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RiverPoetWobei ich, seitdem neulich im englischsprachigen Internet jedes Divine Comedy Album einer rituellen Schlachtung selbsternannter Kritiker unterzogen wurde, auch öfters auf seine dort kritisierte Vorliebe für Aufzählungen und „Listen“ achte
Ein seltsamer Kritikpunkt. Solche „List Songs“ hat schon Cole Porter zuhauf geschrieben und in dieser Tradition komponiert Hannon ja nun nicht gerade selten. Wortgewandte Songwriter können aus diesem Prinzip sehr viel machen, wie es Hannon beispielsweise bei If… tut.
nail75Dennoch greifen sie natürlich einige offensichtliche Kritikpunkte auf: Hannons Liebe zum Theatralischen, die opulenten Arrangements, seine „Smugness“, seine Selbstverliebtheit und Eitelkeit.
All das würde ich nicht missen wollen. Seine Selbstverliebtheit ist ja oft genug auch überhöht und ironisch gebrochen, z.B. eben auch mit Hilfe der Theatralik und dem Humor, den du auch ansprichst. Hannon ist niemand, dem es darum geht, die Intimität, von der er so gerne singt, dann auch intim umzusetzen, stattdessen pustet er sie spielerisch auf, vergnügt sich damit und der Hörer kann das aus sicherer Distanz fasziniert beobachten. Ähnlich nehme ich z.B. auch die Bücher Oscar Wildes wahr (noch so eine Referenz!).
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WerbungEben, ich denke, ja okay, ab und an findet er sich schon ein bißchen gut, aber immer mit dem tongue in cheek – einer der Schlusssätze beim letzten Konzert: „Thank you for paying money for to see an idiot“ Ich denke, er hätte gerne mehr Aufmerksamkeit oder besser gesagt Würdigung, was ich aber nachvollziehen kann und genau so sehe – es gibt so viele dumpfsinnige Bullshit-Musik und Tiefgründiges bleibt auf der Strecke und fristet ein Nischendasein.
Es gibt übrigens nicht nur diesen „Widerspruch“ zwischen der vermeintlichen Selbstgefälligkeit und dem Understatement, ich finde, auch die Live-Auftritte mit den mittlerweile klassischen Verspielern, Texthängern und dem genialen „Chaos“ auf der einen Seite, und die Perfektion, Pedanterie im Studio auf der anderen Seite auch interessant.
Ich „achte“ auf die Listen, ich sage nicht, dass ich sie nicht mag
So ist eben auch bei den Songs vieles authentisch und aus dem eigenen Leben – vieles aber auch eben ein lyrisches Ich und kein „So bin ich halt“ (insbesondere bzgl. Casanova).
Der Herr ist jetzt übrigens tatsächlich und hoch offiziell im Studio angekommen, begleitet von einigen vertrauten Gesichtern, die für gewohnte Qualität bürgen, so können wir hoffen.
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nail75
Dennoch greifen sie natürlich einige offensichtliche Kritikpunkte auf: Hannons Liebe zum Theatralischen, die opulenten Arrangements, seine „Smugness“, seine Selbstverliebtheit und Eitelkeit.Woran machst du seine „Selbstverliebtheit und Eitelkeit“ denn fest?
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chocolate milkWoran machst du seine „Selbstverliebtheit und Eitelkeit“ denn fest?
Findest du nicht, dass man seiner Musik und seinen Veröffentlichungen anmerkt, dass er gerne im Mittelpunkt steht? Und dass er Sprache und Musik benutzt, um Aufmerksamkeit zu erregen?
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75Findest du nicht, dass man seiner Musik und seinen Veröffentlichungen anmerkt, dass er gerne im Mittelpunkt steht? Und dass er Sprache und Musik benutzt, um Aufmerksamkeit zu erregen?
Er befindet sich auf fast jedem Albumcover, ja, aber das würde ich eher unter Kosten einsparen verbuchen. Im besten Fall hat man dann noch einen guten Fotografen in seinem Freundes- oder Bekanntenkreis und schon ist etwas mehr Geld für andere Dinge übrig (und ich meine nicht für nen Gucci Anzug und den regelmäßigen Weg zur Kosmetikerin usw. – soll es ja auch geben, aber hier scheint mir das nicht der Fall zu sein).
Viele Kompositionen mit Orchester = großes Ego, oder wie? Und „Sprache und Musik benutzten um Aufmerksamkeit zu erregen“, nein. Er ist belesen, da liegt vieles einfach nahe und er macht es, weil er Lust drauf hat. Würde er Aufmerksamkeit erregen wollen, dann müßte er andere Musik machen, so wird das nichts. Ist doch ein sehr übersichtlicher Rahmen, in dem er überhaupt stattfindet. Und auf der Bühne und auch in Interviews finde ich ihn sehr angenehm, humorvoll und auf dem Boden geblieben.
Eitel und selbstverliebt sieht, in meinen Augen, ganz anders aus.
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Natürlich will er Sprache und Musik benutzen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Er ist Songwriter und Musiker. Niemand veröffentlicht Platten, damit sie keiner hört.
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Jan LustigerNatürlich will er Sprache und Musik benutzen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Er ist Songwriter und Musiker. Niemand veröffentlicht Platten, damit sie keiner hört.
Eben. Außerdem habe ich Hannon, auch zu kommerziellen Hochzeiten übrigens, stets als äußerst reflektiert und angenehm auftretenden Vertreter seiner Gilde wahrgenommen. Wer gerade ihm übertriebene Selbstdarstellung vorwirft, hat die unzähligen ironischen Brechungen und die Rollenspiele in seinen Songs (und Aufnahmen) sowie die Tatsache, dass er, und selbst wenn er ausnahmsweise einmal Privates thematisieren sollte („Charmed Life“), in Vortrag und Herangehensweise stets hinter sein Sujet zurückzutreten bereit ist, nicht recht begriffen, fürchte ich.
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nail75Findest du nicht, [….] dass er Sprache und Musik benutzt, um Aufmerksamkeit zu erregen?
Klar! Worin besteht der Fehler? Um es mit Luhmann zu sagen: Aufmerksamkeit ist das Medium des Unterhaltungs-Systems. Und diese hat er zuletzt doch gar nicht übermäßig strapaziert, wie ich meine.
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Ach wie sagt er so schön in der herrlichen Making-of-DVD zu Victory: „I know that I’m a genius. *augenroll* but I also know that I’m a clod …“
Jake Jackson feilt übrigens am neuen Album im Studio mit. Lässt ebenfalls auf Gutes hoffen.
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Ich bin übrigens momentan ziemlich umgehauen von seiner Version von „Time to pretend“… Ich kannte das Lied vorher weder in seiner Fassung noch im Original, habe jetzt mal beides angehört und mir ist gleich der Milchreis übergekocht. Wie schön umgesetzt – und interessant auch die verschiedenen Textversionen Original/DC
„I’ll move to Paris, shoot some heroin and fuck with the stars“ / bzw.
„I’ll move to Paris, smoke some cigarettes and gaze at the stars“
und
„We’ll choke on our vomit and that will be the end.“ / bzw
„We’ll choke on our pheasant and that will be the end“woher auch immer diese Idee kommen mag – mir gefällt’s.
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RiverPoetAb Sonntag ist er wieder im Studio.
Johnny SpazzyIch würde mich sehr freuen, wenn es nicht mehr allzu lange dauert!
Gerade frisch auf Twitter entdeckt, 29. Sep.:
Harp recorded for @divinecomedyhq new album. Beautiful songs.
#thereturnofthedivinecomedy / 2016--
Die Frage nach dem Sachstand und warum es so lange dauerte beantwortet Herr H. gestern via social media wie folgt:
Hello Everyone,
I’m getting too old for all this. Two weeks in the stu-stu-studio and I feel like I’ve been run over by a bus. Thankfully it all went exceedingly well and all the tracks are in good shape (even if their creator isn’t).Let me give you a rough timeline of this record:
2010 – Bang Goes The Knighthood is released to universal acclaim. It’s showered with awards and sells 800,000 copies… oh hang on.
2011 – Being a well known monarchist, Neil completes compositions for the Royal Opera House and Royal Festival Hall. Everyone adores them and he becomes even more famous and wealthy than he already is… um no, that’s not right.
2012 – Neil thinks he ought to start writing a new DC album. Goes to the pub with Thomas and Tosh instead. Starts work on cricket album the following week.
2013 – Neil comes home from DLM tour, makes a cup of tea, twiddles his thumbs, tries to remember what he was about to do before he went to the pub. Oh yeah, DC album! Off he trots to his and Cathy’s writing room in the National Concert Hall (for which he most heartily thanks the NCH). By the end of 2013 there are 7 or 8 recognisable tunes. Strangely though it’s all banging synth pop…
2014 – to begin with it’s just more synth pop, then gradually things start to slant in a more Hannon-ish direction. By the summer there are maybe 14 or 15 tunes in a myriad of different styles and incarnations.
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2015 – …the lord of all he surveys scratches his lordly head and tries to remember what he does for a living. Of course, DC album! By April/May there are around 22 songs. ‚That’ll have to do‘, he sighs, and calls his unbelievably patient manager. Over the summer he struggles (while watching the cricket) with which songs should make the album and in what order. For a long time it is a double album. But that’s just silly. Eventually conclusions are reached, 22 songs are reduced to 13, studios and musicians are booked, brows perspire.Cut to present day.I must say it’s all sounding splendid. With that of course comes the added pressure of not wanting to bugger it up. Which is surprisingly easily done. I’ve a couple of weeks now until it’s back to Londinium for the orchestral sessions. A short while after that we will attempt to mix it. Then master it. Manufacture it. Release (probably not til the Spring at the earliest.) Promote. Tour. Go home. Twiddle thumbs. Start a new one. Aaaggghhhh!!!!
Happy days
Neil x--
chocolate milkEr befindet sich auf fast jedem Albumcover, ja, aber das würde ich eher unter Kosten einsparen verbuchen. Im besten Fall hat man dann noch einen guten Fotografen in seinem Freundes- oder Bekanntenkreis und schon ist etwas mehr Geld für andere Dinge übrig (und ich meine nicht für nen Gucci Anzug und den regelmäßigen Weg zur Kosmetikerin usw. – soll es ja auch geben, aber hier scheint mir das nicht der Fall zu sein).
Viele Kompositionen mit Orchester = großes Ego, oder wie? Und „Sprache und Musik benutzten um Aufmerksamkeit zu erregen“, nein. Er ist belesen, da liegt vieles einfach nahe und er macht es, weil er Lust drauf hat. Würde er Aufmerksamkeit erregen wollen, dann müßte er andere Musik machen, so wird das nichts. Ist doch ein sehr übersichtlicher Rahmen, in dem er überhaupt stattfindet. Und auf der Bühne und auch in Interviews finde ich ihn sehr angenehm, humorvoll und auf dem Boden geblieben.
Eitel und selbstverliebt sieht, in meinen Augen, ganz anders aus.
Sorry, habe deinen Beitrag wie auch die folgenden komplett übersehen.
Ich glaube aber nun wirklich nicht, dass er auf jedem Albumcover ist, weil er Kosten sparen will. Die Albumcover waren ja in ihrer Zeit eher aufwendig.
Ich finde ihn persönlich schon distanziert. Er hat Humor, aber er ist definitiv nicht der Buddy des Hörers, er wahrt Abstand. In Habitus und Gestik erinnert er mich schon sehr an die englische Oberschicht, auch wenn er aus NI kommt. Er ist immerhin des Sohn eines Bischofs, er musste nicht in der letzten Reihe sitzen.
Man sollte meine Aussagen nicht missverstehen. Er inszeniert sich gerne in seiner Musik. Man kann auf unterschiedlichem Weg Aufmerksamkeit erzeugen, Neil Hannon macht es, indem er Neil Hannon in den Mittelpunkt stellt – und zwar nicht, indem er die Nähe zum Publikum sucht, sondern indem er Distanz aufrecht erhält und sich als Beobachter inszeniert – seiner Umgebung, aber vor allem auch als Kommentator seines eigenen Lebens. Es gibt viele Songwriter, die nach innen schauen, aber Hannon ist ein Gesamtkunstwerk, das auch von anderen ob seiner Eloquenz und sophistication gewürdigt werden soll. Das wurde ihm von den Rezensenten ja zum Vorwurf gemacht.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Na ja ab und an sucht er schon Nähe, aber er ist halt nicht „das Arbeiterkind“ und muss auch keins sein. Passt auch nicht zum Vokabular.
Es gibt diese Aufnahme, wo er live Europop darbietet, Mitte 20, in einer Art Disko.Im Anzug und mit Krawatte.
Eine Art beabsichtigter Stilbruch – oder eine Art „sich treu bleiben“, jedenfalls unterscheidet ihn dieser Stil von eigentlich der Masse, zumindest vielen anderen. Und wozu mainstream-Versuche und T-Shirt-Pop geführt haben, sahen wir ja (auch wenn ich diese Episode auch mag)
Der oben zitierte „Brief“ ist m. E. auch typisch gelungen und viel versprechend.--
Der Zeitstrahl 2010-2015 ist sehr anschaulich. Ich war jetzt auch schon leicht verärgert weil sich alles verzögerte. Hat aber alles seinen Grund und Richtigkeit. Die zweite DLM Platte 2013 war ja auch ein stilvolles Interlude. Bin sehr gespannt auf das neue Material, die letzte Platte gefiel mir sehr gut, trotz Kritik hier und da. Stilvoll insichruhend.
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"And everything I know is what I need to know and everything I do's been done before." -
Schlagwörter: The Divine Comedy
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