Return of the GrievousAngel: Persönliche Schätze aus der weiten Welt der Kunst

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  • #11709789  | PERMALINK

    stormy-monday
    Natural Sinner

    Registriert seit: 26.12.2007

    Beiträge: 21,495

    Sehr schön mal wieder beschrieben, Grivousangel. Ich kenne die Platte gar nicht, aber jetzt bin ich sehr interessiert. Mal sehen, wo ich die herkriege.

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    #11709925  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,233

    grievousangel
    Die zweite und bessere LP der Shangri-Las ist in meinen Augen wirklich DAS verlorene Meisterwerk der 60er, das in Sachen Arrangements, Produktion, Songs und gesanglicher Darbietung zu dem besten gehört, was das letzte Jahrhundert hervorgebracht hat – ganz zu schweigen von seinen kosmischen Melodien. Über dieses Vermächtnis der coolsten Girl Group könnte gerne wesentlich öfter geschrieben werden.

    Das kann ich alles nur ganz dick und fett unterstreichen und bin Dir sehr dankbar für diese treffende Würdigung!

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    #11710543  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    latho
    Naja, er war im Dunstkreis, wie so viele. Allerdings kam er, das könnte der Unterschied gewesen sein, schon drogensüchtig an… Wie gesagt, Russells Geschichte, dass er als Kind Driscoll auf einem Markt in Topanga Canyon trifft und ihn enthusiastisch anspricht. Was Driscoll, neidisch auf die bei ihm verflossene Jugendlichkeit seines Gegenübers mit „Go away, kid and leave me the hell alone“ quittiert. Seinen einstigen Tagen nachweinend, völlig deformiert, auf Drogen. Das fand ich erschütternd.

    Absolut richtig, das sehe ich ganz genau so. Mein kurzer Schwenk sollte nur kurz festhalten, dass Driscoll von so manchem sachkundigen Zeitgenossen nicht nur als ehemaliger Disney-Kinderstar, sondern auch als begabter Künstler wahrgenommen wurde. Da nahm die Geschichte allerdings schon ihren tragischen Lauf.

    --

    #11710545  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    herr-rossi
    Das kann ich alles nur ganz dick und fett unterstreichen und bin Dir sehr dankbar für diese treffende Würdigung!

    Danke euch fürs Lesen und sehr gern geschehen, das kann ich fast als nachträgliches Geschenk verbuchen.  :rose:

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    #11710743  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Wenn wir an Disney-Filme denken, taucht vor unserem inneren Auge ein charakteristischer Zeichentrick-Stil auf, der sich von den späten 30ern bis zum Ende des Jahrtausends gehalten hat. Natürlich war man im Hause Disney bemüht, einen halbwegs einheitlichen Stil zu etablieren und behalten, den das Publikum auch direkt mit den Studios in Verbindung bringen konnte. Dass die Zeichner und Regisseure aber doch ganz unterschiedliche Stile und Qualitäten zu den Arbeiten mitbrachten, geht da leicht unter, wird aber selten so ersichtlich wie auf den folgenden drei Werken.

    Lady and the Tramp (Clyde Geronimi et al.; 1955)

    Die Verfilmung von der Lady und dem Tramp oder im deutschen Sprachraum Susi und Strolch ist trotz anfänglicher Verrisse eine der beliebtesten im Disney-Universum und stellt gleichzeitig ein interessantes Kuriosum dar. Diese kleine Liebes- und Eifersuchtsgeschichte über zwei Hunde aus verschiedenen Gesellschaftsschichten sollte nämlich der persönlichste Film sein, den Walt Zeit seines Lebens in Auftrag gab.

    Die Welt von Lady and the Tramp spielt in einem Amerika, das Walt aus seiner Kindheit kannte und von dem Mitte der 50er nicht mehr viel übrig war. Die Kleinstadt, in der sich die Ereignisse abspielen, ist von seinen Erinnerungen an Marceline, Missouri geprägt, wo er ein paar Jahre seiner Jugend verbrachte, die er rückblickend als die glücklichste Zeit seines Lebens bezeichnen würde. So sprüht der Film von wärmender Nostalgie und wohlwollender Reminiszenz an eine bessere und einfachere Zeit, bevor die Vereinigten Staaten endgültig im 20. Jahrhundert angekommen waren.

    Auch die Idee von diesem Film geht bereits in die 30er zurück, wurde im Lauf der Jahre mehrfach geändert und verschob den Fokus von Lady in Richtung einer love story mit einem zynischen Streuner, dessen Lebensrealität einen starken Kontrast zu ihrer darstellen sollte. Rausgekommen ist eine herzerwärmende Adaption, die in vielerlei Hinsicht brilliert. Um den Bogen zu der Einleitung zu schlagen und die Stilfrage zu klären: Lady and the Tramp ist fast Ozu-esque aus halber Höhe gefilmt, um den Blickwinkel aus Sicht der Hunde zu betonen. Die nostalgische Szenerie wird in warmen Farben und impressionistischen Formen festgehalten, was in der Liebesnacht der beiden Protagonisten und dem ersten Auftritt von Eyvind Earle als Nachfolger von Mary Blair gipfelt.

    Auf den ersten Blick wirkt Lady and the Tramp wie ein gemütlicher und harmloser Kinderfilm, dabei sind seine Themen mitunter durchaus komplex und seine Stimmung immer wieder ins Finstere abdriftend. Repräsentativ dafür ist eine Szene nach dem gemeinsamen Ausflug, als Ladys beide Freunde aus der Nachbarschaft bei ihrer Hundehütte vorbeischauen und anbieten, als Männchen an ihrer Seite bereitzustehen. Als Kind denkt man sich bei dieser bewusst subtil inszenierten Sequenz gar nicht so viel, doch dürfte es darum gehen, der wohl trächtigen Hündin aus Pflichtbewusstsein und tiefer Freundschaft eine Option anzubieten.

    Ich könnte noch viel weiterplappern und Dinge anführen, die mir jetzt spontan einfallen, dann würde ich mich aber von der Grundidee der heutigen Schilderung immer weiter entfernen. Lady and the Tramp ist auf alle Fälle ein vielschichtiger und wunderschöner Film, der mit großartig gezeichneten Figuren, wunderbar nostalgischem Flair und toller Musik wuchert und dabei vor allem als romantisierender Rückblick überzeugt. Und das auch noch erstmals in CinemaScope!

    Sleeping Beauty (Clyde Geronimi et al.; 1959)

    Remember Eyvind Earle, der die zentrale Szene von Lady and the Tramp mit seinen Illustrationen entscheidend mitgestaltet hat? Der darf sich am folgenden Werk voll und ganz austoben. War den Landschaften im Vorgänger noch ein naturalistisches Wesen inhärent, so paradiert Sleeping Beauty unter dem hochgehaltenen Banner des Style-Overkills im Gotik- und Renaissance-Ausdruck. Jede Szene ist aufwendig und detailreich animiert – nicht umsonst wurde die Adaption vom Märchen Dornrösschen zum bis dahin teuersten Film der Studios, der sein hohes Budget nicht einspielen konnte und dem Unternehmen nach einem Jahrzehnt der Stabilisierung und Expansion wieder rote Zahlen bescherte.

    Wie kein anderes Werk im Disney-Kanon verkörpert Sleeping Beauty den style over content-Gedanken. Das fängt schon dort an, wo der Wald zum heimlichen Star des Films aufsteigt. Jeder Strich, jede Form und jeder Farbtupfer in diesem Film erfreuen die Augen und gerade in diesem Wald erwacht jeder Baum und jeder Busch zum Leben. Auch die anderen Locations wie die beiden Schlösser sind unbeschreiblich schön ausgearbeitet.

    Ein weiteres Ass im Ärmel ist die Figur der Antagonistin Malefiz, die in ihrer bedrohlichen Natur alle bisherigen, cartoonhafteren Bösewichte in den Schatten stellt. Die ist auch gemeinsam mit den guten Feen mehr als notwendig, um die Schwächen der allein schon der Vorlage geschuldet wenig präsenten Hauptfigur und ihrem Prinzen zu kaschieren. Die erneut fantastische Musik und mitunter düstere Sequenzen runden ein visuelles Fest im mittelalterlichen Stil ab.

    Der Misserfolg an den Kinokassen sollte sich allerdings nicht nur auf die weitere Ausrichtung der Animations-Abteilung der Disney Studios auswirken, sondern auch dazu führen, dass nach Zeiten der erfolgreichen Märchen-Adaptionen dreißig Jahre kein Werk mehr auf einem Märchen basieren sollte. Obwohl Sleeping Beauty aufgrund seiner Charakteristika nicht so gute Chancen hat, die Menschen auf emotionaler Ebene zu erreichen wie die vorangegangen Spielfilme, so hat sich der Film über die Jahre doch seinen verdienten Platz im Disney-Olymp gesichert.

    One Hundred and One Dalmatians (Clyde Geronimi et al.; 1961)

    Nach dem Ende für Märchen stand eine Rückkehr zu den beliebten Vierbeinern an. Die 50er waren vorbei und Walt wurde – gerade nach den enttäuschenden Einspielergebnissen von Sleeping Beauty – von mehreren Seiten nahegelegt, die Animations-Abteilung auf Eis zu legen und den Fokus auf Live-Action, das populärer werdende Fernsehen und den Themenpark zu legen. Dieser wollte sich allerdings nicht von dem Konzept trennen, das ihm einst Erfolg und Ruhm brachte. Es sollte nur wenn möglich ein bisschen billiger sein. Und nicht mehr ganz so häufig.

    So kam eine neue Technik ins Spiel, die den Stil der Studios für die nächsten zwei Jahrzehnte prägen würde: das Xerox-Fotokopier-Verfahren, mit dem man die Zeichnungen direkt auf den Film bzw. die Hintergrundmalereien übertragen konnte und nicht mehr jede einzelne händisch mit Tinte ausmalen lassen musste. So verloren zwar mit einem Schlag zahlreiche Arbeiter („Inker“) ihren nicht mehr zeitgemäßen Job, langfristig konnte das Unternehmen aber günstiger und vor allem wesentlich zeiteffizienter produzieren.

    Bei One Hundred and One Dalmatians tat Walt seinen Zeichnern dennoch keinen großen Gefallen, immerhin mussten diese den 101 Dalmatinern für jede Zeichnung immer wieder die ganzen Punkte verpassen, was allein schon unzählige Stunden gedauert haben dürfte. Das Ergebnis kann sich allerdings sehen lassen und überzeugt wieder in einem ganz anderen Look als die beiden vorangegangenen Werke. Der skizzenhafte Charakter der Zeichnungen in Verbindung mit den bewusst simpel gehaltenen Inneneinrichtungen der zahlreichen Locations haben so einen lässigen Lo-Fi-Charme, der im krassen Gegensatz zu dem Prunk von Sleeping Beauty steht, eine tolle Symbiose mit dem erstmals zeitgenössischen Setting und dem prima eingefangenen Flair Londons seiner Zeit eingeht und dabei auch überhaupt nicht darüber hinwegtäuscht, wie viel Arbeit und Liebe in die Gestaltung geflossen ist.

    Da lässt es sich auch einfacher darüber hinwegblicken, dass nach einer beeindruckenden Opening-Sequenz und einem einmalig brillanten ersten Drittel der Rest des Films deren charmierende Vorzüge einer fesselnden, aber auch etwas gehetzten Befreiungsaktion zum Opfer fallen. Bei 101 Dalmatinern ist es auch selbstverständlich nicht so einfach, große Persönlichkeiten herauszuschreiben, was wiederum von den tollen Nebenfiguren und den lustigen und verrückten Bösewichten um Mastermind und devil in disguise Cruella de Vil aufgefangen wird.

    Man kann leicht nachvollziehen, warum One Hundred and One Dalmatians besonders unter dem jüngeren Publikum einen großen Favoriten darstellt. Süße Tiere, ein angenehmer Humor und viel Spannung lassen aber nicht nur die Herzen der Kinder höherschlagen. Wenn auch nicht mehr ganz so hoch in meiner Gunst wie vor zwanzig Jahren, markiert der Film doch auf ganz besondere Weise einen Paradigmenwechsel und einen Aufbruch in eine neue Ära.

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    #11711247  | PERMALINK

    ianage
    Ianage

    Registriert seit: 08.09.2018

    Beiträge: 964

    Wow! Vielen Dank für diesen anregenden, spannenden Thread, zurzeit echt das Highlight des ganzen Forums.

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    #11711487  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Sehr lieb von dir, vielen Dank!! :)

    Wäre schön, wenn andere das auch so sehen würden. Hatte insgeheim gehofft, dass hier auch kleine Diskussionen oder zumindest ein Austausch stattfinden könnte.

    --

    #11711549  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Ich bin nicht so der Disney-Afficionado. Dumbo, Robin-Hood, Susie und Strolch und Bernhard und Bianca habe ich als junger Mensch gesehen und sie in sehr guter Erinnerung behalten. Aber später nie wieder angeschaut. Und Donald Duck fand ich immer gut, Mickey Mouse dagegen nicht so, der war mir zu sehr Streber ;-)

    --

    #11711591  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Schade eigentlich! Vermutlich habe ich das Diskussionspotenzial bei Disney überschätzt. Bei „The Prison“ oder „Sweet Baby James“ überrascht mich die ausbleibende Resonanz aber doch etwas. Naja, mal sehen.

    --

    #11711643  | PERMALINK

    klausk

    Registriert seit: 17.05.2008

    Beiträge: 19,699

    grievousangel JAMES TAYLOR – Sweet Baby James (1970)

    Ganz frühes Lieblingsalbum ****1/2  ;-) track-by-track von mir hier
    Mud Slide Slim And The Blue Horizon (1971) mit You’ve Got A Friend zum dahinschmelzen, insgesamt etwas schwächer bei ****.

    --

    There is a green hill far away I'm going back there one fine day. I am free because I am the soul bird
    #11711651  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Weiß ich doch Klaus, habe ich alles gelesen…  :bye:

    …und mich gewundert, dass da ausnahmsweise mal nicht gleich eine komplette Diskographie besternt wurde.  :whistle:

    --

    #11711657  | PERMALINK

    klausk

    Registriert seit: 17.05.2008

    Beiträge: 19,699

    grievousangelWeiß ich doch Klaus, habe ich alles gelesen… …und mich gewundert, dass da ausnahmsweise mal nicht gleich eine komplette Diskographie besternt wurde.

    Das waren für mich halt die beiden besonderen Alben mit persönlichen Erinnerungen. Manchmal hat’s halt nicht für mehr gelangt. Hatte beide Alben damals in einer Doppelalbum-Version auf Vinyl.

    --

    There is a green hill far away I'm going back there one fine day. I am free because I am the soul bird
    #11711661  | PERMALINK

    august-ramone
    Ich habe fertig!

    Registriert seit: 19.08.2005

    Beiträge: 63,677

    grievousangelSchade eigentlich! Vermutlich habe ich das Diskussionspotenzial bei Disney überschätzt. Bei „The Prison“ oder „Sweet Baby James“ überrascht mich die ausbleibende Resonanz aber doch etwas. Naja, mal sehen.

    Klasse deine Anmerkungen zu dem Taylor Album und deinen Reisegründen und dem Bericht. Toll zu lesen, nachzuempfinden. Und dann die grandiose Würdigung der Shangri La’s. Ganz groß. Vielen Dank. Lese das sehr sehr gerne. Weckt wirkliches Unteresse, anmachend sozusagen. Nochmal: KLASSE!

    --

    http://www.radiostonefm.de/ Wenn es um Menschenleben geht, ist es zweitrangig, dass der Dax einbricht und das Bruttoinlandsprodukt schrumpft.
    #11711679  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    klausk
    Das waren für mich halt die beiden besonderen Alben mit persönlichen Erinnerungen. Manchmal hat’s halt nicht für mehr gelangt. Hatte beide Alben damals in einer Doppelalbum-Version auf Vinyl.

    Eh klar, bei deinem Ehrgeiz und als Komplettist hat es mich nur gewundert, gerade auch bei den hohen Wertungen.

    august-ramone
    Klasse deine Anmerkungen zu dem Taylor Album und deinen Reisegründen und dem Bericht. Toll zu lesen, nachzuempfinden. Und dann die grandiose Würdigung der Shangri La’s. Ganz groß. Vielen Dank. Lese das sehr sehr gerne. Weckt wirkliches Unteresse, anmachend sozusagen. Nochmal: KLASSE!

    Danke August, das freut mich sehr!  :bye:

    Mein Text zu Taylor war sicher der persönlichste, den ich je geschrieben hab. Und Shangri-Las-65! kann ich wirklich nur wärmstens empfehlen, eines meiner liebsten Alben aller Zeiten.  :heart:

    --

    #11712667  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Eigentlich wollte ich diese Gedanken ja gleich nach dem Kinobesuch niederschreiben, habe meine Eindrücke jetzt aber doch ein wenig setzen lassen. Hoffe, ich kann sie noch gut wiedergeben.

    Licorice Pizza (Paul Thomas Anderson; 2021)

    Fragt man mich, ob ich ein liebstes Filmgenre habe, würde ich mir zwar einige Gedanken machen, am Ende wäre es aber doch eine klare Sache. So nahe ich dem klassischen Drama, dem Film Noir, der Komödie oder dieser wunderbaren Nische namens Southern Gothic stehe, nichts begeistert mich seit jeher so sehr wie gut inszenierte Coming of Age-Geschichten. Auch wenn man über Genre-Bezeichnungen und -Zugehörigkeiten im Kino genauso gut streiten wie kann wie bei Musik, da wo ich an ergreifenden Episoden des Heranwachsens teilhaben kann, fühle ich mich nicht selten bestens aufgehoben. Nicht umsonst zählen Klassiker wie Splendor in the Grass oder To Kill a Mockingbird zu meinen ewigen Favoriten, während meine Lieblingsfilme der letzten Jahre wohl auch nicht zufällig folgende sind: Moonlight, Call Me by Your Name, Madeline’s Madeline und Waves.

    Obwohl ich Paul Thomas Anderson schon länger sehr schätze und vor allem Boogie Nights seit vielen Jahren in höchsten Ehren halte, hat es doch bis zum neunten Film gedauert, bis ich wunschlos glücklich aus dem Kino stapfen konnte. Die Gründe dafür sind vielseitig. Einerseits liegt das daran, dass das Los Angeles der frühen 70er, in das uns Anderson einführt, mit einer nostalgisch romantisierenden Verklärtheit gezeigt wird, die mich an Walt Disneys Marceline in Lady and the Tramp erinnert. Zwar machen sich zeitgenössische Probleme wie die Ölkrise durchaus bemerkbar, dies führt allerdings eher zu lustigen Sequenzen. Das Wetter ist prächtig, Karrieremöglichkeiten lauern hinter jeder Ecke und sogar Kids können ihren Geschäftsideen mit großem Enthusiasmus und ungetrübtem Elan nachgehen.

    In dieser Welt des Jahres 1973 finden sich auch viele interessante Figuren, teilweise reale Persönlichkeiten und teilweise solchen nachempfunden. Das bringt uns auch zum phänomenalen Cast, der tatkräftig mithilft, Licorice Pizza auf das höchste Level zu heben. Cooper Hoffman ist ein toller 15-jähriger Gary Valentine, der auf jenem Herrn basiert, der tatsächlich einst mit dem Verkauf von Wasserbetten und Flipperautomaten sein Glück versucht hat und dessen Anekdoten die Idee zum Film maßgeblich geprägt haben. Der Star der Show ist allerdings zweifellos Alana Haim, die ihren Vornamen im Film genauso behalten darf wie ihre beiden Schwestern und Eltern. Ihr Debüt auf der großen Leinwand beeindruckt mit der Natürlichkeit einer hochtalentierten Novizin, derer sich mit ihrem ungekünstelten Schauspiel kein Herz erwehren kann. Ihre Blicke, ihre Stimme und ihre generelle Ausstrahlung und Körpersprache machen die im Vergleich zu Valentine zehn Jahre ältere Figur so sympathisch und echt.

    Daneben sind es die überzeichneten Nebenfiguren, die dem Charme des Films in höchstem Maße zuträglich sind. Sean Penn als auf William Holden basierender, dem Alkohol alles andere als abgeneigter Schauspieler und Bradley Cooper als Jon Peters, dazu noch Tom Waits, Benny Safdie oder John Michael Higgins – sie alle gehen in ihren karikaturhaften Rollen auf und begeistern. Nicht vergessen darf man auch die tolle Kameraarbeit von Michael Bauman und Anderson selbst, welche die Szenen in wunderschönen, langen Aufnahmen festhält. Selbst Laufen hat selten so elegant und inspirierend ausgesehen.

    Auch wenn ich mir mit der Ausformulierung meiner Wertschätzung ein bisschen schwertue, möchte ich noch einmal zum Ausdruck bringen, dass ich Licorice Pizza für das erste Meisterwerk dieses Jahrzehnts und damit nicht nur zu PTAs bestem Film, sondern zu einem meiner liebsten überhaupt erklären darf. Visuell ergiebig, zwischen Komik und Emotion leichtfüßig transzendierend und ungehetzt voranschreitend und mit einem grandiosen Cast wird hier nicht nur eine eigentlich unmögliche Liebesgeschichte mit all seinen Widrigkeiten und Vorzügen großartig erzählt, sondern auch ein Lebensgefühl von Freiheit und unbegrenzter Möglichkeiten eingefangen, mit der wir diese Zeit – die frühen 70er, aber auch Sturm und Drang der Jugend – auf romantische Weise in Verbindung bringen.

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