Sonny Stitt

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    friedrich

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    Kenne nicht viel von Stitt, und das, was ich kenne, auch eher zufällig, da 2001 die frühen Prestige-Alben mal für den Gegenwert einer Currywurst mit Pommes verramscht hat. (die mit Bud Powell und J.J.Johnson und Kaleidoscope) Gefallen mir beide sehr gut, wobei ich finde, das Stiit keineswegs nur „the poor man’s Charlie Parker“ ist, zumal ich bei Stitt oft so eine Neigung zu R&B rauszuhören meine. Das machte ihn wohl auch zu einem idealen Partner von Gene Ammons. Aus der späteren Zeit kenne ich nur ein paar vereinzelte Aufnahmen.

    Dies hier habe ich gerade zufällig gefunden:

    http://www.youtube.com/watch?v=qPlx3Wvgvos&feature=related

    --

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    #8136919  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Friedrich…wobei ich finde, das Stiit keineswegs nur „the poor man’s Charlie Parker“ ist, zumal ich bei Stitt oft so eine Neigung zu R&B rauszuhören meine.

    Das trifft sicher auf die spätere Zeit streckenweise zu – siehe Dein Fund, aber auch ein paar der Prestige-Alben mit Varitone und einfachen Grooves.

    Falls Du den früheren R&B meinst (die Ecke, in der ich z.B. Leute wie Al Sears, Jimmy Forrest oder später Hank Crawford, Fathead und King Curtis verorten würde), dann höre ich bei Stitt diesbezüglich keine deutlicheren Bezüge als bei Parker.

    Friedrichhttp://www.youtube.com/watch?v=qPlx3Wvgvos&feature=related

    Das würd ich jetzt mal eher unter Skurrilitäten ablegen… sowas haben in den 70ern viele Jazzer mal gemacht, ist auch nicht weiter schlimm, aber weniges davon klingt wirklich so, als hätten sich die Jazzer dabei wohlgefühlt. Das hier ist nach meinem Empfinden auch eine völlig vernachlässigbare Geschichte, das hätte irgendeiner spielen können, und hängen bleibt davon nichts. (Versteh mich bitte nicht falsch, ich liebe z.B. Eddie Harris‘ Experimente aus dieser Zeit, also bitte nicht so verstehen, dass hier ein arroganter Jazzfan die Nase rümpft!)

    Hier ist eins, das etwas besser ist, aber in eine ähnliche Stossrichtung geht (toller Beat – Idris Muhammad!!!)

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #8136921  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Bin grad bei Stitt hängengeblieben – macht schon enormen Spass, ihm zu lauschen, wenn er „on“ ist!

    Eine der allerschönsten Scheiben ist meiner Meinung nach New York Jazz, aufgenommen am 14. September 1956 mit Jimmy Jones (p), Ray Brown (b) und Jo Jones (d). Stitt ist am Tenor und am Alt zu hören, öffnet mit einem grossartigen Blues-Solo in „Norman’s Blues“ und sofort wird klar, dass das ein Tag ist, an dem er alles erreichen kann. Das Programm besteht aus Standards (im rasanten Tempo wie auch als Balladen dargeboten) und zwei weiteren Blues von Stitt, besonders toll der langsame „Down Home Blues“. Über die Musik muss man wirklich nichts detailliertes schreiben, aber man sollte diese Scheibe definitiv hören! Die Band ist unaufgeregt und zurückhaltend, legt aber einen fetten, erdigen Teppich aus für Stitt.

    Auf CD erschien sie 2003 in der damaligen „Verve LPR Series“ und sollte gemäss den Infos auf dem OBI seit Juni 2006 vergriffen sein. Manche Titel aus der Reihe (die über mehrere Etappen in die derzeitigen „Originals“ mutiert ist) sind aber später in Digipacks erneut erschienen und ich glaube, diese war auch darunter. Sollte jedenfalls noch auffindbar sein.

    Nat Hentoff schreibt in seinen Liner Notes ein paar entwaffnend ehrliche Dinge über Stitt – ich zitiere auszugsweise:

    (…)

    For most of his adult life, Sonny has been one of the wholly involved players, well known and admired for his soul and the earthiness of his message only by musicians who feel and play like he does and by that part of the jazz audience that is most moved by naked, open emotion. He has made his mark with them as an honest yeasayer who can’t help but play what he knows and feels.

    (…)

    Sonny does not possess Bird’s volcanic originality of conception, and in the other aspects of that approach to the horn, Bird was there first. In jazz, the tempting Everests are for those who lead, not follow, no matter how well they follow.

    It is not, therefore, a boon to Sonny to continually compare him with Bird. It is enough to say that, like so many others, he will feel in his spirit and in his fingers for the rest of his life the driving presence of Bird. It is to Sonny’s credit to say further that at his best, he can play with a ferocity of passion and an into-the-eye-of-the-hurricane conception that can, as it once did at Basin Street in New York, freeze a table of musicians into a still life of open mouths and re-awakened eyes. There are other times when he yields to the most irritating musical mannersim of his generation, the hard-driving running of changes on his horn that underlines quickness of ear and firmness of chops, but is little less edifying to the spirit than RCA’s electronic synthesizer. Both ways of Stitt are in evidence on this set. Increasingly, however, in the past two year, there has been less and less of the electronic synthesizer and more of the turning of a song into a fragment of autobiography in Sonny’s playing.

    Like all those players who believe in the hot, hard, free-blowing route of modern jazz (…), Sonny at base tells the blues. He is a preacher, completely at home in communicating the nourishment of the blues, as is particularly heard here in the blues that opens the second side.

    (…)

    ~ Nat Hentoff, Liner Notes zu „New York Jazz – The Sonny Stitt Quartet“, Verve MG V-8219

    Der Blues, von dem am Ende des zitierten (langen) Ausschnitts die Rede ist, ist eben der langsame, erdige „Down Home Blues“, den ich oben auch schon herausgehoben habe.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #8136923  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Heute war Sonny Stitt Tag (und ist noch immer)…

    The Hard Swing wurde im Februar 1959 aufgenommen mit Amos Trice am Piano, Lenny McBrowne am Schlagzeug und George Morrow am Bass. Wie auf den meisten Stitt-Alben jener Zeit gehört fast der ganze Platz dem Leader, der eine Reihe Standards in mittlerem und schnellem Tempo zum besten gibt, darunter „If I Had You“, „After You’ve Gone“ und „Street of Dreams“. Dazwischen gibt ein paar selbsterklärend betitelte Originals von Stitt: „Subito“, „Presto“, den Closer „Tune Up“, sowie das Highlight des Albums, den erdigen „Blues for Lester“. Trice und Morrow geben der Band einen schwereren Sound ans üblich, aber die Show gehört abgesehen von ein paar Piano-Chorussen und einem kurzen Bass-Solo in „Subito“ ganz dem Leader.
    Erwähnenswert ist, dass nicht nur ein weiteres Stück dieser Session („That’s the Way to Be“ mit Gesang von Stitt) sondern auch „The Way You Look Tonight“ (der gleiche Take) auch auf dem Album „Sonny Stitt Swings the Most“ zu hören war – das Album ist Teil des erwähnten Fresh Sound Twofers Don’t Call Me Bird, dort fehlen allerdings die Infos dazu (es wird nur Lou Levy und die restliche Rhythmusgruppe der L.A.-Sessions vom Dezember erwähnt).

    Im Dezember nahm Stitt an drei aufeinandernfolgenden Tagen in Los Angeles die drei Alben „Blows the Blues“, „Saxophone Supremacy“ und „Swings the Most“ auf (wie erwähnt enthielt letzgenanntes ein neues und ein bereits auf „The Hard Swing“ veröffentlichtes Stück mit Amos Trice vom Februar). Die beiden letztgenannten sind auf der Fresh Sound CD mit dem depperten Titel Don’t Call Me Bird versammelt – schöner wäre natürlich ein Set gewesen ähnlich dem West Coast-Set von Stan Getz, das teils mit derselben Rhythmusgruppe – Lou Levy (p), Leroy Vinnegar (b), Mel Lewis (d) – entstanden ist. Stitt klingt mit solcher Begleitung entspannt und locker, der Drang, jeden Standard, auch jene im langsamen Tempo, zu schnellen Stücken voller brillanter Läufe zu machen, ist etwas weniger deutlich zu spüren, Vinnegars Sound erdet die Musik enorm und Levy steuert ein paar sehr tolle Soli bei. Sehr schade, dass es keine gut gemachte Doppel-CD mit den Aufnahmen gibt (danke Fresh Sound).
    Ein grossartiges Stück ist das lange „Lazy Bones“ mit tollem Stitt und einem sehr funky Solo von Lou Levy. Mit über siebeneinhalb Minuten Dauer ist es von diesen typischen Stitt-Alben eins der längsten Stücke. Levy steuert eine ganze Menge toller Soli bei und das lässt die Musik abwechslungsreicher werden. Stitt überzeugt – wie immer in den Jahren – am Alt und am Tenor gleichermassen. Am Tenor klingt er wärmer, der Ton ist grösser, weniger hart.

    Only the Blues enstand im Oktober 1957 und ist ein atypisches Album: Stitt trifft auf einen anderen Jam-Heroen mit eisernen Chops, Roy Eldridge (der am selben Tag noch ein eigenes Balladen-Album mit Russell Garcia einspielte und an den Aufnahmen für Herb Ellis‘ Klassiker „Nothing But the Blues“ mitwirkte – soviel eben zu den Chops aus Stahl). Am Piano sass Oscar Peterson, seine Mannen (Herb Ellis und Ray Brown) waren mit dabei, ebenso Drummer Stan Levey. Die Stimmung ist geladen, die Bandd spielte vier lange Blues ein, ausser dem „Cleveland Blues“, bei dem Take 3 der Master wurde, alle nur in einem Take. Das kürzeste Stück ist der Opener „The String“ mit genau zehn Minuten Dauer, das längste der „Cleveland Blues“ mit zwölf Minuten. Die Funken fliegen nur so zwischen Eldridge, Stitt und Peterson. Das ist keine schöne Musik, sondern Musik, die eine einfache, direkte Sprache spricht, die direkt in den Bauch geht. Die CD-Ausgabe, die 1997 in der „Verve Elite Edition“ erschien, fügte die Stücke „I Didn’t Know What Time It Was“ und „I Remember You“ sowie diverse Takes von „I Know That You Know“ an – alle drei kurze Standards, klassisches Stitt-Material jener Zeit (Eldridge ist nicht zu hören). Ich kenne die Story dazu nicht, aber der Produzent im Kontrollraum bellt die Musiker förmlich an zwischen diversen False Starts und Breakdowns… vermutlich ist es Norman Granz, der auf der CD als Produzent angegeben wird. Spannung scheint nicht nur auf der musikalischen Ebene vorhanden zu sein.

    Vom Mai 1957 stammt Personal Appearance, ein weiteres typisches Stitt-Album jener Zeit, dieses Mal mit dem jungen Pianisten Bobby Timmons sowie Edgar Willis (b) und Kenny Dennis (d). Das Programm besteht wieder zum grossen Teil aus Standards – darunter „Easy to Love“, „Between the Devil and the Deep Blue Sea“, „East of the Sun“ und „Avalon“ – sowie ein paar Originals („For Some Friends“, der abschliessende „Blues Greasy“ und das einfallslos betitelte „Original“). Insgesamt ein etwas verschlafenes Album… und man hört leider nicht viel von Timmons.

    Aus Ira Gitlers „The Masters of Bebop: A Listener’s Guide“:

    In 1946 Stitt also recorded excellent solos on That’s Earl Brother and Oop Bop Sh‘ Bam with Dizzy Gillespie. In 1947, he was voted the new star on alto by the critics and musicians of a poll conducted by Esquire magazine. By this time, however, he was not around to receive the acclaim that went with this. He was in the Federal Narcotics Hospital in Lexington, Kentucky.
    When he was released in late 1949, Sonny returned to the jazz scene on tenor saxophone. While he did not give up the alto completely, he certainly de-emphasized it. From 1950 to 1952 he co-led a small band with Gene Ammons. This unit recorded for Prestige, as did Stitt on his won. The tenor „battles“ on Blues Up and Down and Stringin‘ with Jug with Ammons are creative as well as exciting. In the early sixties, Ammons and Stitt were reunited for a couple of club engagements and several records. By this time, however, Stitt was working on his own, but as a wanderer who would pick up a new rhythm section in each city he visited. Sonny also toured with JATP in 1958 and 1959, was reunited with Gillespie for three months in 1958, and played with Miles Davis in 1961 [er spielte schon im Herbst 1960 mit Miles – gtw]
    In the sixties he was finally able to secure another cabaret card, the license that allows him to work in New York clubs. In a 1959 interview he told writer Dave Bittan, „I want to be in New York with my own combo. I’d like to get an apartment and make this city my headquarters. It was a long time ago when I got in trouble. I don’t want to talk about it. It’s a distasteful subject. I’m still paying for it. I was young . . . I didn’t know what it was all about. . . . My people were churchgoers and knew only the beautiful things in life. . . . They didn’t tell me about the bad things.“
    […]
    Now [Gitlers Buch erschien zuerst 1966 unter dem Titel „Jazz Masters of the Forties“ – gtw] his playing time is divided between tenor and alto. He is equally adept on both, capable of high-velocity solos at medium and, especially, up tempos and of lyrical ballad expositions, although he does like to double-time on the latter. On tenor, his love of Lester Young shows through.
    Stitt enjoys the challenge of a „cutting“ session with another saxophonist, and he is a hard man to best in such horn-to-horn combat. Possessing a combination of stamina and inventiveness, he seldom loses. Those who were at the Half Note on a particular night in 1961 will attest that he fell before Zoot Sims on Sweet Georgia Brown, but this is the exception rather than the rule. He has a justifiable price in his talent. Fellow saxophonist Stan Getz has said of him, „With Stitt, you’ve gotta work. He doesn’t let you rest. You’ve got to work or else you’ve left at the starting gate. It’s hard for me to say which horn he’s better on, alto or tenor.“
    Al Cohn tells of an incident involving Getz and Stitt that is as illustrative as it is amusing. „Stan was playing at the Red Hill in Camden, New Jersey, and Sonny came by to sit in. He called a very fast tempo and took the first solo. By the time Stan got to play, the bass player’s hand was about to drop off. As soon as the number ended, Sonny packed up his horn and split. Stan said, ‚And he didn’t even give me a chance to get even with a ballad.'“

    ~ Ira Gitler: The Masters of Bebop. A Listener’s Guide. Updated and Expanded Edition, 2001, p. 42-44

    Gitler empfiehlt übrigens dann speziell die Alben „Personal Appearance“ und „Plays Charlie Parker“ (beides nicht grad meine Favoriten), erwähnt den Blues „Quince“ und Tadd Damerons „If You Could See Me Now“ von den Sessions mit Quincy Jones (Roost) sowie „The Eternal Triangle“ vom Album, das Dizzy Gillespie mit Stitt und Sonny Rollins eingespielt hat.

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    gypsy-tail-wind
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    Auf Oscar Peterson traf Stitt erneut im Mai 1959 – die beiden waren mit Ella Fitzgerald, dem Gene Krupa Quartett, der Gruppe von Gerry Mulligan und Art Farmer sowie dem Jimmy Giuffre Trio auf einer Tour mit Norman Granz und begaben sich in Paris ins Studio. Petersons Trio bestand inzwischen aus Peterson sowie Ray Brown und Ed Thigpen. Stitt spielt auf den fünf ersten Stücken des Albums (darunter Parkers „Au Privave“ und „Yardbird Suite“) Altsax, auf den letzten drei dann Tenor, und mit „Moten Swing“ und „Blues for Presz, Sweets, Ben and All the Other Funky Ones“ wird die andere Stossrichtung klar, am Ende steht dann der Sy Oliver-Klassiker „Easy Does It“.
    Die Stimmung ist weniger geladen und entspannter als mit Eldridge zwei Jahre zuvor und die Ergebnisse sind exzellent – eins meiner liebsten Stitt-Alben soweit.

    Nochmal zu Personal Appearance, das ich jetzt grad nochmal höre, nachdem ich Gitlers Empfehlung gelesen habe… Kenny Dennis ist kein grossartiger Drummer, auf Griffins „The Congregation“ gefällt er mir ganz passabel, er taucht auch bei Slide Hampton, Mal Waldron, Roy Ayers und Sonny Rollins auf, aber sein Time und ist nichts besonders und sein Sound ist ein rechtes Geschepper. Sehr positiv fällt mir aber der starke Bass von Edgar Willis auf (der hat damals mit Ray Charles gespielt, wo ein fester Beat wohl unabdingbar war) und von Timmons hört man hie und da doch etwas. Stitt selber ist sehr gut, etwa auf „For Some Friends“ (mit bluesigem Timmons-Solo), aber hier ist Wills übermässig präsent im Mix und hat eigentlich kaum gute Ideen… aber auf „East of the Sun“ soliert er dann wieder ganz schön. Ein eigenartig durchzogenes Album, das ich auf keinen Fall als Anspieltipp für diese Zeit von Stitt erwägen würde.
    Das wären „New York Jazz“ und für diejenigen, die Oscar Peterson mögen, auch „Sonny Stitt Sits In with the Oscar Peterson Trio“. Den Alben mit Lou Levy würde diese Ehre ganz bestimmt auch zuteil, lägen sie in einer anständigen Edition vor.

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    Aus Zan Stewarts Notes zum Mosaic-Set („The Complete Roost Sonny Stitt Sudio Sessions“, 2001):

    From this time [early 1947] until March, 1948, his whereabouts are essentially unsubstantiated. Sometime in late 1947 or early 1948, he recorded twice under the pseudonym of Lord Nelson for the Sensation label, using a band that included vibist [Milt] Jackson. At the first session, the selections included „Body and Soul“ and Stitt’s „3rd Song“, which was also known as „Silver Slipper.“ Shortly thereafter, a band with Sonny, Bags (Jackson’s nickname), trumpeter Russell Jacquet and pianist Sir Charles Thompson recorded four sides in Detroit again for Sensation. The selections included Stitt’s „Red Shoes“ and the Standard „Fine and Dandy,“ a favorite of the saxophonist’s, who recorded it several times since.
    Discographies state that these sessions, now gatherered on Milt Jackson/Sonny Stitt: In the Beginning (Galaxy), were made June or later, 1948, in New York then Detroit. The locations may be correct but those dates are not. Stitt was arrested in Detroit for illegal sale of narcotics, convicted, sentenced to two years in prison and subsequently incarcerated at the prison unit at U.S. Public Health Service facility at Lexington, Kentucky, from March 10, 1948 until September 9, 1949. It was during this period that Miles Davis sought Stitt to no avail for what became the first of the Birth of the Cool recordings.

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    Sonny Stitt war ein gieriger Musiker – manchmal habe ich fast Angst, dass er nicht nur die changes frisst sondern mich gleich mit! In den späten 50ern hat er nicht nur für Verve und Roost (zu den Alben komme ich später mal, hab das Mosaic bisher erst einmal durchgehört) sondern auch für Argo aufgenommen, das feine Label aus Chicago, das bis heute zu wenig bekannt ist. Es gehörte wohl öfter neben Blue Note, Riverside oder Prestige genannt, wenngleich die Gründe, warum dem nicht so ist, auch recht schnell klar werden. Die Produktionen wurden ungleich weniger sorgfältig verpackt, die Liner Notes wirken oft etwas lieblos (und sind nicht selten anonym). Sonny Stitt war allerdings gar nicht wählerisch und seine Argo-Alben zählen zu den allerschönsten. Die ersten beiden entstanden im Quartett um 1958 und besonders das 1958er „Burnin'“ wird gerne als eins der besten Stitt-Alben genannt.
    Das erste hiess schlicht Sonny Stitt und stammt von ca. 1957/58, man kennt die Rhythmugruppe nicht, Lord gibt dieselbe an wie für „Burnin'“: Barry Harris (p), William Austin (b), Frank Gant (d). Fresh Sound hat sie zusammen auf einem Twofer vorgelegt. Burnin‘ wurde 1958 eingespielt (gemäss Lord am 1. August), das Album beginnt mit „Ko-Ko“ und später folgen „Lover Man“ und „How High the Moon“. Schon auf dem ersten Album war mit „Cool Blues“ ein Parker-Opener zu hören. Sonst unterscheiden sich die Alben nicht speziell von den anderen jener Zeit, bis auf die gute Form, in der Stitt sich offensichtlich befindet, und auf Barry Harris‘ einfühlsame Begleitung.

    In Barbara Gardners Liner Notes zu „Burnin'“ wird Stitt übrigens mit folgender Aussage zitiert:

    „Let’s face it, jazz has been here before ragtime began and people can’t do without music – it’s food. It’s food for the musician and food for the people.“ He aligns himself firmly with the jazz musicians of the middle west and the east coast tradition.
    „The boys on the east coast are more like men when they play,“ he says. „Not that the west coast fellows don’t know what they’re doing, because they do. They play all the right notes, but the feeling doesn’t seem to be there – something seems to be missing.
    „I think jazz is supposed to be warm, not hot all the time, but warm, not cool. It’s supposed to have a little kick to it, a little pop of finger.“ After reflecting a moment, he qualified his stand.
    „I won’t venture to say all west coast jazz is bad. it depends on the man and not the climate he comes from.“

    Die Einschränkung der Aussage ist auch bitter nötig, denn grad der elegante Lou Levy (ein aus Chicago an die Westküste umgezogener Jude), war in jenen Jahren vielleicht der Pianist, der am meisten Funk in eine Begleitband von Stitt brachte!

    Dan Morgenstern schreibt in den Liner Notes für die CD-Compilation „Sonny Stitt & Friends – How High the Moon“ (sie enthält je ca. die Hälfte von drei Argo-Alben: Burnin‘, Inter-Action, My Main Man):

    Stitt’s relationship with Charlie Parker was complex. When the younger man first came into view as an alto player, it was as Bird’s replacement in Dizzy Gillespie’s group – a fact that threw into bold relief his kinship with the master. (I clearly recall hearing Stitt’s solo on Dizzy’s recording of „That’s Earl, Brother,“ on Symphony Sid’s radio program, and finding it hard to believe that it wasn’t Bird.) Stitt often claimed that he’d arrived at his conception independently of Parker, but trumpeter Willie Cook, who knew him early in his career, has provided an interesting perspective on the matter. Stating that Stitt was the first to make him listen to Parker on a juke box (saying, „This is going to be the man“), Cook notes that Stitt at that time „played like Johnny Hodges when he was drinking and Benny Carter when he wasn’t. He was good at both of them.“ He adds that „Sonny was very intelligent, and he was always fast, even when he was just a kid. He could analyse and dissect chords. He knew what everybody was doing when they played. (These remarks are from the chapter on Cook in Stanley Dance’s book, The World of Duke Ellington.)
    Stitt has claimed that after hearing Parker on the first records he made, with Jay McShann’s band, he was determined to meet him, and sought him out when passing through Kansas City with Tiny Bradshaw’s band. He reports that they met and has a quick noon-time session together, after which Bird told him, „You sound like me.“ This tale, however, may be taken more as wish fulfillment than as reality, largely because by the time Stitt was on the road with Bradshaw, Parker had already left Kansas City.
    More credible is what Sonny told Great Britain‘ Melody Maker – that he first heard Parker live in 1943 in Washington, D.C., and that „he was electrifying.“ Stitt then went on to define his relationship to the master in very cogent fashion: „No one is a successor to Bird because he was out there by himself – if a fellow has a style on the order of the artist he idolizes, and he can use his own ideas, then he can build something out of it.“ This was in 1959, and comes as close as anything I’ve read or heard from Stitt on this question to an admission that he did „idolize“ Parker and had not independently arrived at a similar place.
    As amazingly close as Stitt could come to Parker in terms of sound (perhaps a bit edgier), speed (as fast, and more accurate in hitting each note in the sound-stream clearly on the head – though more mechanical and less maniacal) and vocabulary (he spoke Bird fluently, like a native), there always was a fundamental difference, originality aside. Stitt thought in bar-length phrases and always remained a symmetrical improviser, while Parker darted across bar-lines and where a phrase might land was never at all predictable.

    ~ Dan Morgenstern

    Morgenstern bringt hier so ziemlich alles auf den Punkt, zitiert mehr (es werden immer dieselben drei, vier Stories um Stitt erzählt!) und ausführlicher als die meisten, und er beurteilt Stitt als ganzes sehr fair und wohlwollend. Ich vermute, mit dem obigen Auszug ist so ziemlich alles relevante zum Thema Bird/Stitt gesagt.

    Stitt hat recht selten mit grösseren Ensembles aufgenommen und in den wenigen Fällen stand er mit seinem Saxophon im Zentrum der Aufmerksamkeit. So ähnlich war es auch am 16. Februar 1959, als Stitt in Hollywood ins Studio ging, um 10 Arrangements von Jimmy Giuffre aufzunehmen. Dieser war auf der Hälfte der Stücke auch als Tenorist zugegen, sonst bestand die Band nur aus Blechbläsern – Jack Shelton & Lee Katzman (t), Frank Rosolino (tb), Al Pollen (tuba) – und einer Rhythmusgruppe: Jimmy Rowles (p), Buddy Clark (b) und Larance Marable (d).
    Die Musik ist enorm reizvoll und ist möglicherweise meine liebste und den Ensemble-Sessions von Stitt (und das, obwohl Stitt hier nur Altsax spielt!). Giuffres Musik ist etwas unterkühlt und sehr raffiniert gesetzt, Stitts heisses Sax bietet einen tollen Kontrast und das ganze kriegt eine sehr eigene Stimmung. Die Band swingt zudem ebensosehr wie Stitt. Drei spontane Blues-Nummern scheinen on the spot konzipiert worden zu sein: „Down Country“, „Uptown“ und „Downtown“, alle werden Stitt und Giuffre gemeinsam zugeschrieben und Giuffre ist auf allen dreien am Tenor zu hören, auf dem er irgendwo zwischen Lester Young und R&B changiert. Giuffre spielt zudem auch auf „Laura“ Tenor im Ensemble.
    „Laura“ ist eines der grossen Highlights des Albums – Stitt bläst ein wunderbares Solo, das Arrangement ist frisch und lässt das Stück etwas düsterer klingen als üblich. Sehr toll finde ich ebenfalls den enorm flüssigen Opener, Giuffres „New York Blues“, in dem das Ensemble und Stitt aufs schönste zusammenfinden. Es gelingt in dieser Besetzung sogar, einem abgedroschenen Stück wie „Singing in the Rain“ neue Seiten abzugewinnen. Stitts Ton im a capella (über etwas Drums von Marable) Intro ist singend, schlank, dann setzt leicht träge das Ensemble ein, scheint ihn etwas zurückzubinden, bevor ein sparsames Intermezzo von Marable das neue, etwas schnellere Tempo ankündigt und Stitt entspannt soliert.
    In den Blues-Jams (ohne die Bläser) wird der Kontrast zwischen Stitts treibend-zupackendem Alt und Giuffres relaxtem Tenor deutlich. „Down Country“ lebt vom fortwährenden Dialog der beiden. Dasselbe gilt für „Uptown“, in dem aber auch Stitt zum Tenor greift – und obwohl Giuffre wie Stitt ihre Wurzeln am Tenor vor allem in Lester Young haben, wird deutlich, wie sehr sie sich unterscheiden. Giuffre ist relaxt und locker, luftig, während Stitt rhythmisch treibend spielt, ohne sich umzuschauen vorwärtsprescht. „Downtown“ scheint noch ein spontan geschriebenes Stück zu sein, aber dieses Mal sind die Bläser dabei (und Giuffre, falls er überhaupt spielt, nur Teil des Ensembles… denke aber eher, da liegt das CD-Booklet falsch… es gibt das Album übrigens bei Fresh Sound und mit einem Roost-Album als Bonus auch bei American Jazz Classics, einem der zahlreichen wie-Pilze-aus-dem-Boden-Label – ich hab letztere, war aber nur Zufall, das Roost-Album ist ja eh schon im Mosaic enthalten). In „Downtown“ setzt die Rhythmusgruppe manchmal aus oder spielt kurz stop time, während die Bläser unter Stitt Linien legen – gibt einen tollen Kontrast und ist sehr gelungen (und falls es denn wirklich spontan entworfen wurde sehr eindrücklich).

    Giuffre schrieb zudem kurze Liner Notes zum Album:

    In order to catch a few of the many thousand of notes and ideas that go sailing by during a Sonny Stitt solo, some sort of broad and solid backdrop was needed. The combination of two trumpets, trombone and tuba, plus rhythm section, is just that. The tuba was kept very low usually. This provided a wide range against which Sonny’s many-noted, full volumed, flashing, complex style can be heard and seen clearly.

    The emphasis was put squarely on Sonny. He states the themes and carries the bulk of the solo work. The brass is under, on top, and all around him, while the rhythm section was put to work matching his excitement and drive.

    In order to spark and not impede Sonny’s spontaneity, soloists were used in the brass and rhythm sections throughout.

    The complete album was recorded in one long session (with breaks). This made for a lessening of tension and allowed the musicians to „get to know“ each other musically and personally.

    Being a saxophonist myself, I may have a more personal view, but – without seeming too melodramatic – I would like to urge all saxophonists and anyone else to „gather ‚round“ and listen to a man make a „piece of metal“ talk.

    ~ Jimmy Giuffre

    Don DeMichaels Review im Down Beat begann mit dem Satz: „Place a sparkling diamond on soft, black velvet, and the diamond’s beauty shines all the brighter“. Und genau das gelingt Giuffre hier sehr effektvoll. Für mich eins der überraschendsten (ich kenne es erst seit ein paar Monaten, hab’s aber schon über ein halbes Dutzend Mal gehört) und schönsten Alben von Stitt!

    An grösseren Sessions kommen mir aus den frühen Jahren Stitts neben „Top Brass“, das ich wie gesagt nicht annähernd so gut finde (trotz Dameron und Mundy) noch die Roost-Sessions mit Johnny Richards bzw. Quincy Jones in den Sinn.

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    redbeansandrice

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    „I clearly recall hearing Stitt’s solo on Dizzy’s recording of „That’s Earl, Brother,“ on Symphony Sid’s radio program, and finding it hard to believe that it wasn’t Bird.“ das hier bringt es ziemlich gut auf den Punkt, das ganze scheint mir ein ähnlicher (wenn auch weniger krasser) Fall zu sein, wie die Leute, die in den 50er Jahren Schwierigkeiten hatten, Sonny Rollins und John Coltrane zu unterscheiden…

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    #8136933  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ja, irgendwie schon… wobei einzelne Stücke aus den 40ern sind schon verdammt nah dran, nicht? Wenn man the bigger picture hat, eine ganze Session hören kann, dann merkt man das mit der Phrasenlänge, der symmetrischen Phrasierung etc. schon ziemlich schnell.

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    redbeansandrice

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    ja, stimmt, am Anfang war er nah dran – ist ja auch nicht sooo überaschend, dass man, wenn man eine Sprache (mehr oder weniger) von einer einzigen Person lernt, ein bißchen Zeit braucht, um sich von den Einflüssen wieder zu lösen… (sechs Jahre später oder so gab es dann mehr Alternativen); Yusef Lateef berichtet in seiner Autobiografie, dass er 1946/47 quasi täglich mit Stitt und einigen anderen geübt hat, wie sie changes von Charlie Parker Kompositionen studiert haben (und wie Stitt eines Tages ausrief, jetzt hätte er es raus)

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    #8136937  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich denke schon die ganze Zeit an Lou Donaldson und Paul Quinichette herum… Lady Q hat sich ja den späten, im Niedergang befindlichen Pres ausgesucht und quasi aus einer Facette von Pres‘ Karriere einen Stil geschaffen, der – zumindest wenn Quinichette in den 50ern mit anderen zusammen spielte – unverkennbar war.

    Donaldson mag ich ja bekanntlich nur mittelprächtig gerne… er ist zwar viel weniger nah an Parker dran, als es Stitt war, aber er hat auch viel weniger eigenes Feuer am Brennen. So zumindest mein Gefühl. Donaldson ist quasi der orthodoxe Gralshüter, der schon längst nur noch langweilte, während Stitt derjenige ist, der unbeirrt weiter…irrt und dabei immer wieder grossartig gespielt und manche sehr schönen Alben gemacht hat (übrigens: ein *****-er wird’s von mir eher nicht geben, aber einiges zwischen ***1/2 und ****1/2 – was den *****-er betrifft bin ich mir aber noch nicht sicher, wird noch länger dauern, bis ich alles wiedergehört habe und Sterne werfen kann).

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    #8136939  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Musica Jazz, das italienische Magazin, hat 1993 in Zusammenarbeit mit Philology eine CD namens Loose Walk herausgegeben. Auf ihr sind ein paar Stücke von diversen Bootlegs zu hören, so Stitt und Ammons mit ihrer Band im Birldland am 10. März 1951 (Blues Up and Down, Ain’t Misbehavin‘, After You’ve Gone). Die Live-Aufnahme von „Blues Up and Down“ dauert sieben Minuten und es ist sehr toll, die beiden fiesen Tenöre so ausgiebig live zu hören!

    Dann folgen „My Melancholy Baby“ und „I’m in the Mood for Love“ von den Hi-Hat Sessions (Boston, 11. Februar 1954). Diese Sessions sind auf zwei LPs mit dem Titel Super Stitt! erschienen (Phoenix Jazz), der Grossteil davon war dann auf der ersten von zwei CDs namens Jazz at the Hi-Hat (Roulette) zu hören, ein paar Stücke sowie eine ganze Menge zusätzlicher Tracks, die zuvor – soweit ich weiss – nicht veröffentlicht worden waren, erschienen auf Vol. 2. Die erste CD ist schon seit einer Ewigkeit vergriffen und mir in Anbetracht der grossen Zahl von Stitt-Alben zu teuer, die zweite gab’s noch bis vor einigen Jahren, ich habe sie aber als Teil eines (nicht zu empfehlenen) Membran 2CD-Sets (Longbox aus dem „Modern Jazz Archive“, es heisst bloss „Sonny Stitt“ und enthält zudem eine Auswahl der Prestige-Sessions).

    Die Rhythmusgruppe im Hi-Hat war Dean Earl (p), Bernie Griggs (b) und Marquis Foster (d). Besonders Griggs taucht immer mal wieder auf alten Aufnahmen aus Boston (mit Dick Twardzik, Allen Eager, Serge Chaloff und anderen Bostonians, aber auch mit Charlie Parker auf Durchreise).
    Die Session ist ein perfektes Beispiel für Stitts endloses Reservoir an Ideen, seine Geschichte spinnt sich fort und fort, er scheint nur selten mal den Faden verlieren, fast jede mit einem Klischee eröffnette Phrase bringt er auf unerwartete Weise zu Ende. Er ist hier am Alt, Tenor und Barisax zu hören, die Aufnahmequalität ist passabel, die Rhythmusgruppe ebenfalls… bestimmt keine essentielle Aufnahme, aber für Stitt-Fans doch ein schönes Dokument aus der etwas weniger dicht dokumentierten Zeit in der ersten Hälfte der 50er Jahre, als Stitt – nach der Auflösung der Band mit Ammons 1952 – als single durch die Lande zog und überall mit pick-up Bands auftrat.
    Das Repertoire besteht aus Blues, Balladen, Standards und als crowd pleaser versucht Stitt sich auch an „Flyin‘ Home“; sein Solo greift viele Passagen von Jacquets auf, aber das ganze gerät ziemlich steif und die Rhythmusgruppe hilft Stitt kaum, richtige Hitze zu generieren.

    Ein nächstes Highlight auf Loose Walk ist dann ein Stück aus England aus dem Mai 1958, das Stitt auf seiner ersten Europa-Tournee mit der bereits erwähnten JATP-Package zeigt. Mit Dizzy Gillespie, Lou Levy, Ray Brown und Gus Johnson ist eine hervorragende Band am Start und es macht grossen Spass, ihre Version von Benny Golsons „Blues After Dark“ (Stitt am Tenor) zu hören. Es folgt ein kurzes Balladen-Feature Stitts (am Alt) über „Lover Man“.

    Am 1. Mai 1958 begaben sich in Paris einige der JATP-Musiker ins Studio Hoche, um ein paar Stücke für Marcel Carnés eigenartigen Film Les Tricheurs einzuspielen. Roy Eldridge und Stan Getz spielten auf dem Titelstück, Coleman Hawkins auf „Clo’s Blues“, Eldridge auf „Phil’s Tune“ und Dizzy Gillespie auf „Mic’s Jump“. Begleitet werden die Solisten von Oscar Peterson, Herb Ellis, Ray Brown und Gus Johnson. Die vier Stücke erscheinen auf einer Barclay EP und sind seither weitherum bekannt geworden – sie finden sich u.a. als Bonustracks auf der CD-Ausgabe von Herb Ellis‘ grossartigem Verve-Album „Nothin‘ But the Blues“ und sind auch auf „Jazz et cinéma vol. 2“ in der Jazz in Paris Reihe von EmArcy/Universal Frankreich erschienen.
    Letztes Jahr erschien in der Collector’s Edition der Jazz in Paris-Reihe eine erweiterte CD, auf der die drei zuvor unveröffentlichten Titel „On the Alamo“ (mit einem false start), „Get Happy (mit drei false starts) und „Sweet Georgia Brown“ (mit studio conversation) zu finden sind. Auf dem ersten spielen Dizzy, Hawkins und die oben genannte Rhythmusgruppe sowie Sonny Stitt (Alt), auf den beiden anderen ist Stitt (Alt) mit Dizzy, Getz und der Rhythmusgruppe zu hören.
    Alain Tercinet schreibt in seinen Liner Notes zur Collector’s Edition CD, dass Stitt gar nicht zur JATP-Tour von 1959 (er meint bestimmt 1958) gehört hätte, sondern in Paris gewesen sei, um ein zweiwöchiges Engagement im Blue Note zu spielen: „plucked off the street in petto by [Norman] Granz, Sonny found himself onstage at Salle Pleyel before slipping into the studio with the rest of the band“. Wie das nun mit den beiden angeblich aus England stammenden Stücken auf „Loose Walk“ zusammenpasst (oder eben nicht), ist mir unklar. Dass Stitt kurzentschlossen mit auf eine JATP-Tour ging, halte ich für eher ausgeschlossen. Es könnte vielleicht sein, dass die Aufnahmen aus Paris stammen? Gemäss dem kurzen (anonymen, wohl von Produzent Paolo Piangiarelli stammenden?) Liners der Musica Jazz/Philology CD enstanden die Aufnahmen „durante la prima tournée europea di Stitt, con le ’stelle‘ del Jazz At The Philharmonic, tra le quali in ‚Blue After Dark‘ uno scintillante Dizzy Gillespie“. Ich tendiere dazu, eher Alain Tercinet zu vertrauen, aber wer weiss…
    Nach einem Bass-Intro spielt Gillespie auf „On the Alamo“ mit Dämpfer das Thema. Hawkins und Stitt antworten ihm. Hawkins bläst dann das erste Solo, mit seinem grossen Ton und dem robusten, gleichmässigen Swing. Es folgt Peterson, zurückhaltend und swingend. Es folgen Soli von Stitt und Ellis, ebenfalls schnörkellos gespielt. Es folgt Ray Brown und zum Abschluss Dizzy, immer noch mit Dämpfer und obwohl er sich in die etwas verhaltene Stimmung einfühlt, scheint er doch einen Gang höher zu schalten als seine Kollegen.
    „Get Happy“ öffnet mit einem kleinen Intro, das auch als Interlude nochmal auftaucht. Das Tempo ist horrend, Gillespie spielt das erste Solo, wieder mit Dämpfer. Dann folgt Getz, scheint etwas ratlos und braucht einen Weile, um mit dem Tempo zurecht zu kommen, findet aber nie so ganz ins Stück rein und honkt mehr herum, als dass er ein kohärentes Solo hinkriegen würde. Stitt folgt am Alt, sein Ton ist anfangs enorm weich und geschmeidig, gewinnt dann mit Zeit an Gewicht und an Biss etwas hinzu. Dann folgt nochmal Dizzy, mit etwas Begleitung von den anderen Bläsern.
    Getz klingt besser in seinem öffnenenden Solo in „Sweet Georgia Brown“ (das Thema wird gar nicht erst gespielt, man erkennt das Stück sowieso sofort), auch hier honkt er gehörig, aber er bläst auch ein Solo, das durchaus passt und gegen Ende richtig toll wird. Sein Spiel mit JATP-Gruppen war wohl oft rauher als er sonst spielte. Es folgt Dizzy, wieder mit Dämpfer (aber nicht mit harmon mute wie auf den beiden Stücken davor, glaub ich?) und erneut in glänzender Spiellaune. Stitt ist ebenfalls on, wechselt in seinem Solo zwischen rasanten Phrasen und Momenten des Innehaltens, sprüht nur so vor Ideen. Zum Abschluss folgen exchanges der drei Bläser.
    Ein Glück, dass diese Session doch noch aufgetaucht ist nachdem sie jahrzehntelang für verschollen galt!

    Auf Loose Walk hören wir Stitt als nächstes in einer langen Version von „Au Privave“, das am 24. Spetember 1964 in Berlin mit Roland Kirk entstand. Stitt spielt Altsax und wird von Kirks „Section“ begleitet, während Klook für einen boppigen Beat besorgt ist. Dann folgt Kirk am Tenor und zum Ende gibt’s ein paar Runden exchanges.
    Es ist noch ein bisschen was mehr im Umlauf von Kirk im September 1964. An den ersten Berliner Jazzfest spielte er zweimal: am 26. September in der Philharmonie mit dem Quartett (Tete Montoliu, Jimmy Woode, Kenny Clarke – davon kenne ich bloss ein Stück, „So Long Note, Baby“) und am 27. September mit Stitt, J.J. Johnson und Johnny Griffin in den Prälaten (von da stammt wohl „Au Privave“ auf der Philology-CD… ich hätte noch eine korrigierte Fassung, bei Bedarf… auf dem zweiten Stück „Steeplechase“ ist Stitt nicht zu hören, die Rhythmusgruppe besteht neben Clarke vermutlich aus Montoliu und Potter, es könnten aber auch Walter Bishop und Peter Trunk bzw. Jimmy Woode sein). Kirk – mit Montoliu, Potter und Clarke – treffen wir dann am 2. Oktober in Paris („Domino“) und am 10. Oktober in Mailand („All By Myself“ und „I Remember Clifford“) wieder. Leider scheint Stitt nur in Berlin am Start gewesen zu sein, oder jedenfalls nur dort auch aufgenommen worden zu sein.

    Auf Loose Walk folgen dann vier Stücke aus dem Half Note vom 24. März 1966, die Stitt (am Alt und Tenor) mit McCoy Tyner, Walter Booker und Mickey Roker präsentieren – einer für seine Verhältnisse sehr moderner Rhythmusgruppe. „Loose Walk“ und „Tenderly“ präsentiert Stitt am Tenor, für „Old Folks“ und „Au Privave“ wechselt er aufs Alt. Booker und Roker hatten im Vorjahr auf „Sonny Rollins on Impulse“ gespielt und sollten im Jahr darauf mit Tyner an einer Blue Note Session von Stanley Turrentine mitwirken. Die Band klingt sehr gut eingespielt und Stitt bläst entspannte, schöne Soli. Tyner spielt ein schönes Solo auf dem längsten Stück „Loose Walk“ und begleitet aufmerksam in den beiden Balladen.

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    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,112

    gypsy tail windDas würd ich jetzt mal eher unter Skurrilitäten ablegen… sowas haben in den 70ern viele Jazzer mal gemacht, ist auch nicht weiter schlimm, aber weniges davon klingt wirklich so, als hätten sich die Jazzer dabei wohlgefühlt. Das hier ist nach meinem Empfinden auch eine völlig vernachlässigbare Geschichte, das hätte irgendeiner spielen können, und hängen bleibt davon nichts. (Versteh mich bitte nicht falsch, ich liebe z.B. Eddie Harris‘ Experimente aus dieser Zeit, also bitte nicht so verstehen, dass hier ein arroganter Jazzfan die Nase rümpft!)

    Keine Angst, ich verwechsle Dich keineswegs mit der Jazz-Polizei. ;-)

    Klar, große Kunst ist das nicht, aber aus einer Easy Listening / Soul-Perspektive gesehen hat das für mich sogar einen gewissen Reiz.

    gypsy tail windHier ist eins, das etwas besser ist, aber in eine ähnliche Stossrichtung geht (toller Beat – Idris Muhammad!!!)

    Hast Du hier den Link vergessen? Idris Muhammad ist natürlich der funky Drummer par excellence! Hat Ende der 60er bei vielen sehr guten Soul- und Funk Jazz Geschichten (vieles auf Prestige) mitgewirkt.

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    „Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)
    #8136943  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    FriedrichHast Du hier den Link vergessen? Idris Muhammad ist natürlich der funky Drummer par excellence! Hat Ende der 60er bei vielen sehr guten Soul- und Funk Jazz Geschichten (vieles auf Prestige) mitgewirkt.

    Ja, in der Tat – entschuldige! Das hier meinte ich:
    http://www.youtube.com/watch?v=PzAz62KP1NE

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    #8136945  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 4,158

    Vom Gefühl her würde ich sagen,
    dass mich folgende Alben interessieren könnten.
    Vielleicht auch eine der frühen LPs (wg. John Lewis).
    Habt ihr vielleicht passende Tipps für mich?

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