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Klaus Hoffmann – Es muss aus Liebe sein
Virgin 1989
Es gibt Alben mit denen man hervorragend berufene Altenpflege-Schülerinnen aufreißen kann. Man nehme Herman Van Veen oder Reinhard Mey. Wenn man lieber eine Altenpflege-Schülerin mit etwas Rock’n Roll im Herzen haben möchte, muss es schon Klaus Hoffmann sein. „Es muss aus Liebe sein“ ist auch Rock’n Roll, so wie Punk eine Lebenseinstellung ist.
Mit der Liebsten in den Urlaub, irgendwohin, Hauptsache weg! Nach Afrika, Venedig, Hawaii, Nizza, Wien. Am Ende bleibt man zuhause und tut so, als wäre man im Urlaub, inklusiv hemmungslosen Sex. Es muss aus Liebe sein. Nieder mit den Trieben, es leben die Säfte. Und es lebt die Sehnsucht nach Nähe, während andere sie zu haben scheinen. Die Unerreichbarkeit ist unerträglich und so rettet sich Hoffmann in den Mond, der ihn anglotzt und er glotzt zurück. Dann folgt der Rock’n Roll. Unverblümt beschreibt Klaus Hoffmann schlechtes Benehmen und deklariert es als Müdigkeit. Sehr fein, sehr gemein. „Jungen Damen helf ich auch nicht aus dem Mantel, ich bin kein pflegeleichter Kavalier. Egal wie hübsch sie sind, die Ladies müssen schon von selber durch die Tür.“ – „Genau!!!“ rufe ich und weiß, ich bin nur müde, nicht ohne Anstand.
Und dann gibt es die Annahme, dass Künstler immer wissen, was Volkes Stimme sagt. Das stimmt allerdings nur zum Teil, denn das Paradebeispiel in „Der Preis der Macht“ ist so einer der sich, außer um sich selbst um nichts kümmern muss, er braucht keine Verantwortung für andere zu übernehmen. Ach den gut dotierten Job? Das ist der Preis der Macht. In „Eine Schönheit ist sie nicht“ hält er einen Spiegel vor die Aussage und der Hörer sagt am Ende: „Stimmt, aber…“
Altenpflegeschülerinnen haben, wie andere heranwachsende Frauen auch, das allseits beliebte Helfersyndrom. Das wird besonders deutlich, wenn Biologie-Studenten oder Sozialpädagogen dazustoßen. Wenn auf diese Konstellation die Liebe fällt, dann kommt Klaus Hoffmann um die Ecke und singt „Jedes Kind braucht einen Engel“. So weicheierisch, das es in denselben zieht. Es gibt Kinder, die haben Reißnägel in den Schuhen. Und wenn sie die Schuhe wechseln sind Kieselsteine drin. Es mag nicht in dieses Album passen.
Themawechsel. „Total verrückt.“ beschreibt zwar den Aussteiger, der nach unendlichen Jahren endlich wach wird und sich ins Leben stürzt, doch in Wirklichkeit ist es eine andere Form von „Was werden bloß die Leute sagen?“ Ist doch egal, kommt als Schulterklopfer rüber. Und so richtig im Leben steht man erst, wenn man Paso Doble tanzen kann, sagt Klaus, der es auch nicht besser weiß, als ich oder die anderen. Genauso, wie man sich in eine Sache verrennt, von der man nur dachte, sie wäre es. Z.B. die Altenpflege-Schülerin. Das Leben spuckt einen aus, wenn man zu der Erkenntnis kommt: „Das war es nicht.“ Und wo landet man? „Bist wieder auf der Straße, bist wieder mitten drin, ein Nichts in grauer Masse, da wolltest du doch hin.“ Die letzten Songs vom Album kommen recht konzeptionell daher. Fühlt man sich erst mal „Wie ein Stein“, dann hebt man den Blick und schaut sich seine Stadt an und stellt fest: Da ist nichts mehr von dem, was früher war. So viele Jahre hat die Erinnerung gelebt, doch dabei hat sich alles verändert. „Diese Stadt“ ist veränderbar, aber nicht vergänglich in der Erinnerung. Es ist, als ob Berlin die Menschen vereinnahmt und verändert. Klaus Hoffmann scheint nicht wirklich älter zu werden. Kindskopf und Charmeur und Songwriter. Und so schafft er sich sein eigenes Happy-End, denn „Sie“ kommt zurück. Meiner Altenpflegeschülerin wurde es übrigens doch zuviel Rock’n Roll und sah sich nach einem Sozi-Pädda-Studi um. Und ich? Nahm meine traurigen Lieder und schmiss sie in den Mülleimer.
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Das fiel mir ein als ich ausstieg.