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nail75Während die Ableitung des „Retro“-Begriffs stimmen mag, ist die Rückbesinnung auf die ästhetischen Normen der Vergangenheit natürlich sehr viel älter.
Man kann sich ja mal mit dem Klassizismus auseinandersetzen oder mit Neo-Romanik und Neo-Gotik. Oder mit der Renaissance.
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Neulich habe ich bei Norbert Wolff (Kunstepochen 19 Jhd.) eine Verteidigung des Historismus gelesen, auf den ja am ehesten „retro“ zutrifft – als eine durchaus neue Bauweise, eine neue Denkweise, das Entdecken der Geschichte und deren Interpretation.
Was Reynolds angeht: der hat schon einen kleinen Hau, oder? Retromania habe ich nicht gelesen, aber in Rip It Up läßt er ja kaum Stile nach den 60s gelten (noch nicht mal Punk) und landet bei seiner Suche nach der „wahren“ neuen Pop-Musik dann bei House und Techno.
Grundsätzlicher Denkfehler bei Reynolds und vielen anderen „Neu!“-Fetischisten: anzunehmen, dass es etwas komplett neues überhaupt geben kann, Kunst, aus dem Kopf eines Einzelnen, von allem Losgelösten entsprungen, der etwas noch nie Dagewesenes erschafft, kraft seines überragenden Geistes, während alle anderen nur wiederkäuen oder abkupfern. Das entspringt dem Genie-Denken und der Bohème-Vergötterung des 19 Jhds. und was wäre mehr retro als das?
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.