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dietmar_
… Middelheim …Vielleicht klappt’s ja auf ein Bier vor oder nach einem Konzert! Wir können ja mal die Nummern tauschen wenn der Termin näher rückt!
dietmar_
Zum Carla Bley Trio kann ich nur sagen, dass es – ich glaube? – 2014 beim Jazzfestival in Middelburg/NL ein eindrückliches Erlebnis war. Das vielleicht beste Konzert für viele Jahre. Man sollte die Chance sicher nutzen das Trio anzusehen. Damals war Carla auch schon enorm hager, ich hoffe, das hat nicht noch weiter zu… abgenommen?Ich glaube schon, aber ich hab das Trio wohl 2012 zum ersten Mal gesehen, kann’s also auch nicht wirklich beurteilen. Aber die Hauptsache ist die Musik, und diesbezüglich fand ich’s wie gesagt wieder toll! (Und gar nicht so, dass ich jetzt wegen Gebrechlichkeit oder Alter im Urteil Nachsicht üben müsste, die Fälle gibt es ja schon … z.B. als ich Lee Konitz zuletzt hörte. Ob’s dann Alter an sich oder Müdigkeit durchs Reisen ist, spielt am Ende keine so entscheidende Rolle bzw. ist denen egal, die diese Leute auf Tour hören gehen … daheim in NYC wär’s wohl was anderes, aber den Vergleich habe ich nicht).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deSo klingen die größten Schlagzeuger ohne ihre Band
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Werbung… hast du gesehen, dass beim Kenny Werner Quartet auch Dave Liebman dabei ist (Peter Erskine und Johannes Weidenmueller an Drums und Bass)? Auf Liebman freue ich mich auch sehr.
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gypsy-tail-wind
dietmar_ … Middelheim …
Vielleicht klappt’s ja auf ein Bier vor oder nach einem Konzert! Wir können ja mal die Nummern tauschen wenn der Termin näher rückt!
dietmar_ Zum Carla Bley Trio kann ich nur sagen, dass es – ich glaube? – 2014 beim Jazzfestival in Middelburg/NL ein eindrückliches Erlebnis war. Das vielleicht beste Konzert für viele Jahre. Man sollte die Chance sicher nutzen das Trio anzusehen. Damals war Carla auch schon enorm hager, ich hoffe, das hat nicht noch weiter zu… abgenommen?
Ich glaube schon, aber ich hab das Trio wohl 2012 zum ersten Mal gesehen, kann’s also auch nicht wirklich beurteilen. Aber die Hauptsache ist die Musik, und diesbezüglich fand ich’s wie gesagt wieder toll! (Und gar nicht so, dass ich jetzt wegen Gebrechlichkeit oder Alter im Urteil Nachsicht üben müsste, die Fälle gibt es ja schon … z.B. als ich Lee Konitz zuletzt hörte. Ob’s dann Alter an sich oder Müdigkeit durchs Reisen ist, spielt am Ende keine so entscheidende Rolle bzw. ist denen egal, die diese Leute auf Tour hören gehen … daheim in NYC wär’s wohl was anderes, aber den Vergleich habe ich nicht).
<p class=“p1″>Wir können uns gerne auf ein Bier oder so treffen. Wenn es zeitlich näher rückt tauschen wir gerne die Nummern. </p>
<p class=“p1″>Lee Konitz und Sheila Jordan sah ich auch vor ein paar Jahren. Konitz und Jordan solierten nicht so viel, wie man es sich vielleicht wünschen würde. Beiden merkte man auch wenig die geringer gewordene Kraft an. Das ist auch kein Wunder mit Ende 80, beide Konzerte rührten mich aber auch sehr an. </p>
{{Zitieren am iPhone ist die Pest!! Ständig verrutscht der Text}}--
Jordan setzt eher mal aus, ja … aber ich hörte sie auch kürzlich noch im Trio (mit p/b) und da war sie voll gefordert und lieferte. Der Weg von ihr (irgendwo in oder um Graz vermute ich?) nach Zürich ist aber auch nicht weit …
Zitieren und so geht im Text-Modus eh am besten. Man kann dann auch die Zeilenumbrüche, die das Forum „verschluckt“ wieder herstellen (was z.B. dazu führt, das im Hörthread bei Zitaten die Cover-Bildchen so unschön rechts neben den Usernamen kleben), ohne dass Zitate in zwei Blöcke getrennt werden.
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… hast du gesehen, dass beim Kenny Werner Quartet auch Dave Liebman dabei ist (Peter Erskine und Johannes Weidenmueller an Drums und Bass)? Auf Liebman freue ich mich auch sehr.Oha, nein, Liebman hatte ich noch nicht entdeckt … dass man jeweils auf die Bildchen klicken muss, um die Line-Ups zu sehen begriff ich eh erst ungefähr vorgestern
Liebman habe ich noch nie gehört – und die anderen in der Band auch nicht, auf Erskine freue ich mich auch. Nur der Stuff-Abend scheint eher vernachlässigbar, aber wenn man schon dort ist und einen Festivalpass hat … (den habe ich noch nicht, aber Zugtickets und eine Buchung bei Airbnb).
Lustigerweise guckte ich gestern Abend das Programm des Bird’s Eye in Basel an, da spielt das Trio VEIN, das schon mit Liebman unterwegs war und ich dachte noch für mich: wenn Liebman dabei wäre, müsste ich schauen, ob ich’s einrichten kann …
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gypsy-tail-wind
dietmar_ … hast du gesehen, dass beim Kenny Werner Quartet auch Dave Liebman dabei ist (Peter Erskine und Johannes Weidenmueller an Drums und Bass)? Auf Liebman freue ich mich auch sehr.
Oha, nein, Liebman hatte ich noch nicht entdeckt … dass man jeweils auf die Bildchen klicken muss, um die Line-Ups zu sehen begriff ich eh erst ungefähr vorgestern Liebman habe ich noch nie gehört – und die anderen in der Band auch nicht, auf Erskine freue ich mich auch. Nur der Stuff-Abend scheint eher vernachlässigbar, aber wenn man schon dort ist und einen Festivalpass hat … (den habe ich noch nicht, aber Zugtickets und eine Buchung bei Airbnb). Lustigerweise guckte ich gestern Abend das Programm des Bird’s Eye in Basel an, da spielt das Trio VEIN, das schon mit Liebman unterwegs war und ich dachte noch für mich: wenn Liebman dabei wäre, müsste ich schauen, ob ich’s einrichten kann …
Ja, dass Liebman dort spielt, habe ich erst vor wenigen Tagen entdeckt, ich hatte das gleiche Aha-Erlebnis mit den Bildchen. Und mir geht es ähnlich, ich habe mir schon länger gewünscht ihn einmal live zu sehen. Ich beginne sein Spiel immer mehr zu schätzen.
Der Tag mit Stuff scheint der „vernachlässigbarste“ zu sein? Aber wer weiß, ich kenne die Musiker von diesem Tag nicht – Akinmusire spielt aber auch, das Mae Mae Projekt sagt mir bis heute nichts (ich habe die Hörbeispiele noch nicht angeklickt) – ich lasse mich auch gerne überraschen. Andererseits hat Antwerpen auch genug zu bieten, um einen jazzfernen Exkurs einzulegen. Mindestens Rubens Privathaus steht auf der Liste.
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Einige Programmänderungen in Middelheim, die Schwerwiegendste: Pharoah Sanders tritt am Donnerstag auf. Was sicherlich keine schlechte Nachricht ist. So fern er gesundheitliche gut drauf ist.
Mir scheint tatsächlich der Donnerstag, der erste Tag des Festivals, der interessanteste Tag zu sein.
zuletzt geändert von dietmar_--
Hatte ich vor ein paar Tagen schon gesehen @dietmar_ – Sanders hat vor kurzer Zeit ein neues Album mit Joey Defrancesco gemacht, das ziemlich gut zu sein scheint. Es gibt also wenigstens noch Tage, an denen es noch zu klappen scheint …
Rausgeflogen aus dem Line-Up ist aber niemand oder? Es wurden nur letzte (davor noch bestehende) Lücken gefüllt? Die Thielemans Hommage mit Werner und Philip Catherine ist glaub ich auch neu?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIch habe auch nicht den Eindruck, dass etwas fehlt.
Die Thielemans Hommage mit Maret und Werner, Catherine ist mir auch positiv aufgefallen … und, ja, neu im Programm.
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Eben 2 Konzerttermine in Düsseldorf klargemacht:
am 29. September Mulatu Astatke
und
am 12. Oktober Han Bennink & Joris RoelofsAuf beide Sessions freue ich mich dolle! Ich wünsche mir seit Jahren Bennink live zu erleben.
Tja, und in 2 Tagen beginnt Middelheim Jazz …
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Flurin, deine Befürchtung im Ausgangspost, dass es wieder ein „Monolog“ werden könnte ist nicht ganz unberechtigt. Ich hatte natürlich gehofft, dass du schreibst und ich ggf. ein paar unqualifizierte Bemerkungen dazwischen hauen kann. Doch hatte ich in einem anderen Forum ein paar Worte zum Festival versprochen und das hatte ich vor ein paar Tagen erfüllt. Daher traue ich mich und setze es in ein bisschen abgeänderter, an die hiesigen Gegebenheiten angepasster Form einfach hier hinein, immer noch in der Hoffnung, dass deine üblicherweise wunderbaren Bemerkungen hier nur auf sich warten lassen.
‚Middelheim, ein Vorort von Antwerpen – ich bin nicht sicher, ob es zur Stadt Antwerpen gehört oder eine vorgelagerte Gemeinde ist? – man ist jedenfalls in wenigen Minuten mit dem Bus oder der Metro im Zentrum dieser spannenden Hafen- und Kulturstadt. Ich hätte gerne mehr Zeit für’s Sightseeing gehabt, doch unsere Zeit war knapp.
Meine Frau und ich reisten am Donnerstag den 15. August an und es ging gleich am ersten Tag richtig zur Sache. Auch im Nachklang ist mir die Verteilung der Musiker auf die einzelnen Tage nicht schlüssig, jedenfalls empfand ich die Line-ups des Donnerstags und des Freitags als die Interessantesten. Vielleicht bekommt man vielbeschäftigte Musiker innerhalb der Woche leichter verpflichtet als an den Wochenenden?
DO:
Idris Ackamoor & The Pyramids
„Artist In Residence“ Ambrose Akinmusire mit ‚Origami Harvest‘
David Murray featuring Saul Williams
Pharoah SandersFR:
Eric Legnini
Kenny Werner Quartet (mit Dave Liebman)
Charles Lloyd
Enrico RavaDen Samstag ließen wir aus musikalischer Sicht ruhiger beginnen, hörten vom Bierzelt die Band De Beren Gieren,
sahen danach ein weiteres Akinmuire Projekt ‚Mae Mae‘ und schlossen am frühen Abend mit Nubya Garcia.
Das folgende Programm mit zwei weiteren Konzerten (Louis Cole Big Band und Stuff.) schien uns weniger interessant als ein Mahl mit gutem belgischen Bier in einer urigen Gaststätte im Zentrum Antwerpens.Den vierten Tag u.a. mit einem Jam von Ambrose Akinmusire und lokalen „Studenten“, dem Joe Lovano Tapestry Trio, einem Toots-Thielmans-Tribute mit Grégoire Maret, Kenny Werner, Philip Catherine und und einem abschließenden Auftritt des Ambrose Akinmusire Quartets, verpassten wir entgegen unserer Planung komplett, weil wir gezwungen waren frühzeitig abzureisen.
_Der erste Tag (Donnerstag) war nur schwer zu toppen, das Line-up größtenteils erstklassig. Der Beginn des Festivals mit Idris Ackamoor & The Pyramids war so weit okay, nicht meins. In der Programmankündignug wurden Parallelen zu Sun Ra und Fela Kuti gezogen. Bunte Klamotten, ein gutes Saxophonspiel von IA – singen sollte er lieber nicht, das ist blöd, vor allem wenn man eine Message vermitteln möchte. Als Auftakt war das in Ordnung, wir wussten, was noch kommen wird.
Darauf folgte das David Murray Quartet featuring Saul Williams. Großartig! Einer der Höhepunkte des Festivals. Murray spielte ein unglaubliches Tenorsaxophon, mitunter „überholte“ er sich selbst. So eine Intensität habe ich bis dahin nur selten gehört. Murray und Saul Williams lernten sich auf Amiri Barakas Beerdigung kennen, auf der Williams sprach/sang. Man kam überein zusammen zu arbeiten, was in dem Album „Blues For Memo“ nachzuhören ist. Ich erinnere mich an keine so gelungene Live-Darbietung mit ’spoken words‘ – vielleicht die passendste Beschreibung was Saul Williams da macht – sein charismatisches Auftreten gepaart mit einer großartigen Band (Murray, David Bryant (p), Rahsaan Carter (b) und dem außergewöhnlichen Hamid Drake! (d). Die Festivalbesetzung unterscheidet sich stark von der des Albums, nur Murray und Williams waren auf der Bühne, das tat der Performance aber keinen Abbruch.
Im Anschluss Ambrose Akinmusire mit seinem aktuellen Blue Note Album „Origami Harvest“, Akinmusires Trompete, Klavier, Schlagzeug, Stimme/Gesang + Streichquartett. Kein leichter Stoff, aber absolut faszinierend.‘
In einem früheren Beitrag, in erwähntem Forum, schrieb ich zu meinen Eindrücken des Albums: „Ich muss zugeben, ich hatte ein bisschen Sorge, ob mir diese Musik zusagen würde – wer sich allein die heterogene Truppe vergegenwärtigt, kann meinen Gedanken vielleicht nachvollziehen. Ich habe oft Schwierigkeiten mit bekannten Aufnahmen gewisser Koryphäen wenn sie „with strings“ eingespielt wurden, da gibt es nur wenige Ausnahmen, die ich akzeptiere [..] Projekte „Hauptsache Crossover“ gibt es unzählige, selten finden sie mein Interesse und Zuspruch. Hier hat mein erster Hördurchgang – mit Kopfhörer, was ich durchaus empfehle, weil der Klang im Gegensatz zu den Village Vanguard Aufnahmen sehr gut ist! – gleich meine Interesse geweckt. Die großen Kontraste empfand ich als Einheit …“
In Middelheim hatte ich mehr Schwierigkeiten mit den Kontrasten, aber letztlich fügte sich alles ineinander.‚Als Abschluss des ersten Tages trat das Pharoah Sanders Quartet auf, erst spät wurde seine Beteiligung am Festival bekannt. Das war natürlich ein Hammer: Sanders, der mit Coltrane spielte, seine eigenen Alben, insbesondere aus der Impulse-Ära, aber ich wusste auch, dass seine Darbietungen in den letzten Jahren sehr unterschiedlich empfunden wurden. Von grandios bis lustlos … „erkrankt“ … „muss er sich das noch antun?“ etc. gingen die Kommentare. Und doch war ich geschockt, als er auf die Bühne schlurfte. Ein kleiner, alter Mann, er schien anfangs ein wenig orientierungslos. Die ersten Minuten war ich traurig. Sanders wurde von einer Band begleitet, die so jemand dann braucht. Natürlich haben die Drei (Benito Gonzalez, Oli Hayhurst, Gene Calderazzo) Zeit überbrückt, wenn Sanders eine Pause brauchte – sehr dynamisch die Rhythmusgruppe! – es dauerte etwas bis sich mein erster Eindruck verflüchtigte. Sanders Soli waren nicht sehr lang, alte Saxophonisten (siehe Lee Konitz) fangen gerne das Singen an – ein gemurmeltes „The Creator Has A Masterplan“ … aber was Pharoah Sanders spielte war sehr gut! Nicht mehr ganz mit der Power gesegnet, wie man ihn in früheren Jahrzehnten kannte, aber meiner Meinung nach gereift im Ton (ich kenne überwiegend seine 60er und 80er Jahre Einspielungen). Er zelebrierte durchaus seine Gebrechen, inklusive kleines Tänzchen obwohl ihm seine Beine kaum noch gehorchten.
Zum Abschluss wurden Coltranes „Naima“ und „Giant Steps“ – ha ha, welch ein Hohn ;) – gespielt, das war wunderbar und sehr berührend.
Der Festivalabend war zu Ende und wir gingen sehr still die 2 Kilometer bis zu unserer Unterkunft.Der Freitag begann mit Eric Legninis Les McCann Tribute. Weil wir vor etwa 12 Jahren ein gutes Konzert von Legnini in Düsseldorfs Jazz Schmiede gesehen hatten, verzichteten wir auf einen pünktlichen Festivalbeginn und trudelten zur letzten halben Stunde des Auftritts ein, das was wir hörten und von Flurin und readbeansandrice bestätigt bekamen, muss es gut gewesen sein.
Es folgte das Kenny Werner Quartet mit Dave Liebman(!), Peter Erskine und Johannes Weidenmüller. Besonders auf Liebman hatte ich mich sehr gefreut.
Nach der „Herzmusik“ des letzten Konzerts des Vortages wurde jetzt der Kopf gebraucht. Es brauchte Zeit um in diese Musik hineinzufinden, was aber auch an uns gelegen haben mag, weil wir zuvor einen nicht so ganz einfachen Tag hatten. Aber Dave Liebman spielte wundervoll auf Sopran und Tenor. Erskine, der gewohnt souveräne Drummer. Eigentlich ein Genuss, wenn der Kopf schon in der Arena gewesen wäre.
Doch dann stellte Kenny Werner die Sopranistin Vivienne Aerts vor, die nur für ein (!) Stück auftrat. Ich habe noch nie eine so gestelzte, puppenhafte, mechanische Version von „Embraceable You“ gehört! Liebman begleitete, konnte es aber auch nicht raus reißen. Warum? Warum musste das sein? Ein Fremdkörper, so etwas Totes habe ich auf einer Bühne noch nie agieren gesehen/gehört.
Darauf folgten noch etwa fünfzehn großartige Minuten der Band ohne Gesang. Wäre ich zu spät gekommen, hätte ich die Musik sehr gelobt!Es folgte um 19:30 meine Überraschung des Festivals. Mit Charles Lloyd wurde ich bis dahin nie so recht warm, ich kann kaum sagen, woran das gelegen haben mag? Von Lloyd gibt es sehr viele Livealben. Und Konzerte auf Konserve hören ist immer so eine Sache. Ich kenne viele Jazz-Liveaufnahmen, die ich sehr schätze, die von Lloyd gehörten bis jetzt nicht dazu. Da hat sich nach seinem Konzert etwas geändert, ich habe die wenigen Alben, die ich von ihm habe, noch einmal gehört. Da habe ich erst begonnen zu verstehen, nur habe ich noch nicht herausgefunden, was da passiert ist.
Den Unterschied machte Middelheim, der Auftritt von Charles Lloyd und Band [Marvin Sewell (g), Gerald Clayton (p), Reuben Rogers (b), Eric Harland (d)]. Ein entspanntes Meeting, Lloyd, die Rhythmuseinheit, Sewells Gitarre sehr schön gruppendienlich, von gelegentlichen Blues-Soloeskapaden abgesehen.
Was soll ich sagen, neben Murray/Williams die wahrscheinlich tollste Session des Festivals. Obwohl ich das nicht wirklich beurteilen kann (s.o.).Der Abschluss des Tages war Enrico Rava mit seiner ’80th Birthday‘-Tour. Mit einer wahrscheinlich rein italienischen Truppe trat Rava auf. Und das hatte eigentlich gar nichts von einem achtzigsten Geburtstag, das war eine unruhige, frische, (deutlich erkennbar) europäische Musik. Ein ziemlich gutes Set, was es aus meiner Sicht dennoch etwas schwer beim Publikum hatte nach Lloyds Band, obwohl auch amüsantes wie Doris Days „Perhaps, Perhaps, Perhaps“ geboten wurden. Außerhalb des Festivalkontextes wäre ich wahrscheinlich begeistert gewesen.
Am Samstag trudelten wir erst am frühen Nachmittag ein, von De Beren Gieren (Die Bären heulen) verfolgten wir nur die zweite Häfte vom Verpflegungsstand aus. Kein typisches Klaviertrio, gar nicht. Clavinet und Syntheziser, E-Bass und Schlagzeug, durchaus interessant aber nicht meins. Vieleeicht wenn ich mich sehr konzentriert hätte? Das Konzert wies schon die Parole für diesen Tag. Das Samstagabendprogramm wollten wir schwänzen, da wird etwas für die große Masse getan. Ich möchte mir kein Urteil erlauben ohne dabei gewesen zu sein, doch sparten wir uns Stuff und die Louis Cole Big Band.
Vorher gab es wieder Ambrose Akinmusire, diesmal mit seinem „Mae Mae“ Projekt. Eine Mattie Mae Thomas war in den 30er Jahren Insassin der Parchman Farm, Mississippi. Unter Mitwirkung der Library of Congress wurden zwischen 1936-39 fünf Lieder von ihr aufgenommen. Diese Tondokumente sind Teil eines anderen Projekts Akinmusires. Mattie Maes Samples, wieder Gerald Clayton, Joe Sanders (b), Kendrick Scott (d), wieder Marvin Sewell und der Bluessänger Dean Bowman. Bowman machte einen guten Job, kontrastierte mit den eher behäbigen Samples von Misses Thomas, doch warum musste diesen Part ein Mann übernehmen? Eine Frau, mit ihren eigenen gelebten Erfahrungen, hätten wir uns hier besser vorstellen können. Idealbesetzung vielleicht: Cassandra Wilson, die genug „Rotz“ rüber bringen kann, um das nicht zu etwas „Schönem“ zu machen.Dann folgte die Tenorsaxophonistin Nubya Garcia, aus der angesagten Londoner Szene. Das war gut, aber neues und das Angesagte habe ich nicht gefunden. Es wird dazu sicherlich ganz andere Meinungen geben.
…Es gab an allen Tagen noch „Pausenfüller“ im kleinen Zelt, doch darum haben wir uns nur sehr am Rande gekümmert. Wir ließen es ruhig angehen, ließen mitunter etwas ausfallen. Positiv hängengeblieben sind mir Erinnerungen aus dem kleinen Zelt vor allem bei einem Jam am ersten tag: die spontanen 5 Minuten in der Ambrose Akinmusire und dessen Sänger Kokayi beim Bassisten Reggie Washington einstiegen und sofort „da“ waren nach der ganz anderen Musik von Origami Harvest. Das Umschalten auf eine komplett andere Situation innerhalb von Minuten (große Bühne – Abgang – rüber zur kleinen Bühne – und …).‘
Wir mussten plötzlich abreisen, dennoch dachte ich an diesem Tag einige Male „jetzt spielt Lovano … jetzt spielt das Akinmusire Quartet.“ Es hätte noch einige interessante Sachen gegeben. Sehr wichtig wäre mir gewesen, wenn ich Akinmusire mit seinem Quartett hätte sehen können – er hatte an diesem letzten Tag gleich zwei Auftritte.
Das Quartett muss wohl sehr gut gewesen sein soll, Lovano schwierig(?), die Toots Thielemans Hommage so na ja und Akinmusire mit den Studenten („Evergreen 5+“) „ECM-ig“?‘ Das hörte ich so. Oder?{Weil wir uns meist recht weit hinten in dem großen Zelt aufhielten, war das Teleobjektiv des Phones überfordert, deshalb habe ich nur wenige private Schüsse gemacht, die der Öffentlichkeit nicht zuzumuten sind. Die anderen Beiden saßen weiter vorne … ;) }
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Danke für Deinen Bericht @dietmar_ – ich lege auf jeden Fall noch nach, kam aber z.B. noch nicht mal dazu, die Bildchen zu sortieren … grad viel los bei der Arbeit (so viel, dass ich kurz dachte: fast wär’s mir lieber ich hätte den Urlaub gar nicht gehabt … aber das wäre natürlich verdammt schade gewesen, nicht nur wegen dem Middelheim Jazzfestival und Antwerpen sondern auch wegen der Tage davor mit Ausflügen nach Rotterdam, Delft/Den Haag, Utrecht und dann – nach einem halben Tag in Tilburg – noch einer nachmittäglichen Plattenladentour in Rotterdam, wo ich neben ein paar LPs – davon gab es in Antwerpen noch ein paar mehr – einen ganzen Stapel CDs mitnahm, durch den ich mich wie drüben ja erwähnt inzwischen arbeite). Anyway, am Montag fuhr ich zuviel DB (eine Zumutung eigentlich, aber als seit vielen Jahren überzeugter Minimalflieger muss ich da halt durch), am Dienstag, den ich eigentlich auch noch freigenommen hatte, ging es abends ans Lucerne Festival zum zweitletzten Auftritt des grossen Dirigenten Bernard Haitink, letztes Wochenende ging für StoneFM (Teil 3 der Reihe über die frühen Jahre von Blue Note morgen aber 22 Uhr, falls Du Lust hast) und dann den zweiten Besuch in Luzern drauf (das zweite Beethoven-Rezital von Igor Levit, grossartig, wie Haitink übrigens auch) … diesen Sonntag geht es dann noch für den letzten Konzertblock ans Jazzfestival Willisau (zwei Gruppen, eine mit Zürcher Regulars, die man dort nun wirklich nicht programmieren muss, die zweite das Duo James Brandon Lewis/Chad Taylor, die letztes Jahr eine super Duo-CD herausgebracht haben … und Taylor übrigens – wohl neben/mit Marcus Gilmore und Nasheet Waits – für mich aktuell der Drummer, der abgesehen von Hamid Drake sicherlich alle in Middelheim anwesenden in den Schatten stellt, ich denke Tyshawn Sorey, Gerald Clayton und Eric McPherson gehören da auch noch dazu, wobei Eric Harland da dann vielleicht schon mithalten kann), und das kommende Wochenende noch zweimal nach Luzern (LSO/Simon Rattle/Barbara Hannigan sowie Haitinks letzter Auftritt mit den Wiener Philharmonikern, die ich noch nie live hörte).
Man möge entschuldigen, dass ich lieber draussen bin und Konzerte anhöre, als daheim zu sitzen und über Konzerte zu schreiben (das hat ja leider seit April fast nicht mehr oder nur noch beiläufig geklappt, ein paar Jazzkonzerte – vor allem dreimal Pierre Favre im Duo kommt mir in den Sinn, zweimal mit dem Posaunisten Samuel Blaser, einmal mit dem Gitarristen Philipp Schaufelberger).
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Aber gut, ich streue schon mal ein paar Kommentare ein – erstmal hier einen Link mit meinem Bericht zu den Auftritten von Ambrose Akinmusire, den ich rasch im Büro in die Tasten haue, hier aber nicht einfach übertragen werde, weil der Kontext ein anderer ist:
http://www.organissimo.org/forum/index.php?/topic/83675-ambrose-akinmusire/&do=findComment&comment=1649803Dave Liebman fand ich leider schon etwas enttäuschend, ich werde mehr schreiben, fand aber die ganze Gruppe schwierig, auch Peter Erskine, der irgendwie zu souverän und auch zu glatt war. Dass Kenny Werner im furchtbar netten Thielemans-Tribute auf dem Flügel auch noch einen Synthesizer liegen hatte und diesem schamlos die billigsten Plastic-Streicherklänge entlockte, passte irgendwie auch total … die Ansagen und der ganze Habitus auch. Das fällt eigentlich alles unter die Kategorie von klischeehaftem Jazzgebare, mit dem ich möglichst nichts zu tun haben möchte (auch wenn Liebman immer meinen Respekt haben wird und ich diverse seiner Aufnahmen sehr schätze, jene von Quest z.B., aber auch das Duo mit Marc Copland, von dem es auf hatOLOGY eine tolle Doppel-CD gibt, wo auch eine tolle späte Quest-Aufnahme, Solo-Alben und Alben mit Ellery Eskelin zu finden sind, die alle hörenswert sind). Und ja, der Auftritt der Sängerin war seltsam und total überflüssig, und die letzten zwei Stücke waren dann eben doch verdammt gut. Aber da will ich dann noch etwas mehr schreiben.
Joe Lovano war im Vergleich wohl noch eher mein Fall, aber ihn hörte ich vor wohl 17/18 Jahren mal mit einer schweizer Rhythmusgruppe und einem Set von Standards, das schlicht umwerfend war, so gesehen haben sich meine Befürchtungen betreffend des Trios mit Marilyn Crispell leider doch etwas bewahrheitet (die ECM-Scheibe mochte ich z.B. schlicht nie in Erwägung ziehen, Läden zum Reinhören gibt es hier eher nicht mehr und Youtube und Streamen sprengt mein Zeitbudget, wobei das ja schon eine fürchterliche Sprache und Denke ist, die ich eigentlich gar nicht verwenden will). Crispell war jedenfalls bei dem Trio die herausragende Musikerin, das fand ich recht klar (und entsprach wiederum der Erwartung, ebenso wie dass eben die Kopplung Lovano/Crispell keine wirklich gute Idee sei).
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Gerade ist auch das Unerhört-Programm online gestellt worden:
https://unerhoert.ch/media/programme/unerhoert-flyer_2019.pdf
bzw.: https://unerhoert.ch
Am 29./30. (u.a. Tomeka Reid, Orrin Evans, Craig Taborn, Mary Halvorson, Taylor Ho Bynum, Ralph Alessi, Jaimie Branch, Michael Formanek – Evans, Taborn und Branch hörte ich alle schon, Reid auch aber noch nie solo, was ich mir super vorstelle) bin ich an Konzerten mit Musik von Heinz Holliger, aber zu Wadada Leo Smith bzw. Kaja Draksler solo gehe ich, und wenn Alexander Hawkins mit Angelika Niescier im Duo spielt, sollte ich der Dame vielleicht doch noch mal eine Chance geben (wie bei Jaimie Branch sind diverse Leute, auf deren Urteil ich etwas gebe, begeistert – ich aber alles andere als). Tomeka Reid zu verpassen ist hart, aber die ist ja noch jung … Wadada in Zürich hätte ich nicht mehr zu wagen gehofft, das macht schon alles wett, was ich verpassen werde.Festival ist für das Ding ja irgendwie obendrein auch der falsche Name mit den 1-3 Konzerten pro Abend – und dass der andere Auftritt von Tomeka Reid (mit Studenten) parallel zu Wadada (der in einer anderen Stadt in der Nähe spielt) läuft, ärgert mich natürlich auch gleich wieder
Das mit dem „eigentlich kein Festival“ gilt für Willisau inzwischen auch, dort gibt es immerhin am Wochenende noch mehr als jeweils abends zwei Bands (früher waren es soweit ich weiss immerhin drei pro Abend), was in dem Kaff, wo man teuer übernachtet und es tagsüber nichts zu tun gibt halt nicht reicht). Das hat das Middelheim Festival schon super hingekriegt, für mich die richtige Balance zwischen Zeit, die Stadt anzuschauen und dann auf zum Festival und Musikhören … Mulhouse mit dem Météo-Festival ist wieder anders: Dort gibt es wenig zu sehen, die Musik geht um 12:30 los und das ist für den Ort denn auch das richtige – und so müsste es in Willisau wohl auch sein, aber ich vermute, dort gehen halt sehr viele Leute nach der Arbeit mit dem Auto hin und wieder heim, was bei mir keine Option ist (mit dem Zug geht halt der Teil mit „wieder heim“ eher nicht, weil das Kaff zu abgelegen ist und man nicht so viel Geld für Tickets bezahlt, um dann 10 oder 20 Minuten vor Konzertende auf den Bahnhof zu rennen – drum ist der Sonntagnachmittag eine gute Option, das habe ich schon dreimal gemacht, lieber ist mir aber an sich, wenn sich eine Übernachtung lohnt, z.B. Sa/So oder ein Abend Willisau und am nächsten Tag nach Luzern, von wo ich wiederum mühelos noch heim komme, auch wenn das nur 40 oder 45 Minuten von Willisau ist, aber halt gerade die entscheidenden, wenn es gegen 23 Uhr oder so geht).
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PS: zum Mulatu-Auftritt in Düsseldorf habe ich noch nichts Neues gehört, aber ich frage dann gelegentlich mal wieder nach (ich hoffe, ich war nicht der Bote, der der ganzen bisherigen Band die Nachricht überbrachte, dass sie gefeuert wurde )
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PPS: in den Genuss von Han Bennink komme ich demnächst hoffentlich auch wieder! Er ist im Trio mit dem grossartigen Bassisten Christian Weber und dem Saxer Omri Ziegele angekündigt … mit letzterem hatte ich früher meine Mühe, aber inzwischen schätze ich seinen in-your-face-Approach ziemlich – hier:
https://www.moods.club/de/programm/event/10607/omri-ziegeles-tomorrow-trio-mit-han-bennink-und-christian-weber.html—
PPPS: ob Nubiya Garcia in der nicht angekündigten Band wirklich am Saxophon war, könnte ich am 22.10. auch noch hier in Zürich nachprüfen, hier steht zum Line-Up in der Ankündigung (auch im Moods) Folgendes: „LINE-UP: tba sax, tba keyb, tba b, tba dr“ – schon super, nicht?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaJazzfestival Middelheim – Donnerstag, 15.8. (Tag 1)
Dietmar hat ja schon etwas von der Stimmung am Middelheim Jazzfestival in Antwerpen wiedergegeben, ich fand es alles in allem ganz gut, wenn das Programm halbwegs ansprechend ist auf jeden Fall einen Besuch wert! Für mich war Akinmusire als artist in residence wohl der Hauptanziehungspunkt, aber auch Enrico Rava, Joe Lovano, Charles Lloyd und ein paar der Sidemen (Marilyn Crispell mit Lovano vor allem) schätze ich sehr. Dass bei Kenny Werner auch Dave Liebman mitspielen würde, den ich noch nie live hörte (Werner auch nicht), war ein Pluspunkt, und auf Eric Legnini war ich ebenfalls sehr gespannt.
Bei weiteren Mitwirkenden – Idris Ackamoor, Pharoah Sanders, Philip Catherine – war mir nicht klar, wie das werden würde (bei Lovano auch nicht, zumal ich mir das Trio – es gibt eine ECM-CD, die ich nie kaufen mochte – schon auf dem Papier nicht einleuchten wollte, und leider nach dem Konzert auch nicht).
David Murray wiederzuhören war natürlich ebenfalls eine schöne Aussicht, aber das war dann halt auch schon das dritte Mal, dass ich ihn mit Saul Williams hören würde – dass das Line-Up des Quartetts allerdings völlig umgebaut worden ist, war mir nicht klar, und dass dann Hamid Drake am Schlagzeug sitzt war super, obendrein wurde das von den drei Sets mit Abstand das beste, aber das wusste ich natürlich im Voraus nicht. Murray und Williams eröffneten letztes Jahr das Météo Music Festival in Mulhouse, das bei redbeans und mir auch wieder als Destination zur Debatte stand, aber insgesamt weniger verlockend schien (auch etwas umgebaut wurde, was die Programmstruktur betrifft, und soweit ich es aufgrund von drei besuchten Festivals sagen kann, für meinen Geschmack nicht zum Besseren).
Obendrein gab mir die Fahrt nach Antwerpen auch die Möglichkeit, davor die Gastfreundschaft von redbeans zu geniessen und mit ihm ein paar Tage zu verbringen, inklusive Fahrten nach Rotterdam, Delft/Den Haag und Utrecht. Wir haben verdammt viel angeschaut (in Rotterdam an einem sehr langen Tag die Van Nelle Fabrik, die im Kombi mit dem Chabot-Museum und dem Haus Sonneveld (Bauhaus/De Stijl Nr. 1) sicher zu den Highlights gehörten, in Haag fuhren wir noch raus bis nach Scheveningen und guckten und danach die sehr eindrückliche Gemäldesammlung im Mauritshuis an, in Utrecht besuchten wir das Rietveld-Schröder-Haus (Bauhaus/De Stijl Nr. 2), und in Tilburg gab es im Textilmuseum auch noch eine kleine Schau über einige v.a. niederländische Vertreterinnen der Textilabteilung des Bauhaus (Nr. 3).
Auch Antwerpen hat einiges zu bieten. Neben dem sehr sehenswerten Rubenshaus besuchten wir das Plantin Moretus-Museum, eine der wichtigsten Druckereien der frühen Neuzeit, und im Gegensatz zu den mehr oder weniger leergefegten Räumen der tollen Van Nelle Fabrik, wo man von den Produktionsabläufen usw. keine Vorstellung mehr bekommt, sind da die Druckerpressen, die Lettern usw. noch zu sehen – und im grossen Aufenthaltsraum/Wohnzimmer hängen nochmal ein knappes rasch ein knappes Dutzend Portraits, die Rubens von der Familie der Drucker gemacht hat (und nebenan auch noch ein grossartiges Portrait des sterbenden Seneca). Der grosse Gang durch die Innenstadt und daraus hinaus in das sich im raschen Wandel befindliche einstige Hafenviertel. An dessen nördlichsten Ende steht man dann recht unvermittelt vor dem tollen Gebäude, das Zaha Hadid dort gebaut hat (bzw. genauer: ein bestehendes ergänzt/erweitert hat).
15:30 – IDRIS ACKAMOOR & THE PYRAMIDS
Idris Ackamoor (ts, as, g-synth, bamboophone, perc, voc), Sandra Poindexter (v, perc, voc), Bobby Cobb (g, voc), Gary Brown (b, elb, voc), George Hearst (d, perc, voc), Ernesto Marichales (cga, perc, voc)
* * *1/2Los ging es mit einem der Wackel-Sets, das sich aber für mein Empfinden als der perfekte Festival-Opener entpuppen sollte. Idris Ackamoor hat in den frühen Siebzigern drei grossartige Alben aufgenommen, die Band damals nannte er auch schon The Pyramids, und die erlebten so einiges zusammen. Sie beantragten 1972 ein Stipendium beim Antioch Abroad Program, und mit der einzigen Bedingung, einen Intensivkurs in Französisch zu belegen, ging es bald los, mit einem Ticket, das ihnen erlaubte, um die Welt zu fliegen. Den Französisch-Kurs besuchten sie in Besançon, in Frankreich entstanden The Pyramids. Den ersten Drummer trafen sie in Paris, wo sie auf dem Weg nach Amsterdam Halt machten (Donald Robinson, damals wohl erst 17), VPRO machte dann auch schon Aufnahmen der Gruppe, und im Hebst ging es dann weiter via Malaga nach Tangier und dann nach Accra, wo sie ihre Zelte aufschlugen, aber auch zu weiteren Reisen aufbrachen. Nach ein paar Monaten in Ostafrika ging es nach Kenya in den Westen, man spielte mit lokalen Musikern, machte Field Recordings usw. Nein Monate dauerte der Trip, und dann trafen die Pyramids wieder daheim in Ohio ein und begannen, die ganzen Erlebnisse und Erfahrungen zu verarbeiten. Die Band wurde erweitert und nahm 1973 das erste Studio-Album „Lalibela“ auf. Es folgten „King of Kings“ und schliesslich nach dem Umzug in die Bay Area bei San Francisco „Birth/Speed/Merging“. Diese drei LPs habe ich dank Musikblogs vor Jahren entdeckte, kaufte damals die tolle Compilation „Music of Idris Ackamoor 1971-2004“ (em records, 2 CD, 2006), und später als die LPs bei Ikef neu aufgelegt wurden, auch diese … grossartiger Stoff, alles! Von den Alben aus der jüngeren Zeit habe ich „We Be All Africans“ gekauft, das ist aber für mich keine Musik für zuhause – doch live funktionierte das alles prächtig, und gerade der Titeltrack dieses vorletzten Albums war eins der Highlights. Ackamoor und die Band kamen singend und trommelnd auf die Bühne, das Ding, das Ackamoor (Foto ganz oben) blies, war wohl das „Bamboophone“ (wenn man das googelt, kriegt man Bambus- oder Bambus-Look-Hüllen für Smartphones präsentiert, idiotische Zeit, die unsrige), das er gemäss der erwähnten Compilation auch schon in den frühen Siebzigern spielte (die Compilation lohnt wegen der Liner Notes, auf die ich mich oben stütze, aber auch wegen diverser rarer Tracks, die nicht auf den drei grossen Alben der Pyramids zu finden sind). Also: ein rundum glücklichmachender Start, fand ich! Und es sollte noch besser werden …
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17:30 – DAVID MURRAY QUARTET FT. SAUL WILIAMS
David Murray (ts), David Bryant (p), Rashaan Carter (b), Hamid Drake (d), Saul Williams (voc)
* * * * *Das zweite Set gehörte dann David Murray – der tauchte gegen Ende des Ackamoor-Sets in der ersten Reihe auf und filmte den Schluss mit seinem Smartphone. Betriebsspionage wohl – ich vermute er und seine Mannen hielten dann hinter der Bühne noch eine Art Haka-Ritual ab: denen zeigen wir es! Let’s separate the men from the boys – und das taten sie denn auch – holy shit! Die Band war vom ersten Beat an total fokussiert, beim jungen, mir bisher nicht bekannten Bassisten Rahsaan Carter nahm das fast schon beängstigende Züge an, er blickte starr ins Leere, ganz in die Musik abgetaucht. Hamid Drake am Schlagzeug sorgte für den passenden Groove, natürlich mit den Reggae-Untertönen, die sein Spiel so besonders machen, David Bryant am Klavier (auch er ist mir sonst nicht wirklich bekannt, spielt aber auf Pi-Alben von Henry Threadgill oder Steve Coleman, von denen ich ersteres auch tatsächlich schon angehört habe; im Tapscott-Umfeld gibt es übrigens einen Namensvetter, der aber Bass spielte, der deutsche Wiki-Eintrag zum Bassist ist kaputt und verlinkt die Pi-Portrait-Seite des Pianisten) war ebenfalls phantastisch, ich dachte manchmal kurz an Don Pullen, den ich leider nie live hören konnte – überhaupt wäre das Pullen/Adams-Quartett hier eine Referenz, wenigstens wenn Murray so verdammt gut drauf ist und so beherzt spielt. Seine Wurzeln bei Ben Webster waren auch immer wieder da, aber er spielte von Beginn an wie befreit auf, liess sein Saxophon schreien und heulen und kreischen, die Linien tanzten, die Riffs kletterten hoch und stürzten wie ein Wasserfall über das Publikum. Daneben Saul Williams, die gleiche coole Socke wie immer, mit einer Mischung aus Lässigkeit und Engagement, die ziemlich eigen ist und auf der Bühne gut rüberkommt (vielleicht etwas arrogant scheint, aber was soll’s, der Typ ist ja auch echt gut).
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19:30 – AMBROSE AKINMUSIRE ‚ORIGAMI HARVEST‘
Ambrose Akinmusire (t), Kokayi [Carl Walker] (voc), Sam Harris (p, elp), Kendrick Scott (d) + Mivos String Quartet: Maya Bennardo (v), Olivia de Prato (v), Victor Lowrie (vla), Tyler Borden (vc)
* * * * *Wie auf ein derart „geladenes“ Set folgen? Die Antwort liess nicht lange auf sich warten und begann gleich wieder mit einem Knall. Akinmusire und seine Band – am Klavier Sam Harris, der kürzlich auch eine feine Trio-EP („Harmony“, nur DL via Bandcamp – sehr zu empfehlen!) vorgelegt hat, und der auch Teil des Akinmusire Quartet ist, der regulären Live-Band des jungen Trompeters – legten gleich wieder mit höchster Intensität los. Und: bei beiden Bands stimmte das auch vollkommen, keinen Augenblick wirkte die Intensität aufgesetzt oder unorganisch, wie das bei Jazz in etwas freieren Spielarten vorkommt (da bin ich wohl recht empfindlich – wenn jemand z.B. ein Saxophonsolo mit hübscher Begleitung spielt und immer wilder wird, ohne dass irgendwas „passiert“, weder im Solo noch in der Band noch im Publikum … tja, dann denke ich manchmal so böse Dinge wie – so sagt man wohl heute – Fake-Jazz). Ob sich Akinmusires Blue Note-Album „Origami Harvest“ (mit anderer Besetzung am Schlagzeug und vor allem einem anderen Rapper) im Live-Kontext umsetzen lassen würde, daran hatte ich grosse Zweifel, doch die waren nach wenigen Minuten zerstreut. Die Texturen (Harris sorgte in der Regel für Bass-Riffs), die Vielschichtigkeit dieser Musik, die explosive Performance des Leaders, der Drummer, der seinen Hip Hop-Breaks draus hat, das Streichquartett, dessen Klang immer wieder ins Gewebe eindrang und dieses verdichtete – grossartig! Von Kokayi verstand man leider – im Gegensatz zu Williams, wo es zwischendurch recht gut ging – wenig, dass es sich hier um eine zornige Suite zum Thema rassistische Polizeigewalt in den USA handelt, wurde denn auch nicht deutlich – und ich glaube irgendwie nicht, dass im Publikum allzu viele Leute sassen, die das Album kannten.
Zum Publikum noch ein Wort: im Gegensatz zum Météo, das zum jährlichen Zirkus der alteingesessenen Festival-Gänger mit Hang zum Free Jazz gehört (Moers und so, die sind dann auch alle ergraut oder verglatzt und seit wenigstens den späten 70ern unterwegs), schienen die allermeisten Leute in Antwerpen aus der Region zu stammen, die Grösse (da hätten wohl 2500 oder 3000 Leute Platz, voll war das Zelt nie, vor allem der stets fast völlig leere, abgesperrte „V.I.P.“-Bereich (ca. Reihen 8-15 in der Mitte der Halle) war diesbezüglich ein echtes Ärger- oder Verwundernis. Rund um das grosse Zelt gab es Buden, bei denen verschiedene Snacks und Bier angeboten wurde (das Duvel trank man natürlich aus Plastic-Kelchen in der originalen Form der Gläser, die sich wenn voll und kalt auch fast wie das echte Ding anfühlten), viele Leute stellten auch Stühle auf die Wiese und hörten von dort zu (wenn es zwischendurch regnete, war das eher nicht so gemütlich), aber auch im hintersten Viertel der Halle gab es Stehtische und viel Raum, man brauchte sich also nicht in die überaus eng bestuhlten Reihen zu setzen, wenn man nicht wollte (meinen Fotos ist aber anzusehen, dass wir fast immer so in der vierten bis sechsten Reihe etwas mehr oder weniger links der Mitte sassen).
PS: Dass ich Saul Williams und das Mivos Quartet beim Lucerne Festival, das direkt nach Middelheim begann, verpasst habe, bedauere ich bereits sehr, es wurden u.a. Werke des Composer in Residence Thomas Kessler aufgeführt, die ordentlich radikal klangen, wenn den Beschreibungen der NZZ, die über das Festival regelmässig berichtet, zu glauben ist!
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Neben dem grossen Zelt steht eine kleinere Bühne, auf der quasi Pausenkonzerte laufen, 35/40 Minuten lang (die Hauptsets dauerten in der Regel ca. 75 Minuten, das letzte jeweils 90, am Samstag dauerten die Hauptsets auch nur 60 Minuten, aber Akinmusire überzog ziemlich, doch dazu unten).
Die meisten Abende kuratierte ein Musiker – und einmal der rare Fall einer Musikerin – das Programm der Nebenbühne. Am ersten Abend war dies der Bassist Reggie Washington, wir hörten uns den grösseren Teil des dritten Sets an, für das Akinmusire und Kokayi direkt nach ihrem Set nochmal auftreten sollten, doch bis es so weit war, waren wir schon wieder auf unseren Plätzen im grossen Zelt (im Gegensatz zu Dietmar).
Vom ersten Set – Reggie Washington & Fabrice Alleman “Music of John Coltrane & Wayne Shorter” (Reggie Washington-b, Fabrice Alleman-ss/ts) hörten wir aus der Ferne ein wenig was, vom zweiten (Reggie Washington Trio: Reggie Washington-b, Fabrice Alleman-ss/ts, E.J. Strickland-d) dann gar nichts, das dritte hiess „Vintage New Acoustic“ (Reggie Washington-b, Fabrice Alleman-ss/ts), E.J. Strickland-d, Bobby Sparks-keys) und war ganz nett, aber auch nicht viel mehr … Alleman (ein Belgier aus Mons und also ein Local Hero) schien mir recht belanglos, hübsch sicher, aber das waren ziemlich blutleere Shorter-Interpretationen, die da über die Wiese wehten. Schade eigentlich, denn Washington hätte ich durchaus gerne mal in einem etwas konzentrierteren Rahmen gehört (bei diesen Konzerten im kleinen Zelt war ein Kommen und Gehen, zu dem wir auch beitrugen). Es gab im kleinen Zelt auch noch ein Late-Set, nach dem letzten grossen Konzert, doch wir hatten da jeweils schon so viel Musik gehört und gingen lieber auf den Bus, um „daheim“ in Ruhe noch ein Bier zu trinken und über die gehörten Konzerte zu reden. Das Late-Set von Washington war „Rainbow Shadow“+ Special Guest Bobby Sparks“ (Reggie Washington-b, Bobby Sparks-keys, Jozef Dumoulin-keys, Patrick Dorcéan-d, DJ Grazzhoppa).
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21:30 – PHAROAH SANDERS QUARTET
Pharoah Sanders (ts, voc), Benito Gonzalez (p), Oli Hayhurst (b), Gene Calderazzo (d)
* * *Doch das war noch nicht alles, nach dem Abstecher ins kleine Zelt ging es für Pharoah Sanders zurück ins grosse. Da hatte ich nun tatsächlich die schlimmsten Befürchtungen, doch die wurden zum Glück überhaupt nicht bestätigt. Klar, Sanders mag nicht mehr richtig, sein Ton ist viel dünner als früher und das Mikro wohl ordentlich aufgedreht … und ohne die Band wäre das nichts geworden. Das Trio hatte es jedoch in sich. Hayhurst guckt ein wenig nach dem gebrechlichen Herrn vorn und war auch sowas wie das Epizentrum der Gruppe. Calderazzo (der Bruder des aus dem Marsalis-Umfeld usw. bekannteren Pianisten Joey Calderazzo) war super, Benito Gonzalez am Klavier war vollkommen bekloppt. Der Mann schien phasenweise den Flügel zerlegen zu wollen (der wurde auch bestimmt jeweils vor dem ersten Konzert wieder neu gestimmt, sonst wäre er nach diesem Set wohl kam noch anhörbar gewesen). Mit einer unglaublichen Virtuosität griff der Mann in die Tasten und so wurde aus diesem völlig unspirituellen Set („The Creator Has a Masterplan“ hin oder her) eine Art Post-Spiritual-Jazz-Set, das einem zeitweise fast den Atem raubte. Nach einer knappen Dreiviertelstunde wäre der perfekte Moment dagewesen, um das Set gut zu schliessen, doch das ging nicht, denn 90 Minuten waren angekündigt … Sanders, der zwischenzeitlich aufgestanden war, setzte sich wieder, griff sich mühsam das Mikrophon, sagte die Band an, sang ein wenig (das tut er ja schon seit den 70ern, aber inzwischen ist es wohl wirklich das Alte-Männer-Engergiespaar-Ding), fummelte dann mühsam mit dem Mikrophon herum und machte quasi eine kleine sitzende Stand-Up-Performance daraus, das Ding wieder in den Ständen eingefädelt zu kriegen – was denn auch fast interessanter war, als dem Trio zu lauschen, das ungebremst weiterdonnerte, Bass-Ostinati, Tyner-Block-Akkorde, brechende Schlagzeugwellen … aber gut, irgendwann spielte Sanders dann wieder, und nach einer Stunde oder so intonierte er plötzlich das Thema von „Giant Steps“ – ich hielt die Luft an, in der Hoffnung, dass der alte Herr das hinkriegt – und siehe da, das tat er zwar mit dünnem Ton, aber sein Solo schien den Changes durchaus folgen zu können und geriet überaus respektabel (stellte damit z.B. auch alles in den Schatten, was ich davor von Alleman mitgekriegt hatte. Am Ende war das Set zwar viel zu lang, aber dadurch, dass Sanders nach der Pause, die etwa bei Halbzeit begann und sicher 10 oder 15 Minuten dauerte, nochmal spielte und auch nochmal spielen mochte, war das dann doch recht gut und ein sehr versöhnlicher Ausklang zu einem grossartigen ersten Tag.
Die Frage war also: wie ging es weiter, konnten die Höhen, die Murray und Akinmusire erklommen hatten, noch einmal geschafft werden? Die kurze Antwort lautet: ausser von Akinmusire selbst nicht mehr ganz, aber ein paar Male beinahe. Die längere Antwort folgt …
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaJazzfestival Middelheim – Freitag, 16.8. (Tag 2)
Der zweite Tag war verdammt lang, wir gingen vom Kongo zum Hafen und zurück und ich war schon ziemlich geschafft, als wir am frühen Nachmittag auf dem Festivalgelände ankamen … doch gute Musik wirkt ja so belebend, und so sollte es denn auch werden, obwohl die Erwartungen nach dem unglaublich guten Eröffnungsabend etwas getrübt waren.
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15:30 – ERIC LEGNINI ‚TRIBUTE TO LES McCANN
Eric Legnini (p), Thomas Bramerie (b), Antoine Pierre (d), Jonathan Boutellier (ts), Malo Mazurié (t)
* * * *Los ging der zweite Tag mit einem Set, das brav und langweilig oder funky und langweilig hätte werden können, doch es war solide und verdammt gut. Legnini trägt zwar einen italienischen Nachnahmen und hat auch mit Italienern gespielt, doch er stammt ebenfalss aus Belgien und ist zweifellos einer der besten europäischen Pianisten im breiten Jazz-Mainstream der letzten Jahrzehnte. Die Idee mit der Hommage an Les McCann passt gut zu ihm, er scheint damit auch schon länger unterwegs zu sein. Die Quintett-Formation, die wir hörten, bestach durch ein sehr tightes Zusammenspiel und neben dem Leader fand ich besonders die Beiträge von Boutellier am Tenorsaxophon super, aber auch der Drummer glänzte immer wieder mit guten Einfällen und hielt den Groove, von Bramerie erwartungsgemäss superkompetent geerdet, immer spannend. Der Mix war weder zu nett noch zu belanglos-funky, sondern traf genau den richtigen Mix aus Funk und Hard Bop, und Souljazz. Auf dem Programm stand Musik vor allem von den diversen Pacific Jazz-Alben von Les McCann, die von Blue Note/Capitol/EMI/Michael Cuscuna leider sehr stiefmütterlich behandelt, aber in Spanien bei Freshsound (fast?) vollständig auf CD wiederaufgelegt wurden. Diese Alben präsentieren McCann meist im Trio, was für Legnini und seine Band natürlich von Vorteil war. Gegen Mitte des Konzertes wohl wurde auch „Compared to What“ gespielt, von der Atlantic-Scheibe, die McCann mit Eddie Harris live in Montreux aufgenommen hatte (Inselmusik). Für mich war dieses Set auch deshalb so schön, weil Hard Bop immer noch der Teil des Jazz ist, in dem ich ganz besonders daheim bin, und es heutzutage selten ist, solche Musik auf so hohem Niveau live zu hören … einmal mehr ein feiner Start. Einen besonderen Moment gab es gegen Ende, als das Quintett eine lange Ballade spielte (ein langsamer Walzer vom Album, das McCann mit den Jazz Crusaders einspielte) – und die grosse Halle wirklich intensiv und still lauschte. Dafür bedankte sich Legnini denn auch besonders, bevor die Gruppe das Set beendete.
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17:30 – KENNY WERNER QUARTET
Kenny Werner (p), Dave Liebman (ts, ss, whistle), Peter Erskine (d), Johannes Weidenmueller (b), add Vivienne Aerts (voc)
* * *Beim zweiten Set hatte ich recht hohe Erwartungen, eher wegen David Liebman als wegen dem Leader, der mir bisher nie so richtig aufgefallen ist – was sich auch nach den beiden Auftritten in Antwerpen nicht geändert hat. Hier waren die 75 Minuten wieder zu lang. Legnini hatte sein Set geschickt getaktet, das kriegten die alten Herren hier nicht hin bzw. es war ihnen wohl einfach völlig egal, sie waren ja da, die Leute waren da, was soll man da noch gross überlegen? Hier wurde nun genudelt, gedudelt, geklöppelt, vor allem letzteres von Peter Erskine auf allerhöchstem Niveau, aber leider eben auch ziemlich unlebendig. Und dazwischen gab es noch wahnsinnig unwitzige Ansagen – eigentlich fast schon Jazz, mit dem jedes üble Klischee von Jazzverächtern bestätigt werden konnte. Und dann trat auch noch Vivienne Aerts auf, von Werner als die Beste Sängerinnen des Universums seit Äonen vor dem Urknall angesagt, was dann auch nur im üblichen Jazzklische (weg mit den Sängerinnen!) wahr war – wie Dietmar oben schon beschreibt, hat man selten eine so tote Version vom doch so feinen Gerswin-Song „Embraceable You“ gehört. Dass Aerts auf der riesigen Bühne so nah zu Liebman stehen musste (er blieb das ganze Set hinüber sitzen), dass sie schon fast auf seinem Schoss sass, war zudem ziemlich befremdlich – es mag sein, dass sie damit den gypsy in Lieb herausgebracht hat, aber sonst regte sich da gar nichts, ausser dass der Körper sich mit reflexartigem Schnappen Sauerstoff hinzufügen musste. Wenn ich vorhin sagte, das Set wäre zu lang, dann war es aber auch so, dass die letzten Viertelstunde tatsächlich das beste war, was es da zu hören gab. Liebman am Sopran und Erskine öffneten „Get Me Back to the Apple“ (die Noten gerieten so oft ins Bild auf den Grossleinwänden links und rechts der Bühne, dass man den Titel irgendwann lesen konnte) zunächst im Duo, dann stiessen auch Werner und Weidenmüller dazu. Den Ausklang machte dann eine schöne Version von „Think of One“, einem Stück von Thelonious Monk – wobei es mich schon etwas irritierte, dass die vier auch dafür (wie überhaupt immer) Noten vor sich stehen hatten. Das beste am Set waren vielleicht, die paar Momente, wenn Liebman am Tenor loslegte – und man für Momente fast den Coltrane-Sound zu hören glaubte, verdammt kraftvoll und direkt und mit diesem Cry. Doch was Liebman damit anstellt, auch auf Platte, lässt mich schon recht oft etwas ratlos zurück, obwohl ich einiges von ihm wie oben schon erwähnt, überaus schätze. Im Gegensatz zu Lee Konitz, der sich hier als Vergleich auch anbietet (bei Sanders nur im Hinblick auf das Singen, um Puste zu sparen), kriegt mich Liebman aber auf einer emotionalen Ebene nur höchst selten – das ist kühle, intellektuelle Musik, kopfmusik, und ja auch sehr weisse Musik – unabhängig davon, ob man das nun ((noch)/(so)) sagen soll oder nicht.
Underwhelming, gerade nach dem überraschend guten Auftakt … und jetzt der nächste Wackler, Charles Lloyd. Erstmal ab zum Bierstand …
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19:30 – CHARLES LLOYD ‚KINDRED SPIRITS‘
Charles Lloyd (ts, fl), Gerald Clayton (p), Marvin Sewell (g), Reuben Rogers (b), Eric Harland (d)
* * * *1/2Zweifel an Lloyd waren zum Glück aber nicht angebracht – aber sowas von nicht! Seine Band spielte mit demselben Fokus, derselben Konzentration auf, wie am Vorabend die Bands von Murray und Akinmusire. BAAMM! und los geht’s, nach Sekunden war man mitten drin, und auch der Veteran, dessen leichte Detachiertheit im Gegensatz zu Liebman keine kühle oder gar kalte ist, eher eine etwas esoterisch-versonnene (ist mir an sich auch nicht sympathischer), wurde durch das zupackende Spiel der Band locker wettgemacht, und bald war auch Lloyd mittendrin im Strom. Er stellte sich aber auch gerne hinter Clayton an den Rand der Bühne und liess seinen vier Sidemen viel Raum. Clayton und Sewell – warum es die Gitarre in der Band braucht, begreife ich nicht, aber bei den Ergebnissen wird die Frage auch obsolet – spannen über weite Strecken am selben Faden, Klavier und Gitarre verzahnten sich so eng, dass sie oft wie ein einziges Instrument klangen – was total faszinierend war und zu einem Gesamtklang führte, wie er dann eben doch ziemlich ungewöhnlich war. An Stücken war mir nur der Lloyd-Perennial „Sweet Georgia Bright“ vertraut, aber das Material, das Lloyd seit den 90ern so spielt, ist für mein Empfinden kompositorisch auch sehr unprägnant – der Fokus liegt eben nicht auf dem Material sondern aus den Performances, und die hatten es auch an diesem Abend in sich. Harland/Rogers waren vielleicht die beste Rhythmusgruppe des Festivals, auch wenn sie nicht mit den allerbesten der heutigen Tage mithalten können – aber das war schon verdammt gut! Und Lloyd, wie erwähnt, stand nach einer Viertelstunde mittendrin, eine Art Kobold und Hexenmeister, der zwar die coole Pose nicht verlernt hat aber doch sichtlich genoss, was da passierte.
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21:30 – RAVA SPECIAL EDTION 80th BIRTHDAY
Enrico Rava (flh), Francesco Bearzatti (ts), Francesco Diodati (g), Giovanni Guidi (p), Gabriele Evangelista (b), Enrico Morello (d)
* * * *1/2Nach dem coolen kalifornischen Hippie gehörte das letzte Set Enrico Rava – wie erwähnt durchaus einer der Namen, der mich nach Antwerpen lockte, obwohl die Erwartungen völlig unklar waren. Ich hörte ihn live bisher bloss einmal, vor ein paar Jahren in Novara im Duo mit Louis Moholo, was wegen letzterem sehr schräg war: nach 20 Minuten meinte der Drummer ohhe Zeitgefühl, das Set sei zu Ende, stand auf und ging ab der Bühne … nach einer kurzen Pause ging das Konzert dann schon wieder weiter und Rava, der in Italien eben wirklich nur „Rava“ ist und eine Art Volksheld, wurde abgefeiert … Rava ginge übrigens auch als Ehrenbelgier durch, wir sahen beim Festival und auch sonst an diesen Tagen wieder ordentlich viel Asterix-Personal (dieses komische Dorf liegt ja eindeutig auch in Belgien). Rava also, der coole alte Typ aus Triest, der in Europa eigentlich seit dreissig Jahren niemandem mehr was zu beweisen hat, setzte mit seinem Set durchaus einen Glanzpunkt des Abends und des Festivals – waren es am ersten Abend die zwei mittleren Sets, so waren es am zweiten Abend die beiden letzten, die quasi das Feuer am Brennen hielten und direkt da weitermachten, wo es davor geendet hatte. Die Band von Rava wirkte frisch und voller Elan, Giovanni Guidi zerlegte den – leider seit dem Lloyd-Set dünn und viel zu laut klingenden – Flügel einige Male beinahe in seine Einzelteile, mit Clustern und Läufen im Stil von Cecil Taylor. Die Gitarre stiess jedoch eher in „electric Miles“-Gefilde vor, die Rhythmusgruppe machte alles locker mit, und Bearzatti bewies sich ebenfalls locker als der beste jüngere Tenorsaxer des Festivals, ein toller Solist mit einer grossen Breite an Ausdrucksmöglichkeiten und Ideen. Rava blieb derweil souverän sich selbst, während um ihn herum die Klänge teils zu explodieren drohten (er, der am 20. August tatsächlich 80 Jahre alt wurde, schaffte es auch, dass ein prächtiges Exemplar des „älteren Jazzfans mit zu langen/zu dünnen Haaren“ mit Stinkefinger gegen die Bühne aufstand und ging – ein herrlicher Moment). So wurde dieses Set wild fast bis zum Kippen in die – überaus lustvolle – Klanganarchie, die Gitarre legte wilde Ritte hin, Bearzatti und Guidi spielten wie besessene, und Rava sass cool auf dem Barhocker oder schlurfte etwas auf der Bühne herum und spielte dazwischen wunderbare, immer noch frisch klingende Soli auf mit seinem so typisch klaren Flügelhorn-Sound. Dass dann auch die olle Kamelle „Perhaps, Perhaps, Perhaps“ ausgegraben wurde (ich vermute eher in der „Quizas, Quizas, Quizas“-Version), führte weder zu einem völligen Bruch noch zur Ironisierung des drumherum Gesagten – im Gegensatz machte es deutlich, und das fand ich an diesem Set auch so toll, dass Rava schlichtweg alles machen kann, und dennoch Rava bleibt. Und dass er sich mit Leuten umgibt, die das auch alles mitzutragen vermögen. Schön!
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Das Programm auf der kleine Bühne kuratierte an diesem zweiten Tag die belgische Bassistin Anneleen Boehme – wir hörten uns das erste Set an (Foto unten), weil wir am Sonntag das erste Konzert mit Bojan Z weglassen würden und ihn doch gerne mal hören wollten:
16:50 – Anneleen Boehme / Bojan Z / Pol Belardi
Anneleen Boehme (b), Bojan Z (p), Pol Belardi (vib)Die Musik war sehr brav, ab Noten, mit gekonnten Soli – aber es war schon am ehesten der Papa der Band, Bojan Z, der auch mal ein paar Akzente setzen konnte, ohne den Kammerjazz des Trios deshalb gleich an die Wand zu fahren. Aber den wirklich grossen Eindruckt machte auch er mit diesem Auftritt gar nicht. Die folgenden Sets:
18:50 – Yskan: Sam Comerford (ts), Geert Hendrickx (g), Anneleen Boehme (b), Simon Raman (d)
20:50 – Grand Picture Palace: Anneleen Boehme (b), Rob Banken (bcl), Cedric De Lat (t), Berlinde Deman (tuba) , Matthias De Waele (d), Laura Kennis (v), Linde Verjans (v), Juno Kerstens (vc)
23:00 – Ara Sextet: Kirke Karja (p), Yuri Rhodenborgh (g), Pol Belardi (vib, moog), Mathieu Penot (d), Bojan Z (rhodes, synth), Anneleen Boehme (b)--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaVielen Dank, Flurin, für die ausgesprochen detaillierten und ausführlich beschriebenen Eindrücke deinerseits.
Ich habe es mit Vergnügen gelesen, ich hoffe, dass ich in naher Zeit ein paar Worte erwidern kann . Jetzt wird gekocht, morgen beginnt meine Arbeitswoche entgegen dem eigentlich so genannten WochenENDE. In den meisten Punkten sind für uns einig, du hast meine knapperen Einschätzungen gelesen. In manchen Dingen schätzt du das Gebotene anders ein. Das mag vielleicht auch an unserer entfernteren Sicht (räumlich) gelegen haben?
Ich freue mich auf deine Berichte zu den Tagen 3 und 4, die wir nicht mehr so konzentriert verfolgten/verfolgen konnte.
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Schlagwörter: 2019, Jazzfestivals, Jazzgigs, Jazzkonzerte, Konzertberichte
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