Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Retromania | ist Pop tot?
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Wolfgang Doebeling20. Gibt es jemanden, der dem Wort „retro“ eine definitorische oder wertende Bedeutung beimisst und noch alle Tassen im Schrank hat?
21. Gibt es Musik, die nicht auch „retro“ ist?20. Ich halte den Begriff (allenfalls) dann für nutzbar, wenn ein bestimmter Stil der Vergangenheit mit dem (vergeblichen) Ziel größtmöglicher Authentizität wiederaufgeführt werden soll. So wie eine Brille „retro“ ist, die das Design einer Ray Ban aus den 50s akribisch kopiert. Insofern kann ich es durchaus nachvollziehen, wenn jemand eine solche Tendenz in der Musik unter dem Aspekt der aktuellen Relevanz auch für eine qualitative Wertung heranzieht. Wobei ich zB mit den Argumenten, Beispielen und Schlussfolgerungen von Reynolds große Probleme habe (soweit gelesen, habe das Buch recht schnell beiseite gelegt, weil es dann doch wichtigeres gibt).
21. In der Lesart von 20.: ja. Die Tendenz, ein bestimmtes Zeitgefühl möglichst historisch genau zu reaktivieren, ist ja bei den meisten Acts nicht bestimmendes Motiv ihres Schaffens.
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Rock ’Täuscht es mich eigentlich oder kommt die heftigste Retro-Kritik immer von Herren im gesetzten Alter?
Pop ist jung, gesetzte Herren sind alt. Insofern fehlt ihnen einerseits der echte emotionale Bezug zum aktuellen Pop, andererseits haben sie die Hörerfahrung, um eher analytisch dessen Entwicklung zu beurteilen. Das schlimme ist dabei nicht das Erkennen der musikalischen Entwicklung, sondern der meist fehlende Rückschluss auf die Popmusik der eigenen Jugendzeit.
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Monroe StahrPop ist jung, gesetzte Herren sind alt. Insofern fehlt ihnen einerseits der echte emotionale Bezug zum aktuellen Pop, andererseits haben sie die Hörerfahrung, um eher analytisch dessen Entwicklung zu beurteilen. Das schlimme ist dabei nicht das Erkennen der musikalischen Entwicklung, sondern der meist fehlende Rückschluss auf die Popmusik der eigenen Jugendzeit.
Die Popmusik von heute muss sich eben immer noch an den Verhältnissen der 60er messen lassen, obwohl die Popmusik selbst dazu beigetragen hat, diese Verhältnisse zu überwinden. Dennoch erwarten wir von der heutigen Popmusik, dass sie genauso revolutionär ist wie die Popmusik der 60er, obwohl das offensichtlich unmöglich ist.
Und das passiert diesen sehr klugen Leuten, obwohl sie im gleichen Atemzug immer wieder betonen, wie sehr sich die Verhältnisse geändert haben.--
Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75
Die Popmusik von heute muss sich eben immer noch an den Verhältnissen
der 60er messen lassen, obwohl die Popmusik selbst dazu beigetragen hat,
diese Verhältnisse zu überwinden. Dennoch erwarten wir von der heutigen
Popmusik, dass sie genauso revolutionär ist wie die Popmusik der 60er,
obwohl das offensichtlich unmöglich ist.Ausschneiden einrahmen, und an die Wand hängen!
Und genau das hat Theweleit ja auch schön herausgearbeitet:
Was früher in Subkulturen stattfand, ist in erlaubte Nischen
übergegangen. Es muss gar nicht mehr sub sein. Jeder findet jetzt
problemlos das, was er haben will oder braucht.
Damit ist die Grundlage für eine gemeinsame Gegenwehr gegen den
gesamtgesellschaftlichen Hauptzustand verschwunden. Das ist nicht
die Schuld der Menschen, sondern Folge einer gewachsener Liberalität.
Wenn Freiräume da sind, werden sie auch genutzt und man bringt sein
Leben nicht mehr damit zu, gegen etwas zu protestieren.Insofern kann ich die Kritk an dem Interview nicht nachvollziehen.
Man könnte ihm allerdings vorwerfen, dass er seinen geschmacklichen
Standpunkt hinsichtlich Amy Winehouse oder HipHop verabsolutiert,
anstatt ihn auch nur als eine Nische von vielen einzuordnen.--
Software ist die ultimative Bürokratie.Ausgerechnet Amy Winehouse als Beispiel für „retro“ anzuführen, halte ich mit für das Dümmste, was man überhaupt von sich geben in so einer Debatte. Weder klingen ihre Platten auch nur annähernd wie irgendwas aus den vergangenen Zeiten (Rehab, Back To Black, Fuck Me Pumps, Stronger Than Me…??) noch fallen mir viele Diven der letzten Dekade ein, die mehr im Jetzt gelebt, dieses Leben in frischen Songs abgebildet und damit den aktuellen Popsound geprägt haben.
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I like to move it, move it Ya like to (move it)Demon
Ausschneiden einrahmen, und an die Wand hängen!
Und genau das hat Theweleit ja auch schön herausgearbeitet:
Insofern kann ich die Kritk an dem Interview nicht nachvollziehen.
Man könnte ihm allerdings vorwerfen, dass er seinen geschmacklichen
Standpunkt hinsichtlich Amy Winehouse oder HipHop verabsolutiert,
anstatt ihn auch nur als eine Nische von vielen einzuordnen.Naja, das meinte ich mit dem „klassischen Fehler.“ Sehr häufig anzutreffen in den Sozialwissenschaften. Auf eine meinetwegen gute oder korrekte Analyse folgen hanebüchene Schlussfolgerungen (falls der zweite Schritt überhaupt gemacht wird). Naja, gerade bei der Schlussfolgerung hängt das ganze dann natürlch stark vom eigenen Standpunkt ab. In diesem Fall empfinde ich die Schlussfolgerung aber als zutiefst anmaßend und die gute Analyse geht nahtlos in Theweleits persönliche Meinung über ohne das da irgendeine Trennung gemacht wird.
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If I can't dance, I don't want your revolution!Sonic JuiceAusgerechnet Amy Winehouse als Beispiel für „retro“ anzuführen, halte ich mit für das Dümmste, was man überhaupt von sich geben in so einer Debatte. Weder klingen ihre Platten auch nur annähernd wie irgendwas aus den vergangenen Zeiten (Rehab, Back To Black, Fuck Me Pumps, Stronger Than Me…??) noch fallen mir viele Diven der letzten Dekade ein, die mehr im Jetzt gelebt, dieses Leben in frischen Songs abgebildet und damit den aktuellen Popsound geprägt haben.
Ich geh mal davon aus, dass das ironisch gemeint ist. Was mich ärgert ist nicht, dass Amy Winehouse als Retrokünstlerin par excellence angeführt wird, sondern dass ihre Beurteilung aus einer Perspektive geschieht, die so etwas wie wissenschaftliche Objektivität vorgaukeln soll, die in diesem Fall sogar fast schon bösartige Unterstellungen gegenüber des Konsumenten in sich trägt. Wenn er das als Meinung verkauft, ist das total in Ordnung. So finde ich es – jetzt wiederhole ich mich – anmaßend.
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If I can't dance, I don't want your revolution!nail75Während die Ableitung des „Retro“-Begriffs stimmen mag, ist die Rückbesinnung auf die ästhetischen Normen der Vergangenheit natürlich sehr viel älter.
Man kann sich ja mal mit dem Klassizismus auseinandersetzen oder mit Neo-Romanik und Neo-Gotik. Oder mit der Renaissance.
[…]
Neulich habe ich bei Norbert Wolff (Kunstepochen 19 Jhd.) eine Verteidigung des Historismus gelesen, auf den ja am ehesten „retro“ zutrifft – als eine durchaus neue Bauweise, eine neue Denkweise, das Entdecken der Geschichte und deren Interpretation.
Was Reynolds angeht: der hat schon einen kleinen Hau, oder? Retromania habe ich nicht gelesen, aber in Rip It Up läßt er ja kaum Stile nach den 60s gelten (noch nicht mal Punk) und landet bei seiner Suche nach der „wahren“ neuen Pop-Musik dann bei House und Techno.
Grundsätzlicher Denkfehler bei Reynolds und vielen anderen „Neu!“-Fetischisten: anzunehmen, dass es etwas komplett neues überhaupt geben kann, Kunst, aus dem Kopf eines Einzelnen, von allem Losgelösten entsprungen, der etwas noch nie Dagewesenes erschafft, kraft seines überragenden Geistes, während alle anderen nur wiederkäuen oder abkupfern. Das entspringt dem Genie-Denken und der Bohème-Vergötterung des 19 Jhds. und was wäre mehr retro als das?--
If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.lathoNeulich habe ich bei Norbert Wolff (Kunstepochen 19 Jhd.) eine Verteidigung des Historismus gelesen, auf den ja am ehesten „retro“ zutrifft – als eine durchaus neue Bauweise, eine neue Denkweise, das Entdecken der Geschichte und deren Interpretation.
Man kann sich alles schönreden. Das war reiner Formalismus, ein Spielchen mit den Versatzstücken der Baugeschichte ohne tieferes Verständnis der Entwicklung innerhalb einer baugeschichtlichen Epoche. So was ähnliches gab es ja auch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in den finsteren Jahren der sogenannten postmodernen Architektur.
Aber zurück zu Pop. „Retro“ ist absolutes Dummdeutsch für Werbefuzzis und ohne tiefere Bedeutung.
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What's a sweetheart like me doing in a dump like this?waMan kann sich alles schönreden.
Oder schlecht
wa
Das war reiner Formalismus, ein Spielchen mit den Versatzstücken der Baugeschichte ohne tieferes Verständnis der Entwicklung innerhalb einer baugeschichtlichen Epoche. So was ähnliches gab es ja auch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in den finsteren Jahren der sogenannten postmodernen Architektur.Postmoderne wäre für mich schon wieder etwas anderes, auch wenn der Historismus irgendwie daran erinnert.
Ich finde den Ansatz aber nicht schlecht, im Historismus etwas anderes als „Nachbauerei“ zu sehen.
Aber genug davon.wa
Aber zurück zu Pop. „Retro“ ist absolutes Dummdeutsch für Werbefuzzis und ohne tiefere Bedeutung.Zustimmung. Aber losgelöst vom Begriff gibt es nunmal zumindest Reynolds These, dass Pop heutzutage rückwärtsgewandt ist (und damit verkalkt).
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.Pop ist aktuelle, populäre, junge Zeitkunst und kann also per definitionem nicht „Retro“ sein.
Wenn eine Zeit keine populäre, viele Menschen gleichzeitig berührende Zeitkunst hat, dann ist das nicht das Problem des Pop, sondern ein Spiegel der Zeit.
Den US-50s- oder den Welt-60s-Veteranen vorzuwerfen, sie wären in eine Zeitzone hineingeboren worden, in der Zeitkunst umfassend war, ist an der Sache vorbei. Es gibt und gab halt Zeiten, in denen Zeitkunst nicht eine Sache von Randgruppen war, sondern bedeutender, weil fast alle umfassend war. Den Zeitzeugen nicht als Nostalgie, den Vor- oder Nachgeborenen nicht als Ignoranz vorzuwerfen.
Die Sehnsucht nach Pop ist eine Sehnsucht nach Gemeinsamkeiten. Die fehlen heutzutage.
Die Rückbesinnung auf Älteres (wenn man es denn „Retro“ nennen will) mag Ausdruck dieser Sehnsucht sein. Musikhistorisch interessant in diesem Zusammenhang, dass Ende der 70s/Anfang der 80s, kaum Jahre waren vergangen nach Punk, eine vielgestaltige „Retro“-Welle den Pop erfasst hatte: Ska, Mod, Rockabilly bevölkerten die Charts in neuen Varianten. Punk hatte offenbar derart die Zeitkunst aufgemischt, dass (Rück-)Besinnung ersehnt war. Nein, das war nicht „Retro“, das war aktueller Pop jener Zeit. Genauso spannend wie Vorheriges.
Warum’s jetzt und ob’s jetzt langweilig ist, muss man Jüngere fragen. Aber die haben auch kein Problem mit „Retro“. Das ist neu, was sie hören, das ist Pop, das ist an Ort und Stelle richtig und wichtig. Aber womöglich nicht mehr so weltumfassend wie Pop einmal war. Schlimm? Nein.--
FAVOURITEStolomoquinkolom
SIMON REYNOLDS – Retromania. Warum Pop nicht von seiner Vergangenheit lassen kannHast Du das Buch schon gelesen, tolo? Ich finde Reynolds‘ These interessant, dass die Pop-Innovationen oder das nächste große Ding möglicherweise aus einem Schwellenland kommen, da sich die Verhältnisse dort nun denen vom „Westen“ in den Sechzigern ähneln und dort der Glaube an den Fortschritt noch ungebrochen ist.
Rock ’Täuscht es mich eigentlich oder kommt die heftigste Retro-Kritik immer von Herren im gesetzten Alter? Zwischen den Zeilen schwingt oft der Tenor „was waren wir fortschrittlich“ und „die Jugend von heute“ mit. Erinnert mich an so manche Alt-68er, die sich ihr Denkmal selbst setzen wollten.
Simon Reynolds ist zwar nicht mehr der Jüngste, aber gewiss kein Rock’n’Roll-Nostalgiker. Eine gewisse selbstironische Note ist in „Retromania“ schon erkennbar, etwa in dem Kapitel, in dem er den Besuch eines Old Skool-Raves beschreibt.
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http://hyphish.wordpress.com "Every generation has its one defining moment. We are yours."nail75 …
Heute ist das natürlich ganz anders. Popmusik besitzt eine Vergangenheit und deshalb ist es möglich, sich darauf zurückzubesinnen bzw. diese wieder aufzugreifen. Und das geschieht natürlich auch. …Nichts hat sich verändert. Pop ist eine Welle, die irgendwann bricht.
Und dann kommt die nächste. „Und das geschieht natürlich auch“.Darf ich in diesem Zusammenhang mal fragen, wo einer der dämlichsten
Threads aller Zeiten geblieben ist: „Was ist Pop“ (oder so ähnlich).
Die Hauptprotagonisten waren meines Wissens das Bübchen mit dem
Mädchennamen und das Irrlicht (hat monatelang nur dummes Zeug
gepostet).--
Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)Blues to Bechet1. ja
2. nein
3. ja
4. nein
5. ja
6. nein
7. nein
8. ja
9. ja
10. nein
11. da
12. si
13. hai
14. non
15. ja
16. nein
17. njet
18. nein
19. arimasenja nai desu! (janeides!)
Ничего! (Nitschewo)
Nö!
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Je suis Charlie Sometimes it is better to light a flamethrower than curse the darkness. T.P.tolomoquinkolom
13. Weshalb blickt Popmusik so stark in den Rückspiegel?
14. Was bedeutet es, wenn Pop nichts Neues mehr einfällt?
15. Hat Popmusik eine Zukunft oder nur noch Vergangenheit?
16. Warum verzichtet Pop auf die Beute der Gegenwart?
17. Gibt es aus dem Hamsterrad der Retro-Zyklen ein Entrinnen?
18. Was kommt nach Pop?
19. Weshalb schmeckt frisch gepresster Orangensaft besser, als ein Konzentrat?Die Meisterin der Suggestivfragen am Werk.:) Die Fragen setzen ja voraus, dass die ihnen zugrunde liegende These, derzufolge Pop sich nur noch in „Retro-Zyklen“ bewegt, nicht weiter diskutiert werden muss. Da du aber ein echtes Interesse an aktueller Musik hast, kannst Du dieser These denn zustimmen? Ich nicht. Pop 2012 klingt anders als Pop 2002, als Pop 1992, als Pop 1982 usw. usw. … Je älter wir als Rezipienten werden, je länger wir das Geschehen verfolgen, desto mehr hören wir natürlich, welche Einflüsse und Vorbilder verarbeitet werden. Auch jüngere Hörer haben im Internetzeitalter viel leichteren Zugriff auf die Archive der Popmusik, so wie es vor zehn Jahren LCD Soundsystem in Losing My Edge beschrieben. Popmusiker haben dagegen immer schon aus dem Fundus geschöpft und sehr bewusst Einflüsse verarbeitet. Und daran ist überhaupt nichts verwerflich, im Gegenteil: Das gehört zum Wesen aller Künste.
Lustigerweise erklärt einem das jemand sehr gut, der von Pop nichts versteht und zu erklären versucht, was die E-Musik von der U-Musik fundamental unterscheidet, nämlich dass hier über Jahrhunderte eine Kunstsprache entwickelt wurde, die jedem als Basis geläufig sein muss und aus der jeder schöpft, der selbst als Komponist, Dirigent, Musiker usw. gestalten will. Das erläutert Joachim Kaiser hier liebenswert betulich.
Dieser von Kaiser behauptete Unterschied ist aber meiner Ansicht nach keiner, denn nicht anders verhält es sich mit der Popmusik (im weitesten Wortsinne): Auch hier gibt es eine ausdifferenzierte musikalische Sprache, die vielleicht noch nicht über mehrere Jahrhunderte zurückreicht, die sich aber mindestens bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, bis zum Beginn der modernen Formen der Verbreitung und Rezeption von Musik durch Radio, Tonträger usw.
@icculus66: http://forum.rollingstone.de/showthread.php?t=8893
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