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dietmar_
Man könnte natürlich auch nur 2 oder 3 Tage buchen.Ja, so halte ich das denn hier in der Regel auch, selbst wenn die Konzerte vor der Haustür sind … bin z.B. die letzten paar Jahre jeweils 1-2 Tage nach Willisau gefahren und besuche seit 15 Jahren einzelne Abende beim Taktlos und Unerhört, habe aber noch keine einzige Ausgabe komplett angehört … und wenn ich das mir zugetragene Feedback des Zürcher Publikums, das ja anscheinend eben gar kein richtiges Festival mit tagesfüllendem Programm möchte, dann bleibt das wohl auch künftig so. Will sagen ich besuche halt in kurzer Zeit ein paar Konzerte
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deOh, du Hässliche! Die 25 schrecklichsten Weihnachtsalben-Cover
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Schon längst wollte ich ein paar Zeilen zu diversen anderen Jazzkonzerten (Klassik folgt drüben im anderen Thread dann auch noch) schreiben, die ich vor dem grossen Sommerloch hörte, das dann mit Middelheim und einem Willisau-Nachmittag (auch dazu folgen ein paar Zeilen) halbwegs gestopft wurde.
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Taktlos 2019: Schnellertollermeier, Eve Risser Solo, Joshua Abrams & Natural Information Society – Zürich, Kanzlei – 14.3.
Manuel Troller (g), Andi Schnellmann (elb), David Meier (d)
Eve Risser (p)
Joshua Abrams (guimbri), Lisa Alvarado (harmonium), Jason Stein (bcl), Mikel Avery (d)Am Taktlos-Festival im März war ich dieses Jahr nur einmal, am ersten Abend. Der war zwar sehr okay, aber hatte für mein empfinden einen verkehrten Ablauf (auch wenn das Schluss-Set nur am Schluss stehen konnte). Los ging es ziemlich energiegeladen mit Schnellertollermeier, dem Trio um Manuel Troller, der diese Ausgabe des Festivals kuratierte. Mir kam das ein wenig wie ein Kaltstart vor: 10 Minuten nach den Eröffnungsworten schon auf 100. Aber das Set war dann doch ziemlich gut. Deutlich weniger abgekartet schien mir das Spiel im Vergleich mit dem einen Album, das ich kenne („X“ auf Cuneiform, 2015 ist das erschienen und damit auch eine ganze Weile her).
Es folgte ein Solo-Set von Eve Risser, die bei mir einen phantastischen Start hatte und seither im Vergleich oft Mühe hat, daran anzuknüpfen. Auch dieses Solo-Set war teils etwas zäh. Manchmal kommt es mir bei ihr gerade im freien Rahmen ein wenig vor, als hätte sie Angst davor, etwas wirklich zu tun, zu spielen, und dann wird zu vieles zurückgehalten, nur in halber Kraft angegangen. Dieses Zurücknehmen kann natürlich auch Möglichkeiten öffnen, doch die müssten dann eben auch gepackt werden … am Ende doch ein schönes Set, aber auch ein sehr ruhiges, in dem es zwar mal einen Groove gab (bei dem sie wohl irgendwas elektrisch Angetriebenes/Vibrierendes auf die Saiten des offenen Klaviers legte, ich konnte leider nichts erkennen).
Den Abschluss machte dann ein Set von der Feelgood-Band von Josh Abrams – leider nicht mein Fall. Eine Stunde lang mit einem recht öden Rumpelgroove, etwas Harmonium dazu, hie und da ein paar Töne der Bassklarinette … nur leider wurde mit dem Groove überhaupt nicht gemacht, das plätscherte und plätscherte – doch vermutlich stand ich auf dem Schlauch, denn dem Publikum gefiel das Set wahnsinnig gut.
In Sternen:
Schnellertollermeier * * * *
Eve Risser Solo * * *1/2
Joshua Abrams & Natural Information Society * * *Den zweiten geplanten Taktlos-Abend (16.3.: Mette Rasmussen/Sofia Jernberg, Camille Emaille/Hans Koch/dieb13, Manuel Troller Solo, Oren Ambarchi/Will Guthrie) liess ich dann aus, aber am Abend drauf bzw. dazwischen war ich in der WIM, zum bisher letzten Mal, da muss ich unbedingt wieder etwas öfter hin!
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Chris Jeger/General Arka & Gianni Gebbia/Luca Lo Bianco/Marco Käppeli, Zürich, WIM – 15.3.
Chris Jeger (perc, voc), General Arka (voc, cl)
Gianni Gebbia (as), Luca Lo Bianco (b), Marco Käppeli (d)Das erste Set war eher eine Performance als ein Konzert, ziemlich super fand ich, mit einer Hommage an Allen Ginsberg und viel mehr … aber da ist die Erinnerung im Detail schon ziemlich verblichen, nach all den Monaten.
Im zweiten Set war Gebbia, den ich als experimentellen, offenen Geist im Kopf (und vor vielen Jahren in einem entsprechenden Trio auch schon in der WIM gehört) hatte, eine Überraschung, denn schon sein Auftreten signalisierte sowas wie: Jazz! Old School! Elegant gekleidet, stellte sich hin, ein paar Blicke zu den anderen und los ging’s … teils überraschend konventionell, aber wenigstens solide, und in manchen Momenten dann doch auch wieder freier. Marco Käppeli (neben den zwei Italienern war er natürlich Marco Capelli) ist, das muss auch mal in aller Deutlichkeit gesagt werden, ziemlich sicher einer der feinsten Jazzdrummer der Schweiz – bloss wissen das leider viel zu wenige.
Dem Abend gebe ich als ganzes, aber auch den beiden Sets einzeln: * * *1/2
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Jazzbaragge Wednesday Jam (feat. Peter Madsen) – Zürich, Moods – 27.3.
Peter Madsen (p), Herbie Kopf (elb), Andi Wettstein (d) + Gäste
Ein Freund, der gerne mal zu Konzerten mitkommt, hatte schon mehrmals gefragt, ob wir nicht einmal an die regelmässige Jamsession gehen sollen, die von der Zürcher Hochschule der Künste veranstaltet wird, inzwischen im Moods, dem ersten Haus am Platz, wenn es um Jazz geht. Der Raum wird für den Anlass aber markant verkleinert, es war am Ende rappelvoll. Überreden lassen hatte ich mich, weil Peter Madsen im März mehrmals die Jam-Band leitete, der Pianist, den wir beide von Aufnahmen mit Thomas Chapin kennen und schätzen lernten. Er spielte ein Set im Trio, bei dem vornehmlich eigene Stücke zu hören waren, von denen er wie er erzählte mehrere Hundert geschrieben hat – was seine Art ist, Dinge zu verarbeiten, auch Alltägliches Kleinklein, sonst kommt man nicht so rasch auf vier- oder fünfhundert Stücke, zumal der Herr ja noch kein Greis ist … das Set war recht gut, auch wenn Madsen ein kleines Klavier bearbeitete, das jetzt nicht wahnsinnig gut klang. Dann tauchten die ersten Studenten auf, zwei Tenorsaxer spielten „Blue Bossa“, ein Gitarrist stiess dazu und Madsen machte auch Platz für einen Pianisten … das waren dann halt wirklich Studenten von der Jazzschule und wir begannen uns bald ein wenig zu langweilen und machten uns dann aus dem Staub. Feine Sache, dass sowas angeboten wird, klar, aber es ist ja letzlich auch Teil des grossen Bildungsinzests, also von denen organisiert, die an denen verdienen, die teilnehmen, und letztere sollten sich bloss nicht der Illusion hingeben, da mit irgendwelchen Wassern gewaschen zu werden, ganz im Gegenteil, da ist nur Watte, und das ist dann halt doch etwas schade und wenig förderlich.
Dem Madsen-Set gebe ich aber locker * * *1/2
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Pierre Favre/Samuel Blaser – Zürich, Theater Stok – 28.3.
Samuel Blaser (tb), Pierre Favre (d)
Ende März, in derselben Woche, fand auch das jährliche Pierre Favre-Festival im Theater Stok statt. Leider schaffte ich dieses mal nur einen einzigen Abend (an fast allen anderen Abenden der Woche hatte ich anderes vor, auch einmal mehr Favre und ein Abend in der WIM waren geplant, doch das liess ich beides aus, einen Liederabend, Herbie Nichols auf StoneFM und ein Orgelkonzert gab es in der Woche dann aber doch noch).
Samuel Blaser war schon beim letzten mal im Stok dabei, er ist zwar nur etwa halb so alt wie Favre, stammt aber aus derselben Gegend (lebt allerdings in Berlin). Die beiden spielen sehr gerne zusammen und haben dabei auch grossen Spass, das merkt man unschwer. Es gab etwas Ellington, ein paar andere Dinge aus dem Real Book … wunderbar, auch weil Favre mit damals 81 (inzwischen 82) Jahren immer noch hellwach ist und ihm der Schalk in den Augen steht. So wirkte selbst „Mood Indigo“ noch völlig frisch, das es Blaser obendrein erlaubte, seine Multiphonics zu demonstrieren.
In Sternen: * * *1/2
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Pierre Favre/Samuel Blaser – Zürich, Lebewohlfabrik – 2.4.
Samuel Blaser (tb), Pierre Favre (d)
Derselbe Freund, der schon bei Madsen und dem ersten Favre/Blaser-Konzert dabei war, kam auch noch zweimal mit zu den wöchentlichen Feierabendkonzerten (ca. 18 bis 20 Uhr), die Favre im April in der Lebewohlfabrik gab, einem kleinen Raum ganz in der Nähe von da, wo ich wohne, und wo ich beschämenderweise noch nie war, obwohl dort immer wieder schöne Konzerte zu hören sind.
Favre/Blaser waren bei diesem zweiten Mal wohl noch eine Spur besser, aber noch schöner war das Konzert eine Woche später – wo wir das Duo nachholten, das eigentlich im Theater Stok auch noch geplant gewesen war.
In Sternen: * * * *
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Pierre Favre/Philipp Schaufelberger – Zürich, Lebewohlfabrik – 9.4.
Philipp Schaufelberger (g), Pierre Favre (d)
Hier nun kam Favres Spielfreude noch einmal auf ganz andere Weise zum Vorschein. Das Duo harmoniert ebenso prächtig wie das mit Blaser, obwohl Schaufelbergers Spiel viel spröder ist, oft minimalistisch, fast schon karg auch in der Tongestaltung. Doch erzeugte das Duo rasch die Illusion, eine ganze Band zu sein. Favre nutzte die Bass-Trommel wie einst Gene Krupa, Schaufelberger begleitete sich selbst, so gab es Beats und Bass und Akkorde und Melodien – alles da, nur von diesen zwei äusserst kreativen Köpfen. Die Setlist war fast etwas klischiert, es gab Monk („Blue Monk“ und ich glaube „Rhythm-a-Ning“), Mingus („Boogie Stop Shuffle“), Tadd Dameron („Hot House“), auch hier fehlte Ellington nicht („In a Mellow Tone“), obendrein gab es weitere richtig alte Sachen, die fast am besten kamen: ein stompendes „Dinah“, „Gee Baby Ain’t I Good to You“ oder „St. James Infirmary“. Ganz wunderbar, dieses Duo! Eine Art Big Band im Taschenformat, über die gesamte Jazzgeschichte mit begeisternder Souveränität verfügend.
Zu den Favre-Fotos: die zwei ersten kommen vom Stok-Auftritt mit Blaser, das dritte aus der Lebewohlfabrik mit Schaufelberger.
In Sternen: * * * *1/2
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Carla Bley Trio – Zürich, Moods – 27.5.
Andy Sheppard (ss, ts), Carla Bley (p), Steve Swallow (elb)
Die Worte oben mögen genügen, ich hole sie nochmal hervor und reiche noch zwei Bilder nach:
Der Abend in Zürich war sehr fein, das erste Set von Bleys Seite eher zurückhaltend, so richtig soliert hat sie nicht, es gab ein paar neue Suiten, die auf die CD kommen, die wohl gerade in Lugano für ECM eingespielt wird. Ein paar Klavier-Girlanden bot sie gegen Ende des Sets, aber der Groove und der Witz der Musik waren da, auch wenn hie und da alles ins Dekorative zu kippen drohte. Das zweite Set hatte dann mehr Biss, Bley war präsenter, jetzt auch als Solistin und nicht nur als Organisatorin und Navigatorin. Wobei es wohl deutlicher als beim Konzert vor ein paar Jahren – ich hörte das Trio zum zweiten Mal – wurde, dass Swallow der eigentliche Kern, das Rückgrat, der Beat des Trios ist. Sein lakonisches Spiel, mit diesem Ton, wie man ihn nur von ihm kennt, der unverwechselbare Groove, der auch gerne mal ein wenig hinter dem Beat herhängen darf … einmal mehr phantastisch zu hören! Was mir – aufgrund etwas heftiger Verstärkung, leider, aber die Clubs müssen ja heutzutage das digitale Streaming-Publikum bedienen, was ein Elend – etwas fehlte war die Dynamik, die ich vom letzten Konzert her als sehr breit erinnere – ich war damals geradezu überrascht, wie intensiv dieses Kammerjazztrio werden konnte.
Krass aber, wie hager Bley inzwischen geworden ist. Ob das auch mit der Krankheit, die zur Verschiebung der Tour führte, zu tun hat? Jedenfalls wirkte sie fast gespenstisch, wie jemand, der aus einer anderen Welt nochmal rasch vorbeischaut. Doch in der Musik bestätigte sich dieser Eindruck ja zum Glück überhaupt nicht…
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Das war es leider auch schon … der Jazzfrühling liess etwas zu wünschen übrig in diesem Jahr. Zwei geplante Feierabendkonzerte von Bruno Spörri in der Lebewohlfabrik schaffte ich nicht, weil ich zu lange im Büro hängen blieb. Doch Anfang Juni im Urlaub in Parma ging ich noch ein Jazzkonzert, das ich in Zürich wohl auch nicht besucht hätte … was kein grosser Fehlentscheid gewesen wäre, aber im Urlaub ist das auch was anderes.
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Nils Petter Molvaer – Parma, Casa della Musica – 5.6. (Kurzbericht)
Nils Petter Molvær (t), Johan Lindström (g), Jo Berger Myhre (elb, pedal steel, elec), Erland Dahlen (d)
Ich war da wie gesagt etwas skeptisch … doch als ich am Nachmittag den Teil des Museum der Casa della Musica besuchte, der in diesem Gebäude zu finden ist (das Museo dell’Opera) und den Innenhof sah, in dem das Konzert dann stattfinden sollte, dachte ich schon, dass das ziemlich toll werden dürfte. Der Sound der Band war ziemlich kompakt. Ich habe Molvaer seit seinem ECM-Durchbruch ca. 1997/98 nicht mehr verfolgt – war recht kompakt, der Bassist machte sich manchmal auch an einem Pedal Steel (auch auf dem Foto sitzt er dahinter) oder sonstigen Gerätschaften zugange, alle hatten irgendwelche Pedalen und sonstige Elektronik dabei, Molvaer setzte auch mal seine Stimme ein. Das alles fügte sich zu einem sehr stimmungsvollen, oft ziemlich groovenden Ganzen zusammen, das Ambiente trug das seinige bei (und einen Happen zwischen die Zähne gab es davor auch noch).
Das Konzert fand im Rahmen des Festivals „Crossroads – Jazz e altro in Emilia“ statt, das über mehrere Wochen an diversen Orten über die Bühne ging.
In Sternen gebe ich (eher zurückhaltend): * * *1/2
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaGabriela Friedli Trio / James Brandon Lewis–Chad Taylor Duo – Jazzfestival Willisau – 1.9.
Gabriela Friedli (p), Daniel Studer (b), Dieter Ulrich (d, Signaltromete)
James Brandon Lewis (ts), Chad Taylor (d, elec mbira)Bekanntlich bin ich ja gegenüber den Festivals in der Gegend hier derzeit recht skeptisch eingestellt … zuviel lokale Bands/MusikerInnen, zuviel seltsame Paarungen, die auf dem Papier oft mehr versprechen, als sie dann einzulösen vermögen … und überhaupt zuwenig Musik, um richtiges Festival-Feeling aufkommen zu lassen. Weil mich das Programm nicht sehr ansprach und es sich nicht anders anbot ging ich dieses Jahr nur ans Schlusskonzert in Willisau, am Sonntagnachmittag um 14 Uhr – was ja irgendwie auch seltsam ist, aber egal – das Duo Lewis/Taylor musste ich sehen, wenn sich die Gelegenheit schon mal bot!
Dass davor das Trio von Gabriela Friedli auftrat, das ich auch hier in Zürich im kleinen Rahmen und für deutlich kleineres Geld hören könnte, ist dann eben einer der Punkte, die mich bei der Programmierung der Festivals aktuell etwas irritieren: sollten nicht Leute eingeladen werden, sollte nicht Leuten eine Plattform geboten werden, die hier selten zu hören sind, die den Besuch am Festival (inkl. Anreise, allenfalls Übernachtung usw.) eben rechtfertigen? Aber egal, ich war schon nach wenigen Minuten mehr als versöhnlich gestimmt, denn das Trio um die Pianistin spielte ein sehr feines Set. Ich kann die Musik von Friedli nicht klar verorten, da steckt natürlich die Jazz-Avantgarde drin (Irène Schweizer, Marilyn Crispell wohl auch), aber eher jene der zurückhaltenden, melodischen Art. Auch Minimalismus vermutlich, Impressionismus – das ganze wirkt stets recht knapp, aber ohne trocken zu werden. Studer ist ein toller Bassist, das dachte ich wieder einmal, den ich leider noch zu selten im Konzert gehört habe (der letzte Bericht hier, im März, galt ja einem wunderbaren Konzert vom Bassduo Studer-Frey, dessen neue CD auf Leo ganz oben auf dem Hörstapel liegt … die neue Friedli-CD ist auch bei Leo – nicht bei Intakt, das auch dieses Jahr wieder den CD-Stand am Festival leitete – erschienen, ich werde die CD wohl auch noch kaufen). Dieter Ulrich spielte – im Programmheft wurde er als „filigran agitierender Schlagzeuger“ beschrieben, da regt sich schon etwas Widerspruch – tatsächlich feiner und feinfühliger als ich ihn sonst bisher gehört habe. Er ist ja auf eine gute Art Old School, irgendwo zwischen Art Taylor, Philly Joe und Sunny Murray, eher karg als virtuos. Aber in diesem Trio klang er nun wirklich anders als etwa mit dem Trio von Omri Ziegele oder den diversen Festival- und Tour-Bands, in denen ich ihn schon hörte (z.B. mit Oliver Lake/William Parker oder Oliver Lake/Christian Weber), und sein Spiel gefiel mir vielleicht noch etwas besser.
Das erhoffte Highlight war dann dieses Mal zum Glück auch wirklich eines. Lewis/Taylor legten ohne Umschweife los, Coltrane stand im Raum, aber hier wurde nicht Ehre erwiesen, es wurde gearbeitet, geschwitzt, gegroovt (ein paar Leute begannen zwischendurch auch tatsächlich zu tanzen – recht verblüffend bei so einem Set, aber eben auch total passend). Taylor hatte seine Mbira mit, die in Italien leider kaputt war, als ich ihn zum ersten Mal mit London Chicago Underground hörte … es gab etwas Ellington („Come Sunday“), es gab Coltrane, es gab überhaupt eine Menge beglückender Musik, in der Free und Funk zusammenfanden, in der eher an Melodien, an Kürzeln gearbeitet als wild ins Freie ausgebrochen worden wäre … eine tatsächlich sehr handwerkliche Musik, die aber doch mehr war als die Summe ihrer Teile. Und Chad Taylor, das wurde mich wie erwartet auch wieder klar, ist wohl tatsächlich der bessere Drummer als die versammelten Middelheim-Trommler dieses Jahres (Hamid Drake läuft wie immer ausser Konkurrenz, aber mein Lieblingsdrummer ist er nun bei weitem nicht, auch wenn es immer wieder phantastisch ist, ihn live erleben zu können). Das Set wurde – wie wohl das ganze Festival – mitgeschnitten, es besteht die berechtigte Hoffnung auf eine Veröffentlichung (ich hoffe sehr, dass diese nicht zurechtgestutzt wird, das nervt nämlich).
In Sternen:
Gabriela Friedli Trio * * * *
James Brandon Lewis–Chad Taylor Duo * * * *1/2--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaGestern spielte Mulatu Astatke in Düsseldorf.
Im Rahmen des „düsseldorf festival!“ – mit Ausrufezeichen muss man sich heutzutage offensichtlich positionieren … immerhin in bauhäuslärischer Kleinschrift – trat er mit seiner achtköpfigen Band im Theaterzelt auf dem zentralen Burgplatz auf. Dieses Festival ist ein Kulturfest, Jazz taucht hier eher am Rande auf, tatsächlich waren Frau und ich zum allerersten Mal dort, obwohl wir seit den frühen 2000ern hier leben. Schande aber auch! ;)Wer Astatke etwas kennt, erwartet keine Experimente. Die gab es auch nicht. Obwohl ich wenig von ihm kenne – teils auch Sachen aus den 70er Jahren – hatte ich sehr oft das Gefühl die einzelnen Titel zu kennen. Auch die Besetzungen im Vergleich zu alten Sessions haben sich nicht sonderlich verändert, so vermute ich? … Hatte MA früher schon ein Cello dabei?
Egal.
Das war eine gelungene Vorstellung im gefühlt ausverkauften Zelt.
Astatke, die zentrale Person, angereist mit Vibraphon, Hammond Orgel – ganz versteckt hinter dem viel größeren Monitor – und etwa 3 Meter Congas und anderer kleiner Trommeln, spielte viel. Ich dachte, dass er alters- oder leaderbedingt öfter einmal aussetzt. Man sah ihm seine Freude an, er fand es klasse, wenn es groovte. Und das tat es. Trompete und Tenorsaxophon (manchmal auch Querflöte) schufen eine schöne Breite, die Perkussion mit Schlagzeuger, Perkussionist plus Ausflügen von Astatke selbst plus gelegentlichem Kleinholzgegniedel des Trompeters waren immer irgendwie präsent.Anfangs dachte ich noch warum braucht es hier ein Cello? Doch im Verlauf des Auftritts nahm das recht wichtige Positionen ein. Und es passte, es erinnerte mich an afrikanische Streich-, Zupfinstrumente, die ich nicht näher definieren könnte. Aber das gefiel mir.
Unten werde ich noch das Line-Up aufführen, möchte aber schon Alexander Hawkins und John Edwards nennen. Als @gypsy-tail-wind und @redbeansandrice in Middelheim bestätigten, dass zu Astatkes Band Hawkins und Edwards gehören, war ich Unwissender sehr erstaunt, im Anschluss glaubte ich lange nicht, dass sie auch in Düsseldorf auftreten könnten. Zu Hawkins bekam ich vorab die Bestätigung – danke! – auf die weitere Besetzung war ich sehr gespannt.Bei Titel drei oder vier spielte Alexander Hawkins ein sehr ernergisches, unfassbar schnelles Solo, spätestens ab diesem Zeitpunkt war ich drinnen in diesem … hm … Crossover. Jetzt verstand ich, warum Hawkins in dieser Band spielt. Auch beim Bassisten John Edwards war es mir vergönnt dies noch zu verstehen, obwohl er zu keiner Zeit und erst recht nicht während seiner 2 ausführlichen Soli etwas verleugnete – es war sehr deutlich, wo Edwards musikalische Heimat liegt.
Um es kurz zu machen, das war ein rundum gelungenes Konzert, Astatke zufrieden, toller Bläsersatz – ich mag Byron Wallen an der Trompete! -, Perkussion genauso wie gewünscht und Hawkins und Edwards hatten für mich die besonderen Momente.
Aus dem Programmheft die Besetzung:
Mulatu Astatke – vibraphon, keyboard, percussion
James Arben – musikalische leitung, saxophon [und flöte]
Byron Wallen – trompete
Danny Keane – cello
Alexander Hawkins – piano, keyboard
John Edwards – kontrabass
Richard Olatunde Baker – percussion
Jon Scott – schlagzeugIch habe keine Fotos gemacht. Auf geäußerten Wunsch des Impresarios zückte ich das Phone nicht, wurde allerdings durch das recht ungehemmte Geknipse des Schlagzeugers Richtung Publikum etwas in meiner Standhaftigkeit erschüttert. Nun gut, man kann auch mal gönnen. ;)
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danke fuer den Bericht! ich find das einfach Klasse, dass Astatke sich die beste Band zusammenkauft, die man in England momentan fuer Geld kriegen kann, und die dann alle begeistert sind, seine Musik aus den 70ern nachzuspielen – jede Wette, dass jeder einzelne davon wahrscheinlich technisch fitter ist, als die Bands, die diese Musik urspruenglich aufgenommen haben – aber das heisst natuerlich noch lange nicht, dass sie ohne diese Vorlagen bessere Musik machen wuerden… und Mustatke steht im Zentrum und ueberarbeitet sich nicht… die credentials der sidemen sind schon beeindruckend, beim Cellisten zb Mary J Blige, Gorillaz und Take That, by Byron Wallen (Trompete, fand ich auch klasse bei meinem Astatke Konzert vor zwei Jahren) Monday Michiru (jsngrys legendaeres avatar Album auf .org), Ingrid Laubrock, Tindersticks, Keziah Jones…
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.Danke auch von meiner Seite @dietmar_ – die Band ist schon ziemlich super … ich habe sie am 6. Februar 2016 live gehört, machte mich gerade auf die Suche, mein Bericht damals stand nur auf Org und ist entsprechend in Englisch. Ich weiss noch, wie ich damals zitterte, ob ich noch reinkommen würde … das Chaos-Management von Astatke hatte es verpasst, die Infos über die Gästeliste (auf die ich mich da ausnahmsweise mal setzen liess) an den Club weiterzuleiten, mit den beiden riesigen Schlangen (eine für Leute, die schon Ticket hatten, eine für die Abenkasse) und dazwischen verhandelte ich, am Ende mit der Leiterin des Moods, der ich dann den ganzen WhatsApp-Chat mit Hawkins zeigte, worauf sie mich doch noch rein liess …
Mulatu Astatke last night, at Moods in Zurich, Switzerland (my home town … well not quite, but I grew up 25 km outside of it) — great that Alexander Hawkins (who’s playing piano and keys) had me put on the guest list (almost didn’t work out), as some 80 minutes before the concert, there were huge queues already and it was so sold out, they had to send people away again!
Either way, the line up was: Mulatu Astatke (vib, perc, wurlitzer), Byron Wallen (t), James Arben (ts, fl), Alexander Hawkins (p, keys), Danny Keane (cello), Neil Charles (b), Tom Skinner (d), Richard Olatunde Baker (perc).
Guess Astatke himself was really the weakest link of a fantastic band that was really tight from the git-go although it took two or three tunes for the room to really start moving. They did one continuous set that turned out to be really long (didn’t check the time, but it must have been around 100 minutes) and by the end, the place was cooking. I enjoyed the solo contributions by all the guys a lot, most notably Wallen on trumpet (he had several spots) and Danny Keane on cello. Arben was terrific on tenor, for one long solo he built and built and ended up kinda chanelling the great Gétatchèw Mèkurya. Alex had just one real piano solo but he made the most out of it, later on he was heard prominently on keys (they should have brought in a real B3, but the stage was crowded already). The rhythms by all were really tight, not just the hook-up of Charles/Skinner/Baker (with the cello meshing in, too), but the keys and vibes and horns as well. So I ended up enjoying it as much for the group effort it was as for the contributions by each of the musicians on stage.
Had another chat with Alex afterwards and he kindly signed some CDs for me, too (and had Charles and Skinner sign the trio disc from last year, which I like a lot … the other one I brought along is maybe my favourite of his, the solo album „Song Singular“).
Dass Edwards nicht dabei war, war natürlich schade (aber 2016/17 hörte ich ihn wohl ca. zehn Mal, vom Solo über unterschiedlichste Bands, das Brötzmann-Festival in Warschau, das Intakt-Festival in London, eine Dyani-Hommage in Basel usw.), aber dafür gab’s als Rhythmusgruppe gleich das ganze Alexander Hawkins Trio, das natürlich super aufeinander abgestimmt ist. Seither habe ich Edwards leider nicht mehr live gesehen … er ist auf jeden Fall einer der besten Bassisten dieser Tage!
Anyway, das zeigt auch, dass die Mulatu-Band sehr stabil ist über all die Jahre (ich verpasste wohl einen Gig in Zürich und einen in Basel in der Zwischenzeit … in Genf waren sie wohl auch mal noch, aber das schaffe ich ohne Übernachtung unmöglich).
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Omri Ziegeles Tomorrow Trio mit Han Bennink und Christian WeberZürich, Moods – 30.09.2019
Omri Ziegele (as, nai, spoken words), Christian Weber (b), Han Bennink (d), Gast: Christoph Irniger (ts)
Montagabend gab es hier endlich wieder mal ein halbwegs interessantes Jazzkonzert … viel besser als halbwegs wurde es leider am Ende nicht, aber wen Han Bennink in der Stadt ist, geht man gefälligst hin! Ich hörte ihn, soweit mich erinnern kann, erst zum dritten Mal. 2004 trat das ICP Orchestra am Unerhört Festival auf, 2016 war Bennink dann beim gerade erwähnten Brötzmann-Festival in Warschau in unterschiedlichen Formationen über mehrere Abende zu hören, und jetzt eben mit diesem neuen Trio unter der Leitung des Zürcher Saxophonisten Omri Ziegele. Mit dessen Spiel konnte ich früher (vor 15-20 Jahren) sehr wenig anfangen, aber ich versöhnte mich allmählich mit ihm – z.B. bei einem Hauskonzert im Trio mit Ray Anderson und Gerry Hemingway, 2015 gab es beim Unerhört ein weiteres Trio mit Hemingway und dem Pianisten Yves Theiler, das mir ebenfalls sehr gut gefiel, und auch beim gerade schon erwähnten Intakt-Festival in London war Ziegele – im Trio mit Schweizer und Moholo vor allem – sehr überzeugend.
Vorgestern im Moods war allerdings die Stimmung etwas gedämpft, das erste Set hob nie so richtig ab. Der Gast des Abends, Christoph Irniger, ist ein Musiker, mit dem ich bisher nicht klar komme (und eigentlich auch nicht mehr davon ausgehe, dass sich das nochmal ändern wird). Er war immer mit dabei, die zwei Stimmen der Saxophone verschmolzen aber manchmal in auskomponiertem Material, aber auch in Kollektivimprovisationen schon sehr schön. Die Hauptattraktion war allerdings die Rhythmusgruppe: Han Benninks Swing ist mitreissend wie eh und je, er scheint untötbar, kann gar nicht anders, als mitzureissen, vom Moment an, in dem er auf dem Schlagzeugschemel platz nimmt. Das erste Set verlief mehr oder weniger stumm, ohne Ansagen. Das Material schien mir teils etwas schwierig: lange Stücke mit mehreren Teilen, deren Abfolge – mit Tempo- und Stimmungswecheln – mir manchmal etwas unmotiviert, abrupt vorkamen. Doch Weber/Bennink waren immer da, Weber mit einem Mirko vor dem Bass und sonst gar nichts, sein Ton und sein Beat sind ein perfekter Gegenpart zu Bennink – ein grosses Vergnügen, den beiden zu lauschen, und immer wieder merkte ich, dass ich längst nicht mehr verfolgte, was die Saxophone davor so spielten, sondern mich ganz in der Rhythmusgruppe verloren hatte.
Das zweite Set begann dann schon viel besser, mit einer Version von Ornette Colemans „Peace“. Ziegele griff danach zum Mikro und erklärte, dass die Band gerade den ganzen Tag im Zug gesessen habe, von Brüssel nach Zürich gereist sei. Das wohl der Grund für die Müdigkeit … ein paar Frotzeleien folgten: Bennink – den man auch beim Spielen immer laut Grunzen und Ächzen hörte – meinte, Ziegele trage ein hübsches Pijama, Ziegele meinte dann eben, man hätte gerade Ornettes „Peace“ gespielt, und das sei heute ja auch nötig, und der Herr da schräg hinter ihm könne etwas „peace“ besonders gut gebrauchen. Das Set ging dann mit ähnlich konstruiertem Material aber schon etwas lebendiger weiter – Ziegele blies ein paar feine Solos, zweimal rezitierte er auch noch seine Texte (muss nicht sein, stört mich aber längst nicht mehr) – und zu Ende, das nicht sehr zahlreich (Montagabend halt, aber ich erwähnte ja schon, dass Mo/Di leider auch im ersten Jazzklub der Stadt die Abende mit der besten Chance, Jazz zu hören sind) erschienene Publikum forderte dann doch noch eine Zugabe ein, diese kam einmal mehr von Ornette Coleman, ein Blues, und wie schon beim Set-Opener spielte die Gruppe befreiter auf, selbst Irnigers so flacher Ton wurde endlich mal etwas voller, die „Wildheit“ und „Intensität“ bestand nicht nur aus Verrenkungen sondern kam auch tatsächlich aus dem Saxophon heraus.
Was mir dabei nicht klar war: das ganze wurde als Plattentaufe verkauft, aber eine neue CD (von Intakt natürlich) war nicht zu sehen … wenn sie im Trio aufgenommen wurde, ist sie vielleicht interessant, wer weiss … aber, das ist mir ein Rätsel beim Jazzbetrieb der letzten Jahre: warum die CD vor der Tour aufgenommen werden muss, wenn die Band noch nicht eingespielt, das Material noch nicht genügend ausgelotet ist, noch nicht sitzt … aber ohne CD keine Gigs. Verkehrte, idiotische Kuratorenwelt überall.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaKlingt gut! Bei uns kommt Bennink am Freitag vorbei und ich freu mich schon die ganze Woche drauf… (mit einer vermutlich vergleichsweise gefaelligen Band, The Quartet mit Benjamin Herman, Peter Beets, Ernst Glerum)
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.redbeansandrice
Klingt gut! Bei uns kommt Bennink am Freitag vorbei und ich freu mich schon die ganze Woche drauf… (mit einer vermutlich vergleichsweise gefaelligen Band, The Quartet mit Benjamin Herman, Peter Beets, Ernst Glerum)Glerum ist ja ein alter Kumpan, da ist einmal mehr wenigstens der Groove sicher schon mal toll! Beets kenne ich nicht, von Herman nur älteres … darauf würd ich mich wohl ähnlich freuen, wie auf das Konzert in Zürich … also nicht wenig, aber etwas gemischt – berichte doch dann bitte! Und Du auch @dietmar_!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDer Versuch das Icarus-Cover nachzuschieben:
Ach, Benjamin Herman, sein Trio habe ich vor ein paar Jahren sehr gut in Middelburg/NL gesehen – sehr old school, sehr relaxt, sehr cool – selten so coole Hunde gesehen. Ernst Glerum spielte auch mit.
Hat uns damals sehr gefallen. Herman spielt Alto, ist aber offensichtlich von Dexter Gordon beeinflusst.
Aber ein ganz anderer Schnack als alles, was ich sonst mit Bennink kenne.--
Habe mir „The Quartet-NL“ vorhin ein bisschen auf youtube und spotify angehoert (noch in der alten 2017er Besetzung mit Ruud Jacobs statt Glerum) und bin ganz optimistisch, dass das Spass machen wird, Bennink kann viel rausreissen und es ist wohl ein Mischa Mengelberg Tribute Programm, oder so
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.Herman kann was, das kann man wagen.
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Im Rahmen des multiphonics / Cologne Jazz and World Music Festivals fand neben der Außenstelle im Dortmunder Domizil gestern auch zwei Konzerte in der Düsseldorfs Jazz Schmiede statt.
Es gab nur einen Grund warum ich dort unbedingt hinwollte und der hieß Han Bennink. Joris Roelofs und Han Bennink spielten im Duett, wie auf ihrem Album Icarus aus dem Jahr 2018. Das gestrige Programm unterschied sich aber vom Inhalt des Album, obwohl das Konzert mit Zugabe nur etwa 45 Minuten lang war – in etwa die Albumlänge. Verzichtet wurde auf Dolphys „Something Sweet, Something Tender“ und ich glaube, auch auf Hadens „Song For Che“ und Weills „This Is New“. Something Sweet, Something Tender hätte ich sehr gerne vom Bassklarinettisten Roelofs MIT Han Bennink gehört. Entschädigend gab es aber ein sehr berührendes „I Loves You, Porgy“.
Ansonsten agierten die Zwei sehr spontan, hingen offensichtlich nicht an irgendeinem Plan – oder warfen den zumindest alsbaldigst um, wenn man den Worten Roelofs glauben darf. Er erzählte auch die höchst amüsante Geschichte von Daidalos seinem Neffen Perdix (das spätere Rebhuhn), Minos, Minotaurus und eben Ikarus – ich finde das sehr sympathisch wenn Niederländer deutsch sprechen, vor allem wenn sie so gute Erzähler wie Joris Roelofs sind.
Joris Roelofs, Artist in Residence beim diesjährigen, der Klarinette gewidmeten Festival, spielt sehr gut die Bassklarinette. Wir sahen ihn das zweite Mal in diesem Jahr (im Februar mit Phil Donkin „Masterfrown“), beide Male wusste er zu überzeugen. Jetzt, in diesem reduzierten Line Up zeigte er naturgemäß noch deutlich mehr Präsenz, die er gekonnt nutzte. Diese Begegnung, eigentlich unnötig zu erwähnen, fand auf Augenhöhe statt.
Aber alles nichts ohne Han Bennink. Sorry, Joris. ;) Die Vorfreude war groß zum ersten Mal Han in einem Konzert zu begegnen. Eine ganze Reihe von Videos hatte ich mir angeschaut und es war klar, dass ich ausnahmsweise in ein Jazzkonzert gehen würde, weil ich auch gerne gucken würde. Ich erwartete einen großen Spaß. Und das wurde auch erfüllt. Zu Beginn spielte Bennink sehr konzentriert, fast ungewohnt diszipliniert. Das swingt schon enorm. Ein wenig erstaunt war ich, dass er auf dem hauseigenen – in seinem Sinne reduzierten – Drumset spielte, die Becken waren aber seine eigenen. Ich kann nachvollziehen, dass man mit 77 Jahren jeden unnötigen Ballast auf Reisen abwerfen möchte. Ansonsten merkte man ihm die 77 kaum an, der Schuh landete mehrmals sehr beweglich auf der Snare, später gab es auch die erwartbare Session mit dem Bühnenboden, sehr gewandt wirkte das Runter und Rauf.* Auch landete sein Stick im Munde und wurde als Reibholz gebraucht, inklusive abschließendem perkussiven Ausspucken. Aber das sind die erwartbaren, bekannten Mätzchen für die er auch geliebt wird, die Punkattitüden, das nonkonforme, es ist sicher nicht beleidigend, wenn man Vergleiche zu Clowns zieht. Nein, hach, das war schön und gut und freudig.
*Sein Alter merkte man erst als er die Bühnenstufen seitlich herunterging.Einziges Manko war die kurze Spielzeit, weil, so sagte Han, dass er „früh in Bett“ gehe. Joris Roelofs empfahl dann noch sehr kollegial die anschließende Band. Und meine Frau und ich waren ein wenig traurig, weil es schon vorbei war.
Es gab eine Pause, CD kaufen. Kaum saßen wir auf unseren Hockern stand plötzlich Han Bennink mit einem Weißwein an unserem Stehtisch, zuerst recht distanziert wirkend. Ich quatsche sowieso nie zuerst solche Leute an, meine Frau ist da etwas offensiver – vielleicht erinnert sich der eine oder andere, was ich zu Harold Mabern schrieb? – so kam es doch zu einem kleinen Gespräch, Dank für das wunderbare Konzert, die direkte Frage an mich, ob ich das denn auch so sehe? Meine Frau sagte, dass das Konzert ihr Geburtstagsgeschnk wäre, nach anschließenden Zuprosten taute Han deutlich auf um anschließend seiner hinzukommenden Begleiterin und dem ebenfalls auftauchenden Joris Roelofs mitzuteilen, dass meine Frau „jaaren“ würde, so verstand ich ihn zumindest. Kurzes höfliches Lächeln, Prosten, dann verabschiedeten sich Han Bennink samt Begleiterin, er mit Handschlag bei mir und Handkuss (!) bei meiner Frau. Die hatte Spass. Kein so’n französischer hingehauchter, nein, ein direkter Mund auf Handrücken. Aber ich glaube, mittlerweile hat sie sich die Hand schon wieder gewaschen. ;)Ich ziehe nichts ab wegen der kurzen Spieldauer: ****1/2
Doch so fiel uns, besonders ihr, die Konzentration auf das überschneidend begonnene Konzert der zweiten Band des Abends schwer:
Pepe Auer White Noise. Auf dieses Konzert war ich vor allem interessiert, weil eine Kontrabassklarinette angekündigt war. Und die stand da auch. Ein Riesenteil von über 2 Metern, mit einem abgekurvten Endstück damit der Musiker überhaupt die Chance bekommt das Mundstück zu erreichen. Pepe Auer spielte Klarinette, Bassklarinette, eben jene Kontrabassklarinette, Altsaxophon und Elektronisches, dabei waren Phil Nykrin an Flügel und Analogsyntheziser, Clemens Sainitzer am Cello und Christian Grobauer an Drums und Electronics . Es gab einen eigenen sogenannten „Sounddesigner“ – wir fanden, ohne diese Info zu haben, zu Anfang den Klang nachbesserungswürdig. Roelofs/Bennink klangen halt sehr direkt aber natürlich. Jetzt kam jede Menge Elektronik hinzu, mir war das etwas zu dick aufgetragen. Ich mag durchaus das natürliche Knarren der Instrumente wahrzunehmen, doch wurde das hier teils auf die Spitze getrieben. Loops etc. (wie das ganze Zeugs sich halt so nennt) inbegriffen. So war das eher ein Crossover zwischen Jazz, Pop und elektronischer Musik, so ähnlich heißt es auch in der Vorankündigung des Festivals.Vor allem hätte ich mehr von der Kontrabassklarinette erwartet. Sicher, die sieht eindrucksvoll aus, aber es wurde von Pepe Auer nichts Entscheidendes aus diesem Exoten herausgeholt? Ich vermute, es lag an der Qualität seines Spiels, Roelof – der sich zumindest teilweise das Konzert noch ansah – spielt deutlich überzeugender seine Bassklarinette, die (bcl) auch von Auer überwiegend genutzt wurde.
White Noise kam bei der Masse des Publikums aber fast besser an als sperrige Spiel zu Icarus, wenn man den Beifall wirklich als Gradmesser nehmen kann. Es wanderten auch kaum Leute ab, ein paar sehr alte Hardcorejazzer vielleicht? Es war schön anzusehen, wie sehr sich Pepe Auer über den Zuspruch freute, das ganze Konzert über war das zu merken. Meines war es nicht. Das ganze Set ohne elektronischen Firlefanz, hätte ich mir vorstellen können, das würde auch funktionieren. Heißt, einen Mehrwert konnte ich mit Elektronik nicht erkennen.
wohlmeinende *** Sterne
ICH HÄTTE GERNE BILDER EINGESTELLT…
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Danke für den Bericht @dietmar – mein jüngstes Bennink-Erlebnis war ja leider etwas lau, auch sein Schalk blitzte seltener auf, als ich es von den früheren Begegnungen (und Aufnahmen) gewohnt bin. Aber gestern war ich zum zweiten Mal in der neuen Saison im Moods und das wunderbare Konzert entschädigte locker für das etwas zähe von vor zwei Wochen! Bericht folgt …
Diese Doppelkonzerte finde ich oft auch etwas schwierig (und könnte dabei gerade wieder mein Lamentieren über die „Festivals“, die gar keine sind/sein wollen fortsezten …). Ich finde bei kurzen Sets von verschiedenen Bands fast immer drei besser als zwei, aber klar, wenn’s drei sind, müssen sie auf den Punkt sein, so 45-55 Minuten – die Sets beim Middelheim fand ich ja manchmal auch deutlich zu lang – die Kürze zwingt eben dazu, nicht erstmal ein Set lang – wie ich’s dem Ziegele Trio mit Bennink vorwerfen würde – oder eine Dreiviertelstunde rumzueiern – wie ich’s bei Kenny Werners Gruppe in Antwerpen empfand. Nein, da muss man halt auf den Punkt kommen und das auch können, was natürlich nicht leicht ist und manchmal auch in die Hose geht – aber ein 45minütiges schwaches Set ist ja unter Umständen erträglicher als ein 80minütiges mit 15 guten letzten Minuten (wo vielleicht die Leute schon rausgelatscht sind).
Das mit den Bildern geht hier halt wirklich nur mittels Verlinkung/Einbettung, d.h. die Bilder müssen schon vorher irgendwo online gestellt werden … ich habe früher photobucket.com und davor eine andere vergleichbare Seite genutzt, es gibt da wohl schlauere Möglichkeiten, aber vermutlich gibt es wirklich vernünftige Angebote nur gegen Bezahlung. Ich selbst nutze aktuell ein Blog, von dem ich dann die Bilder auch hierhin verlinken kann.
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Schlagwörter: 2019, Jazzfestivals, Jazzgigs, Jazzkonzerte, Konzertberichte
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