Steve Coleman und M-Base

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  • #10083653  | PERMALINK

    vorgarten

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    soulpopeIch habe damals aka Mitte der 80er einige Male das Dave Holland Quintet live erlebt und mal davon abgesehen dass dies natürlich um Lichtjahre mehr Leben als die – nichtsdestrotz vorzüglichen – ECM Studio Destillate hatte waren hier der wirklich heisse Steve Coleman und der schwebend kühle Kenny Wheeler eine geniale Paarung und dazu noch Julian Priester (!!) …. diese Musik hat bei mir (wieder einmal) Erwartungshaltungen bezüglich Steve Coleman geweckt, welche dieser evidenterweise nicht gewillt war zu erfüllen …. es ist interessant dass Du Coleman emotional hörst was ich aufgrund der umgekehrten Skalierung meines historischen Zugangs gegenpolig empfinde ….

    da bin ich völlig bei dir. mein erstkontakt mit coleman war eine liveübertragung des holland quartets aus leverkusen, die ich partiell mitgeschnitten habe. als gitarrist schlackerte ich mit den ohren, was eubanks da machte, aber dann habe ich mehr und mehr auf coleman gehört und konnte es kaum fassen, wie toll der spielte. ok, five elements holte mich damals sehr ab, weil ich dachte, funk ist der gipfel der musikgeschichte. aber irgendwie hänge ich auch noch am frühen coleman, bei doug hammong, bei holland – so interessant ich alles finde, was er bis heute macht (da gibt es ja kein klischee, kein gemachtes bett, in das er sich da legt, nirgends), aber er bleibt für mich ein altsaxofonist mit eher dünnem ton, der sich mit großer intensität gehör verschafft, auch leise, aber ohne r&b und überblasen… ich träume seit jahren von einer reunion von coleman mit haynes und wilson, in 10 jahren, wenn alle 70 sind und mit großer lässigkeit nochmal was völig neues formulieren können. aber das ist bestimmt quatsch, alle machen ja mit gutem selbstbewusstsein ihr ding und das passt nicht mehr so recht zu einander. coleman & wheeler & priester ist natürlich unfassbar, da muss man holland hoch anrechnen, die alle zusammen gebracht zu haben. alle drei rühren mich auf ganz unterschiedliche weise, aber emotionaler kann jazz für mich kaum werden…

    soulpopeMein sozusagen „Aufhören“ mit dem Kaufen neuer Produktionen war ein schleichender Prozess welcher erst Mitte der 90er voll einsetzte als unser Sohn aus zwei Workaholics mit tiefgehen Einzelinteressen übergangslos sorgende Eltern machte …. da habe ich einige Jahre zum Thema Jazz de facto pausiert und die klassiche Musik kam in den Freiräumen immer stärker zum Tragen …. ich lese trotzdem eure Sichtweisen, Eindrücke und oft die Begeisterung zu neuen bzw aktuellen Aufnahmen mit Freude – so wie ich ein sehr interessantes Buch lese – aber sattelfeste Infos kann ich dazu nicht beitragen (ausser es ergibt sich ein historischer Bezug) …. that`s how it is ….

    und ich freue mich ja, dass hier jemand postet, der jazz in den 70ern und 80ern so hautnah erlebt hat; und wenn ich sehr geliebte alben aus den 80ern hier erwähne, weiß ich, dass zumindest du sie kennst und eine persönliche beziehung zu ihnen hast. das erschließen von live nicht mehr erlebter musik hat auch was sehr spannendes, aber mir ist zeitgenossenschaft immer noch sehr wichtig.

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    #10085705  | PERMALINK

    vorgarten

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    gerade auf facebook aufgetaucht: coleman mit butch morris, david murray und vincent chanceys händen, im sweet basils (foto: lona foote). das dürfte die murray big band sein, die ja irgendwie auch ein loftgewächs war.

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    #10085735  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Tolles Photo!

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    #10098833  | PERMALINK

    vorgarten

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    steve coleman & five elements: resistance is futile. label bleu 2001 (rec. 12./13.7.2001 live in montpellier).

    das erste von insgesamt vier (plus einer gratis-veröffentlichung) sehr interessanten coleman-alben auf dem französischen label bleu ist eine liveaufnahme der five-elements-band nach einem 2-wöchentlichen workshop in montpellier. das ist erstmal etwas komplett anderes als die high-concept-alben in großer besetzung zuvor. die band besteht aus der rhythm section andy milne (p), anthony tidd (e-b), sean rickman (dm) und jesús diaz (per), dazu kommen zwei 18-jährigen trompeter, die coleman in vorherigen workshops in der bay area in highschoolbands entdeckt und mit nach frankreich genommen hatte, beide sind heute selbst leader: jonathan finlayson und ambrose akinmusire.

    das doppelalbum mit material von 2 konzerten, in denkbar lockerer atmosphäre (vor workshop-teilnehmern, etwas publikum, südfrankreich im sommer…) aufgenommen, funktioniert in seiner lässigen ambitioniertheit ziemlich gut. die musiker spielen sich durch ein ziemlich breites coleman-material, mit kompositionen aus den ersten jmt-jahren bis zum zuletzt veröffentlichten „urban“. das zwischendurch bebop-themen kommen (ah-leu-cha, straight no chaser, salt peanuts), ist kein wunder: das ganze konzept ist bebop-nah, mit rasend schnellen themen, achtelketten-improvisationen von coleman und finlayson, dem ganzen show-off virtuoser spielkunst. tidd spielt meistens walking bass zu einem abstrahierten funk-beat von rickman, der meistens auf 2 und 4 betont ist, so dass tatsächlich sowas wie swing entsteht. akinmusire (mit sehr viel dunklerem, vollerem ton) steht dabei etwas abseits, zitiert eher älteren jazz, als dass er ihn aktualisiert. milne ist für die harmonische modernisierung verantwortlich, sehr hancock-orientiert, aber sparsam, jeder akkord ein neues angebot. seine soli neigen dagegen zum dahinplätschern (eigentlich ist er oscar-poeterson-schüler), sind aber bei seinen beiden duos mit coleman über „easy living“ und „straight ahead“ wieder genau richtig. weitere abwechslungen bringen ein paar ruhige, statische nummern, gleich am anfang: „wheel of nature“, das etwas unter dem spannungsarmen solo von coleman leidet (dem akinmusire aber ein super strukturiertes anhängt), dann die tolle rubatoballade „beyond all we know“ (im original von cassandra wilson gesungen), in der coleman tolle schattierungen seines tons hinbekommt. und dann gibt es noch kurze snippets, die in m-base-funks überleiten, etwas popsong-ähnliches (ein publikumswunsch?), ein kurzer afrokubanischer gesang, ein absurder rhumba (im hidden track) und das merkwürdige „flint“ aus dem soundtrack zu einer james-bond-parodie von 1966 von jerry goldsmith. das alles, wie man sieht, ein fröhliches durcheinander, um den facettenreichtum des colemanschen konzepts herauszustellen.

    am tollsten ist die einzige neue komposition der konzerte, das titelstück „resistance is futile“, das aus einer endlosmelodie heraus im gespannten midtempo belassen wird und zwei tolle, frische soli von coleman und milne präsentiert. hier hätte mich ein beitrag von akinmusire noch interessiert, aber er spielt eigentlich kaum mit. dass finlayson nach diesen aufnahmen bis heute festes mitglied der coleman-bands bleibt ist klar: er teilt den bebopansatz (sein wichtigster lehrer war robert porter), die schnelligkeit und melodische ungreifbarkeit, die nah an coleman ist, aber auch sowas wie eine don-cherry-bei-ornette-funktionalität hat: auf dem gleichen niveau, aus dem gleichen geist nochmal neu über das material gehen, ohne die maschine anzuhalten.

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    #10103481  | PERMALINK

    vorgarten

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    steve coleman & five elements: alternate dimension series 1
    rec. 13./14.3.2002. published for free via http://m-base.com/downloads/

    das ist es also, das gratisalbum, das coleman bei bmg nicht machen durfte und das dann 2002 auf seiner webseite zum download angeboten wurde. ironischerweise sind mittlerweile all seine bmg-, diw- und jmt-alben dort frei verfügbar, aber ausgerechnet die label-bleu-alben nicht (die auf pi sowieso nicht). während der knapp 5 jahre, die coleman dort unter vertrag war (und mangels us-vertrieb in seinem heimatland quasi komplett von der bildfläche verschwand), ging das französische label in die knie und ist mittlerweile wohl gestorben. auch die „alternate-dimensions“-serie blieb auf eine folge beschränkt.

    musikalisch gehört das alben zu meinen allerliebsten von coleman. an zwei tagen aufgenommen (mit einer personell leicht variierenden band), am dritten gemastert, klingt es kein bisschen nah schnellem zusammenhau, sondern hat eine zwingende energie und eine ziemlich tighte playing-konzeption. klavier und gitarren fehlen diesmal und geben raum für solistische interaktion; dafür werden ein e- und ein akustischer bass kombiniert und zu den drums gibt es eine freie conga-begleitung und einen separat momenthaft eingesetzter clave-spieler (yosvany terry, der eigentlich tenorsaxofonist ist). coleman teilt sich mit finlayson den gut eingespielten solo spot, in besetzung eins spielt interessanterweise der aus dem marsalis-umfeld bekannte james genus akustischen bass und reggie washington e-bass, an den drums sitzt plötzlich wieder gene lake. in der zweiten besetzung wechselt washington auf akustischen bass, anthony tidd spielt die elektrische variante und sean rickman ist der drummer.

    5 stücke, allesamt originalkompositionen, zwischen 9 und 12 minuten. „common law“ (dazu gibt es 2 alternate takes) fängt im freien rubato an. coleman, finlayson und genus spielen unisono ein getragenes, marschähnliches thema, in dem jeder ton einen anderen akkord vorgibt. drums und conga assoziieren frei, genus im ersten solo von coleman auch, das schnell eine hymnische qualität bekommt und (selten genug) mit überblaseffekten arbeitet. die entwicklung scheint frei, aber coleman bleibt doch auf die akkorde bezogen. nach 4 minuten kommt ein drum-solo und plötzlich ein schneller clave-rhytmus. die akkorde des themas werden vom e-bass weitergespielt, während lake erst einen typischen m-base-abstraktgroove dazugibt und dann in einen ride-becken-swing übergeht. coleman soliert weiter in dichten tonketten, manchmal fällt finlayson ein, übernimmt schließlich ruhig, dann immer virtuoser werdend. genus spielt dazu walking bass, auch das sehr ungewöhnlich für ein coleman-setting. saxofon und trompete solieren schließlich gleichzeitig und beenden in einem rasanten full stop das stück. am ende etwas session talk, gene lake sagt: „I had fun.“

    cycle of absolute dominants“ fängt noch ruhiger an, in besetzung 2. coleman und finlayson spielen sparsam ruhige unisono-töne, washington soliert dazu, die percussion assoziiert frei. nach 2 minuten geben beide bässe ein ostinato vor, das zyklisch gebaut ist. drums und percussion spielen einen langsamen, aber in sich spannenden beat dazu, die clave wird dazu durchgehalten. coleman und finlayson wechseln sich in schönen solopassagen ab, die ungehetzt, harmonisch interessant, sich langsam energetisch steigern. das ganze stück hat einen tollen flow, über 12 minuten ein abstrakter latin-rhythmus mit interessanter jazziger akkordprogression. der akustische bass löst sich etwas vom ostinato und trägt zur binnenspannung bei. schön ist vor allem das zusammenspiel der beiden solisten und rickmans fähigkeit, immer wieder im beat momenthaft die energie zu erhöhen. am ende solieren nur noch coleman und washington und es gibt einen fade-out.

    ascending numeration“ (auch davon gibt es noch einen alternate take) legt einen zahn zu. nach einem drumsolo (wieder 1. besetzung, also gene lake) kommt ein schnelles thema, wieder als zyklische endlosmelodie. lake spielt dazu einen beat auf 2 und 4, der e-bass hält die akkorde durch, der akustische bass bewegt sich dazwischen. lake groovt sehr viel härter, mit mehr masse, als der fein abstrahierende rickman, coleman muss als erster solist direkt in die vollen gehen. als höhepunkt steigt finlayson mit ein und beide spielen eine zeitlang gleichzeitig, bevor der trompeter komplett übernimmt. wieder gibt es einen cherry-effekt – harmonisch ambivalente linien, viele pausen dazwischen, ziemlich hohes energieniveau. coleman steigt wieder ein, diesmal wechseln sie sich ab. am ende gibt es ein percussion-inferno, von dem am ende nur die congas überbleiben, alle steigen kurz zum thema wieder ein, full stop.

    reflection upon two worlds“ ist eine ballade und bleibt komplett im rubato. das schöne thema dient als ankerpunkt, zu dem beide solisten immer wieder zurückkehren. coleman und finlayson wechseln sich ab und geraten klangschön auf unterschiedliche art und weise zu klischeefreien, hymnischen variationen.

    octagonal dance abstract“ ist ein freies m-base-groove-stück ohne eigentliches thema. genus spielt walking bass, die anderen den eingeübten abstrahierten funkrhythmus, coleman udd finlayson spielen quasi durch, solange ihnen etwas zum beat einfällt. das bleibt nicht unbedingt auf ganzer länge spannend, ist aber als vergleichsweise „heißer“ closer verständlich. für die letzten 2 minuten gibt coleman schließlich ein kürzelthema vor, das in einem unmöglichen metrum gehalten ist. es scheint komplett spontan erfunden, aber lake hat es natürlich sofort drauf. eine kleine demonstration im eingeübten playing. aber es ist die schöne balance zwischen freiem spiel, lebendigem rhythmus und strukturierenden akkorden, die dieses album sehr besonders macht.

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    #10103711  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Nur ein kurzer Zwischenruf: ich lese mit einigem Abstand hinterher, kenne zwar bisher noch praktisch nichts von diesen Aufnahmen, aber es ist doch schön zu wissen, wo ich weiterlesen kann, wenn ich mich mal ans Erforschen einiger Coleman-Aufnahmen aus der Vergangenheit machen will!

    Die beiden Alben mit Von Freeman sind inzwischen da und – eher oberflächlich -gehört; das sind ja alles in allem erstaunlich … ich finde gerade kein besseres Wort: konservative Post-Bop-Albes, die mit den ganzen M-Base-Antics praktisch nichts am Hut hat – aber es ist schon klasse, was Coleman/Osby/Freeman für einen Frontline-Sound hinkriegen … und die Rhythmusgruppe ist auf beiden Alben ebenfalls klasse (auf „Rhythm in Mind“ sind das ja ein paar Veteranen, auf „Transmigration“ Colemans Leute).

    „Resistance Is Futile“ wäre wohl gelegentlich was für mich – es ist genau die Zeit und das, was Du beschreibst: die fliessenden Soli, der Swing, der Sog, der entsteht, was mich bei Coleman vor ca. 12 Jahren mal ziemlich gepackt hat (aber dann liefen halt die zwei, drei Live-Aufnahmen, die ich gerade zur Hand hatte).

    Ansonsten sind die meisten der jüngeren Pi-Alben da, das fehlende hole ich noch nach.

    Wie ist das Solo-Album auf Tzadik?

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    #10103849  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windNur ein kurzer Zwischenruf: ich lese mit einigem Abstand hinterher, kenne zwar bisher noch praktisch nichts von diesen Aufnahmen, aber es ist doch schön zu wissen, wo ich weiterlesen kann, wenn ich mich mal ans Erforschen einiger Coleman-Aufnahmen aus der Vergangenheit machen will!

    freut mich. dafür war es u.a. auch gedacht.

    gypsy-tail-windDie beiden Alben mit Von Freeman sind inzwischen da und – eher oberflächlich -gehört; das sind ja alles in allem erstaunlich … ich finde gerade kein besseres Wort: konservative Post-Bop-Albes, die mit den ganzen M-Base-Antics praktisch nichts am Hut hat – aber es ist schon klasse, was Coleman/Osby/Freeman für einen Frontline-Sound hinkriegen … und die Rhythmusgruppe ist auf beiden Alben ebenfalls klasse (auf „Rhythm in Mind“ sind das ja ein paar Veteranen, auf „Transmigration“ Colemans Leute).

    schön, dass du das auch so hörst. RHYTHM IN MIND empfinde ich aber eher als amalgam bzw. als das sich-in-eine-tradition stellen der m-base-leute. auch die rhythmusgruppe ist ja gemischt, ed blackwell UND marvin smitty smith, tommy flanagan UND kevin eubanks usw. auch die stücke bilden eher ein spektrum ab (wo ich von freeman dann vor allem in den eher zeitgenössischen sachen, „left of center“ und „vet blues“, wirklich ganz toll finde). dass sich beide alben relativ organisch anhören, würde wohl colemans these bestätigen, dass m-base ein voraussetzungsvolles konzept ist und keine „neuerfindung“ (oder kein „nicht-jazz“).

    gypsy-tail-wind„Resistance Is Futile“ wäre wohl gelegentlich was für mich – es ist genau die Zeit und das, was Du beschreibst: die fliessenden Soli, der Swing, der Sog, der entsteht, was mich bei Coleman vor ca. 12 Jahren mal ziemlich gepackt hat (aber dann liefen halt die zwei, drei Live-Aufnahmen, die ich gerade zur Hand hatte).
    Ansonsten sind die meisten der jüngeren Pi-Alben da, das fehlende hole ich noch nach.

    ich mag ja die label-bleu-sachen gerne. irgendwann kommt natürlich der problemfaktor jen shyu dazu (obwohl die ja eigentlich auch toll ist, nur manchmal eben sehr dominant), aber die pi-aufnahmen sind halt wieder eher konzeptalben und weniger auf das „reine“ playing bezogen. aber vielleicht höre ich das nach dem durchmarsch auch anders.

    gypsy-tail-windWie ist das Solo-Album auf Tzadik?

    das kommt ja noch an die reihe. ich hatte bisher immer probleme damit und bin deshalb sehr aufs wiederhören gespannt.

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    #10110191  | PERMALINK

    vorgarten

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    steve coleman & five elements: on the rising of the 64 paths

    label bleu 2002 (aufgenommen am 31.3. und live am 1.4.2002 in amiens)

    die zweite offizielle label-bleu-veröffentlichung ist vergleichbar entspannt wie das live-doppelalbum. die band ist auf as, tp (finlayson), e-b (tidd), ac-b (washington), dm (rickman) reduziert, es gibt diesmal keinen percussionisten. neu ist malik mezzadri, ein französischer flötist und sänger, auch „magic malik“ genannt, geboren in der elfenbeinküste, klassisch ausgebildet, ein label-bleu-stammspieler. in der coleman-band ist er keine klangfarbe, sondern steht sehr prominent im line-up. das dritte stück lebt von seiner hellen, verzierungsfähigen stimme, die im rubato-anfang in ein quasi-duett mit den drums ausbricht, bevor die band in einen trägen groove übergeht. „the movement in self“ ist dagegen ein tatsächliches duett, eigentlich ein langes coleman-solo mit ritualhafter, freier percussionbegleitung durch rickman, ein ziemlich fantastisches, ruhiges, spannungsreiches stück, ziemlich einzigartig im coleman-katalog. die 2 m-base-funknummern sind ziemlich klassisch aufgebaut aus verschiedenen figuren der einzelnen instrumente, tidd spielt eine gitarristische akkordbegleitung, washington walking bass. schöne, abwechslungsreiche soli, flexible drumbegleitung von rickman, der – ohne weitere percussion – eher funk- als latin-signale setzt.

    es gibt zwei takes von gillespies „dizzy atmosphere“, das bis dato selbstbewussteste und klarste in-beziehung-setzen zum klassischen bebop-line-up parker/gillespie in der coleman-diskographie. die aktualisierung ergibt sich vor allem durch die abstrakte funkbegleitung von rickman, coleman und finlayson spielen dagegen ziemlich eng an den vorbildern.

    zuletzt gibt es einen ausschnitt aus einem live-konzert, eigentlich nur einen moment: der m-base gassenhauer „fire revisited“ geht durch eine abwärtslinie colemans, die nach und nach alle aufgreifen, in etwas völlig neues über, der effekt der befreiung vom bekannten überträgt sich sofort in einen freien groove. kurz nach einer weiteren entwicklung wird ausgeblendet. dann kommt noch ein hidden track: coleman improvisiert im duo mit washington informiert und klischeefrei über „‚round midnight“. auch das ist nur ein kurzer moment, ein beiläufiges anspielen der tradition.

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    #10140319  | PERMALINK

    vorgarten

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    (was man hier nicht erkennen kann: das konterfei des saxophonisten ist in fluoriszierendem gelb sichtbar und leuchtet tatsächlich im dunkeln!)

    steve coleman & five elements: LUCIDARIUM. label bleu 2004. rec. 27.-30.5.2003.

    nach den beiden eher locker eingespielten label-bleu-veröffentlichungen ist das hier wieder ein ausgesprochenes high-concept-album. coleman arbeitet hier auf einem skalensystem von 10 statt 12 tönen pro akkord, weswegen einerseits präparierte oder anders gestimmte instrumente zum einsatz kommen, aber auch eine gruppe von sängerinnen und sängern, die ein eigenes klangsystem entwickelt haben: erstmals jen shyu (sie wird in ähnlicher funktion der band bis heute erhalten bleiben), aber auch der merkwürdige theo bleckmann, sowie kyoko kitamura, judith berkson, lorin benedict und der freestylende rapper kokayi. „everybody was struggling“ fasst beckman die arbeit an dem album zusammen und shyu versucht zu erklären: „“We broke it down into five tones to learn it. So each step was less than a minor third but more than a half step. It would be approximately something like a C, a very sharp D, a very flat F# and then a slightly sharp G#, then a flat B-flat.“

    craig taborn ist diesmal der pianist und auch er spielt in einer eigenen, etwas geisterhaften stimmung. überraschend in einem coleman-lineup auch der ziemlich dominant präsente mat maneri (bratsche) und der experimentelle posaunist & cellist dana leong. auch eine mundharmonika (grégoire maret) ist wieder dabei, zwei trompeter (finlayson & alessi), ravi coltrane, zwei bassisten (drew gress, akustisch, und anthony tidd, elektrisch), neu ist der drummer dafnis prieto, der sean rickman (ziemlich toll) ersetzt. die wieder breit aufgestellte afrokubanische percussion versteht sich von selbst.

    improvisiert wird hauptsächlich kollektiv, einzelne soli fallen allenfalls sehr kurz aus. es gibt einen latin-grundpuls, der auch unter den symphonischsten passagen liegt. die anderen instrumente fließen in wellen durch die rhythmisch aufgeheizte grundstruktur, die mal nach festgezurrtem funk, mal accelerierend schillert, mal scheinbar im rubato aufgelöst. der gesamteindruck ist ziemlich toll, sehr ungewöhnlich, eine vergleichbar aufgebaute musik fällt mir auf die schnelle nicht ein. die mystisch-dunkle atmosphäre mit den vielen originellen klangfarben, die aber ständig zu wissen scheinen, wo sie hingehören, hat etwas leicht beunruhigendes, man versteht es nicht, aber man merkt, dass es klaren regeln folgt. am ende macht sich das album etwas lockerer, es gibt zum schluss sogar eine neueinspielung von doug hammonds „perspicuity“, das coleman als sehr einflussreich für seine musikalische entwicklung bezeichnet. ich habe LUCIDARIUM bisher etwas links liegen gelassen und höre es seit wochen mit immer größerer faszination.

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    #10192447  | PERMALINK

    vorgarten

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    steve coleman mit village-vanguard-betreiberin lorraine gordon, mittlerweile 94 jahre alt. entstanden am letzten wochenende im vanguard, wo colemans five-elements-band mehrere tage aufgetreten ist und auch für ein kommendes album aufgenommen hat. das foto ist vom trompeter der band, jonathan finlayson (via facebook).

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    #10216161  | PERMALINK

    vorgarten

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    das wird gerade durch den tod von geri allen fleißig unter den abgebildeten geteilt. interview magazine, 1986. v.l.n.r.: kelvyn bell, marvin ’smitty‘ smith (ganz unten), kevin bruce harris, jimmy cozier, geri allen, steve coleman, cassandra wilson, graham haynes, ganz hinten jean-paul bourelly, mark johnson, vorne terri lyne carrington, greg osby.

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    #11788693  | PERMALINK

    vorgarten

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    Steve Coleman, who was a beautiful saxophonist, came to see me at Sweet Basil’s when I came back to New York. They didn’t have a dressing room. They had a hole behind the bar that you’re supposed to go down and tell the musicians did it. I said, „I’m supposed to go there and make magic and then come and fall down and break my neck behind the bar and disappear into the ground, right?“ And they sent me outside for an honest to God manhole cover. It wasn’t their fault, though. It was this woman who was representing me. I asked her if there was a dressing room. She said, „Oh, yes.“ I mean, you know, selling me down the river.

    Steve Coleman came to see me when I was at Sweet Basil’s with his railroad worker’s outfit on. He had a big Afro and a railroad worker’s cap and coveralls and his big broken shoes and I don’t know why I said to him, „Are you a musician?“ He said, „Yeah.“ So, I asked him to come and sit in with us on Saturday. Well, he tore the house down. Brilliant, and I went to the Blue Note with him and his band. I asked him, because I didn’t have a band then, I said, „Do you know some other musicians like yourself?“ He said, „Yeah.“ And he brought me James W[eid]man and the Johnson Brothers, Mark Johnson on drums and Bill Johnson on bass.
    At the Blue Note, we did „Sophisticated Lady.“ I will always remember he did a solo, and the people in the audience, it was like this, like they couldn’t believe it. They were applauding. It was like that, and then we recorded for Enja, and I got that.

    abbey lincoln darüber, wie sie steve coleman kennengelernt hat, aus ihrer oral history.

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