Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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gypsy-tail-wind
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Tonhalle-Maag, Zürich – 18.01.2019

Tonhalle-Orchester Zürich
Paavo Järvi
Leitung
Janine Jansen Violine (Artist in Residence)

Olivier Messiaen „Les offrandes oubliées“
Wolfgang Amadeus Mozart Violinkonzert Nr. 5 A-Dur KV 219

Olivier Messiaen „Le tombeau resplendissant“
Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21

Nach dem ersten Abend mit dem Tonhalle-Orchester im neuen Jahr, der nicht ganz so berausched endete, wie er mit Britten begonnen hatte, war das Konzert mit dem künftigen Chefdirigenten Paavo Järvi in der Tat eine Offenbarung: Das Orchester wirkte wie ausgewechselt, völlig auf der Höhe sowohl in den beiden Frühwerken von Olivier Messiaen wie auch in Beethovens erster Symphonie, die den Abschluss machte. Das knallte, wie man es kennt, wenn Giovanni Antonini am Pult steht (mit dem das Tonhalle-Orchester auch gerne und gut zusammenarbeitet – zuletzt hörte ich die Kombination bei der Dernière in der alten Tonhalle vor dem Umbau) und hebte sich so auch deutlich von den ja doch auch sehr hörenswerten Beethoven-Aufnahmen ab, die mit Zinman entstanden sind (und ebenfalls die „Findungen“ der HIP-Leute berücksichtigten, aber einer anderen HIP-„Schule“ als jener von Antonini).

Dazu gab es vor der Pause Janine Jansen mit Mozarts fünftem Violinkonzert KV 219. Eine sehr interessante Darbietung, vor allem wegen ihrer Herangehensweise, aber der Rahmen passte dann nicht ganz; bei dem Zugang, den Jansen wählte, hätte wohl bloss ein Dutzend Leute mitspielen dürfen oder es hätte noch mehr Fokus auf das kammermusikalischen Musizieren gebraucht, damit das auch wirklich geklappt hätte. Die stark reduzierte Orchesterbesetzung war immer noch zu gross – zu fliessend, zu kontinuierlich das Spiel der Begleitung, während Jansen immer wieder neu anzusetzen, ja geradezu ins Stück hineinzuhorchen schien.

Dennoch, im Fazit wohl der beste Abend des Tonhalle-Orchesters seit längerem!

Ausführlicher haben Peter Hagmann auf seinem Blog, die NZZ sowie Seen and Heard International berichtet:
http://www.peterhagmann.com/?p=2011
https://www.nzz.ch/feuilleton/paavo-jaervi-in-der-tonhalle-ist-das-noch-dasselbe-orchester-ld.1452238
http://seenandheard-international.com/2019/01/the-dawn-of-a-new-era-paavo-jarvi-and-the-tonhalle-orchester-zurich/

Am 19. Januar hörte ich dann in der saukalten Kirche St. Peter eine leicht gekürzte Version von Haydns Oratorium Die Jahrezeiten mit drei Solisten (den Namen der kurzfristig eingesprungenen Sopranistin kenne ich nicht, Nino Aurelio Gmünder war der Tenor, René Perler der Bass), der Singgemeinde Pfäffikon und der Camerata Cantabile unter der Leitung von Nicolas Plain. In dem Chor singt seit ich mich erinnern kann meine Mutter mit, aber hin bin ich auch, weil ich Haydns Werk bisher nicht kenne und neugierig war. Die Aufführung war – trotz der Kälte (man hatte die Heizung zu spät angestellt, wie ich nachher erfuhr), die vor allem für das Orchester schwierig war und natürlich keine ideale Bedingung bot – sehr ansprechend, aber ich merkte mal wieder, wie selten mich Chormusik wirklich zu fesseln vermag (es sind in der Regel eher die Soli – oder aber der Chor muss halt so grossartig sein wie z.B. Gardiners Monteverdi Choir, da bin ich dann schon total fasziniert, z.B. bei der Aufführung des Verdi-Requiems vor einem Jahr). Sehr schön fand ich aber, was Haydn da fürs Orchester komponiert hat, und auch die Soli haben immer wieder wunderbare Momente, trotz des albernen Texts/Plots. Das Duett Sopran und Tenor im Herbst fand ich besonders schön, auch weil sich die Stimmen der Sängerin und des Sängers so wunderbar mischten. Ein paar Aufnahmen sind bereit, darunter Jacobs, Gardiner, Harnoncourt (live 2007), aber auch ältere (Fricsay, Böhm) und die jüngst von McCreesh herausgebrachte englische, die ich wohl auch schon mal anhörte, weil sie mir wärmstens empfohlen wurde – hangen geblieben ist dann wohl nicht, aber man kann sich wohl den Text leichter schönhören, wenn er englisch ist …

Les Pêcheurs de perles
Oper in drei Akten von Georges Bizet (1838-1875)

Libretto von Michel Carré und Eugène Cormon

Musikalische Leitung Pavel Baleff
Inszenierung Jens-Daniel Herzog
Bühnenbild Mathis Neidhardt
Kostüme Sybille Gädeke
Lichtgestaltung Jürgen Hoffmann
Choreinstudierung Janko Kastelic
Dramaturgie Ronny Dietrich

Léïla Olga Kulchynska
Nadir Sergey Romanovsky
Zurga Brian Mulligan
Nourabad Wenwei Zhang

Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich

Statistenverein am Opernhaus Zürich

Samstag vor einer Woche ging es dann wieder in die Oper, zu einem ganz anderen Abend als vor einem Monat mit Bartoli und Händel. Französische Oper hörte ich zuletzt in Luzern (Gounods „Roméo et Juliette“ mit der fabelhaften Regula Mühlemann, ich hatte im Opern-Thread berichtet). Bizets Perlenfischer hat Jens-Daniel Herzog in der Saison 2010/11 für die Oper Zürich inszeniert und ich freute mich auf die Wiederaufnahme, auch wegen des Wiederhörens von Olga Kulchynska, die ich als Adina in Donizettis Liebestrank mit Nello Santi gehört und sehr gut gefunden hatte. Das war sie auch als Léïla wieder, dieser seltsamen Priester-Prostituierten, wie man es sie in der hinduistischen Kultur ja tatsächlich gibt. Ein ambivalentes Vergnügen, aber gemeint war ja nur das Faible für Exotisches, das man damals in Europa pflegte, gerade in Frankreich. Ein guter Abend fand ich, das Orchester in gute Form und bei Baleff (den ich nicht kannte) auch in guten Händen. Die drei Hauptdarsteller ebenfalls sehr gut zusammenpassend und Wenwei Zhang (der einzige, der kein Rollendebut gab) als souverän-bedrohlicher Spielmeister im Hintergrund.

Die Inszenierung fand ich sehr stimmig, die Darstellung der „geschichteten“ Gesellschaft mag auf den ersten Blick antiquiert wirken, aber wer so etwas glaubt, ist dem Märchen auf den Leim gekrochen, das uns die globale Oberschicht leider ziemlich erfolgreich auftischt. Die Inszenierung war aber keineswegs platt sondern öffnete im Helldunkel des Lichtes und der Farben der Musik einen Spannungsraum, der höchst effektiv bespielt wurde.

Die NZZ berichtete damals über die Premiere:
https://www.nzz.ch/mehr_als_nur_fabel-1.7615022

Eine längere Rezension zu einer der ersten Aufführung der Wiederaufnahme, die noch im alten Jahr stattfand, ist hier zu finden:
https://bachtrack.com/de_DE/review-bizet-les-pecheurs-de-perles-zurich-opera-herzog-mulligan-kulchynska-romanovsky-zhang-december-2018

Tonhalle-Maag, Zürich – 29.1.

Collegium Novum Zürich
Johannes Stockhammer
Leitung

Hugues Dufourt (*1943) „L’Europe d’après Tiepolo“ für Ensemble (2010-2011)
Morton Feldman (1926 – 1987) Instruments II (1975)

Fabio Nieder (*1957) „Was mir das Kind erzählt“ – Erinnerungen an slowakische und slowenische Volkslieder für Ensemble (Kompositionsauftrag des CNZ im Rahmen des von der Landis & Gyr Stiftung ermöglichten Schwerpunkts Fokus Osten)
Jonathan Harvey (1939 – 2012) „Wheel of Emptiness“ für Ensemble (1997)

Fast schon familiär war das Konzert des Collegium Novum in der Tonhalle, am letzten Dienstag – das allererste Mal, dass ich das CNZ im Konzert hörte. Leider, möchte ich anfügen, denn das war ein toller Abend und ich habe wohl so einiges verpasst (möchte aber noch zwei weitere Konzerte in der laufenden Saison besuchen). Los ging es im Foyer mit einem Stück, das die Flötistin des Ensembles, Susanne Peters, mit Gymnasiasten erarbeitet hatte. Dann gab es im Saal eine Einführung, bei der auch Fabio Nieder anwesend war, der Triestiner Komponist, von dem die Uraufführung des Abends stammte. Viel kann ich über den Abend allerdings nicht schreiben, bei neuer Musik fehlen mir wie so oft die Worte, beschreibendes findet man in knapper Form hier (ein ausführlicheres Programmheft wurde auch abgegeben), und auch die NZZ hat berichtet:
https://www.nzz.ch/feuilleton/o-gespaltenes-und-idealisiertes-europa-ld.1455878

Next Up im Februar:

Kammerorchester Basel, Mikhail Pletnev – Tonhalle-Maag, Mo 4.2.
Sol Gabetta/Kristian Bezidenhout – Tonhalle-Maag, Do 14.2.
Mozart: Don Giovanni (Heil/von Peter) – Luzerner Theater, Sa 16.2.
Strauss: Der Rosenkavalier (Luisi/Bechtolf, mit Stoyanova, Stéphany, Devieilhe) – Opernhaus Zürich, Sa 23.2.
Donizetti: Lucia di Lammermoor (Santi/Michielotto) – Opernhaus Zürich, Do 28.2.

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