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da ist auch das wunderschöne „doubled up“ drauf. später auch auf rare trax in einer unplugged version. schmacht.
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du scheinst „instinct“ noch nicht gehört zu haben, oder? ein wirklich hundsmiserables album. (btw: ich mag „brick by brick“. sehr sogar.)Stimmt, „Instinct“ kenne ich auch noch nicht. Wie gesagt, „Brick By Brick“ ist das schlechteste Iggy Album das bisher meinen Weg gekreuzt hat.
@sparch: „Oyster“ muss ich nicht wiederhören, das hat meinen CD-Player nie wirklich verlassen. :D
So entrückt und nicht von dieser Welt klang Heathers Gesang nie wieder. South habe ich noch nicht gehört, kommt sie denn da wieder an die Oyster-Form heran? Eigentlich hatte ich Heather schon als ganz nette Künstlerin, die nicht weh tut mit einem herausragenden Album abgetan.--
I´m Afraid Of Americans‚South‘ habe ich noch nicht gehört, könnte aber mit Mercury Rev als Begleitband wieder interessant sein.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?kurze korrektur „south“ ist die vorletzte, „storm“ diejenige mit mercury rev.
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Danke Dominick, bei diesen kurzen Titeln bringt man aber auch schnell mal was durcheinander. :D
‚South‘ bietet leider nur banalen Pop und ist nicht weiter der Rede wert. Als besonders dämlich ist mir damals ‚Virus of the mind‘ aufgefallen, das mit Hip Hop Elementen versehen bemüht modern zu klingen versuchte.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?Irgendwie scheinen nur „unwichtige“ Platten besprochen zu werden, die einem persönlich sehr am Herzen liegen. Soll kein Vorwurf sein. Finde ich gut!
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kurze korrektur „south“ ist die vorletzte, „storm“ diejenige mit mercury rev.
Jau, hatte ich jetzt auch verwechselt, ich meinte „Storm“. Kennt das denn schon jemand?
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I´m Afraid Of Americansja. „storm“ ist weitaus besser als „south“. ruhig. nicht so verpoppt. reduziert. mir gefällt sie, obwohl sie an „oyster“ definitiv nicht heranreicht.
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Elton John ∙ Tumbleweed Connection
Rocket/Island (1971)In „A la recherche du temps perdu“ beschreibt Marcel Proust das Leben des Protagonisten mit Hilfe dessen Erinnerung. Oftmals wird diese unwillkürlich ausgelöst durch vertraute Sinneseindrücke (memoire involontaire).
Musik kann z.B. die zufällige Erinnerung und damit das Wiederaufleben der Vergangenheit hervorrufen, die eine bestimmte Zeit oder Atmosphäre enthält. Elton Johns „Tumbleweed Connection“ ist in zweierlei Hinsicht eine solche Konnotation. Zum einen ist es ein Konzeptalbum, dass die Erinnerung an den amerikanischen wilden Westen aufrechterhält. Es ist eine Schatztruhe an bluesigen, souligen, gospeligen, countryhaften Stücken: die Begleitmusik für ein Epoche. Zum anderen ist es die Erinnerung an eine peinliche Situation, Elton John als Inbegriff des fetten feisten mainstreamigen Langeweilers vor einer Freundin verlacht zu haben, ohne die wichtigsten Alben von ihm zu kennen. Ich mag Elton John nicht, habe ich mich geoutet. „Tumbleweed Connection“ verzichtet nämlich auf die Einhaltung des üblichen Popsongschemas. Kein Hit stört die Harmonie. Caleb Quayes Gitarre auf „Ballad of a Well-known gun” würde den Kings of Leon heute gefallen, “Country Comfort” mit Geige, Pedal Steel und Harmonica klingt wunderbar nach Bluegrass wie die Jayhawks in ihren besten Zeiten. Draußen vor dem Fenster gingen dicke Wolken nach Westen. „Son of your father“ ist Geschichte zweier Brüder, der eine blind, der andere mit einem Haken anstelle einer Hand. Die Lyrics lesen sich wie das Script zu einem Spaghetti-Western. Ein proustscher Zug mag vielleicht auch das Pianointro von „Where to now St. Peter?“ sein, schafft es doch eine Reminiszenz an Elton Johns großen Hit „Your Song“. Unterstützt von einer unfassbar freundlichen Frauenstimme (Lesley Duncan) kommt „Love Song“ daher. „Amoreena“ öffnet das Wolkenloch, der blaue Himmel schimmert gewaltig durch, „and when it rains, the rain falls down, washing out the castle town, and she’s far away somewehere in her eiderdown, and she dreams of crystal streams“. Bombastisch schließt “Burn down the mission” und auch “Into the Old Man’s Shoes” ist von Paul Buckmaster wunderbar arrangiert. Aus den Augenwinkeln sieht man das obligatorische Gestrüpp vorbeiwehen.
Ein Album, das uns hinausführt an die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens vom wilden Westen. Diese mit leuchtenden Augen gemachte Erfahrung musste ich schließlich mit meiner Freundin teilen und im Zuge meiner Proustschen Assoziation sagte sie: „Könntest du die Musik ein bisschen lauter drehen (sic)?“.--
Klingt Interessant.
Sowohl Deine Schreibe als auch inhaltlich über das Album!--
Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage BlueRainbow – Finyl vinyl (1986)
Als dieses Album 1986 erschien, waren Rainbow schon einige Zeit Geschichte. Ritchie Blackmore hatte die Band 1984 aufgelöst, um Deep Purple wieder auferstehen zu lassen. Bei 'Finyl vinyl' handelt es sich somit um Resteverwertung, und das Album beinhaltet hauptsächlich Liveaufnahmen aus allen Phasen der Band und einige Raritäten. Ende der 80er, anfang der 90er hatte ich eine große Vorliebe für 70er Jahre Rock und in diesem Fall kam man auch an Rainbow kaum vorbei. Und dieses Album bietet auf den ersten Blick eine Zusammenfassung aller Phasen der Band, derer es drei gab. Aus heutiger Sicht wird jedoch vor allem die letzte Phase der Band, in der Joe Lynn Turner als Sänger agierte, beleuchtet. Leider brachte die Band zu dieser Zeit nicht mehr viel mehr zustande als schnöden Mainstream. Das klang mal besser, wie z.B. bei der Coverversion von 'I surrender', im Original von Russ Ballard, und mal relativ einfallslos wie bei 'Power' oder 'Can't happen here'. Ganz vorbei war es, wenn die Band auch noch versuchte innovativ zu klingen. So wirkt das als Blues angelegte 'Tearin' out my heart' unausgegoren und skizzenhaft, ein Stilmittel, das Rainbow nicht gerade gut stand. Der absolute Tiefpunkt in dieser Phase und auf dem gesamten Album ist jedoch das über 11 Minuten lange 'Difficult to cure', Blackmore's Adaption von Beethoven's 'Ode an die Freude' inklucive japanischem Sinfonieorchester. Dumpfe Klassik für Headbanger, ausgerechnet von Blackmore inszeniert, dem Mann, der dafür sorgte, daß 'Deep Purple in rock' so klingt wie es heißt. Und es wirkt unfreiwillig komisch, wenn die Band das Tempo anhebt, um das bekannte Thema anzustimmen. Dagegen ist das folgende 'Stone cold' eine wahre Wohltat. Das Stück bietet zwar nur typischen Chartsrock, wirkt dabei aber nicht uncharmant. Eine große Schwachstelle der Band war damals auch Sänger Joe Lynn Turner, ein typischer Heavyshouter mit einem Unterton in der Stimme, der mir nicht gefällt. Die zweite Phase der Band, in der Graham Bonnet das Mikro übernahm, wird mit gerade mal zwei Songs abgehandelt, darunter der wohl größte Hit der Band 'Since you been gone', ebenfalls eine Coverversion von 'Russ Ballard'. Das rockige 'Bad girl' wurde nur hier veröffentlicht und die krachende Produktion markiert einen Höhepunkt des Albums. Da Graham Bonnet damals Soloambitionen hatte, gab es ingesamt nur ein Album mit ihm, seine Solokarrie kam jedoch nie in Gang. Die beste Seite auf diesem Doppelalbum ist mit Abstand die vierte. Hier wird mit gerade mal 2 Songs die erste Phase der Band, in der Ronnie James Dio als Sänger fungierte' abgehandelt. Die Band Rainbow entstand aus Dio's vormaliger Band Elf, deren Mitglieder Blackmore nach und nach feuerte und durch die üblichen Verdächtigen der Rockszene wie Cozy Powell oder Bob Daisley ersetzte. Die beiden Liverversionen von 'Man on the silver mountain' und 'Long live rock'n'roll' heben sich deutlich vom Rest des Albums ab. Im Gegensatz zum lauen Purple Sound der 80er Jahre klang die Band hier zwar nicht unbedingt innovativ, bot aber gutes bis sehr gutes Songwriting und vermutlich großartige Liveauftritte. Leider wird diese Phase der Band hier viel zu kurz abgehandelt, denn immerhin wurden mit Dio 3 Alben veröffentlicht, und von allen Sängern war er der einzige, der den Sound mitbeinflußte. Ganz am Ende des Albums gibt es dann noch einen weiteren instrumentalen Höhepunkt: das Stück 'Weiss Heim' ist in der Tat bemerkenswert und besticht vor allem durch Blackmore's Gitarre und Don Airy's Piano. Ich muß bei diesem Stück immer an den Film 'Pet semetary' denken, der damals gerade im Kino (89/90) lief. Ich bin zwar nicht gerade ein Freund solcher Horrorstreifen, aber dieser Film gefällt vor allem durch seine einzigartige Atmosphäre, was aber nur im Kino funktioniert. Ich habe mir den Film mit meiner damaligen Freundin angeschaut, und der Nachhauseweg führte mit dem Mofa durch einen Wald, und irgendwie hatte ich damals schon ein komisches Gefühl. Und jedes mal wenn ich 'Weiss Heim' höre, muß ich genau daran denken.
Warum ich mir damals ausgrechnet dieses Album zulegte ist mir heute nicht mehr so ganz klar. Vermutlich lag es an den beiden Hits 'Since you been gone' und 'I surrender'. Als Einstieg ist die Platte auf jeden Fall nicht zu empfehlen, zu unausgewogen ist das Programm und auch der Sound ist stellenweise alles andere als gut, da hätte man 1986 schon mehr erwarten können. Insgesamt ist dieses Album wohl mehr etwas für Die Hard Fans, wobei ich mich fragen muß, ob es bei dieser Band so etwas überhaupt gegeben hat, immerhin drehte sich das Besetzungskarussell hier wie bei keiner anderen Band. Bezeichnend ist hier auch das Cover, das Blackmore einsam auf einer Absperrung sitzend zeigt. Wer dennoch den Einstieg zu Rainbow wagen möchte, dem sei 'Long live rock'n'roll' aus dem Jahr 1978 empfohlen. Dieses Album zeigt die Band auf der Höhe ihrer Schaffenskunst und zählt für mich sicher zu den besten Rockalben dieser Zeit.--
Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?
Lenny Kravitz – Let Love Rule
Virgin – 1989
Ein Freund kam eines Tages an und spielte mir unter theatralischen Begeisterungsposen “The Real Thing” von Faith No More vor. Und in der Tat, mir als durchaus-aber-nicht-nur-Metaller gefiel die CD. So stand ich im Mai 1990 an einer Theke in Bielefelds PC 69 und wartete auf Faith No More, Vorgruppe Prong. Plötzlich tut es ein mir vertrautes Geräusch. Eine Akustikgitarre erklingt. Ich schau zur Bühne – nichts. ‚Vom Band’ denke ich mir und merke, wie es bereits ganz vertraut kribbelt. Auf dem Weg zum Mixer treffe ich meinen Freund wieder, der mir diesmal erklärt, dass es sich um Lenny Kravitz handelt. Theatralik, nach dem Titel erkundigt, glücklich, Album gekauft.
Natürlich weiß ich, dass ein Zauberer die Kaninchen vorher in den Zylinder steckt, um sie anschließend heraus zu zaubern. Ich weiß auch, dass Illusionisten mit doppelten Boden arbeiten. Ich weiß es, aber ich finde es nicht schlimm auf diese Art auf den Arm genommen zu werden. So ist es bei diesem Album auch. Ein Tribut an die großen Songwriter der 60er und 70er Jahre, nur eben mit eigenen Songs. Lenny Kravitz versucht sich als Plagiator und es gelingt, denn schon sehr schnell erkennt man seine Wurzeln: Beatles, Led Zeppelin, Hendrix. Da ich keinen Zugang zu Hendrix finde, höre ich mir die Songs von Lenny Kravitz an, die gefallen mir. Genug der Warnungen, hinein ins Hörvergnügen.
Der Opener schleicht sich so intensiv ins Ohr, dass er mich einnimmt, ohne zu bedrängen. Der Singer/Songwriter-Eindruck wird bereits beim Titelstück zerstört, als die Band (also Lenny Kravitz plus Henry Hirsch und Karl Denson) einsetzt. Mit jedem Stück dringt Kravitz auf diesem Album tiefer in die Musikgeschichte vor. Für mich ist der beste Song „My Precious Love“. Nicht weil er besonders langsam ist und die Worte findet, die mir bisweilen fehlten, sondern wegen des Piano-Solos, das mir fast die Tränen in die Augen treibt. Selten habe ich es so knistern gehört, und das auf CD!!! Dieses Stück scheint Dreh- und Angelpunkt zu sein, denn es steht isoliert auf dem Album. Nichts bezieht sich darauf, nichts nimmt den Faden nochmals auf. Da sind die anderen Songs schon eher miteinander verwoben. Der Zauberer zersägt anschließend diverse Damen, also Songs, ohne dass sie wirklich zweigeteilt sind. Genau das steht der Eigenständigkeit dermaßen im Weg, dass sich Kravitz noch Jahre später Plagiatsvorwürfe anhören muss und das Album eben nicht zum Alltime-Klassiker werden lässt. „Mr. Cab Driver“, „Flower Child“, „I Built This Garden For Us“ sind erratische Kunstwerke, wobei der letztgenannte durchaus die Chance hätte, bei der Sesamstraße aufzutauchen. Überhaupt schaltet dieses Album bei mir das Assoziationsprogramm ein. Gute Songs, guter Sänger und gute Wurzeln. Letztere verhindern durch ihre Offenheit ein Meisterwerk.--
Das fiel mir ein als ich ausstieg.Klaus Hoffmann – Es muss aus Liebe sein
Virgin 1989Es gibt Alben mit denen man hervorragend berufene Altenpflege-Schülerinnen aufreißen kann. Man nehme Herman Van Veen oder Reinhard Mey. Wenn man lieber eine Altenpflege-Schülerin mit etwas Rock’n Roll im Herzen haben möchte, muss es schon Klaus Hoffmann sein. „Es muss aus Liebe sein“ ist auch Rock’n Roll, so wie Punk eine Lebenseinstellung ist.
Mit der Liebsten in den Urlaub, irgendwohin, Hauptsache weg! Nach Afrika, Venedig, Hawaii, Nizza, Wien. Am Ende bleibt man zuhause und tut so, als wäre man im Urlaub, inklusiv hemmungslosen Sex. Es muss aus Liebe sein. Nieder mit den Trieben, es leben die Säfte. Und es lebt die Sehnsucht nach Nähe, während andere sie zu haben scheinen. Die Unerreichbarkeit ist unerträglich und so rettet sich Hoffmann in den Mond, der ihn anglotzt und er glotzt zurück. Dann folgt der Rock’n Roll. Unverblümt beschreibt Klaus Hoffmann schlechtes Benehmen und deklariert es als Müdigkeit. Sehr fein, sehr gemein. „Jungen Damen helf ich auch nicht aus dem Mantel, ich bin kein pflegeleichter Kavalier. Egal wie hübsch sie sind, die Ladies müssen schon von selber durch die Tür.“ – „Genau!!!“ rufe ich und weiß, ich bin nur müde, nicht ohne Anstand.
Und dann gibt es die Annahme, dass Künstler immer wissen, was Volkes Stimme sagt. Das stimmt allerdings nur zum Teil, denn das Paradebeispiel in „Der Preis der Macht“ ist so einer der sich, außer um sich selbst um nichts kümmern muss, er braucht keine Verantwortung für andere zu übernehmen. Ach den gut dotierten Job? Das ist der Preis der Macht. In „Eine Schönheit ist sie nicht“ hält er einen Spiegel vor die Aussage und der Hörer sagt am Ende: „Stimmt, aber…“
Altenpflegeschülerinnen haben, wie andere heranwachsende Frauen auch, das allseits beliebte Helfersyndrom. Das wird besonders deutlich, wenn Biologie-Studenten oder Sozialpädagogen dazustoßen. Wenn auf diese Konstellation die Liebe fällt, dann kommt Klaus Hoffmann um die Ecke und singt „Jedes Kind braucht einen Engel“. So weicheierisch, das es in denselben zieht. Es gibt Kinder, die haben Reißnägel in den Schuhen. Und wenn sie die Schuhe wechseln sind Kieselsteine drin. Es mag nicht in dieses Album passen.
Themawechsel. „Total verrückt.“ beschreibt zwar den Aussteiger, der nach unendlichen Jahren endlich wach wird und sich ins Leben stürzt, doch in Wirklichkeit ist es eine andere Form von „Was werden bloß die Leute sagen?“ Ist doch egal, kommt als Schulterklopfer rüber. Und so richtig im Leben steht man erst, wenn man Paso Doble tanzen kann, sagt Klaus, der es auch nicht besser weiß, als ich oder die anderen. Genauso, wie man sich in eine Sache verrennt, von der man nur dachte, sie wäre es. Z.B. die Altenpflege-Schülerin. Das Leben spuckt einen aus, wenn man zu der Erkenntnis kommt: „Das war es nicht.“ Und wo landet man? „Bist wieder auf der Straße, bist wieder mitten drin, ein Nichts in grauer Masse, da wolltest du doch hin.“ Die letzten Songs vom Album kommen recht konzeptionell daher. Fühlt man sich erst mal „Wie ein Stein“, dann hebt man den Blick und schaut sich seine Stadt an und stellt fest: Da ist nichts mehr von dem, was früher war. So viele Jahre hat die Erinnerung gelebt, doch dabei hat sich alles verändert. „Diese Stadt“ ist veränderbar, aber nicht vergänglich in der Erinnerung. Es ist, als ob Berlin die Menschen vereinnahmt und verändert. Klaus Hoffmann scheint nicht wirklich älter zu werden. Kindskopf und Charmeur und Songwriter. Und so schafft er sich sein eigenes Happy-End, denn „Sie“ kommt zurück. Meiner Altenpflegeschülerin wurde es übrigens doch zuviel Rock’n Roll und sah sich nach einem Sozi-Pädda-Studi um. Und ich? Nahm meine traurigen Lieder und schmiss sie in den Mülleimer.--
Das fiel mir ein als ich ausstieg.
Natalie Merchant ∙ Tigerlily
Elektra (1995)Mit fortschreitendem Herbst nimmt der Himmel eine tiefblaue Farbe an und er wirkt irgendwie höher. Die entstehende Entfernung gibt einem das Gefühl von größerer Einsamkeit, das man spürt: Ich bin nicht dabei. Wer Musik von Natalie Merchant hört, ist meist allein. Es ist nicht die Musik, die Aufmerksamkeit auf sich zieht, es ist diese Stimme. Ihre Stimme. Ihre Stimme wärmt in der neuen Jahreszeit und zunehmenden Kälte wie ein Pullover oder ein Kaminfeuer. Großes Gefühl.
„Tigerlily“ ist melancholisch. Musikalisch wie textlich. Klavier, Gitarre, Schlagzeug reichen als Begleitung. Über das Weiterleben nach einem großen Verlust einer geliebten Person in Beloved Wife („I can’t believe | I’ve lost the very best of me“) und River, eine Ode an den verstorbenen Hollywoodschauspieler River Phoenix („you were gone | it was such a nightmare raving | how could we save him from himself?“).
Im Zentrum des Albums stehen zwei längere Songs. Zum einen das achtminütige I may know the word. Ein warmes zärtliches Stück, das mein Herz einen Augenblick lang stillstehen lässt, „but it’s all gray here | but it’s all grey to me“. Hier dringt kein Herbstlicht mehr durch die Zweige. Eingemauert: „I recognized the walls inside | i recognozie them all“. Manche Menschen mögen bei der Musik eine Form von Verlorenheit finden.
Zum anderen Carnival. Eines der beiden fröhlicheren und beschwingteren Songs, das mit Percussions versucht die Stimmung eines lateinamerikanischen Karnevals einzufangen. Hypnotisiert von den Darbietungen der Schausteller wird zugleich die Fassadenhaftigkeit und Fragwürdigkeit („I walked these streets | in a spectacle of wealth & poverty“) des Straßenkarnevals dargestellt.
Songs über Eifersucht, über das Verarbeiten von Erfahrungen, Balladen über romantische Beziehungen und über das Ende einer Liebe und die damit verbundenen Emotionen. Der von Schönheit Gelangweilte ist hier falsch.
Und später, wenn es Winter geworden ist, und auf wunderbare Weise alles weiß wurde und das Herz glänzt, wärm dieses Album immer noch. Und es soll Menschen geben, die der Einsamkeit entsagen, weil sie wissen: Sonntags kuschelt man gemeinsam.--
Klaus Hoffmann – Es muss aus Liebe sein
Virgin 1989Es gibt Alben mit denen man hervorragend berufene Altenpflege-Schülerinnen aufreißen kann. Man nehme Herman Van Veen oder Reinhard Mey. Wenn man lieber eine Altenpflege-Schülerin mit etwas Rock’n Roll im Herzen haben möchte, muss es schon Klaus Hoffmann sein. „Es muss aus Liebe sein“ ist auch Rock’n Roll, so wie Punk eine Lebenseinstellung ist.
Mit der Liebsten in den Urlaub, irgendwohin, Hauptsache weg! Nach Afrika, Venedig, Hawaii, Nizza, Wien. Am Ende bleibt man zuhause und tut so, als wäre man im Urlaub, inklusiv hemmungslosen Sex. Es muss aus Liebe sein. Nieder mit den Trieben, es leben die Säfte. Und es lebt die Sehnsucht nach Nähe, während andere sie zu haben scheinen. Die Unerreichbarkeit ist unerträglich und so rettet sich Hoffmann in den Mond, der ihn anglotzt und er glotzt zurück. Dann folgt der Rock’n Roll. Unverblümt beschreibt Klaus Hoffmann schlechtes Benehmen und deklariert es als Müdigkeit. Sehr fein, sehr gemein. „Jungen Damen helf ich auch nicht aus dem Mantel, ich bin kein pflegeleichter Kavalier. Egal wie hübsch sie sind, die Ladies müssen schon von selber durch die Tür.“ – „Genau!!!“ rufe ich und weiß, ich bin nur müde, nicht ohne Anstand.
Und dann gibt es die Annahme, dass Künstler immer wissen, was Volkes Stimme sagt. Das stimmt allerdings nur zum Teil, denn das Paradebeispiel in „Der Preis der Macht“ ist so einer der sich, außer um sich selbst um nichts kümmern muss, er braucht keine Verantwortung für andere zu übernehmen. Ach den gut dotierten Job? Das ist der Preis der Macht. In „Eine Schönheit ist sie nicht“ hält er einen Spiegel vor die Aussage und der Hörer sagt am Ende: „Stimmt, aber…“
Altenpflegeschülerinnen haben, wie andere heranwachsende Frauen auch, das allseits beliebte Helfersyndrom. Das wird besonders deutlich, wenn Biologie-Studenten oder Sozialpädagogen dazustoßen. Wenn auf diese Konstellation die Liebe fällt, dann kommt Klaus Hoffmann um die Ecke und singt „Jedes Kind braucht einen Engel“. So weicheierisch, das es in denselben zieht. Es gibt Kinder, die haben Reißnägel in den Schuhen. Und wenn sie die Schuhe wechseln sind Kieselsteine drin. Es mag nicht in dieses Album passen.
Themawechsel. „Total verrückt.“ beschreibt zwar den Aussteiger, der nach unendlichen Jahren endlich wach wird und sich ins Leben stürzt, doch in Wirklichkeit ist es eine andere Form von „Was werden bloß die Leute sagen?“ Ist doch egal, kommt als Schulterklopfer rüber. Und so richtig im Leben steht man erst, wenn man Paso Doble tanzen kann, sagt Klaus, der es auch nicht besser weiß, als ich oder die anderen. Genauso, wie man sich in eine Sache verrennt, von der man nur dachte, sie wäre es. Z.B. die Altenpflege-Schülerin. Das Leben spuckt einen aus, wenn man zu der Erkenntnis kommt: „Das war es nicht.“ Und wo landet man? „Bist wieder auf der Straße, bist wieder mitten drin, ein Nichts in grauer Masse, da wolltest du doch hin.“ Die letzten Songs vom Album kommen recht konzeptionell daher. Fühlt man sich erst mal „Wie ein Stein“, dann hebt man den Blick und schaut sich seine Stadt an und stellt fest: Da ist nichts mehr von dem, was früher war. So viele Jahre hat die Erinnerung gelebt, doch dabei hat sich alles verändert. „Diese Stadt“ ist veränderbar, aber nicht vergänglich in der Erinnerung. Es ist, als ob Berlin die Menschen vereinnahmt und verändert. Klaus Hoffmann scheint nicht wirklich älter zu werden. Kindskopf und Charmeur und Songwriter. Und so schafft er sich sein eigenes Happy-End, denn „Sie“ kommt zurück. Meiner Altenpflegeschülerin wurde es übrigens doch zuviel Rock’n Roll und sah sich nach einem Sozi-Pädda-Studi um. Und ich? Nahm meine traurigen Lieder und schmiss sie in den Mülleimer.Sehr schöner Beitrag, Herr Liebling, aber sagen Sie doch mal – finden Sie die Platte heute auch noch so richtig gut? Jetzt mal abgesehen von schmerzhaften Erfahrungen mit hundsgemeinen Sozialberuflerinnen?
Bei mir läuft die unter der Kategorie „Schlimme Sünden aus gottseidank trotz meiner noch jungen Jahre längst vergangenen Zeiten“. Hoffmann finde ich heute insgesamt mehr als fürchterlich. Klar, „Es muss aus Liebe sein“ ist bei Weitem nicht so ekelhaft wie „Sänger“ (alles, was danach kam, kenne ich nicht), aber für meine Begriffe immer noch sehr schlimm. Dieses eklig-aufgesetzte Gurren in der Stimme, diese schmierigen Texte – nein, das mag ich nicht.
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Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT] -
Schlagwörter: User Reviews
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