sich entwickelt hat: Sie haben in der Zwischenzeit das Konzept ihres gemeinsamen Spiels verfeinert, an den Motiven und deren Harmonisierung gefeilt.
Don Ayler spielt stark auf, etwa auf „Spirits“, das sonst nicht bekannt ist von Aufnahmen mit ihm, Auch auf dem grossartigen ausgedehnten „[F# Tune]“ spielen er und Albert in einer aussergewöhnlichen und ungewohnten Tonart tolle Soli und Ensemble-Passagen.
Samson wiederum wurde mit grosser Rasanz zu Aylers Mann des Vertrauens: schon am zweiten Tag des Engagements im La Cave (dem ersten, der aufgenommen wurde), spielten Albert und Samson eine Duo-Ballade, „[untitled minor waltz]“. Samson sollte in der Folge zum Gewährsmann und Begleiter für Aylers lyrische meist in Moll-Tonarten und ohne festes Metrum vorgetragenen Balladen-Exkursionen – auf den Slugs’s Aufnahmen taucht das Motiv als „Initiation“ wieder auf, im Village Theatre Konzert im Februar 1967 folgte dann „For John Coltrane“, und „Zion Hill“ kann man hier aus dem La Cave mit Samson hören und dann auf dem Album „Love Cry“ mit Call Cobbs, der nach der Auflösung der Band den Part des Balladen-Begleiter wieder übernahm.Im langen zweiten Set des letzten Abens lud Ayler seinen bekanntesten Clevelander Schüler ein, mit der Band zu spielen, Frank Wright. Dessen Präsenz ist unmittelbar spürbar, die Gruppe schaltet einen Gang höher, die Musik ist dichter, härter, lauter – Ronald Shannon Jacksons Spiel vermag immer wieder mitzureissen und zu begeistern. Wrights Soli (im Buch zu „Holy Ghost“ findet sich dankbarerweise ein Solo-Chart) stehen jenen von Ayler wenig nach an roher Kraft.
Ben Young fasst die Musik von 1965/66 (und wohl bis Anfang 1967) wie folgt zusammen:
For many, the dominant impression of Ayler’s 1965-66 music is one of predictability. Once Albert brought his brother into the group on trumpet – an instrument relatively new to Don – an organizing principle was required that could accomodate the members‘ relative skill levels. So he ultimately traded a large part of 1964’s absolute freedom of small- and large-scale structure for the highly arranged and regular formula of the quintet.
~ Ben Young, The Sessions, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 153
Zwei Wochen nach dem Engagement in Cleveland wurde Aylers Gruppe – mit Lewis Worrell am Bass – im Slugs‘ Saloon in New York erneut aufgezeichnet. Die Aufnahmen erschienen zuerst als Bootlegs (und sind bis heute als solche greifbar, etwa auf Lonehills „Complete Live at Slugs‘ Saloon“ auf der wie der Titel schon verrät ein Stück fehlt) auf dem Italienische Base Label, später wurden sie von ESP-Disk‘ aufgelegt und sind derzeit in einer 2CD-Ausgabe von 2005 greifbar.
Diese „Fenster in die Vergangenheit“ – sowohl die Aufnahmen aus Cleveland als auch jene aus dem Slugs‘ – sind für mich enorm wertvolle Zeugnisse und Dokumente. In aller Ungeschliffenheit erlauben sie, nachzuhören, was damals live ablief – nicht geplant, konzipiert und im Studio unter ganz anderen Bedingungen aufgenommen, sondern Schnappschüsse aus dem Alltag der Musiker. Da sehe ich auch gerne von den Unebenheiten der Aufnahmen ab! Überdies dünkt mich, je mehr Musik ich höre, desto unwichtiger wird mir die Qualität der Aufnahmen, desto grösser wird die Faszination für solche Dokumente, fast egal, wie rauh sie klingen!Musikalisch sind die Aufnahmen eine wahre Freude. Die Gruppe ist eingespielt, Jacksons Drums werden immer vielseitiger, feiner abgestimmt. Samson ist mittlerweile besser in die Arrangements eingebettet, seine Geige verschmiltzt oft mit Don und/oder Alberts Sound, ganz neue Klänge entstehen – sehr faszinierend, die Vorstellung dass ein klassicher Geiger einfach so spontan in diese Gruppe einsteigt… und noch viel faszinierender das musikalische Ergebnis! Glücklicherweise wurde ja die kurze Europa-Tour im November ausführlich dokumentiert – doch davon später mehr.
Eine sehr ausführliche Analyse sowohl der Publikationsgeschichte wie auch der Musik auf „Slugs‘ Saloon“ hat Sean Wilkie verfasst.
Elisabeth van der Mei hat in Down Beat (14. July 1966, Vol. 33, Nr. 14. S. 30f.) eine Konzertkritik eines Auftrittes von Anfang Mai im Village Vanguard veröffentlicht:
A dexterous player, in no way slowed by technical shortcoming, Ayler extracted from his tenor saxophone a wildly varied series of sounds, making “ghosts” travel through an abundance of emotions, playing freely at a height most tenor players can hardly reach and then diving deep into the huskiest ranges of his instrument, coming back to the theme, from which a sparkling trumpet solo grew into a crashing wildfire of sound. Tenor then joined trumpet, surging into a splashing waterfall of music.
Once one learns to listen, patterns become apparent, and their intricacy can be astounding.
Technically brilliant, Sampson was remarkable in showing how two different worlds of music blended into a new sound so exciting and with such a forceful feeling of joy for life that it literally stirred a cheering audience to its feet.
[…]
There was a tune, untitled as yet, with changing tempos, that builds into a near symphonic pattern; there was what could have been an East European folk song, full of nostalgia, during which sometimes the sound of the tenor and of the violin could hardly be distinguished, together creating a delicate musical weave of exquisite beauty; and Our Prayer, written by Don Ayler, a majestic tune and a real powerhouse, permitting Albert to plunge into a devastatingly forceful solo, with the rest of the group repeating the melody line.
Worrell’s inventive bass playing added greatly to the excitement, and Jackson, although with Ayler only a few months, created an illusion of rhythm rather than a beat. He and Worrell gave that particular brand of strong vibrations indispensable behind the strong Ayler horns.
[…]
When first encountering this free-flowing force, one might be slightly taken aback, but in the end one walks away overwhelmed by the force, joy, and excitement of the Ayler sound.Van der Mei war 1964 aus Holland in die USA gekommen und arbeitete auch als Assistentin für Stollman bei ESP. Ihre kurze Konzertkritik offenbart ein grosses Verständnis für Aylers Musik.
Im Mai fand im New Yorker Village Vanguard anscheinend die zweite Begegnung dieses Jahres mit John Coltrane statt, als Ayler zu dessen Band stiess (Pharoah Sanders, Alice Coltrane, Jimmy Garrison, Rashied Ali). Ein erstes Mal haben die beiden schon im Februar im Rahmen des „Titals of the Tenor“ Konzertes in der Philharmonic Hall im Lincoln Center zusammen gespielt (mit derselben Band plus Carlos Ward, Don Ayler und J.C. Moses) – etwas mehr dazu habe ich im Chronological Coltrane Thread geschrieben.
Bis zur Europa-Tournee im November ist wenig bekannt über Aylers Leben – Gigs scheint er nur vereinzelte gehabt zu haben. Anscheinend ist er allerdings Mitte 1966 bei Kenny Dorham reingesessen – ausgerechnet! Roland Shannon Jackson erinnerte sich daran in einem Interview mit Mitch Goldman am 26. Juni 1987:
„One night Albert and I were hanging out at the Dom, and Philly Joe Jones was playing there with – I think – Kenny Dorham’s group; Miles came by, and he sat in. They had just been playing a regular set. Albert took out his horn between the compositions they were playing, and started playing ‚Summertime‘ and the whole place became … mesmerized, transformed. Cash registers stopped ringing; the waitresses stopped where they were – like still motion on a camera. The band didn’t play. Everything just transcended that place and went to where he took the song. It was like we were on some kind of ship. And when he got through, he brought us all back. And then the band started back up and kept on going. But that was the kind of power he played with. When he played, you’d have to stop and listen. He sucked all the air out of the room and turned it back into a wonderful … lightness.“
~ Ben Young: Witnesses, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 126
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIm November 1966 erschien in Down Beat ein Interview, das Nat Hentoff im Herbst mit Albert und Donald Ayler geführt hatte. Der vollständige Text findet sich hier.
“I went for a long time without work,” Albert said. “Then George Wein asked me to come to Europe with a group of other people for 11 days starting Nov. 3. I hope to be able to add five or six days on my own after I’m there. Henry Grimes and Sunny Murray will be with Don and me. But before I heard from Wein, I’d stopped practicing for three weeks. I was going through a thing. Here I am in Time, in Vogue, in other places. But no work. My spirits were very low.”
[…]
“What is its ideology?” I asked.
“To begin with,” Albert answered, “we are the music we play. And our commitment is to peace, to understanding of life. And we keep trying to purify our music, to purify ourselves, so that we can move ourselves—and those who hear us—to higher levels of peace and understanding. You have to purify and crystallize your sound in order to hypnotize. I’m convinced, you see, that through music, life can be given more meaning. And every kind of music has an influence—either direct or indirect—on the world around it so that after a while the sounds of different types of music go around and bring about psychological changes. And we’re trying to bring about peace. In his way, for example, that’s what Coltrane, too, is trying to do.
“To accomplish this, I must have spiritual men playing with me. Since we are the music we play, our way of life has to be clean or else the music can’t be kept pure.”
This meant, he continued, that he couldn’t work with someone addicted to narcotics or who otherwise is emotionally unstable.
Das passt vielleicht zur Lesart von Ayler, die nail im Eingangspost vorschlägt.
Spannend ist es alleweil.
Auch, dass Ayler Lester Young als Vorbild nennt („The way he connected his phrases. The freedom with which he flowed. And his warm tone.“) und dann auch Sydney Bechet erwähnt… der New Orleans Jazz war ab 1965 ein wichtiger Einfluss für die Musik Aylers – d.h. er war wohl schon zuvor wichtig, aber in den Bands ab 1965 wird er wahrnehmbar in den Arrangements, der Art und Weise des Zusammenspiels, das aus einer Balance von Freiheit und kollektiver Organisation lebt.“The thing about New Orleans jazz,” Don broke in, “is the feeling it communicated that something was about to happen, and it was going to be good.”
“Yes,” Albert said, “and we’re trying to do for now what people like Louis Armstrong did at the beginning. Their music was a rejoicing. And it was beauty that was going to happen. As it was at the beginning, so will it be at the end.”
„old time religion“!
Sehr schön auch die Antwort auf die Frage, wie sie den Leuten empfehlen würden, an ihre Musik heranzutreten:
“One way not to,” Don said, “is to focus on the notes and stuff like that. Instead, try to move your imagination toward the sound. It’s a matter of following the sound.”
“You have to relate sound to sound inside the music,” Albert said. “I mean you have to try to listen to everything together.”
“Follow the sound,” Don repeated, “the pitches, the colors. You have to watch them move.”
“This music is good for the mind,” Albert continued. “It frees the mind. If you just listen, you find out more about yourself.
“It’s really free, spiritual music, not just free music. And as for playing it, other musicians worry about what they’re playing. But we’re listening to each other. Many of the others are not playing together, and so they produce noise. It’s screaming, it’s neo-avant-garde music. But we are trying to rejuvenate that old New Orleans feeling that music can be played collectively and with free form. Each person finds his own form.”
[…]
[Albert:] “You see, everyone is screaming ‘Freedom,’ but mentally, everyone is under a great strain. But now the truth is marching in, as it once marched back in New Orleans. And that truth is that there must be peace and joy on earth. Music really is the universal language, and that’s why it can be such a force. Words, after all, are only music.”
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Nachdem ich hier mitgelesen habe, habe ich mir vorgestern Abend nach Jahren des ‚drumherumschleichens doch noch „Holy Ghost“ bestellt und heute schon bekommen: ist ja ein phänomenal gutes Teil und die Musik läßt mich gerade im positiven Sinne schwer in’s Grübeln kommen!
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Na, dann hat sich der Thread doch schon gelohnt. :sonne:
Sehr interessante Posts, gypsy. Dieses Interview kannte ich gar nichts. Passt wirklich – fast überraschend – gut.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Im November ging Ayler mit seiner Band auf eine kurze Europa-Tournee – die Agenda:
3. November – Jazzfest Berlin, Philharmonie
ca. 4., 5. oder 6. November – SWF TV-Studio, München
7. November – Lörrach
8. November – De Doelen, Rotterdam
ca. 9. November – Helsinki
10. November – Koncerthus, Stockholm
11. November – Tivolis Koncertsal, Kopenhagen
13. November – Jazz Festival Paris, Salle Pleyel (2 Konzerte, das zweite eigentlich am 14. November)
15. November – „Jazz Goes to College“, London School of Economics, LondonEs gab überdies auch noch einen nicht genau zu datierenden Auftritt in Amsterdam, vermutlich im Concertgebouw.
(gemäss: Ben Young, Carlos Kase: „Sightings“, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 204)
Die Band:
Don Ayler – Trompete
Albert Ayler – Tenorsax
Michel Samson – Violine
Bill Folwell – Bass
Beaver Harris – DrumsDie Auftritte von Berlin und Rotterdam finden sich auf CD5 der „Holy Ghost“ Box, diejenigen aus Lörrach und Paris (nur das 2. Konzert nach Mitternacht wurde anscheinend mitgeschnitten) auf der Hat CD „Lörrach, Paris 1966“ (greifbar derzeit am ehesten als hatOLOGY 573 – erschienen 2002, mittlerweile leider wieder vergriffen). Zudem sind Aufnahmen vom 10. und 11. November überliefert – sie finden sich auch auf dem „Ayler Tree“, der vor der „Holy Ghost“ Box viele Lücken schloss.
Ich wiederhole nochmal die Einleitung, die Ben Young zur in „Holy Ghost“ enthaltenen Musik jener Zeit schrieb:
For many, the dominant impression of Ayler’s 1965-66 music is one of predictability. Once Albert brought his brother into the group on trumpet – an instrument relatively new to Don – an organizing principle was required that could accomodate the members‘ relative skill levels. So he ultimately traded a large part of 1964’s absolute freedom of small- and large-scale structure for the highly arranged and regular formula of the quintet.
~ Ben Young, The Sessions, Liner Notes zu: Albert Ayler, „Holy Ghost: Rare & Unissued Recordings (1962-70), Revenant, ca. 2004, S. 153
Der Ablauf der Konzerte änderte sich kaum, das Urteil – sollte es denn zutreffen – wäre damit ein ziemlich hartes Verdikt.
Die Musik Aylers war wohl ein ziemlicher Fremdkörper auf dieser Tournee – sie wurde organisiert von George Wein unter dem „Newport Jazz Festival“ Banner, die Bands waren zumeist bereits für das 1967er Festival engangiert: Stan Getz, Illinois Jacquet, Max Roach, Sonny Rollins (er sprang für Coltrane ein, der absagen musste), Dave Brubeck und Jo Jones waren dabei.
Berlin, 3. November (Holy Ghost)
Laut Young (S. 154, ebenda) war das Publikum in Berlin das grösste, vor dem Ayler bis anhin gespielt hatte. Das Ergebnis ist ein sehr starkes, äusserst dichtes und konzentriertes Set – leider nur ca. 27 Minuten kurz. Don Ayler hielt seinen Beitrag zu diesem Konzert für einen der Höhepunkte seiner Karriere.
Die Musik ist wunderbar, Gruppenmusik, ein steter Fluss an Ideen und Klängen, die Geige und Folwells zeitenweise gestrichener Bass liefern grossartige Texturen, über die Don sich erhebt und durch die Albert streckenweise durchbricht mit seinem ungezähmten Tenorsax… auf „Omega“ klingt die Band wie eine Mischung aus Renaissance-Truppe und bergamaskischem Folk-Jazz im Stile Trovesis, Dons Trompete tänzelt, im Unisono mit Alberts Tenor, die Geige flirrt, Folwell spielt eine Art Kontrapunkt, wieder am gestrichenen Bass… und Harris schaut hie und da mit Marsch-Rhythmen vorbei.
Die Setlist: Ghosts, Bells, Truth Is Marching In, Omega, Our Prayer.Lörrach, 7. November (Hat)
In den Tagen vor dem Konzert in Lörrach fanden im SWF TV-Studio in München anscheinend Studio-Aufnahmen statt. Leider scheinen sie nicht überliefert zu sein.
In Lörrach sah die Setlist etwas anders aus: Bells, Prophet, Our Prayer / Spirits Rejoice, Truth Is Marching In.
In „Bells“ ist sofort wieder diese Mischung aus Marschmusik und Folklore, die gestrichenen Texturen der Streicher, darüber melodieseeligen Ayler-Brüder, dazu Harris… wunderbar! Don spielt dann ein längeres ziemlich tolles Trompetensolo (das Stück ist mit seinen 13:30 das längste überlieferte von dieser Tour).
Peter Niklas Wilson (siehe unten zu London) trifft es ziemlich genau: Die Musik bereitet grosse Freude und hat eine Unmittelbarkeit, die selten so stark empfunden werden kann. Grossartig etwa der kurze Moment des Innehaltens, wenn die Gruppe von „Our Prayer“ in „Spirits Rejoice“ (bzw. die „Mayonnaise“, wie Ayler sie genannt haben soll) wechselt.
Das gute alte „Ghosts“ klingt mit Samsons Gefiedel und Folwells gestrichenem Bass völlig neu, das Tempo ist schneller, Don trägt die Melodie, während Ayler sie umspielt und manchmal, so scheint mir, fast juchzt durch sein Instrument – eine sehr urchige Angelegenheit, die im nächsten Moment im hektischen Fluss und in Harris‘ Trommelgewittern untergeht… der Kontrast zur Musik von 1964 ist in der Tat sehr gross.
Auf dem abschliessenden langen „Truth Is Marching In“ setzt Ayler dann zu einem ausführlichen, grossartigen Tenorsolo an, schreit, windet sich, begleitet über weite Strecken nur von Beaver Harris‘ intensivem Getrommel.
Diese Aufnahme ist mit über 41 Minuten die längste von dieser Tour – und sie klingt vergleichsweise gut, besonders Samson kann hier für einmal adäquat gehört werden!
Die Setlist ist hier etwas verwirrend, siehe Anmerkungen hier.Rotterdam, 8. November (Holy Ghost)
„There were crazy scenes, almost like with the Beatles“, Michel Samson (now teaching violin at the University of Louisville/Kentucky) recalls. „In Rotterdam people stormed the stage. Same thing in Paris, in Stockholm.“
This kind of enthusiasm would make the musician and his brother forget that the organizers of the tour did not exactly treat them like royalty. As Bill Folwell put it: „There was an A-tour, and we were the B-tour.“ While Stan Getz or Dave Brubeck stayed in the first class hotels, the musicians of the Ayler group might have to make do with three-bed rooms without bath.~ Peter Niklas Wilson, Liner Notes zu „Albert Ayler – Lörrach, Paris 1966“, hatOLOGY 573, 2002
„Free Spiritual Music“ – so beschreibt der Peter de Wit in seiner Ansage, was gleich folgen sollte… die Setlist: Truth Is Marching In, Bells, Spirits Rejoice, und zuletzt ein Titel, der als „Free Spiritual Music“, part IV aufgeführt wird.
Für einmal wirkt die Musik hier auf mich etwas fahrig, zerfasert. Erst bei „Spirits Rejoice“ fängt der Zauber langsam zu funktionieren an – wunderschön die kammermusikalischen Passagen in der Mitte des Stückes… und wie Harris dann zum Marsch trommelt!
Rotterdam, 8. November 1966
Don Ayler, Albert Ayler, Michel Sampson
Photo: Boudewijn van GrevenbroekDer Ayler betreffende Teil des Programmheftes findet sich hier (wo man überdies erfährt, dass Harris – nachdem er das Konzert mit disintegrierendem Drumkit überstanden – eine enorme Menge Meatballs verdrückt habe – sympathisch, der Mann!)
Stockholm, 10. November (Ayler Tree)
In Schweden schnitt das Fernsehen Aylers Auftritt mit: Truth Is Marching In, Omega Is the Alpha und Our Prayer standen auf dem Programm. Ayler ist wunderbar, wie er im Singsang das Thema des ersten Stückes präsentiert. Leider lässt die Qualität ein wenig zu wünschen übrig, besonders Folwell geht (wie schon auf der Berliner Aufnahme) etwas unter.
Kopenhagen, 11. November (Ayler Tree)
Aus Kopenhagen existiert ein Radio-Mitschnitt in etwas schlechterer Qualität aber mit ziemlich viel Bass im Mix. Nach einem Intro (Ayler habe Angst, „he doesn’t look sharp enough“, weil sein Gepäck beim Flug nach Kopenhagen verlorgen gegangen sei) folgen: Truth Is Marching In, Holy Ghost/unknown title/Light in Darkness, Our Prayer, sowie ein unbekanntes und leider unvollständiges Stück.
Die Band wirkt lebending und vor allem Harris reagiert auf jedes musikalische Ereignis. Das Medley mit dem unbekannten Stück in der Mitte und dem neuen „Light in Darkness“ (es wurde auch in Paris gespielt und dann im Februar 1967 für Impulse im Village Theater offiziell aufgenommen) ist grossartig! Ein Schwanken, ein Kommen und Gehen von Stimmen und Tönen, Folwells gestrichener Bass trägt sehr viel bei.Jazz Festival Paris, 13. November (Hat)
Die Aufnahmen von dieser Tour enden mit dem kürzesten Mitschnitt, der in Paris am zweiten Konzert nach Mitternacht (also eigentlich am 14. November) stattfand. Die Gruppe spielt: Ghosts, Spiritual Rebirth/Light in Darkness/Infinite Spirit, und All/Our Prayer/Holy Family. Wieder ist die Setlist etwas verwirrend (wir hatten die Anmerkungen zum Hat-Release schon oben – in der Tat erklingt im ersten Stück auch das Thema von „Ghosts“ mal kurz).
Die Musik ist wieder in guter Qualität eingefangen, Samson profitiert davon am stärksten, das Gewebe aus Tönen und Klängen, der Teppich aus Sounds und Beats wird wieder deutlich hörbar – und das tut der Musik sehr gut, da sie vom Wechselspiel aus ruhigen und dichten, schnellen, aus kammermusikalischen, melodieseelig-volksmusikartigen Momenten und wilden Ausbrüchen lebt. Zu Beginn des dritten Stückes singt (heult? jault?) die ganze Band kurz gemeinsam – ein gespenstischer Augenblick, der sich dann aber einem Choral-artigen Thema („Our Prayer“) auflöst.
Die insgesamt tollen Aufnahmen dieser Tour kommen mit dem Pariser Mitschnitt zu einem jubilierenden Abschluss – der Empfang scheint in der Salle Pleyel besonders warm gewesen zu sein, die Aylers danken es mit einem Konzert, das unmittelbar euphorisierend wirkt – und wie Wilson das (in seinen Notes zur hatOLOGY CD) beschreibt eben auch die Einsamkeit auslöst, die damit einhergeht…
Jacques Reda hat für Jazz Magazine einen Bericht geschrieben.London School of Economics, 15. November
Das Konzert (zwei halbstündige Sets) wurde von BBC 2 aufgezeichnet, aber nie ausgestrahlt. Es war das Skandalkonzert der Tour… Bill Folwell äussert sich in einem Audio-Interview ausführlich dazu, Part 3 (ab ca. 10:40, bis ca. 20:10, danach geht’s noch kurz weiter über die Village Konzerte): http://www.ayler.co.uk/html/interviews.html
The BBC people, who recorded the concert for the TV program „Jazz 625“, however, failed to get the spiritual message, refused to broadcast the recording and destroyed the tapes. „Our music is pure art. It’s like I’m moving, like I’m creating the truth. I’m not trying to entertain people, I’m playing the truth for those who can listen“, the musician told British jazz journalist Val Wilmer. To those who couldn’t listen or had their reasons not to want to listen, it added up to little more than mayhem. „The group sounded at times like a Salvation army band on LSD, with Michel Samson’s expert, sophisticated, wholly non-jazz fiddling adding a diabolical note“, a reviewer wrote after the Ayler appearance at the 1967 Newport Festival, and concluded: „Sincerity, alas, has never yet sufficed to make notable art.“ Granted, but this misses the point. For a category like „notable art“ („pure art“, as Albert A. put it) seems strangely irrelevant when listening to this incomparable synthesis of the simples of melodies and the wildest of musical bursts of energy. There is simply nothing calculated, nothing premeditated, nothing contrived about this music. Its emotionality, itsélan vital, its sheer joy is so direct, so unbridled that you can only surrender to its sonic assault, embrace it – or reject it, if you insist on musical finesse, or if you object to such unguarded pathos.
~ Peter Niklas Wilson, Liner Notes zu „Albert Ayler – Lörrach, Paris 1966“, hatOLOGY 573, 2002
Hier findet sich eine zeitgenössische Konzertkritik sowie ein Auszug aus Humphrey Lyttletons Buch „Take It from the Top“ (Lyttleton war der Ansager des Londoner Konzertes) – der ein erstaunliches Verständnis für die Musik zeigt! Ronald Atkins, der die Konzertkritik im Jazz Monthly (Vol. 12, Nr. 11, Januar 1967) geschrieben hat, versucht, die Ayler Band mit einer New Orleans Combo zu vergleichen:
The nature of the themes and their interpretation can only be compared to a New Orleans band, in particular to the marches and dirges of a brass band of the Eureka type.
In his lead work (to use the traditional terminology), Donald Ayler asserted himself more convincingly than on record. His tone—not so coarse as expected but still closer to that of a parade trumpeter than to anyone else—completely lacks the declamatory brilliance and rich vibrato of the post-Armstrong era. Likewise his brother’s sound, even down to the quavering vibrato, resembles that of the Eureka’s Manuel Paul. The violin took on the clarinet’s role, weaving around and above the other two. These ensemble passages were generally kept within the New Orleans harmonic idiom, though with dissonant moments which naturally reflected the sophisticated musicianship of the 1960s. Against this strict counterpoint, the rhythm section ignored metric considerations entirely. William Folwell retained his bow for the whole evening, sawing furiously away to provide a background of swirling colours. Drummer Beaver Harris added the rhythmic colouring, skimming over his kit in the manner of Elvin Jones and following the shifting dynamics with minute precision—but without Jones’s overall allegiance to a regular beat.
Who could have foretold this New Orleans revival, nearly twenty-five years after Bunk Johnson acquired his new teeth? That it has not occurred accidentally is proved by an interview with the brothers published in the Down Beat of November 17th.Überhaupt eine sehr spannende Kritik – auch bezüglich des Stillstandes, in dem sich die Gruppe befinde:
The truth is that here is an instance of musical innovators suddenly stumbling upon a self-contained form.
…was Atkins aber keineswegs dazu führt, der Musik ihre Gültigkeit abzusprechen – er endet mit einer Art Prophezeiung:
Prophecy is usually pointless, but in time perhaps the ensembles will become freer—more like one of the old Albert Ayler solos—and the dichotomy between style and solo will dissolve into a total sound where melody, solo, rhythm, noise all interact.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaKurz nach der Europa-Tournee im November 1966 nahm Ayler zum ersten Mal für sein neues Label auf: Impulse – bestens bekannt als das Label Coltranes, der neben Ayler auch Archie Shepp dort unterbringen konnte.
Aylers Musik sollte sich in der kurzen, ihm noch verbleibenden Zeit, weiter (und stärker als davor) verändern, was zumindest teilweise auch den Bedingungen bei seinem neuen Label zugeschrieben werden kann.As happened to Charlie Parker, Thelonious Monk, Cecil Taylor, Ornette Coleman and John Coltrane, Albert Ayler has discovered that there are always those resistent to the dictum that new ways of music require new ways of listening. But since Ayler is wholly committed to his revelation of truth in music, he has had no choice but to wait for listeners to perceive the aural implications of the times-they-are-a-changin‘. And now his message is getting through because, once fully heard, its power cannot be denied.
~ Nat Hentoff, Liner Notes zu „Albert Ayler in Greenwich Village“ (Impulse AS-9155)
Diesen Text hat Hentoff, so schreibt er anschliessend an die zitierte Passage, geschrieben kurz nachdem er die Ayler-Brüder im Slugs‘ gehört habe. Er zitiert anschliessend die schöne Hör-Anleitung, die Don und Albert ihn im erwähnten Interview für Down Beat gegeben haben.
Hentoff versucht dann, Aylers Musik in Worte zu fassen:
Later, I tried to put the way Albert Ayler’s music moves into my own words and asked his reaction. In so far, he answered, as words can do it, he would agree that in his music „what moves – within itself and as a mass – is a dense, multiple erupting thicket of sound. And feeling.“ As for the rhythm, Ayler himself has so powerful an inner pulse that his improvisations would have swinging momentum even if there were no rhythm section. I use the word „swinging“ not with regard to the explicitly pulsating beat that was endemic to jazz until recent years. I mean its other definition – that implicit sense of pulsation through all elements on the performance.
~ Nat Hentoff, Liner Notes zu „Albert Ayler in Greenwich Village“ (Impulse AS-9155)
Ich finde die oben von mir fett hervorgehobene Passage sehr zutreffend, ebenso natürlich die Beobachtung über den Puls, den Ayler in sich hat, der seine Musik swingen lässt.
Vom ersten Konzert, das für Impulse am 18. Dezember 1966 im Village Vanguard mitgeschnitten wurde, landeten „Truth Is Marching In“ und „Our Prayer“ auf dem Album Albert Ayler in Greenwich Village (AS-9155). Coltrane war an jenem Abend auch im Publikum. Die Musik ist jubilierend, triumphierend – ohne jedoch die dunkleren Facetten des Lebens auszublenden. Die Ayler-Brüder spielen ihre Unisono-Linien, Michel Samson webt seine Geigenteppiche, während Beaver Harris dichte Rhythmen drunterlegt, die von den Bässen Bill Folwells und Henry Grimes‘ zusammengehalten werden.
Weitere Stücke dieses Konzertes wurden später auf dem Doppel-Album The Village Concerts (Impulse IA-9336-2) veröffentlicht: „Spirits Rejoice“ in einer wunderbaren, über 16 Minuten langen Version, in der die Streicher eine längere Passage spielen, in denen Folwells gestrichener Bass und die Geige von Samson zusammenzuwachsen scheinen, während Grimes und Harris die Musik antreiben.
Die erste kurze Phrase, mit der Ayler „Divine Peacemaker“ öffnet, klingt einmal mehr stark europäisch – nach früher Renaissance… „L’homme armée“ lässt grüssen.
Zum Abschluss der ersten Konzert-Aufnahme hören wir „Angels“, ein Duett von Ayler mit einem Pianisten, vermutlich Call Cobbs, der dichte Arpeggi unterlegt, während Ayler mit fast parodistischem Vibrato seine einfach Melodien bläst. Ein fast besinnlicher Moment – aber das parodistische Sax-Spiel Aylers lässt am Ende doch eine andere Stimmung aufkommen. Sehr schön, wenngleich kaum etwas geschieht in diesen zehn Minuten.Das ursprüngliche Impulse-Album (dessen A-Seite von den zwei ersten Stücken der folgenden Konzert-Aufnahme besetzt war) erhielt in Down Beat die Höchstwertung. Pete Weldings Rezension kann hier in ganzer Länge nachgelesen werden (das dürfte die einzige Nennung von Johan Huizingha in Down Beat sein?!). Es findet sich dort ebenso eine Rezension aus dem französischen Jazz Magazine.
Am 26. Februar 1967 nahm Impulse zum zweiten Mal die Gruppe von Ayler live auf, dieses Mal im Village Theatre. Zu Albert, Don, Sampson, Folwell und Harris stiessen diesmal der Cellist Joel Freedman und Alan Silva als zweiter Bassist. Auf dem letzten Stück, „Universal Thoughts“, das erst 1998 auf der 2CD-Ausgabe des ganzen Materials (inkl. dem einen Stück vom Village Gate im März 1965, „Holy Ghost“) zum ersten Mal veröffentlicht wurde.
Das erste Stück, „For John Coltrane“, präsentiert Ayler am Altsax, Don und Beaver Harris spielen nicht mit, Ayler wird also von einem Streichquartett (Violine, Cello und zwei Bässe) begleitet – eine wunderbare Aufnahme!Speaking of the enormous loss [Tod Coltranes im Sommer 1967] when I asked Ayler about For Coltrane, Albert said: „John was like a visitor to this planet. He came in peace and he left in peace; but during his time here, he kept trying to reach new levels of awareness, of peace, of spirituality. That’s why I regard the music he played as sacred music – John’s way of getting closer and closer to the Creator.“
~ Nat Hentoff, Liner Notes zu „Albert Ayler in Greenwich Village“ (Impulse AS-9155)
Die Musik ist jedenfalls getragen, aber die Streicher weben einen dichten, ständig sich bewegenden Teppich unter Ayler. Sein Altsax singt, mit grossem Ton, der aber kaum in das grosse Vibrato ausschert, wie es sein Tenorspiel prägte… er singt seine Hommage an Coltrane.
Mit „Change Has Come“ wird die Musik dichter und mit „Light in Darkness“ folgt dann eine der wohl eindrücklichsten Aufnahmen aus dieser mittleren Phase von Aylers kurzer Karriere. Sein Solo erinnert an die Phrase des „speaking in tongues“, die Nat Hentoff in seinen in seinen Liner Notes zu Coltranes Album „Meditations“ auf dessen und Pharoah Sanders‘ Spiel angewendet hatte.
In „Heavenly Home“ sind die Streicher enorm präsent, vor allem Samsons Violine kratzt stets grad unter der Oberfläche – es entstehen sehr schöne Texturen, über die Ayler reduzierte Melodien legt. Und dann kehrt bei ca. 4:20 wieder ein Motiv zurück, das an „L’homme armée“ erinnert. Die Bezüge Aylers sind eben nicht – wie etwa bei Ornette – der einfache Blues, sondern eine art Euro-Amerikanische, imaginäre Folklore, Lieder, wie er sie als Kind gerne gesungen habe, wolle er spielen, Melodien, die von den Leuten mit- und nachgesummt werden können…
In „Omega Is the Alpha“ bläst Ayler ein grossartiges Solo, begleitet fast nur von den treibenden, äussert perkusiven Drums von Beaver Harris. Die letzte Nummer, „Universal Thoughts“, ist leider nicht vollständig erhalten. Die Posaune von George Steele macht die Texturen des Ensembles noch dichter, Samson spielt wilde Arpeggi, Ayler soliert in einer Art Singsang und spielt die typischen Unisono-Linien mit Donald… ein sehr schöner Abschluss dieser tollen Aufnahmen!Eine Besprechung der Doppel-CD von 1998 findet sich hier.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaMit dieser Art von Jazz konnte ich bisher eher wenig anfangen,dass ist mir doch zu frei.
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alexischickeMit dieser Art von Jazz konnte ich bisher eher wenig anfangen,dass ist mir doch zu frei.
Ein kurzer Schnelldurchlauf durch Ayler für Neulinge
Summertime (My Name Is Albert Ayler, 1963)
Ol‘ Man River (Take 1) (Swing Low, Sweet Spiritual, 1964)
Ghosts – First Variation(Spiritual Unity, 1964)
Ghosts (Vibrations, 1964)
Spirits Rejoice (aka La Mayonnaise) (Spirits Rejoice, 1965)
Angels (The Village Concerts Impulse, 1966)
For John Coltrane (Albert Ayler In Greenwich Village, 1967)
Love Cry / Truth Is Marching In / Our Prayer (Coltrane Funeral, 1967)
Spirits (Nuits de la Fondation Maeght, 1970)Session Details hier.
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Mehr dazu oben im Post #25 zur November 1966 Tour.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDie Ayler-Seite hat eine neue Adresse:
Ich mach mich gleich dran, die Links in meinen Posts zu korrigieren.
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Schlagwörter: Albert Ayler, Avantgarde, Donald Ayler, Free Jazz, Jazz
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