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Rhoda Scott Lady Quartet – Moods, Zürich – 14.09.2018
Lisa Cat-Berro (as), Sophie Alour (ts), Rhoda Scott (org), Julie Saury (d)
Letzten Freitag startete das Moods in die neue Saison – das Herbstprogramm sieht wieder eher traurig aus, ein Gemischtwarenladen, in dem für Jazz wie mir scheint immer weniger Platz ist, dafür dann öfter für lokale Leute, die man auch sonstwo hören kann (die aber wenig kosten …) – letzte Saison wurde es Januar, bis ich hin ging, Ende Oktober ist immerhin noch Carla Bley angesagt. Aber gut, der Jazz, den es neben „Experimental“ (das ist dann ein Jazzer, der ein Solokonzert gibt), „Dub-Electro-Jazz“, „Pop/Rock“, „Latin-Afro-Flamenco-Mix“ und „Singer-Songwriter“ (die Genrebezeichnungen sind fast so süss wie auf den Labeln der alten 78er „vocal with orchestral accompaniment“, „fox-trot“ und so …), ist halt zum grösseren Teil einfach nicht mein Fall.
Aber gut, das ist ja egal, wenn zum Auftakt Rhoda Scott erstmals im Moods auftritt, in ihrem 80. Jahr auf Jubiläumstour mit dem Lady Quartet, im Gepäch das letzes Jahr veröffentlichte zweite Album, „We Free Queens“ (auch live aufgenommen, in Paris mit ein paar Gästen). Ich war früh da und sass ganz vorn, Scott selbst konnte ich nicht gut sehen (andere waren auch früh da), aber ich sass in der Verlängerung der Achse zwischen den beiden hinter und neben ihr im rechten Winkel aufgestellten Leslies – und der Sound war einmal mehr super.
An den Saxophonen sin Lisa Cat-Berro und Sophie Alour zu hören, letztere für mich die eindeutig interessanteste Solistin der Band, und überhaupt eine der feineren Stimmen, die im französischen Jazz in den letzten Jahren zum Vorschein kamen. Cat-Berro ist mir etwas zu brav, sie bewegt sich irgendwo zwischen Lou Donaldsons geschmeidiger Substanzarmut und einer Kühle à la Paul Demond, alles sehr elegant gespielt, auch wenn es richtig funky wird. Sie hat auch ein paar der Stücke geschrieben, die ziemlich retro klingen, eine Mischung aus Orgel-Soul-Jazz der Sechziger und etwas Funk der Siebziger – und ob Eleganz da dann das richtige Mittel ist, bezweifle ich eher. Auch als Kontrast funktioniert es nicht so recht, denn dazu ist die Darbietung doch ein paar Zacken zu zahm.
Anders Alour, die auch schon ihr Orgel-Funk-Album gemacht hat und ebenfalls ein paar ähnlich geartete Originals beigesteuert hat. Ihr Ton ist vielseitiger, erinnert manchmal ein wenig an Joe Henderson. Sie bricht aus den geschmeidigen Post-Bop-Linien immer mal wieder aus und die hellwache Julie Saury reagiert auch umgehend darauf, gerade wie sie Leaderin Scott in ihren Orgel-Soli perfekt einbettet, die Stücke strukturiert und gestaltet. Alour ist jedenfalls die Musikerin auf der Bühne, deren Moves nicht schon im Voraus feststehen, auch mal die vorgespurten Bahnen verlassen.
Das gespielte Material – die meisten Stücke des Albums „We Free Queens“ wurden im Laufe der zwei Sets aufgeführt – war sachdienlich, aber manchmal auch etwas langweilig. Als das erste Set mit Bobby Timmons‘ „Moanin'“ beendet wurde, fragte ich mich schon, warum eine solche Band, die ja doch ziemlich retro ist, nicht eher auf gute alte Stücke zurückgreift, anstatt sich im Reproduzieren zu üben. Im ersten Set erhielt Cat-Berro ihr Feature. Im zweiten Set kam Alour mit Trenets „Que reste-t-il de nos amours?“ zum Zug – eine wunderbare Interpretation, die sich durchaus auch neben Barney Wilen hören lassen kann.
Scott selbst, das war schon der Eindruck, den redbeans und ich vor ein paar Jahren in Brüssel hatten (wir hörten sie an zwei aufeinanderfolgenden Abenden mit Félix Simtaine am Schlagzeug), scheint wenig zu improvisieren, ihre Soli sind zurechtgelegt, sie sind perfekt choreographiert, sie zieht buchstäblich alle Stops – und spielt die Basspedale weiterhin barfuss, wie man es von ihr kennt. Das alles kommt live schon verdammt gut, keine Frage. Die Musik geht in den Bauch und in die Beine – und dank Sophie Alour ging auch der Kopf nicht ganz leer aus … gerne wieder, so sich die Gelegenheit nochmal bietet!
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