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@gypsy-tail-wind
danke auch von mir für den bericht. ich kann dazu natürlich wenig sagen – es klingt ein bisschen so, als ob du zu selten wirklich begeisterte momente erlebt hast, das ist natürlich schade.tony buck würde ich auf jeden fall auch als jazzdrummer verstehen. mein erstes erlebnis mit ihm war ein trio mit clayton thomas (b) und tobias delius (ts), das swingte gehörig. außerdem schwärmt thomas borgmann immer noch von einigen auftritten mit buck, den er im zusammenspiel damals ähnlich inspirierend fand wie denis charles, wenn ich mich richtig erinnere (ich habe einen mitschnitt gehört, der ist wirklich toll).
charles hayward mag ich eigentlich sehr, gerade seinen schiefen gesang in kombination mit den breakbeats – das letzte, was ich von ihm gehört habe, ist allerdings von einem sub-rosa-sampler mit sachen aus den nullern, glaube ich.
das splitter orchestra (der nachfolger der australischen ausgabe „splinter orchestra“) hat dich ja ziemlich irritiert, was wiederum mich sehr irritiert hat dass sie im pianissimo spielen, hatte ich ja schon angekündigt, aber vielleicht nicht, dass die umweltgeräusche unbedingt mit dazu gehören (mein tollstes konzerterlebnis mit ihnen war mitten im berliner hauptbahnhof, mit verspätungsdurchsagen usw.). das wichtigste an dieser formation ist aber natürlich, dass sie ohne dirigat auskommen – das muss man ja erstmal bei der größe und den egos, die musiker so haben, hinbekommen (und genau dagegen ist das ja gerichtet). wie das mit einer komposition zusammengeht, konnte ich mir nicht recht vorstellen, auch wenn guionnet natürlich eine völlig eigenen ansatz hat. ich habe nur von clayton thomas über facebook den spaß mitbekommen, den sie beim proben hatten, auch ihre zufriedenheit über die beiden auftritte. außerdem ein großes lob für den solo-auftritt von nicole mitchell, den thomas sehr „tief“ und haltungsstark fand.
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WerbungDanke für die Rückmeldung @vorgarten. Haltungsstark war Mitchells Auftritt wohl schon … aber das half leider nicht, dem ganzen eine Form zu geben. Für mich eine der Enttäuschungen, einfach weil ich mir davon viel erhofft hatte. „Zu selten“ würde ich nicht sagen, alles in allem war es wieder sehr lohnenswert, aber es gab halt dieses Jahr schon mehr Solides und mehr nicht so tolles als wirklich grossartiges.
Die Sache mit dem Splitter Orchester – in dem Raum in Mulhouse gibt es keine, null, Aussengeräusche (ein Kubus innerhalb eines grossen Komplexes, in dem es vermutlich noch grössere/andere Säle gibt, das weiss ich nicht, Météo bespielt immer nur diesen einen) … das Pianissimo an sich wäre ja auch kein grösseres Problem, aber da ereignete sich einfach kaum etwas, und es stellte sich auch nicht viel ein (im Gegensatz zum Guionnet/Hayward-Duo, wo wirklich Dinge im Kopf zu passieren begannen). Welche Rolle Guionnet dabei hatte, durchschaute ich nicht (er sass im Publikum, dirigiert wurde nichts, das wäre auch wirklich unpassend gewesen). Das zweite Konzert fand ich dann ja ziemlich gut und hätte danach auch Lust auf mehr gehabt – aber dann gerne in einem lebendigeren Rahmen (der Saal ist zwar schon recht toll, ein schwarzer Kubus, der variable bestuhlt werden kann – allerdings wurde letztes und dieses Jahr wegen der riesigen Grösse der spielenden Bands einfach die übliche Tribüne auf der einen Seite hingestellt, vor zwei Jahren sass ein Quartett in der Mitte und das Publikum rundherum, das war toll).
Woher kennst Du denn Charles Hayward? Ich hatte von ihm noch nie gehört. Das Duo mit Buck war auch ziemlich gut – als Eröffnung des Abends war es eigentlich sogar perfekt. Aber das ist wohl der gewichtigste Unterschied: das Goldhändchen, das letztes Jahr die Programmgestaltung v.a. der Abende so perfekt austariert hatte, fehlte dieses Jahr. Es gab an den Abenden ein paar Sachen, die an den Nachmittag gehört hätten, es gab etwas zuviel Rausschmeisser-Zeugs (die Prog-Veteranen, This Heat, und auch Sons of Kement), die mehrheitlich zu lange gespielt haben (die Abendkonzerte wurden in der zweiten Hälfte, ausser das Abschluss-Set von „This Heat“, auch deutlich kürzer, da erfolgte wohl eine Ansage an die Bands … und das war auch gut, denn bei drei meist sehr unterschiedlichen Bands reichen auch 50 Minuten).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-wind
Woher kennst Du denn Charles Hayward? Ich hatte von ihm noch nie gehört.ich war mitte der 90er mal sehr in dieses album (ist eigentlich ein sampler) verliebt:
https://www.discogs.com/Charles-Hayward-N%C3%BBs-David-Shea-Sub-Rosa-Sessions-Bari-October-1996/release/373736aber hayward hat auch mal mit harry becket gespielt. napo und atom kennen sich da bestimmt viel besser aus.
und klar, das splitter orchestra in einem abgeschlossenen kubus, da fehlt was. so habe ich sie auch mal erlebt, mir gefiel es trotzdem.
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Jazzfestival Willisau – Festhalle, Willisau, 29.08.2018
Erb/Baker/Rosaly
Christoph Erb (ts, ss), Jim Baker (p, arp), Frank Rosaly (d)Mit einiger Verspätung möchte ich doch noch ein paar Zeilen schreiben zum Eröffnungsabend des diesjährigen Jazzfestivals Willisau. Mit dem Festival selbst werde ich nicht wirklich warm, was an der Form liegt. Mittwoch bis Freitag jeweils zwei Konzerte am Abend, erst dann folgen auch noch Nocturnes (die eher an den Rändern des Jazz angesiedelt sind, aber das an sich ist keineswegs negativ) und die „Intimities“, die morgendlichen Solo- oder Duo-Konzerte auf der Rathausbühne (ich berichtete in den Vorjahren). Samstag gibt es dann auch noch ein Nachmittagskonzert und Sonntag endet das Festival mit dem Nachmittagskonzert. Das ist mir etwas zuwenig dicht, zugleich ist der Ort zu abgelegen, um abends wieder nach Hause zu fahren (das hätte nach Ulmer/The Thing wohl noch knapp gereicht, mit mehrmaligem Umsteigen und es wäre dann halt auch wieder so spät, dass man am nächsten Morgen zu kämpfen hätte). Campieren kommt bei mir nicht in Frage, ein Zimmer findet man schon, aber das ganze wird dann ordentlich teuer … kommt dazu, dass ich das Line-up der einzelnen Abende (eben: nur zwei Bands) längst nicht immer überzeugend genug finde, um das alles in Kauf zu nehmen.
Das wäre mir vielleicht auch dieses Jahr so ergangen, wenn ich nicht – bereits im Hinblick auf den geplanten Besuch in Willisau – die Musik von Christoph Erb entdeckt hätte, der mit seinem Label Veto Records sehr aktiv ist. Entdeckt habe ich ihn aber – und darum sind Label halt auch heute manchmal noch von Nutzen, Visitenkarte und so – mit seiner bei Hat Hut erschienen Trio-CD „… don’t buy him a parrot …“ mit demselben Line-Up, das für Willisau angekündigt war. Den Veteranen Jim Baker (Piano und Synthesizer) kannte ich immerhin vom Album der Gruppe Witches and Devils „At the Empty Bottle“ (Knitting Factory, rec. 1997). Da ist er mit Ken Vandermark, Mars Williams, Fred Lonberg-Holm, Kent Kessler und Steve Hunt zu hören – eine interessante Mischung aus dem alten Hal Russell-Umfeld und den Leuten, die der äusserst umtriebige VDMK um sich sammelt (Lonberg-Holm kennt man überdies z.B. auch von Brötzmanns grossartigem Chicago Tentet). Auf Hat nun ist der akustische Teil der Session erschienen – es gibt also mehr, namentlich zunächst eine elektrische Hälfte derselben Session (auf der Baker, wie ich es kenne, am analogen Synthesizer zu hören ist). (Beim Orchester des explodierenden Sterns wirkt Baker auch mit, aber die Alben sind mir leider noch immer nicht sehr vertraut.)
Das „Mehr“ ist in diesem Fall eine Reihe mit inzwischen weit über einem Dutzend Veröffentlichungen, Veto Records/Exchange heisst die Reihe, die Erb auf seinem Label herausbringt und in der Regel kleine Combos mit verschiedenen Musikern und einer Musikerin aus Chicago, die Erb dort bei verschiedenen längeren Besuchen ins Studio holt. Dabei sind u.a. der Josh Berman am Kornett, der Saxophonist und Klarinettist Keefe Jackson, der Cellist Fred Lonberg-Holm, die Cellistin Tomeka Reid, der Vibraphonist Jason Adasiewicz, der Bassist Jason Roebke und die Schlagzeuger Frank Rosaly und Michael Zerang. Auch ein Auftritt aus Willisau ist bei Veto/Exchange erschienen, bei dem Luzern mit dem Tubisten Marc Unternährer, dem in Luzern wirkenden Pianisten/Komponisten Hans-Peter Pfammatter und der Sängerin Isa Wiss vertreten ist (Erb ist nicht dabei), zudem kannte ich schon länger die jüngste CD des Trios Wintsch/Weber/Wolfahrt, die aus dem (Chicago-)Rahmen fällt, wie es letztlich auch die jüngste, auf der Website noch nicht aufgeführte 16. CD tut, die Erb im Duo mit dem Drummer Michael Vatcher präsentiert. Nachdem es mir im Verlauf des Sommers gelungen war, auch die drei komplett vergriffenen CDs der Serie zu erstehen und ich inzwischen über die Hälfte von ihnen mit Genuss angehört habe und Erbs Musik – er selbst ist auch Solo-Album vertreten – dabei kennen und schätzen lernte, freute ich mich sehr auf den Abend in Willisau (und konnte vor dem Konzert am von den guten Leuten von Intakt geführten CD-Stand auf dem Festivalgelände auch noch die brandneue CD von Erb/Vatcher erstehen).
Allein schon Jim Bakers Synthesizer auf der noch abgedunkelten Bühne, neben dem Flügel aufgebaut, so dass er auf vom Klavierhocker aus beide Instrumente spielen konnte, machte einiges her, in der noch leeren Halle (Foto ganz oben). Es ging verhalten los, ein Summen vom Synthesizer, ein Rascheln auf den Fellen, einzelne Töne vom Tenorsaxophon, das bald gestopft wurde (wie ich es schon bei einem Luzerner der älteren Generation sah, von dem ich übrigens dieses Jahr am Météo in Mulhouse zum Festivalpass eine Solo-CD erhielt: Urs Leimgruber). Man lehnt sich also mal zurück, wartet, lauscht, das Geschehen auf der Bühne verdichtet sich unmerklich – man fragt sich: wie kamen sie jetzt an diesen Punkt? Hat man etwas verpasst? Doch nein, der Flow ist gut, Rosaly immer noch leise aber immer geschäftiger, der Synthesizer sirrt und flirrt, brummt, zirpt. Und dann ein Kürzel des Saxophons, eine Art Weckruf, der aber nur verdeutlicht, wie sehr das Geschehen längst an Fahrt aufgenommen hat. Später wechselt Erb ans Sopransaxophon, seine Bassklarinette hat er leider nicht dabei (auf den beiden Alben mit Baker/Rosaly spielt er diese und das Tenor). Das Set gelingt am Ende sehr, sehr gut – gerade darin, wie behutsam die drei zugange sind, wie sie den Dingen Zeit lassen und keine forcierte Beschleunigung inszenieren, scheint sich auch der freie Spirit aus Chicago zu zeigen, der wohl längst zu Erbs Spielhaltung gehört. Eine tolle Eröffnung für das Festival, nachdenklich, offen, am Ende aber vor allem eine runde Sache, ein grosser Bogen, der sich am Ende schliesst.
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James Blood Ulmer with The Thing
James Blood Ulmer (g), Mats Gustafsson (ts, as), Ingebrigt Haker Flaten (b), Paal Nilssen-Love (d)Der Anlass für den Besuch in Willisau war, ich tönte es an, natürlich die Chance, James Blood Ulmer einmal live zu hören. Er kam zusammen mit The Thing, dem skandinavischen Power-Jazz-Trio, das ich bisher einmal mit Joe McPhee im Konzert hören konnte. Vornweg: Ich fand das Konzert bewegender, lebendiger als das kurze Set aus Molde, das neulich auf CD erschienen ist – und ich teile die Totalkritik der NZZ nicht (Florian Bissig lobt allerdings das Erb/Baker/Rosaly-Set sehr, die Überschrift im Print am 1.9. lautet „Wenn die Altstars enttäuschen, schlägt die Stunde der Newcomer“ – was für Erb jetzt auch nicht sooo schmeichelhaft ist, er ist ja doch schon eine Weile im Geschäft, und dass ich mir dessen nicht so richtig bewusst war, heisst ja nicht, dass die professionelle Kritik das ebenfalls nicht zu wissen hat).
Dabei ist vielleicht die Beobachtung aus der Rezension zutreffend, dass Ulmer „nicht viel mehr als Rudimente von Motiven“ brachte, auf seiner nur in Grundtönen und Quinten gestimmten Gitarre, die er oft durch ein Wah Wah-Pedal hindurch spielte. Doch für mich passte das Resultat: The Thing machten mehr oder weniger ihr Ding, nachdem sie Ulmer zunächst einmal den Einstieg hatten machen lassen (Gustafsson genoss es sichtlich, siehe erstes Foto) und dann aber rasch verdichteten und mit ihrer geballten Power losrockten. Dabei war allerdings – zum ersten Mal, dass ich das in Willisau erlebte – der Sound in der Halle ziemlich bescheiden. Haker-Flaten war zwar sehr aktiv, aber die halbe Zeit konnte man das nicht einmal fühlen, vom Hören ganz zu schweigen. Auch das Saxophon ging in den Gitarrenkaskaden und den Klangwellen der Becken öfter halb unter – als hätte man gar nicht erst versucht, die Instrumente irgendwie zu treffen, bevor man dann wieder zusammenmischt (und ein guter Mischklang klingt auch sehr anders). Für mein Empfinden war das ein tolles, druckvolles Set, das zugegebenerweise nicht mit viel Abwechslung aufwartete (aber dann muss man auch nicht zu The Thing, die Abwechslung dort wäre höchstens mal noch Ähnliches mit E-Bass statt mit Kontrabass), das aber ebenfalls wieder eine Runde Sache war. Die Klangwellen, die immer wieder über die Bühne schwappten, waren bei aller Virtuosität (die vor allem von der Rhythmusgruppe ausging, PNL ist bestimmt einer der grossartigsten und intensivsten Trommler unserer Tage, wenngleich natürlich keiner, der im Kern die grossen Linien des Jazzschlagzeugs fortführt, eher steht er in der Linie der europäischen Improvisation) von einer so rohen, ja urchigen Kraft – das allein hätte bei besseren Klangverhältnissen wohl schon kathartische Wirkung entfalten können. Wie es war, war es aber auch gut – eine Art frei rotierender, rockig-gradliniger Power-Jazz, vermählt mit Ulmers Blueskaskaden. Dass er nicht sang (einmal nahm er einen halbherzigen Anlauf) fand ich nicht weiter bedauerlich – im Gegenteil, seine musikalische Präsenz allein war schon ziemlich beeindruckend.
Tags darauf ging es nach Luzern, zu Paul Klee und Pablo Picasso in der Sammlung Rosengart und dann auch noch ein paar Minuten mit dem Bus raus nach Kriens, wo derzeit eine tolle Ausstellung mit alten Abzügen von Werner Bischof zu sehen ist, dem 1954 verunglückten schweizerischen Magnum-Photographen. Zum Konzert, das ich am Abend im KKL hörte, hier ein paar Zeilen:
http://forum.rollingstone.de/foren/topic/konzertimpressionen-und-rezensionen/page/11/#post-10572562--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbadanke für den bericht! die nzz-kritik finde ich bescheiden, ulmer auf „mehrere aufnahmen mit ornette coleman“ zu reduzieren, heißt: er kennt ihn nicht. „rudimente von motiven“ finde ich auch eine eher schräge wahrnehmung (ulmer spielt eigentlich kaum motivisch, und wenn, dann sind das formelhafte ankerpunkte – entscheidend ist, was er dazwischen macht). was ich sofort nachvollziehen kann, ist der ärger über den schlechten sound (gerade diese band muss wirklich trnasparent aufgenommen werden) und den mangel an abwechslung (finde ich ein grundproblem von the thing).
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Das besprach ich (ausgelöst durch den äusserst bescheidenen um nicht zu sagen ungenügenden biographischen Abriss zu CT in Kaja Drakslers Master(?)arbeit) kürzlich mit @redbeansandrice … wir stecken nach all den Jahren wohl so tief in der Materie … aber warum man selbiges von den Professionellen nicht verlangen kann/darf ist mir dennoch nicht ganz klar …
Aber der Sound war wirklich nicht gut. Ich schiebe das mal auf Ulmer, dessen Gitarre (inkl. Wah-Wah-Pedal in passend kleiner Plastictüte) eine etwas (aber falls love interest nicht unangemessen) jüngere Frau kurz vor Konzertbeginn auf due Bühne brachte und eine Minute nach Konzertende wieder abräumte. Ich tippe drauf, dass er keine Soundchecks mehr macht … ist aber reine Vermutung. Die basiert immerhin neben der Beobachtung auf einem halben Dutzend Konzerten mit je 2-3 Formationen in der Halle, darunter der sechsteilige, sehr unterschiedliche Zorn-Marathon, wo jedes, auch das metallige, Set super klang …
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaRhoda Scott Lady Quartet – Moods, Zürich – 14.09.2018
Lisa Cat-Berro (as), Sophie Alour (ts), Rhoda Scott (org), Julie Saury (d)
Letzten Freitag startete das Moods in die neue Saison – das Herbstprogramm sieht wieder eher traurig aus, ein Gemischtwarenladen, in dem für Jazz wie mir scheint immer weniger Platz ist, dafür dann öfter für lokale Leute, die man auch sonstwo hören kann (die aber wenig kosten …) – letzte Saison wurde es Januar, bis ich hin ging, Ende Oktober ist immerhin noch Carla Bley angesagt. Aber gut, der Jazz, den es neben „Experimental“ (das ist dann ein Jazzer, der ein Solokonzert gibt), „Dub-Electro-Jazz“, „Pop/Rock“, „Latin-Afro-Flamenco-Mix“ und „Singer-Songwriter“ (die Genrebezeichnungen sind fast so süss wie auf den Labeln der alten 78er „vocal with orchestral accompaniment“, „fox-trot“ und so …), ist halt zum grösseren Teil einfach nicht mein Fall.
Aber gut, das ist ja egal, wenn zum Auftakt Rhoda Scott erstmals im Moods auftritt, in ihrem 80. Jahr auf Jubiläumstour mit dem Lady Quartet, im Gepäch das letzes Jahr veröffentlichte zweite Album, „We Free Queens“ (auch live aufgenommen, in Paris mit ein paar Gästen). Ich war früh da und sass ganz vorn, Scott selbst konnte ich nicht gut sehen (andere waren auch früh da), aber ich sass in der Verlängerung der Achse zwischen den beiden hinter und neben ihr im rechten Winkel aufgestellten Leslies – und der Sound war einmal mehr super.
An den Saxophonen sin Lisa Cat-Berro und Sophie Alour zu hören, letztere für mich die eindeutig interessanteste Solistin der Band, und überhaupt eine der feineren Stimmen, die im französischen Jazz in den letzten Jahren zum Vorschein kamen. Cat-Berro ist mir etwas zu brav, sie bewegt sich irgendwo zwischen Lou Donaldsons geschmeidiger Substanzarmut und einer Kühle à la Paul Demond, alles sehr elegant gespielt, auch wenn es richtig funky wird. Sie hat auch ein paar der Stücke geschrieben, die ziemlich retro klingen, eine Mischung aus Orgel-Soul-Jazz der Sechziger und etwas Funk der Siebziger – und ob Eleganz da dann das richtige Mittel ist, bezweifle ich eher. Auch als Kontrast funktioniert es nicht so recht, denn dazu ist die Darbietung doch ein paar Zacken zu zahm.
Anders Alour, die auch schon ihr Orgel-Funk-Album gemacht hat und ebenfalls ein paar ähnlich geartete Originals beigesteuert hat. Ihr Ton ist vielseitiger, erinnert manchmal ein wenig an Joe Henderson. Sie bricht aus den geschmeidigen Post-Bop-Linien immer mal wieder aus und die hellwache Julie Saury reagiert auch umgehend darauf, gerade wie sie Leaderin Scott in ihren Orgel-Soli perfekt einbettet, die Stücke strukturiert und gestaltet. Alour ist jedenfalls die Musikerin auf der Bühne, deren Moves nicht schon im Voraus feststehen, auch mal die vorgespurten Bahnen verlassen.
Das gespielte Material – die meisten Stücke des Albums „We Free Queens“ wurden im Laufe der zwei Sets aufgeführt – war sachdienlich, aber manchmal auch etwas langweilig. Als das erste Set mit Bobby Timmons‘ „Moanin'“ beendet wurde, fragte ich mich schon, warum eine solche Band, die ja doch ziemlich retro ist, nicht eher auf gute alte Stücke zurückgreift, anstatt sich im Reproduzieren zu üben. Im ersten Set erhielt Cat-Berro ihr Feature. Im zweiten Set kam Alour mit Trenets „Que reste-t-il de nos amours?“ zum Zug – eine wunderbare Interpretation, die sich durchaus auch neben Barney Wilen hören lassen kann.
Scott selbst, das war schon der Eindruck, den redbeans und ich vor ein paar Jahren in Brüssel hatten (wir hörten sie an zwei aufeinanderfolgenden Abenden mit Félix Simtaine am Schlagzeug), scheint wenig zu improvisieren, ihre Soli sind zurechtgelegt, sie sind perfekt choreographiert, sie zieht buchstäblich alle Stops – und spielt die Basspedale weiterhin barfuss, wie man es von ihr kennt. Das alles kommt live schon verdammt gut, keine Frage. Die Musik geht in den Bauch und in die Beine – und dank Sophie Alour ging auch der Kopf nicht ganz leer aus … gerne wieder, so sich die Gelegenheit nochmal bietet!
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1. Set: Eve Risser – Klavier / Marco von Orelli – Trompete
2. Set: Pascal Niggenkemper – Bass / Ricardo Jacinto – Cello / Félicie Bazelaire – BassAm Wochenende, an dem das Moods wieder seine Pforten öffnete, fand in der WIM, der kleinen Werkstatt für Improvisierte Musik, ein mehrtätiges Festival zum 40. Geburtstag der kleinen, aber für die Szene wichtigen Spielstätte statt (die auch Übungsräume und sonstige Infrastruktur bietet). Doch am Freitag musste ich zu Rhoda Scott (siehe oben), Samstag war anderweitig verplant und am Sonntag ging es zu Jordi Savall. Auch dieses Wochenende war das Programm wieder dicht. Zum Glück trat Haitink in der Tonhalle nur zweimal auf (Mittwoch und Donnerstag), statt wie oft üblich dreima, also lauch noch am Freitag, den ich dann bevorzugt wähle. So hatte ich am Freitag Zeit, wieder einmal in die WIM zu gehen, um mir zwei kleine Formationen um Eve Risser bzw. Pascal Niggenkemper anzuhören. (Ich verpasse deswegen aber das Gamut-Festival, organisiert vom gleichnamigen Kollektiv, zu dem u.a. der Trompeter Silvan Schmid oder die Musiker der Band District Five gehören … auch hier: Samstag hatte ich andere Pläne.) Ein geschäftiger Saison-Auftakt also, der heute und morgen im Opernhaus weitergeht, mit einem Liederabend von Anna Stéphany bzw. einer Oper von Vivaldi.
Das erste Set mit Eve Risser am präparierten Klavier und Marco von Orelli an der Trompete ging verhalten los und es dauerte, bis das Duo in Fahrt kam. Doch, das zeigte sich im Verlauf des Abends, passte das ganz gut. Orelli blies Luft durchs Mundstück, spielte ganz leise, zarte Töne, die man nur in so kleinem Rahmen überhaupt richtig hören kann. Risser legte verchiedenste Materialien auf die Saiten, bearbeitete sie mit Schlägeln und Sticks, auch der Kasten und der hochgeklappte Deckel des kleinen Flügels kamen zum Einsatz, ein paar kleine elektronische Geräte lagen auf den Saiten, die für ein Surren und Summen sorgten. Richtung hatte das Set eigentlich nicht, es passierte halt einfach was, streckenweise passierte auch nichts, die Musik ging weiter, aber schien stehen zu bleiben. In der zweiten Hälfte wurde es lauter, etwas intensiver und am Ende war es doch ganz rund.
Rund war auch die Aufstellung der Stühle, die aber (wohl auch wegen dem erwähnten Gamut-Festival) ziemlich leer blieben: neben den fünf Musikern und dem Bekannten aus der Schulzeit, der seit ein paar Jahren das Programm der WIM gestaltet, waren gerade mal fünf Leute da, unter ihnen auch Musikerinnen. Allerdings operiert die WIM seitdem ich mich erinnern kann grundsätzlich unterhalb der Schwelle der (Medien-)Wahrnehmung. Doch ein Besuch lohnt immer, denn es ist ja auch ein grosses Privileg, Musik bei ihrem Entstehen, aus solcher Nähe zu beobachten.
Für das zweite Set stellten und setzten sich die drei Streicherinnen und Streicher in die Mitte des Raumes und das Publikum verteilte sich nun wirklich runherum. Das Set verlief im Ganzen umgekehrt zum vorigen, begann relativ laut und intensiv und endete nach einer Dreiviertelstunde ganz leise. Die drei hatten diverse Gerätschaften dabei, auch kleine, vermutlich selbst gebastelte Motörchen mit einem drehenden Blatt daran, das sie auf die Stege oder extra angebrachter Vorrichtungen an ihren Instrumenten stellten und dann am Gehäuse, an der Rückseite des Griffbretts oder auch von hinten an den Saiten schaben liessen. Niggenkemper hatte natürlich seine Trichter dabei, er und Cellist Jacinto ein paar Effektpedale mit. Das Cello klang manchmal wie eine verzerrte Gitarre, es wurde dazu geschabt und geklopft, im Gegensatz zum ersten Set war ich sofort drin im Strom der Klänge. Bazelaire, die ich in Mulhouse mit der etwas enttäuschenden grossen Formation um Jacques Di Donato und Xavier Charles gehört hatte (wo sie, wie mir schien, sich mehr oder weniger an die Fersen des stets souveränen Benjamin Duboc geheftet hatte), spielte den Bass auch konventionell gezupft (die Bögen kamen bei allen dreien regelmässig oder überwiegend zum Einsatz). Und ganz wie das erste Set allmählich an Fahrt gewann, wurde das zweite im Verlauf weniger dicht, stiller, bis es ganz verklang. Dass die zwei Sets einen so schönen Bogen bildeten, die zweite Gruppe wohl irgendwie (vermutlich spontan/unwillkürlich) auf das erste Set reagierte, gefiel mir ganz ausserordentlich. Und auch so etwas erlebt man wohl dermassen deutlich nur in diesem Rahmen, wo die Musikerinnen und Musiker den anderen jeweils auch zuhören (und rausgehen geht natürlich nicht bzw. würde massiv stören, man bleibt also sitzen, egal was – oder was nicht – kommt. Und man zückt auch nicht das Handy, denn allein schon das blaue Licht würde die Intimität des Augenblickes stören … nicht bei allen Konzerten, aber am Freitag kam das gar nicht in Frage).
Möge die WIM auch die nächsten 40 Jahre weiterbestehen!
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1. Set: Urs Leimgruber (ts, ss) & Jean-Marc Foussat (elec, voice, realtime processing)
2. Set: Christoph Gallio (ss, as, c-mel) & Valentin Dietrich (elb)Gestern nach einem Monat und einem verpassten, eigentlich eingeplanten Termin (letzte Woche Sandra Weiss (sax) solo und Michel Doneda (sax)/Christoph Wolfahrt (d) im Duo) wieder in der WIM … das erste Set mit Leimbgruber war superb, eine Musik zwischen angestauter und sich befreiender Energie, dabei sehr eng verzahnt und von Foussat teils live prozessiert (Leimgruber hatte in Mikrophon vor sich, dessen Input Foussat in seine Klanglandschaften einbauen konnte, wenn er wollte – Echos, Loops und andere Bearbeitungen inklusive). Natürlich lassen sich auch bei Leimgruber Schemata erkennen, Vorgehensweisen, die einem mit der Zeit vertraut vorkommen, wenn er etwa nach dem Wechsel aufs Tenorsaxophon von diesem zunächst nur den S-Bogen nutzt, dann diesen ins Saxophon steckt und ohne Mundstück Töne zwischen Luft und Wind, Klappengeräuschen und „echten“ Saxophontönen erzeugt, gerne dabei das Instrument im Raum schwenkend, schliesslich das Mundstück aufsteckt und zu spielen beginnt, wobei die Übergänge stets organisch gestaltet sind und in einem solchen Kontext auch mit dem vollständig zusammengesetzten Instrument in erster Linie den möglichen Klängen nachgeforscht wird, eine herkömmliche Phrase oder Melodie erwartet man da vergebens. Foussat erwies sich als quicklebendiger Partner. Er sass hinter einem Tisch voller verkabelter Utensilien: Laptops, Synthesizer, daneben kleine Instrumente (eine Maultrommel, eine Mundharmonika, eine Klangschale etc.) und ein Mikrophon für seine Stimme. So entstanden vielfältige Klangwelten, mal karg, ein kleiner Beat aus Silben etwa, ein paar Töne aus der Mundharmonika, dann mit Loops und Synthesizerklängen und vielleicht noch einem Saxophon-Echo geschichtete, dichtere Passagen. Die Dramaturgie des Sets gelang ebenfalls sehr gut. Schön! Und natürlich wieder vor nur einem Dutzend Leuten, obwohl – wegen Leimgruber vermutlich – ein paar Stühle mehr bereit standen, als in der WIM üblich.
Das zweite Set fand ich dann etwas problematisch. Dietrich spielt eine Art Seifenkisten-Bass, der schön gearbeitet aussah, vielleicht ein Selbstkonstrukt, ich weiss es nicht. Drei Saiten wohl, ein paar Bändel am Hals, die er manchmal auch nutzte, um die Saiten zu bearbeiten. Verstärkt war er nicht sehr, er spielte – zumal für ein Projekt, das sich „Was ich immer schon sagen wollte“ nennt – ziemlich wenig, setzt oft ganz aus. Gallio, der auch ein C-Melody dabei hatte (das erste Mal, dass ich das Instrument in echt sah und hörte), blies seinerseits die meiste Zeit aufgestaute Töne, sein Kopf wurde beängstigend rot, doch der Stau löste sich nur selten in kurzen Eruptionen, denen Dietrich mit seinem verhaltenen Instrument wiederum wenig entgegenzusetzen hatte. So entstanden wenige wirklich gemeinsam gestaltete Passagen und es stellte sich bei der recht gleichförmigen Ausgestaltung auch bald ein wenig Langeweile ein. Am ehesten – aber das mag an mir gelegen haben, s.o. – fand ich dann die Passage gegen Ende, als Gallio zum C-Melody-Saxophon griff, besser, kohärenter, weil er den schönen Sound des Instruments häufiger erklingen liess, und nicht nur gequetschte, sich fast nie frei entfaltende Töne blies.
Aber gut, das wichtigste Fazit in der WIM ist immer wieder dasselbe: es bleibt ein Privileg, in diesem kleinen Rahmen den freien Gedankengängen der Künstler und Künstlerinnen zu lauschen (letztere kamen gestern zu kurz, Sandra Weiss sass aber im Publikum, ebenso Daniel Studer, der langjährige Bassist des Trios Day & Taxi, mit dem Gallio eine Art Nachfolge-Musik zu Steve Lacys melodischem Miniaturen-Jazz schaffte, der so anders ist, als die Musik, die gestern auf dem Programm stand).
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vorgartenist eigentlich jemand beim jazzfest berlin? gerne bescheid geben, ich häng da rum und das programm ist ja super.
Leider nicht … und ich hoffe, Du kommst vor lauter Rumhängen doch noch dazu, zwischendurch auch mal reinzugehen – wünsche viel Vergnügen!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbajazzfest berlin, tag eins.
die neue leiterin nadin deventer überlässt die programmatische eröffnung unangekündigt bonaventure soh bejeng ndikung („was jazz tun kann in dunklen zeiten“). nach 20 minuten lecture performance regt sich protest: „music, please!“ ein teil des 100% weißen jazzfestpublikums möche den schwarzen referenten von der bühne wegbellen. als nach dem konzert deventer auftritt, um ihr publikum zu begrüßen, steht ein drittel einfach auf und geht raus.
das haus der berliner festspiele ist als „house of jazz“ umgebaut. auf engstem raum, teilweise auf sichtweite, aber akustisch getrennt, vier orte: saal, nebenbühne, unterbühne, kassenhalle. zwischen black earth ensemble und dem exploding star orchestra 2,5 stunden zeit für diverses ein- und auftauchen. mary halvorson spielt mit formanek und fujiwara standards, ihre töne steigen auf oder kippen weg, formanek hat einen wackler im pick-up, man hört deshalb nur jeden zweiten ton. in der kassenhalle rumpeln jungen bands aus berlin und der schweiz rockistisch vor sich hin. im keller stehen musiker*innen des kollektivs KIM, sie haben masken auf und stehen unter einer drehbühne im rund in nischen, formatieren die sounds aus den anderen räumen neu, fügen sparsam etwas hinzu, wirken geheimnisvoll. ein berliner undergroundbezug auf das aacm, ein kollektiv ohne ort, dass das jazzfest infiltriert, unterwandert, verunsichert, einhüllt. auf der seitenbühne unterhalten sich hamid drake und yuko oshima, spielen dabei auf zwei drums, reflektieren, flirten mit der show. „drums are fun.“ danach setzt rob mazurek eine sonnenbrille auf, der gitarrist julien desprez steht im löchrigen t-shirt im halbrund seiner effektpedale, schmiegt sich um kornettlinien, bis die beiden kollegen seiner band abacaxi dazukommen. mazurek geht mit einer letzten melodiephrase ab und die drei jungs zerfetzen groovend grooves. desprez hat auch das bühnenlicht an sein pedal angeschlossen, jeder akkord ein blitz, wenn er pause macht, spielen bass und schlagzeug im dunkeln.
chicago-kollektive. nicole mitchell und rob mazurek sind keine alpha-tiere, sondern freundliche, integrative, zuhörende menschen. mitchell steht ganz rechts in ihrem ensemble, verdeckt niemanden, dirigiert über blickkontakt. sanft und doch beharrlich fließt die musik aus merkwürdigen sonischen quellen, banjo und harfe, querflöte und shakuhachi, große japanische trommel und gestreichelter holzblock. ganz links sitzt ein sänger, avery r. young. 30 minuten wiegt er sich nur in der musik, dann wiederholt er 20 mal „we keep doing the same things over and over again“, spricht plötzlich in fremden zungen, die die frage stellen, warum sich aus erfahrungen alltäglicher struktureller gewalt kein widerstand bildet, springt auf, pustet in den vorhang, hyperventiliert. mitchell beendet den auftritt und reicht ihm wasser. mazureks chicago-berlin-ausgabe des exploding star orchstestras ist ein mühelos in vier tage zusammengestellter flow aus echtzeitmusik und rollenden grooves, alles ist doppelt und nichts ist zuviel. hamid drake UND chad taylor. nicole mitchell UND sabine vogel. rob mazurek UND jamie branch. damon locks sitzt an einem tisch, zeichnet, wirft die blätter wieder vor sich, skandiert space chants in einen telefonhörer. ein bad im sound, mit funkelnden spitzen und sanfter vorwärtsbewegung. neutrales bühnenlicht, keiner wird durch einen spot vereinzelt.
bonaventure soh bejend ndikung hatte die lichtmetapher der aufklärung bemüht und von den heute (wieder) unsichtbar werdenden gesprochen. die im licht sehen nichts mehr. die im dunkeln gewöhnen sich, spüren die gemeinschaft und beobachten genau, worauf das licht fällt.
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Danke für den tollen Bericht!
Beneide Dich ziemlich – wäre gerade verdammt gerne mit dabei!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaLiest sich sehr spannend. Für diese Komplexität braucht‘s einen aufmerksamen Beobachter/Hörenden/Sehenden. Vielen Dank.
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gypsy-tail-windDanke für den tollen Bericht!
Beneide Dich ziemlich – wäre gerade verdammt gerne mit dabei!ja, ich fänd es auch schön, mit dir da rum zu laufen. immerhin habe ich dort gestern noch den kollegen tim caspar böhme getroffen, der in der taz zur einstimmung aufs jazzfest dieses schöne halvorson-porträt geschrieben hat:
http://www.taz.de/!5545471/bin gespannt, wie sich die stimmung in den nächsten drei tagen entwickelt.
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Schlagwörter: 2018, Jazzfestivals, Jazzgigs, Jazzkonzerte, Konzertberichte
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