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Im Rahmen des multiphonics / Cologne Jazz and World Music Festivals fand neben der Außenstelle im Dortmunder Domizil gestern auch zwei Konzerte in der Düsseldorfs Jazz Schmiede statt.
Es gab nur einen Grund warum ich dort unbedingt hinwollte und der hieß Han Bennink. Joris Roelofs und Han Bennink spielten im Duett, wie auf ihrem Album Icarus aus dem Jahr 2018. Das gestrige Programm unterschied sich aber vom Inhalt des Album, obwohl das Konzert mit Zugabe nur etwa 45 Minuten lang war – in etwa die Albumlänge. Verzichtet wurde auf Dolphys „Something Sweet, Something Tender“ und ich glaube, auch auf Hadens „Song For Che“ und Weills „This Is New“. Something Sweet, Something Tender hätte ich sehr gerne vom Bassklarinettisten Roelofs MIT Han Bennink gehört. Entschädigend gab es aber ein sehr berührendes „I Loves You, Porgy“.
Ansonsten agierten die Zwei sehr spontan, hingen offensichtlich nicht an irgendeinem Plan – oder warfen den zumindest alsbaldigst um, wenn man den Worten Roelofs glauben darf. Er erzählte auch die höchst amüsante Geschichte von Daidalos seinem Neffen Perdix (das spätere Rebhuhn), Minos, Minotaurus und eben Ikarus – ich finde das sehr sympathisch wenn Niederländer deutsch sprechen, vor allem wenn sie so gute Erzähler wie Joris Roelofs sind.
Joris Roelofs, Artist in Residence beim diesjährigen, der Klarinette gewidmeten Festival, spielt sehr gut die Bassklarinette. Wir sahen ihn das zweite Mal in diesem Jahr (im Februar mit Phil Donkin „Masterfrown“), beide Male wusste er zu überzeugen. Jetzt, in diesem reduzierten Line Up zeigte er naturgemäß noch deutlich mehr Präsenz, die er gekonnt nutzte. Diese Begegnung, eigentlich unnötig zu erwähnen, fand auf Augenhöhe statt.
Aber alles nichts ohne Han Bennink. Sorry, Joris. ;) Die Vorfreude war groß zum ersten Mal Han in einem Konzert zu begegnen. Eine ganze Reihe von Videos hatte ich mir angeschaut und es war klar, dass ich ausnahmsweise in ein Jazzkonzert gehen würde, weil ich auch gerne gucken würde. Ich erwartete einen großen Spaß. Und das wurde auch erfüllt. Zu Beginn spielte Bennink sehr konzentriert, fast ungewohnt diszipliniert. Das swingt schon enorm. Ein wenig erstaunt war ich, dass er auf dem hauseigenen – in seinem Sinne reduzierten – Drumset spielte, die Becken waren aber seine eigenen. Ich kann nachvollziehen, dass man mit 77 Jahren jeden unnötigen Ballast auf Reisen abwerfen möchte. Ansonsten merkte man ihm die 77 kaum an, der Schuh landete mehrmals sehr beweglich auf der Snare, später gab es auch die erwartbare Session mit dem Bühnenboden, sehr gewandt wirkte das Runter und Rauf.* Auch landete sein Stick im Munde und wurde als Reibholz gebraucht, inklusive abschließendem perkussiven Ausspucken. Aber das sind die erwartbaren, bekannten Mätzchen für die er auch geliebt wird, die Punkattitüden, das nonkonforme, es ist sicher nicht beleidigend, wenn man Vergleiche zu Clowns zieht. Nein, hach, das war schön und gut und freudig.
*Sein Alter merkte man erst als er die Bühnenstufen seitlich herunterging.
Einziges Manko war die kurze Spielzeit, weil, so sagte Han, dass er „früh in Bett“ gehe. Joris Roelofs empfahl dann noch sehr kollegial die anschließende Band. Und meine Frau und ich waren ein wenig traurig, weil es schon vorbei war.
Es gab eine Pause, CD kaufen. Kaum saßen wir auf unseren Hockern stand plötzlich Han Bennink mit einem Weißwein an unserem Stehtisch, zuerst recht distanziert wirkend. Ich quatsche sowieso nie zuerst solche Leute an, meine Frau ist da etwas offensiver – vielleicht erinnert sich der eine oder andere, was ich zu Harold Mabern schrieb? – so kam es doch zu einem kleinen Gespräch, Dank für das wunderbare Konzert, die direkte Frage an mich, ob ich das denn auch so sehe? Meine Frau sagte, dass das Konzert ihr Geburtstagsgeschnk wäre, nach anschließenden Zuprosten taute Han deutlich auf um anschließend seiner hinzukommenden Begleiterin und dem ebenfalls auftauchenden Joris Roelofs mitzuteilen, dass meine Frau „jaaren“ würde, so verstand ich ihn zumindest. Kurzes höfliches Lächeln, Prosten, dann verabschiedeten sich Han Bennink samt Begleiterin, er mit Handschlag bei mir und Handkuss (!) bei meiner Frau. Die hatte Spass. Kein so’n französischer hingehauchter, nein, ein direkter Mund auf Handrücken. Aber ich glaube, mittlerweile hat sie sich die Hand schon wieder gewaschen. ;)
Ich ziehe nichts ab wegen der kurzen Spieldauer: ****1/2
Doch so fiel uns, besonders ihr, die Konzentration auf das überschneidend begonnene Konzert der zweiten Band des Abends schwer:
Pepe Auer White Noise. Auf dieses Konzert war ich vor allem interessiert, weil eine Kontrabassklarinette angekündigt war. Und die stand da auch. Ein Riesenteil von über 2 Metern, mit einem abgekurvten Endstück damit der Musiker überhaupt die Chance bekommt das Mundstück zu erreichen. Pepe Auer spielte Klarinette, Bassklarinette, eben jene Kontrabassklarinette, Altsaxophon und Elektronisches, dabei waren Phil Nykrin an Flügel und Analogsyntheziser, Clemens Sainitzer am Cello und Christian Grobauer an Drums und Electronics . Es gab einen eigenen sogenannten „Sounddesigner“ – wir fanden, ohne diese Info zu haben, zu Anfang den Klang nachbesserungswürdig. Roelofs/Bennink klangen halt sehr direkt aber natürlich. Jetzt kam jede Menge Elektronik hinzu, mir war das etwas zu dick aufgetragen. Ich mag durchaus das natürliche Knarren der Instrumente wahrzunehmen, doch wurde das hier teils auf die Spitze getrieben. Loops etc. (wie das ganze Zeugs sich halt so nennt) inbegriffen. So war das eher ein Crossover zwischen Jazz, Pop und elektronischer Musik, so ähnlich heißt es auch in der Vorankündigung des Festivals.
Vor allem hätte ich mehr von der Kontrabassklarinette erwartet. Sicher, die sieht eindrucksvoll aus, aber es wurde von Pepe Auer nichts Entscheidendes aus diesem Exoten herausgeholt? Ich vermute, es lag an der Qualität seines Spiels, Roelof – der sich zumindest teilweise das Konzert noch ansah – spielt deutlich überzeugender seine Bassklarinette, die (bcl) auch von Auer überwiegend genutzt wurde.
White Noise kam bei der Masse des Publikums aber fast besser an als sperrige Spiel zu Icarus, wenn man den Beifall wirklich als Gradmesser nehmen kann. Es wanderten auch kaum Leute ab, ein paar sehr alte Hardcorejazzer vielleicht? Es war schön anzusehen, wie sehr sich Pepe Auer über den Zuspruch freute, das ganze Konzert über war das zu merken. Meines war es nicht. Das ganze Set ohne elektronischen Firlefanz, hätte ich mir vorstellen können, das würde auch funktionieren. Heißt, einen Mehrwert konnte ich mit Elektronik nicht erkennen.
wohlmeinende *** Sterne
ICH HÄTTE GERNE BILDER EINGESTELLT…
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