The Class of ’82

Ansicht von 15 Beiträgen - 1 bis 15 (von insgesamt 52)
  • Autor
    Beiträge
  • #47013  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    nail75 wrote:
    Summer of 82: Hochspannender Artikel, der wieder mal beweist, dass Hentschel zu den Topautoren der deutschen „Musikpresse“ gehört. Gerade für Fans der 80er Musik bieten sich dadurch sehr viele Anknüpfungspunkte für eine Diskussion, insofern hoffe ich dass Mista, Rossi, Dick Laurent oder Bender (oder sonst jemand) einen eigenen Thread eröffnen und die Thesen bzw. die Kontroversen aus ihrer Sicht beleuchten. Das könnte sehr spannend werden.

    Dann wollen wir mal.
    Habe den Artikel jetzt auch gelesen. Ja, er ist ganz gut recherchiert und ebenso geschrieben. Warum Herr Hentschel deshalb gleich zu den Topautoren gehören soll, weiß ich zwar nicht. Aber geschenkt.
    Inhaltlich lässt sich aus meiner Erinnerung gar nichts einwenden. Ich habe die Zeit ja sehr bewusst miterlebt. Allerdings waren mir einige der Bands damals etwas suspekt. Mit Haircut 100 und mit The Associates z.B. konnte ich gar nichts anfangen. Von allen anderen kaufte ich Singles (habe sie z.T. immer noch). Ich besitze aber kein einziges der von Jürgen Ziemer besprochenen Alben. Warum auch? Die Musik war Singles Musik. Das wird auch aus dem Artikel, finde ich, ganz deutlich.
    Unter der Überschrift New Pop kann man sie alle ganz schön zusammenfassen. Allerdings gab es schon auch Unterschiede. Nicht alle Hits von damals sind gut gealtert. Manches klingt heute schon ein bisschen – wie soll ich sagen? – halt sehr Eighties mäßig, unangenehm Eighties mäßig. Im besten Falle naiv. Andere Singles waren schon damals perfekt und absolut großartig. Und sie sind es natürlich heute noch. Vieles von ABC etwa, oder von The Fun Boy Three. Orange Juice und andere Postcard Bands gehörten damals zu meinen Favoriten. Dass ich ihre Singles später wieder verkauft habe, ärgert mich heute am meisten. Nicht zuletzt, weil man gerade die nicht so ohne weiteres wiederbeschaffen kann. Jedenfalls nicht die Originale.
    Insgesamt habe ich diese ganze New Pop Szene, die dann u.a. zu New Romantic, Synthi Pop und Twee Pop wurde, aber eher von der Seite aus betrachtet. Ich selbst steckte mitten drin im Sixties Revival, dass zur gleichen Zeit einsetzte und bis heute nicht wirklich vorbei ist.

    --

    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #5869307  | PERMALINK

    bender-rodriguez

    Registriert seit: 07.09.2005

    Beiträge: 4,310

    Nun gut, ich habe den RS-Artikel (bisher) nicht gelesen – und wage mich jetzt trotzdem an die Materie heran… Vor allem auch quasi als „Zeitzeuge“, der sehr wohl den „Popsommer“ 1982 mit erlebte – aber seinerzeit diesem eher skeptisch, ja eigentlich schon gegnerisch gegenüber eingestellt war (wohl aufgrund meiner absoluten Bewunderung für die krachigen/düsteren/minimalistischen/kalten Postpunk-/Industrial-Bands dieser Ära – Stichwörter: Joy Division, Cabaret Voltaire, Throbbing Gristle, Wire, etc.). Obwohl mich diverse VÖ’s begeisterten, zeigte ich mich in Ausdruck und Haltung den (mir damals so erscheinenden) „glatten“ Bands und ihren Anhängern feindselig gegenüber. Ein Fehler, den ich später (gerne) einsah. Mittlerweile gehören die damaligen Outputs von Orange Juice, Aztec Camera, Josef K., (das erste) ABC (-Album), Heaven 17, Fun Boy Three, Associates, Simple Minds, etc. zu einer festen Besetzung meiner Musikhörer-Vita.
    Wie kam es zu dem Phänomen „New Pop“? Gleichzeitig begleiteten unsympathisch wirkende, als auch sehr zu begrüssende Statements diese neuen, agil und irgendwie auch (gewollt) antseptisch und irgendwie forsch-kommerziell auftretenden (beinahe irgendwie materiell orientiert wirkenden) Bands. Postpunk wanderte verstärkt in die selbsterwählten Nischen der Independents und deren Charts ab – um die z.T. heroisch verstandene Abgrenzung zum Mainstream-Popbiz demonstrativ zu unterstreichen. DIY als kulturelle Revolte gegen das Popgeschehen begann nach altem (Hippie-)Muff zu riechen – trotz allem Minimalismius, aller Düsternis und Ablehnung gegenüber alter Rockklischees – und aller demonstrativ rausgehängter (mal mehr, mal überhaupt nicht vorhandener, stylischer) „New Wave“-Aufrichtigkeit. Postpunk begann selbst in seiner Beschränkung als Klischee zu erstarren – ein Rückfall in eine Art kruden Neo-Rockismus erschien aufstrebenden jungen Bands als absolutes Gräuel. Wieso sollte durch den Rückzug (eigentlich) guter Bands – die augenscheinlich in ihrer Depression erstarrten – wirklich schlechter Musik in den Charts freie Bahn gegeben werden? Das konnten und wollten die „New Pop“-Bands a la Heaven 17, ABC, Orange Juice, Haircut 100, Simple Minds, Associates oder ganz besonders (die ehemaligen DIY-Marxisten-Punks) Scritti Politti nicht zulassen. Eine um die Ecke gedachte Subversion und Infiltration der Charts strebten diese an. Diese Bands wollten mit einem designed wirkenden sauberen Sound, einem Mix aus himmelhochjauchzendem 60s Pop, Disco, Funk, Velvet Underground-Nostalgie, New Wave-Ästhetik und ihrer alten Punk-Energie und auch manchmal vielen Synthies und/oder künstlichen Streicherarrangements die Hitlisten knacken. Mit Substanz – und der Vorstellung einer Dekonstruktion des Pop, direkt aus dessen Mitte heraus. Ein auf den ersten Blick schmalziges und einfach nur auf catchy und „schön“ gemacht wirkendes Pop-Album a la „The Lexicon Of Love“ wirkt auf den zweiten Blick tiefsinniger und fast schon boshaft demaskierend. Zeigt das Frontcover eine tiefromanische (und zu Tränen rührende) Kitschszene, so entlarvt das Backcover diese als inszenierte Schmierenkomödie. Wen wundert es als Eingeweihten, daß gerade noch kurz zuvor ABC als Vice Versa einen typischen Sheffield-orientierten düsteren Minimalelektro-meets-Industrialsound drauf hatten, der Cabaret Voltaire in nichts nachstand – und mit Songs wie z.B. „Riot Squad“ eher Stoff für die Mutantendisco ablieferten…
    Ebenso Heaven 17. Abgespalten von den damals noch sterilen, eher strikt dem eiskalten Electro-Dogma verschriebenen Human League, begannen diese sehr schnell zu swingen. Nach dem hölzern wirkenden (aber genialen) (White-)Electro-Funk-Stück „(We Don’t Need This) Fascist Groove Thang“, in dem sie ihre traditionelle Sheffield-Musikszene-„Antifa“-Haltung zum Ausdruck brachten, steuerten sie mit „Penthouse And Pavement“ ihr Scherflein zum kommenden „New Pop“-Sommer bei. Und wie: Die eigentlich dem linken Spektrum nicht abgeneigten Musiker posierten auf dem Cover als vielbeschäftigte und versierte (Musik-)Business-Yuppies („The New Partnership – That’s opening doors all over the world“ – ;-) ). Gewollte eingängige Poppigkeit und ein Streben nach den Hitlisten waren selbstverständlich. Aber nur vollkommene Ignoranten verstanden diese Ironie nicht…
    Jetzt könnte ich noch munter weitere „New Pop“-Bands (ich verweise an dieser Stelle explizit auf die hervorragenden Associates, man höre deren Singles „Party Fears Two“, „Club Country“ oder „18 Carat Love Affair“, etc.) nach ihren Intentionen aufdröseln, was diesen Thread vollkommen sprengen würde… – es sei nur gesagt, daß das öffentlich ausgestellte Streben nach Vitalität, cleaner Attitüde, Erfolg (sei dieser auch „subversiv“ ausgelegt), und besonders die totale Verweigerung von Rockklischees manchmal ein wohlwollendes Kopfnicken verursachten – aber allzu oft auch in angestrengter Pose endeten, deren eine gewisse Arroganz nicht abzusprechen war. Manchmal schoß man über das Ziel hinaus – und zeigte den Gegnern die verwundbare Seite: Denn nicht lange danach zierten die „Kill Ugly Pop“-Graffitis viele Mauern im UK – der (übrigens von Gitarren dominierte) „Underground“ bereitete sich zum „Gegenschlag“ vor. Und ausgerechnet das den grossen Popgesten nicht abgeneigte (und anfangs den überholten Rockistenklischees ebenfalls überdrüssige) neue Musikgenre (und zweite „Pop“-Sensation des Jahres 1982) „Batcave“, bzw. „Positive Punk“ (später „Gothic“) begann, sich zu einem der erklärten Gegner des „New Pop“-Movement aufzuschwingen. Und welche Ironie, stand mit einem Bein ein „Popheld“ des Jahres 1982, Marc Almond mit einem Bein in dem einen und mit dem zweiten Bein in dem anderen…
    Naja, ich entschied mich in meinem jugendlichen Leichtsinn (ich habe diesen aber nie wirklich bereut…) damals für die Alien Sex Fiend-/Sex Gang Children-/Dance Society-/Sisters Of Mercy-Fraktion. Aber der Popsommer 1982 ist trotzdem rückblickend einer der schönsten meiner Erinnerung… (und später wurden fast alle der ganzen New Wave/Düstermänner- und -frauen doch noch gestandene Popper, siehe Siouxsie, The Cure, Nick Cave & Co. ;-) ).

    --

    I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad
    #5869309  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,237

    Mikko, Bender, ihr habt die Zeit offensichtlich schon sehr reflektiert mitbekommen. Ganz anders bei mir. Für mich war der lange Popsommer 81/82 (für mich gehören beide Jahre untrennbar zusammen) die erste „Welle“, die ich bewusst miterlebt habe. Für uns hieß das damals „New Romantic“ oder „Synthie-Pop“. Rahmenbedingungen: Kleinstadt, Realschule, keinerlei „Szene“, Plattenläden oder sonst irgendwas. Die wichtigsten Medien waren die „Bravo“ und Mal Sondocks Hitparade auf WDR2. Dort habe ich erstmals „Fade To Grey“ gehört und Fotos aus dem Video gesehen, das Video selbst erst später. Das war Anfang 1981, wir waren 12/13 Jahre alt. Visage fanden wir – mein bester Schulfreund und ich – toll. Mein Kumpel kam dann darauf, dass man auf BFBS, das man bei uns gut empfangen konnte, die kommenden Hits schon viel früher hören konnte. Wir nahmen ja quasi alles aus dem Radio auf, eine LP oder MC zu kaufen oder sich schenken zu lassen, war die absolute Ausnahme.

    Wir klinkten uns genau im richtigen Moment bei BFBS ein – die Chartsshow am Samstagmittag – denn im Sommer 81 ging es richtig los mit den ersten Hits von Depeche Mode, Soft Cell, OMD, Human League, Altered Images und und und – Namen, die bald jeder kannte, aber wir hatten die Sachen viel früher gehört und kamen uns deswegen ziemlich cool vor.

    Unser Feindbild wurde nun das Zeug, das in der „WDR-Schlagerrallye“ lief – man sollte sich nicht durch den Namen täuschen lassen, das war die Heimstatt des „guten Geschmacks“, wo Supertramp, BJH, Genesis, Dire Straits, BAP und sowas lief. Das poppigste war noch ELO, aber unsere Favoriten ABBA fanden da schon nicht statt und diese ganzen neuen Bands erst recht nicht. Dafür 50 Wochen lang „Romeo And Juliet“ (was ich heimlich eigentlich ganz schön fand), „Verdamp lang her“ oder unser absolutes Haßlied „Child Of The Universe“. Wir haben die Sendung natürlich trotzdem immer gehört, weil jeder es hörte. Und man musste ja wissen, was der Feind ist. Das ästhetische Gefälle war ja überdeutlich – hier die Wichtigtuermusik von alten Säcken (aus unserer Sicht), immer in Überlänge, dort knackige, kleine Ohrwürmer, unverschämt einfach gemacht. Musik von jungen Leuten für junge Leute.:-)

    Dass es toll ist, dass unsere neuen Favoriten Hit auf Hit hatten, war für uns selbstverständlich. Wir bewunderten auch den Aufstieg von Kraftwerk und Trio an die Spitze der UK-Singles-Charts (und wunderten uns, dass das zur gleichen Zeit auch Nicole und der Goombay Dance Band gelang …). Irgendwelche ideologischen Probleme mit Charts-Platzierungen waren uns fremd.

    Für mich waren diese zwei Jahre musikalisch extrem wichtig und prägend. Damals tat sich ein Graben auf, der zwei Musikhörergenerationen trennt, das merke ich auch hier im Forum immer wieder.

    --

    #5869311  | PERMALINK

    udw
    so little gets done

    Registriert seit: 22.06.2005

    Beiträge: 3,284

    Herr RossiDamals tat sich ein Graben auf, der zwei Musikhörergenerationen trennt, das merke ich auch hier im Forum immer wieder.

    Könntest Du das noch etwas ausführen Rossi? Das interessiert mich, was Du genau damit meinst.

    --

    so little is fun
    #5869313  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    So ganz genau, weiß ich auch nicht, was Du mit Deinem letzten Satz sagen willst, Rossi.
    Ich habe die Zeit in der Tat bereits sehr bewusst und von mir aus auch reflektiert miterlebt. Allerdings habe ich auch nicht alles mitbekommen, da ich erstens auch noch mit anderen Dingen als Popmusik beschäftigt war, und zweitens sehr selektiv gehört habe. Die von Dir erwähnten BJH, Genesis etc. habe ich z.B. Anfang der 80er überhaupt nicht wahrgenommen. Sie kamen in meinem Musik Kosmos schlicht nicht vor. Ich habe damals schon auch Radio gehört. Aber in den Sendungen, die ich hörte, wurden vor allem die von Bender erwähnten und noch andere Independent, Underground und Import Platten gespielt. Außerdem habe ich damals neben Spex und Sounds nur englische Weeklies gelesen. Und zwar alle drei gleichzeitig: NME, Melody Maker und Sounds. Da hatte ich genug neue Platten, die es zu entdecken und zu hören galt. In Berlin gab es ja auch mehrere Plattenläden, die beinahe wöchentlich Lieferungen aus London und z.T. auch aus New York bekamen. Und dann war da wie gesagt die kleine aber feine Neo-Sixties Szene, die es ebenfalls bereits gab. Vor allem in London, aber nicht nur dort.
    Wie gesagt, ich habe diesen neuen britischen Pop nur am Rande wahrgenommen, mir ein paar Rosinen rausgepickt, und ansonsten wenig darauf geachtet, was allgemein hier gerade angesagt war.
    Allerdings hatte ich zu dieser Zeit auch eine sehr heftige Affäre mit der deutschen Underground Szene. Also Punk, ndW und was es da sonst noch gab. Als das dann Mainstream wurde, habe ich mich zuerst gefreut. Sehr schnell kam allerdings die Ernüchterung, weil es immer flacher, dämlicher und peinlicher wurde, was da alles einen Plattenvertrag bekam.
    Nicht vergessen zu erwähnen sollte ich auch die Tatsache, dass ich damals wirklich fast jede Woche auf zwei oder drei Gigs war. Sowohl britische und amerikanische wie auch deutsche Bands habe ich regelmäßig live erlebt. Viele bevor sie überhaupt eine Platte veröffentlicht hatten.

    --

    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
    #5869315  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Was ich fast vergessen hätte. Spätestens seit 1981 spielt Rock und Pop aus Finnland in meinem Leben eine hervorragende Rolle.
    Und dann habe ich mich im Zuge meiner Beschäftigung mit regionalen und lokalen Szenen zumindest vorübergehend auch stärker für Musik aus Skandinavien, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Jugoslawien etc. interessiert. Auch und vor allem für nicht englischsprachige. Das fiel alles noch in die frühen 80er. Du siehst, Rossi, für die neue Pop Szene made in Great Britain blieb gar nicht so viel Zeit bei mir.

    --

    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
    #5869317  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,237

    @udw, Mikko: Das betrifft auch nicht jene Hörer, die damals „Indie“-Gitarrenpop hörten, solche Leute gab es auf meiner Realschule einfach nicht. Auch solche Radiosendungen, wie Du sie erwähnst, Mikko, waren uns unbekannt – und dass es Musikzeitschriften jenseits der Bravo gab, hab ich auch erst ein paar Jahre später mitbekommen. Wie gesagt, Kleinstadt, tiefste Provinz. Was Konsensmusik bei den etwas Älteren war, das konnte man in der genannten „Schlagerrallye“ am Samstagnachmittag hören. Da kamen die Hits 1981/82 von BJH, Dire Straits, Police, Mike Oldfield, Bap, Genesis, Saga, ELO usw. Differenzierter war die Musikwelt am Teutoburger Wald nicht. Man hörte sowas oder die neuen Synthie-Popper.

    Ich meinte die Trennlinie zwischen denen, die vom 70er-Jahre-Rock-Mainstream sozialisiert wurden und den ganzen Punk/New Wave-Umbruch auch schon nicht mehr oder nur am Rande mitgenommen haben, und jüngeren Hörer wie mir, die damals erst anfingen, sich für das aktuelle Musikgeschehen zu interessieren. Man sieht das doch an den regelmäßig aufkommenden Debatten über „die“ 80er. Diese Diskussionen, wo jemand postet, dass der Alben-Jahrgang 1982 ganz schwach war (das sind immer diejenigen, für die die frühen 70er das Maß aller Dinge sind) und Bender dann ins Rotieren kommt … :-)

    --

    #5869319  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Um nun aber auch inhaltlich was zu den im Artikel angesprochenen Bands zu sagen, will ich zunächst Bender zustimmen. Heaven 17 und ABC waren in der Tat ebenso wie Scritti Politti und Cabaret Voltaire von Musikern bestimmt, die sehr bewusst und durchaus politisch an die Sache rangingen. Subversiv die Charts unterwandern, den Mainstream mit seinen eigenen Mitteln schlagen, wenn man so will. Bei den Postcard Bands sehe ich eher eine Hinwendung zum Stilbewusstsein einerseits und eine bewusste Independent Haltung andererseits. Bei vielen anderen Bands und Musikern dagegen stand wie seit jeher der Wunsch im Vordergrund, berühmt und reich zu werden. Dass man sich neuer Mittel bediente, um dieses Ziel zu erreichen, liegt in erster Linie daran, dass junge Musiker eben gern Neues ausprobieren und eher innovativ sind, als an bewussten Entscheidungen und zielgerichteten Plänen, den Mainstream zu erobern. Marc Almond etwa kam aus der Northern Soul Szene der Siebziger Jahre. Viele der New Romantics orientierten sich in Abgrenzung zur Hässlichkeit des Punk an Glanz und Glamour der 70er Glam Rock Szene (Bowie, Bryan Ferry). Und der Gebrauch des Synthies und Casios lag einerseits im Erfolg solch exotischer Bands wie Kraftwerk begründet, und andererseits waren solche Geräte mittlerweile auch preiswert in jedem Kaufhaus zu bekommen. Vergleichsweise leicht zu bedienen waren und sind sie auch. Es gab damals auch eine partielle Zusammenarbeit von London und Düsseldorf. Der Plan und DAF waren bei Mute unter Vertrag. Und die Cover der ersten Depeche Mode Singles wurden von Frank Fenstermacher und Moritz R. gestaltet.

    --

    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
    #5869321  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Herr RossiWas Konsensmusik bei den etwas Älteren war, das konnte man in der genannten „Schlagerrallye“ am Samstagnachmittag hören. Da kamen die Hits 1981/82 von BJH, Dire Straits, Police, Mike Oldfield, Bap, Genesis, Saga, ELO usw.

    richtig, genau den Scheiß habe ich damals im Radio gehört und noch vielen anderen Müll mehr. Beispielsweise dürften meine Begenungen mit den Beatles, Who, Stones etc aus dieser Zeit stammen. Aber wie Mikko so schön schreibt, letzteres war damals schon sehr schlecht „gealtert. Manches klingt heute schon ein bisschen – wie soll ich sagen? – halt sehr Sixties mäßig, unangenehm Sixties mäßig. Im besten Falle naiv.“ Zu besagter Zeit kann ich jedenfalls keine sinnvollen Zeitzeugen-Berichte beitragen. (und dies hier auch nur, weil ich im ersten Post benannt wurde)

    --

    #5869323  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Jetzt verstehe ich, Rossi.
    Ja, das war in der Tat so. Es gab Leute, die blieben in den 70ern stehen (die meisten bis heute, wie wir hier im Forum gut beobachten können). Die haben in den frühen 80ern natürlich auch nur mitbekommen, was in den Charts war und im Mainstream Radio gespielt wurde.
    Andererseits gab es eben diese Aufsplitterung in viele kleine Peer Groups und Szenen. Das begann Ende der 70er und setzte sich bis heute fort. Wer tief in der Punk Szene steckte, bekam den Rest kaum mit. Und wer nur für Mod Sounds und Neo-Sixties ein Ohr hatte, der interessierte sich für alles andere eben nicht. In Berlin gab es Anfang der 80er allen Ernstes eine Popper Szene, die sich vor allem von der Punk Szene aber auch von der Neo-Rockabilly Szene absetzte. Popper entsprachen im Styling wahrscheinlich am ehesten den Bands des New Pop aus dem UK. Und sie haben in erster Linie auch deren Musik gehört. Bei den Punks hier in Berlin waren sie als Kommerz Bubis und Weicheier verschrien. Ich glaube der Tip brachte damals sogar eine Titelstory über Popper vs. Punks.
    Ich persönlich gehörte einerseits keiner Szene wirklich an. Etwas später dann allenfalls der Neo-Sixties Szene. Aber vor allem habe ich nach wie vor ein offenes Ohr für Neues und mir noch Unbekanntes gehabt. Mit dem britischen New Pop habe ich mich ebenso beschäftigt, wie mit all den anderen Stilen und Klängen, die ich bereits erwähnte. Allerdings war dieser New Pop nie Schwerpunkt meines Interesses.

    --

    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
    #5869325  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Die deutschen „Popper“ waren der Grund dafür, dass mir die Musik der obigen Szene etwas suspekt war, von ABC, Associates und einige anderen mal abgesehen. Aber Haircut 100, benannt danach, dass ein Haarschnitt 100 Pfund kosten solle/müsse (schrieb jedenfalls die SOUNDS damals), überschritten m.E. die Linie und gingen in diese selbstgefällig eitle und angepasste (keinesfalls subversive) Popper-Richtung.
    Mikko, der Pop-Sommer 82 war auch bei wenig Interesse daran unüberseh/hörbar. Nach meiner Erinnerung wurde er in der SOUNDS z.B. recht früh und kenntnisreich abgefeiert.

    --

    FAVOURITES
    #5869327  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    otisMikko, der Pop-Sommer 82 war auch bei wenig Interesse daran unüberseh/hörbar. Nach meiner Erinnerung wurde er in der SOUNDS z.B. recht früh und kenntnisreich abgefeiert.

    Das stimmt schon. Ich habe das damals eben nur am Rande wahrgenommen. Und mir waren einige der Bands aus den genannten Gründen ebenfalls eher suspekt.

    --

    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
    #5869329  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,237

    „Popper“ kannten wir eigentlich auch nur aus der Bravo bzw. wenn man mal eine der Gruppen im Fernsehen sehen konnte, und da gab es seinerzeit nicht so viele Gelegenheiten. Die Namensdeutung von „Haircut 100“ kannten wir auch, das fanden wir aber eher kurios. Wir hatten eh kein Geld. Richtig lange Haare im 70er-Stil hatte ich nie, aber in der Zeit waren dann natürlich kürzere Haare, „ohrenfrei“ und Seitenscheitel angesagt, also eher Kraftwerk als Human League.:-)

    Den modischen Aspekt von Popmusik habe ich immer interessant gefunden, aber nie auf mich selbst bezogen.

    --

    #5869331  | PERMALINK

    bender-rodriguez

    Registriert seit: 07.09.2005

    Beiträge: 4,310

    Nun, ich konnte bereits nach dem ersten Durchlesen von Herrn Rossi’s Standortbestimmung zu 1981/82 nur sehr gut verstehen, was er uns damit mitteilen wollte. Ebenso könnte ich meine Unterschrift bedenkenlos darunter setzen – allerdings „1981/82“ schon durch „1979“ ersetzen… Aber durch mein Interesse an genannten Depeche Mode, O.M.D., etc. anno 1981/82 durfte ich sehr wohl so manchen abschätzigen Blick älterer/gleichaltriger Semester auf mich ziehen – incl. heisser Diskussionen, die beinahe in Fratzengeballer ausgeartet wären…
    Was hatten wir damals für eine Musiklandschaft in der BRD? Tatsächlich dudelten die Radiostationen mit vollster Breitseite und mit Absicht etablierte alte Hüte a la BJH, Supertramp, Dire Straits, Queen und Konsorten den „geschmacksicheren“ Zielgruppenhörern um die Ohren (von wegen „früher war alles besser was im Radio kam“ – pure Verklärung, besonders wenn man heute bei weitem Ü40 ist und 1979 abrupt damit aufhörte, jung zu sein…). Manche Moderatoren hatten einen Ton am Leib, daß man meinte, sie wollten eine Hexenjagd veranstalten. „Minderwertiger Plastikpop“, „Eintagsfliegen“, „Billiger Synthiekram“ waren die Prädikate, mit denen neuer Pop nicht selten belegt wurde. Gestandene Musikreadakteure verteidigten die hehre Kunst des Classic-Rock mit einer Verbissenheit, die an alte Klavierlehrerinnen denken liess. Wozu diese Paranoia? Hatten sie etwa insgeheim doch bemerkt, daß sich etwas ändern musste – konnten dies aber nicht zugeben? Anyway…
    Weiter: Punk kam mit erheblicher Verspätung in der BRD an – und rasselte gleich mitsamt seinen deutschen Protagonisten mit den Poppern zusammen. Die ursprüngliche NDW-Szene spaltete sich auf, die nachgerückten Kirmes-Schlagervertreter wie Nena, Markus, Hubert Kah & Co. sahnten unter dem Etikett „NDW“ das ab, was die eigentlichen Ur-NDWler nach Alfred Hilsberg’scher Prägung (angeblich) niemals wollten – und reagierten daraufhin nicht selten etwas säuerlich…
    So kam es, daß gerade die Jahre 1981/1982 für ein Großteil der deutschen Musikhörerschaft zu Schlüsseljahren wurden. Wer sich lange genug angehört hatte, daß er „ja eh nur billige und dumme Scheissmusik“ (O-ton eines mit einer Santana-Platte herumwedelnden Tonträgerfachverkäufers) hören würde, kam sich nicht etwa besonders „cool“ vor (leider kann ich das nicht bestätigen, Herr Rossi…) sondern reagierte recht angepisst mit Abgrenzung. Und diese Abgrenzung fand man in den mit Gleichgesinnten bestückten aufkommenden Szenen. Ich für mein Fall fand Punks zu prollig und schmuddelig (obwohl ich Platten von The Clash, Damned, Abwärts, Dead Kennedys, etc. richtig klasse fand), Popper zu schnöselig (Fiorucci, Benetton und eine Tolle über dem rechten Auge erschien mir zu affig – trotz Depeche Mode-, O.M.D.-LP’s und Human League’s „Dare“ im Regal), mit den Supertramp- und Queen-Fans stand man ja eh auf Kriegsfuß – also blieb die „Waver“-Szene übrig. Schwarz angezogen, die Haare nach Robert Smith’s Vorbild frisiert und eine Kollektion Cocteau Twins-, Siouxsie-, Virgin Prunes- und Co.-Platten besorgt – fertig war mein „New“ Pop-Jahr 1982…
    Und andere blieben bei Foreigner und posaunen heute hier im Forum herum, 1982 sei ein Scheißjahr gewesen… ;-)

    --

    I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad
    #5869333  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Der modische Aspekt hat bei mir eigentlich nie eine Rolle gespielt.
    Anno 1977 hatte ich noch lange Haare und Vollbart. Ab 1978/79 dann kurze Henna gefärbte Haare und keinen Bart mehr. 1981/82 war das Henna rausgewachsen, die Haare immer noch ziemlich kurz (und langsam zurückfliehend an Schläfen und Stirn). Sofern ich überhaupt etwas halbwegs Modisches trug, waren es Beatle Boots, Lederjacke und Paisley Shirts oder andere eher Sixties orientierte Kleidung.

    --

    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
Ansicht von 15 Beiträgen - 1 bis 15 (von insgesamt 52)

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.