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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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aber ist die Alternative nicht „vergessen“?
Wäre das besser?(das soll aber bestimmt keine Verteidigung von diesem Sampler werden)
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Highlights von Rolling-Stone.deWerbungaber ist die Alternative nicht „vergessen“?
Wäre das besser?(das soll aber bestimmt keine Verteidigung von diesem Sampler werden)
Worüber sich streiten läßt. Aber du hast recht, wenn du mangelnde Alternativen in der heutigen Zeit meinen würdest.
Eine Frage die mich schon seit einiger Zeit beschäftigt ist, warum soviele „Alternativen“ in der heutigen Zeit so orientierunslos sind…
… eine Figur ohne Leitbulle zu sein, wäre Rio bestimmt gewesen. Die anderen Scherben, selbst der illusionierte Lanrue können in seine Fußstapfen nie treten. So manch einer versuchte es ja. Aber nicht nur kläglich, sondern auch ideologisch total daneben (z.B. Neues Glas…).
Die Familie Moebius und ein paar alte Nebenfiguren der Scherben sollten es einfach lassen, sich mit Ehren zu schmücken, die nur Rio sich verdient hat.
Die Ehren, die ihnen zustehen würden, können sie ja gern einsammeln (z.B. Peter Moebius für den Text von: Laß uns ein Wunder sein) oder einige andere Titel.
Es läßt sich halt gut schmücken mit den Federn eines Toten. Ich finde es einfach nur traurig.
:sauf:
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Di. & Do. ab 20.00 Uhr, Sa. von 20.30 Uhr Infos unter: [/COLOR][/SIZE]http://www.radiostonefm.de[…]Es läßt sich halt gut schmücken mit den Federn eines Toten. Ich finde es einfach nur traurig.
:sauf:
Soweit ich weiß tragen Tote weder Karos noch Federn.
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Das fiel mir ein als ich ausstieg.Soweit ich weiß tragen Tote weder Karos noch Federn.
Weil sie ihnen vor der Bestattung ausgerupft wurden.
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Di. & Do. ab 20.00 Uhr, Sa. von 20.30 Uhr Infos unter: [/COLOR][/SIZE]http://www.radiostonefm.deDu kommst nackt und du gehst nackt.
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Das fiel mir ein als ich ausstieg.Du kommst nackt und du gehst nackt.
Also doch nur ein Märchen mit dem letzten Hemd.
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Di. & Do. ab 20.00 Uhr, Sa. von 20.30 Uhr Infos unter: [/COLOR][/SIZE]http://www.radiostonefm.deVermutlich.
Manchmal sitz ich hier in meinem Sessel und denke: „Gut, dass der Mitch nicht John Lennon-Fan ist.“ Wie komme ich jetzt da drauf?--
Das fiel mir ein als ich ausstieg.Das mit den Federn ist nicht neu. In „Die 68erinnen – Porträt einer rebellischen Frauengeneration“ habe ich folgendes gefunden:
(und eine weitere Familienalbum-Besprechung findet ihr hier; http://www.bloom.de/articles/article_005163_php4.htm)„In jener Zeit, so Ende 1968, lernten wir die Leute von Hoffmanns Comic Teater kennen. Das waren im Kern die drei Brüder Möbius aus Nürnberg, die angefangen hatten, wie ein Theater aus dem Mittelalter überall auf den Marktplätzen zu spielen, und die sich inzwischen in Berlin etabliert hatten. Der Älteste wohnte mit seiner Frau in Spandau, der Zweite, Gert, wohnte mit seiner Freundin Inge, die mit mir Kostümbild studierte, in einer Ladenwohnung in Kreuzberg, und Ralph, der jüngste, wohnte bei seiner Tante im Wedding. Sie hatten zusammen eine Fabriketage, in der ihre Probenräume waren. Wir kamen mit ihnen in Kontakt, weil wir uns für Mitspieltheater interessierten, und mein Lebensgefährte und ich sind bei Hoffmanns Comic Teater eingestiegen.
Es gab nie ein fertiges Buch für ein Stück, das gespielt werden sollte, sondern es wurde besprochen, welches die wichtigste Aussage sein sollte und worauf es in jeder Szene ankam. Wir spielten sehr plakative Typen mit Masken vor dem Gesicht, und jede Szene wurde in einem Rockstück zusammengefasst. Ralph war der Bandleader und für die Rockmusik verantwortlich. Das Stück, das wir zu der Zeit einübten, hieß «Rita und Paul». Es ging um ein Mädchen aus bürgerlichen Verhältnissen und einen jungen Arbeiter. Die Eltern waren gegen die Beziehung, weshalb sie nach Alaska auswandern wollten. Am Schluss des Stückes wurden die Szenen in Songs zusammengefasst, und wir haben sie gesungen.
Die Texte für die Songs, wie «Macht kaputt, was euch kaputt macht» oder «Fünf Finger machen eine Faust», schrieb mein Lebensgefährte, auch wenn später von den Möbien immer wieder etwas anderes behauptet wurde. Ich war dabei, als er diese Texte schrieb. Er textete viele solcher Sachen in der Zeit. Leider gab es darüber Streit, als es um das Geld aus den Einnahmen ging. Denn es landete nie bei uns, sondern immer bei den Möbien, weshalb es nur ein kurzes Glück bei diesem Theater gab. Wir haben vielleicht mal hundert Mark ausbezahlt bekommen, aber das war auch schon alles. Wegen des schnöden Mammons gab es auch unter den Brüdern Streit. Der älteste hat schließlich allein Hoffmanns Comic Teater weitergemacht, und Ralph, der jüngste, der sich dann Rio Reiser nannte, machte die Ton Steine Scherben.
Schon als die ersten Streitigkeiten passierten, waren wir außen vor. Ich war die Allererste, die draußen war, weil ein Problem der Möbien war, mit Frauen klarzukommen. Deswegen waren sie ganz froh, dass ich nicht mehr mitspielte. Ich hatte diese bürgerliche junge Frau gespielt und auch bei den Songs mitgesungen, was mir viel Spaß gemacht hatte. Meine Rolle hat dann einer von den Männern übernommen. Die Frauen waren beim Hoffmanns Comic Teater immer nur Anhängsel. Wenn man zum Beispiel in die Kneipe ging, führten die Männer ihre Männergespräche. Sie redeten über ihre Theatersachen und entwickelten ihre Ideen.
Aber die Ideen von uns Frauen waren nicht erwünscht. Man musste doppelten Aufwand treiben, um seine Vorstellungen überhaupt vorzutragen. Natürlich habe ich trotzdem Vorschläge für die künstlerische Seite gemacht, aber die Zeit, die ich mitgespielt habe, war viel zu kurz, um etwas zu bewirken. Ralph hatte damals auch noch nicht viel zu sagen, er war ja erst sechzehn. Zu ihm hatte ich einen guten Draht und mochte ihn. Doch der älteste Bruder hatte das Zepter in der Hand. Für mich war es trotzdem ein tolles Experiment, das eben nach etwa acht Monaten schon wieder zu Ende war.“
Karin Adrian – Die ungewollten Folgen der Wohngemeinschaften in: Die 68erinnen – Porträt einer rebellischen Frauengeneration; Hrsg. Ute Kätzel, S. 251f
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Vermutlich.
Manchmal sitz ich hier in meinem Sessel und denke: „Gut, dass der Mitch nicht John Lennon-Fan ist.“ Wie komme ich jetzt da drauf?Wegen dem Pilskopp?
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Di. & Do. ab 20.00 Uhr, Sa. von 20.30 Uhr Infos unter: [/COLOR][/SIZE]http://www.radiostonefm.deSchlagt mich, aber ich finde zumindest die „Ich bin müde“-Version von Fettes Brot nicht sooo schlecht. Das Video dazu ist auch gar nicht übel.
Kenne allerdings auch das Original nicht!
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Ich brachte meine Vergangenheit im Handgepäck mit. Ihre lagerte irgendwo im Container-Terminal. Als sie ging, benötigte ich einen Seemannssack.
Kenne allerdings auch das Original nicht!Solltest du dir aber erstmal anhören :D
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Di. & Do. ab 20.00 Uhr, Sa. von 20.30 Uhr Infos unter: [/COLOR][/SIZE]http://www.radiostonefm.deIn der Samstagausgabe der Jungen Welt erschien der erste Teil einer Besprechung des „Familienalbums“ (2. Teil folgt am Montag):
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Man singt deutschHeimatglück und Wurstgewalt: Was nicht paßt, wird passend gemacht – der Rio-Reiser-Gedächtnissampler »Familienalbum« (1)
http://www.jungewelt.de/2003/11-08/020.php
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Weiter gehts!
@mitch: Immer locker bleiben :D10.11.2003
Feuilleton
Wolfgang SeidelLebenslang im Warenhaus
Heimatglück und Wurstgewalt: Der Rio-Reiser-Gedächtnissampler »Familienalbum« (2 und Schluß)
Der Vorwurf der Verramsche wird für das unlängst veröffentlichte »Familienalbum« dadurch relativiert, daß es ehemalige Mitglieder der Scherben waren, die damit begannen, neues Geld aus alten Scherben zu machen. Alle, die von der Geschichte der Scherben profitieren wollen, finden sich mit dem Produzenten des »Familienalbums« in einem Satz des Produktinfos wieder: »Politisch motiviert begann er [Rio Reiser] 1970 als Texter, Sänger und Gitarrist (…) rebellische Texte in deutscher Sprache mit für damalige Zeit progressiver Rockmusik zu verbinden«.
»Politisch motiviert« stammt aus dem Vokabular von Richtern und Staatsanwälten, die mit der Verfolgung linker Straftäter beauftragt waren und sind. »Politisch motivierte Straftat« heißt: Der Angeklagte mag politische Motive haben, die Tat selber hat damit nichts zu tun und ist einfach ein gemeines Verbrechen. In Reisers Fall bedeutet das: Politische Motive mag es gegeben haben, jetzt aber sind sie Geschichte. Geblieben ist die Musik. Die wird bestraft mit lebenslang – lebenslang im Warenhaus.
Damit das funktioniert, muß jemand die Ware kaufen. Vor der Ware kommt die Verpackung, in diesem Fall das Booklet. Verglichen mit der dümmlichen Prosa des Presseinfos beschränkt es sich auf das Nötigste. Die Scherben sind spurlos verschwunden. Ärgerlich, daß wieder einmal eine Kollektivleistung zu einem dubiosen Geniekult zurechtgebogen wird, bei dem sich die Familie ordentlich selber beweihräuchert. Statt Scherben-Fotos findet man Bilder der Gebrüder Möbius. Von denen trennten sich die Scherben samt ihrem Sänger, der bürgerlich Ralph Möbius heißt, ganz früh. Deren Angewohnheit, sich mit fremden Federn zu schmücken, nervte schon damals. Die Scherben können sich freuen, nicht in diesem Brei mitverrührt zu werden.
Große Teile der CD sind zu belanglos, als daß es sich lohnte, darüber zu reden. Das Zeug ist nur drauf, weil dessen Produzent identisch ist mit dem des »Familienalbums«. Er nutzt es als preiswerte Werbeplattform. Hauptsächlich bediente man sich diverser Lieder aus Rios später Solozeit, die für ihn irgendwann nur noch lästige Pflichtübung waren. Er mußte Verträge erfüllen und brauchte Geld. Und so sind sie auch, die Lieder. Was jetzt gedankenlos abgefeiert wird, waren für Rio Nägel zum Sarg. Ein paar der Beiträge des »Familienalbums« allerdings lohnen einen Blick.Nena: »Schritt für Schritt ins Paradies.« Immerhin, Nena widersetzt sich musikalisch der ehernen Einteilung der Geschlechter. Ein alter Scherben-Song, ein Lied aus einer Zeit, in der es um mehr ging, als sich die Rente zu erspielen. Ein Song, den die Scherben erst nach einigem Zögern veröffentlichten. Die Kritik damals: zu schwammig in der Aussage. Der Song paßt zu Nena. Herausgelöst aus seinem ursprünglichen Kontext, läßt er sich beliebig auffüllen. Welches Paradies? Und welcher Weg dorthin? Diese Unbestimmtheit funktioniert hervorragend, genau wie bei Nenas Erfolg »Carpe Diem«. Da sieht sie »Zeichen« und »macht sich bereit«. Was sie tatsächlich sieht, darf jeder nach Belieben einsetzen. Zollt man einer Band Tribut, die ausschließlich wegen ihrer Eindeutigkeit geschätzt wurde und wird, hätte aber genau diese politische Haltung einziges Vorbild sein müssen.
Wir sind Helden: »Halt dich an deiner Liebe fest.« Sie stapfen in die Latschen einer anderen, mittlerweile fast vergessenen Teenie-Band. Echt haben mit »Junimond« das Recycling erfolgreich vorgemacht. Die Helden versuchen es nun mit dem sehr ähnlichen Liebefesthalten. Ein unsicherer Halt, wenn man bedenkt, daß ein erheblicher Prozentsatz der hier versammelten Lieder von Enttäuschung, Verrat und ähnlichen Vorzügen der Zweierbeziehung handelt. Die Sängerin will Trost spendieren beim ersten Liebeskummer. Karaoke fürs Kinderzimmer oder Trost beim Sozialabbau?
Fettes Brot: »Ich bin müde.« Hätte ich auf einer fetten Platte ganz nett gefunden. Aber warum machen die Brote bei einem Projekt mit, wo ein Blick auf die Teilnehmerliste genügt, zu sehen, daß der angebliche Respekt vor Rio ad absurdum geführt wird? Das gilt auch für Sterne und Fehlfarben. Offenbar hatten die Produzenten ein bißchen Angst vor Joachim Witts Auftauchen und haben die Fehlfarben als Entschuldigung auf den Platz nach Witt gesetzt. Und die waren über den angebotenen Sitzplatz froh. Oder sie stehen, wie Rio, knietief im Dispo.
Die Söhne Mannheims & Xavier Naidoo: »Mein Name ist Mensch.« Typisch Jungs, doofer Eier-Rock mit einer Prise Black Music, die ahnen läßt, daß es auch noch eine Welt jenseits des deutschen Wohn- oder Kinderzimmers gibt. Naidoo nervt mit seiner TV-Prediger-Religiosität, die in ihrer simplen Einteilung der Welt in Gut und Böse, Heilige und Huren, ein reaktionäres Menschenbild propagiert und damit Positives wie seine Beteiligung am antirassistischen »Brothers Keepers«-Projekt relativiert. Über Gottes Gebote diskutiert man nicht. Das unbedingte Plädoyer der Scherben für individuelle Freiheit paßt nicht zu Naidoos Unterwerfung des Menschen unter religiöse Gebote, deren Vorstellung von Reinheit und Ritual nur die andere Seite der Medaille der konservativen Vorstellungen von Volk und Heimat sind. Aber Motto des Samplers ist: was nicht paßt, wird passend gemacht. Das Janusköpfige der Musik der Söhne zeigt sich auch in der betonten digitalen Härte, die sie mit Witt, ihrem scheinbaren Antipoden, vereint.
Joachim Witt: »Wo sind wir jetzt«. Der Aldi-Wagner für die bösen Jungs, die unter der Bettdecke von Columbine High oder, ganz aktuell, von Overath und riesigen Pumpguns träumen. Wenn Witt mit seiner Mischung aus Kasernenhof und Schmierentheater »ihr macht mich kalt« singt, sieht man ihn vorm Spiegel mit hervorgerecktem Kinn posieren und der Welt Rache schwören. Wenigstens hat er sich nicht »Der Kampf geht weiter« ausgesucht. Das hätte bei ihm wie eine Drohung geklungen.
Egal, ob der eine oder andere Beitrag auf dieser CD musikalisch akzeptabel ist, was nicht nur mit Geschmack zu tun hat, wer sich mit Witt auf einem angeblichen Rio-Reiser-Tribute-Sampler vereinigt, muß sich mindestens Gedankenlosigkeit vorhalten lassen und in Zukunft Schnauze halten und Platten verkaufen. Wer aber warnt die armen Tanten?
* V. A.: »Rio Reiser: Familienalbum – Eine Hommage« (Safety Records/Edel)
(Der Autor war Schlagzeuger in der Urbesetzung von Ton Steine Scherben)
(quelle: Junge Welt, die Tageszeitung – online)
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Life is unfair, kill yourself or get over it...Lieber Wolfgang,
Du wiederholst Dich aber auch nur noch. Ich kann Dein Sendungsbedürfnis zu einem gewissen Teil nachvollziehen, aber das ewig stereotype Wiederholen der gleichen Kernaussage macht Deine Texte auch nicht besser.
Und wie Du Dich mit den Acts auseinandersetzst, die auf diesem Sampler vertreten sind, zeugt von Voreingenommenheit und manifestiert sich im platten Wiederkäuen von Klischees.
Wir sind Helden – eine Teenieband? Thema verfehlt.
Söhne Mannheims werden auf Naidoo-Klischeekritik reduziert. Am Thema vorbei.
Die Beschreibung von Die Sterne/Fehlfarben? Sachliches wird Mutmaßungen, die auf dem persönlichen Befinden basieren, geopfert.
Glaubst Du ernsthaft, Rio wäre begeistert von Deiner „Kritik“?--
Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage BlueTeil 2 der Besprechung des Familienalbums:
http://www.jungewelt.de/2003/11-10/022.php
Lebenslang im Warenhaus
Heimatglück und Wurstgewalt: Der Rio-Reiser-Gedächtnissampler »Familienalbum« (2 und Schluß)
Der Vorwurf der Verramsche wird für das unlängst veröffentlichte »Familienalbum« dadurch relativiert, daß es ehemalige Mitglieder der Scherben waren, die damit begannen, neues Geld aus alten Scherben zu machen. Alle, die von der Geschichte der Scherben profitieren wollen, finden sich mit dem Produzenten des »Familienalbums« in einem Satz des Produktinfos wieder: »Politisch motiviert begann er [Rio Reiser] 1970 als Texter, Sänger und Gitarrist (…) rebellische Texte in deutscher Sprache mit für damalige Zeit progressiver Rockmusik zu verbinden«.»Politisch motiviert« stammt aus dem Vokabular von Richtern und Staatsanwälten, die mit der Verfolgung linker Straftäter beauftragt waren und sind. »Politisch motivierte Straftat« heißt: Der Angeklagte mag politische Motive haben, die Tat selber hat damit nichts zu tun und ist einfach ein gemeines Verbrechen. In Reisers Fall bedeutet das: Politische Motive mag es gegeben haben, jetzt aber sind sie Geschichte. Geblieben ist die Musik. Die wird bestraft mit lebenslang – lebenslang im Warenhaus.
Damit das funktioniert, muß jemand die Ware kaufen. Vor der Ware kommt die Verpackung, in diesem Fall das Booklet. Verglichen mit der dümmlichen Prosa des Presseinfos beschränkt es sich auf das Nötigste. Die Scherben sind spurlos verschwunden. Ärgerlich, daß wieder einmal eine Kollektivleistung zu einem dubiosen Geniekult zurechtgebogen wird, bei dem sich die Familie ordentlich selber beweihräuchert. Statt Scherben-Fotos findet man Bilder der Gebrüder Möbius. Von denen trennten sich die Scherben samt ihrem Sänger, der bürgerlich Ralph Möbius heißt, ganz früh. Deren Angewohnheit, sich mit fremden Federn zu schmücken, nervte schon damals. Die Scherben können sich freuen, nicht in diesem Brei mitverrührt zu werden.
Große Teile der CD sind zu belanglos, als daß es sich lohnte, darüber zu reden. Das Zeug ist nur drauf, weil dessen Produzent identisch ist mit dem des »Familienalbums«. Er nutzt es als preiswerte Werbeplattform. Hauptsächlich bediente man sich diverser Lieder aus Rios später Solozeit, die für ihn irgendwann nur noch lästige Pflichtübung waren. Er mußte Verträge erfüllen und brauchte Geld. Und so sind sie auch, die Lieder. Was jetzt gedankenlos abgefeiert wird, waren für Rio Nägel zum Sarg. Ein paar der Beiträge des »Familienalbums« allerdings lohnen einen Blick.
Nena: »Schritt für Schritt ins Paradies.« Immerhin, Nena widersetzt sich musikalisch der ehernen Einteilung der Geschlechter. Ein alter Scherben-Song, ein Lied aus einer Zeit, in der es um mehr ging, als sich die Rente zu erspielen. Ein Song, den die Scherben erst nach einigem Zögern veröffentlichten. Die Kritik damals: zu schwammig in der Aussage. Der Song paßt zu Nena. Herausgelöst aus seinem ursprünglichen Kontext, läßt er sich beliebig auffüllen. Welches Paradies? Und welcher Weg dorthin? Diese Unbestimmtheit funktioniert hervorragend, genau wie bei Nenas Erfolg »Carpe Diem«. Da sieht sie »Zeichen« und »macht sich bereit«. Was sie tatsächlich sieht, darf jeder nach Belieben einsetzen. Zollt man einer Band Tribut, die ausschließlich wegen ihrer Eindeutigkeit geschätzt wurde und wird, hätte aber genau diese politische Haltung einziges Vorbild sein müssen.
Wir sind Helden: »Halt dich an deiner Liebe fest.« Sie stapfen in die Latschen einer anderen, mittlerweile fast vergessenen Teenie-Band. Echt haben mit »Junimond« das Recycling erfolgreich vorgemacht. Die Helden versuchen es nun mit dem sehr ähnlichen Liebefesthalten. Ein unsicherer Halt, wenn man bedenkt, daß ein erheblicher Prozentsatz der hier versammelten Lieder von Enttäuschung, Verrat und ähnlichen Vorzügen der Zweierbeziehung handelt. Die Sängerin will Trost spendieren beim ersten Liebeskummer. Karaoke fürs Kinderzimmer oder Trost beim Sozialabbau?
Fettes Brot: »Ich bin müde.« Hätte ich auf einer fetten Platte ganz nett gefunden. Aber warum machen die Brote bei einem Projekt mit, wo ein Blick auf die Teilnehmerliste genügt, zu sehen, daß der angebliche Respekt vor Rio ad absurdum geführt wird? Das gilt auch für Sterne und Fehlfarben. Offenbar hatten die Produzenten ein bißchen Angst vor Joachim Witts Auftauchen und haben die Fehlfarben als Entschuldigung auf den Platz nach Witt gesetzt. Und die waren über den angebotenen Sitzplatz froh. Oder sie stehen, wie Rio, knietief im Dispo.
Die Söhne Mannheims & Xavier Naidoo: »Mein Name ist Mensch.« Typisch Jungs, doofer Eier-Rock mit einer Prise Black Music, die ahnen läßt, daß es auch noch eine Welt jenseits des deutschen Wohn- oder Kinderzimmers gibt. Naidoo nervt mit seiner TV-Prediger-Religiosität, die in ihrer simplen Einteilung der Welt in Gut und Böse, Heilige und Huren, ein reaktionäres Menschenbild propagiert und damit Positives wie seine Beteiligung am antirassistischen »Brothers Keepers«-Projekt relativiert. Über Gottes Gebote diskutiert man nicht. Das unbedingte Plädoyer der Scherben für individuelle Freiheit paßt nicht zu Naidoos Unterwerfung des Menschen unter religiöse Gebote, deren Vorstellung von Reinheit und Ritual nur die andere Seite der Medaille der konservativen Vorstellungen von Volk und Heimat sind. Aber Motto des Samplers ist: was nicht paßt, wird passend gemacht. Das Janusköpfige der Musik der Söhne zeigt sich auch in der betonten digitalen Härte, die sie mit Witt, ihrem scheinbaren Antipoden, vereint.
Joachim Witt: »Wo sind wir jetzt«. Der Aldi-Wagner für die bösen Jungs, die unter der Bettdecke von Columbine High oder, ganz aktuell, von Overath und riesigen Pumpguns träumen. Wenn Witt mit seiner Mischung aus Kasernenhof und Schmierentheater »ihr macht mich kalt« singt, sieht man ihn vorm Spiegel mit hervorgerecktem Kinn posieren und der Welt Rache schwören. Wenigstens hat er sich nicht »Der Kampf geht weiter« ausgesucht. Das hätte bei ihm wie eine Drohung geklungen.
Egal, ob der eine oder andere Beitrag auf dieser CD musikalisch akzeptabel ist, was nicht nur mit Geschmack zu tun hat, wer sich mit Witt auf einem angeblichen Rio-Reiser-Tribute-Sampler vereinigt, muß sich mindestens Gedankenlosigkeit vorhalten lassen und in Zukunft Schnauze halten und Platten verkaufen. Wer aber warnt die armen Tanten?
* V. A.: »Rio Reiser: Familienalbum – Eine Hommage« (Safety Records/Edel)
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