Miles Davis

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  • #352855  | PERMALINK

    katharsis

    Registriert seit: 05.11.2005

    Beiträge: 1,737

    Wie ist in diesem Zusammenhang zu erklären, dass Kenny Dorham mit Monk, Cecil Taylor und Joe Henderson aufgenommen hat sowie ausgerechnet auf „Point of Departure“ vertreten ist?

    Auch sollte man nicht ausser Acht lassen, dass Dorham und Davis das selbe Instrument spielen. Just ein dreiviertel Jahr vor „ESP“ trat Dorham auf „Point of Departure“ in Erscheinung und bezeichnet ersteres dann etwas später als avantgardistisches Album? Vielmehr könnte ich mir Neid aufgrund des großen Erfolges des Miles Davis Quintets vorstellen. Nach 1965 nahm Dorham keine LPs mehr für Blue Note auf, sondern eine handvoll Platten, die nicht unbedingt zu den großen Würfen zu zählen sind…

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    #352857  | PERMALINK

    nail75

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    Ich kann gerne bis zum Ende aller Tage wiederholen, dass Miles Davis niemals, nicht ein einziges Mal, irgendeinen Track aufgenommen oder gespielt hat, den man nach herkömmlichen Kategorien als Free Jazz bezeichnen kann. Dass Davis in musikalischer Hinsicht extrem innovativ war, hat damit nichts zu tun. Er war innovativ und kompromisslos, aber mit Free Jazz wollte er nichts zu tun haben. Und kommerzielle Erwägungen haben ihn immer beschäftigt, das zieht sich durch die ganze Biographie. Er stammt aus dem Mittelstand, hatte Angst vor Armut und empfand Stolz, wenn er viel Geld verdiente, das er auch brauchte, um seinen Lebenstil und seine fast lebenslange Drogensucht zu finanzieren. Das alles schließt sich keineswegs aus: Miles war ein widersprüchlicher Mensch: Kompromisslos, was seine künstlerische Vision angeht und kommerziell, was sein Bestreben angeht, möglichst viele Zuhörer zu erreichen.

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    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #352859  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Na, Du sagst ja oben, der Gund sei, dass Miles sich „in Richtung Free-Jazz/Avantgarde entwickelt“ – das heisst ja noch nicht, dass er auf „E.S.P.“ Free-Jazz gemacht hat. Dass es zwischen Dorhams Musik der 50er als auch der 60er und dem zweiten Quintett von Miles bedeutende Unterschiede gibt lässt sich ja kaum bestreiten, oder? Und dass die Tendenz in Richtung „Avantgarde“ (um mal das schlimme F-Wort zu lassen) geht find ich auch eine vertretbare Aussage!

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #352861  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,173

    Musik ist nun einmal immer auch ein Abbild gesellschaftlicher Strukturen und die 60er waren eine Zeit, in der viele nach Innovation, d.h. dem Überschreiten bisher akzeptierter Grenzen und dem Experiment mit neuen Formen der Musik strebten. Miles spielte mit dem second classic quintet fraglos diejenige Musik, die am nächsten in Richtung „Avantgarde/Free-Jazz“ ging, aber von den viel weitergehenden Experimenten von Ayler, Dolphy, Coltrane doch noch ein gutes Stück entfernt blieb. Ende der 1960er gab Miles aber jegliche Versuche in diese Richtung auf und wurde zum großen Innovator durch den Einsatz elektrischer Instrumente und dem Schritt hin (!) zur Rock/Funkmusik. Dadurch wurde er genausowenig zum Rockmusiker wie er vorher ein Freejazzer gewesen war.

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    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #352863  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Ich sehe das eben nicht als ein Aufgeben und eine Neuorientierung sondern als einen, in sich völlig stimmigen Prozess! Das geht vom second quintet über ins lost quintet und von da an kann man die Entwicklung dank der Columbia-Boxen (In a Silent Way, Bitches Brew, Jack Johnson, Cellar Door, On the Corner) fast lückenlos verfolgen. Einen eigentlichen Bruch sehe ich da wirklich nicht!

    Auch sehe ich die frühesten Jazzrock Projekte (Miles, die ersten Mahavishnu und Lifetime Alben, frühe Weather Report) als Musik, die genauso offen und spannend ist wie die „eigentlich“ Avantgarde-Musik der 60er.

    Was Du zur gesellschaftlichen Veränderung schreibst stimmt natürlich! Und ich denke gerade deswegen ist die Musik aus den 60ern auch so unglaublich vielfältig und spannend!

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    #352865  | PERMALINK

    newk

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    Beiträge: 428

    nail75Ich kann gerne bis zum Ende aller Tage wiederholen, dass Miles Davis niemals, nicht ein einziges Mal, irgendeinen Track aufgenommen oder gespielt hat, den man nach herkömmlichen Kategorien als Free Jazz bezeichnen kann.

    Ein kurzes Zitat aus dem Buch über Miles Davis von Peter Niklas Wilson http://www.oreos.de/miles.htm:
    „Und eine paradoxe Fußnote zum Kapitel „Miles Davis und der Free Jazz“ sei nicht unterschlagen: Zu einer Zeit, als er nach Meinung vieler seine Musik an den Kommerz verraten hatte, spielte Davis‘ Band zumindest auf den Konzertbühnen tatsächlich Free Jazz in Reinkultur – man höre nur die Filmore-Mitschnitte von 1970.“

    --

    #352867  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Bloss weil Wilson das schrieb muss nail es ja noch lange nicht glauben… äh, für richtig halten ;-)

    Aber das ist genau mein Punkt, dass es eben keinen Bruch gibt sondern eine kontinuierliche Entwicklung (hat redbeans ja oben auch erwähnt). Klar, dir Rhythmik ändert sich, der Einbezug elektrischer Instrumente kann auch als Zugeständnis missverstanden (wenn Miles ja eh schon immer missverstanden wird…) werden, aber die Musik wird ja doch immer offener, freier, und zugleich komplexer, reicher an Texturen, zugleich afrikanischer und europäischer… ich sehe schon, ich muss dringend mal wieder Zeit mit der „On the Corner“ Box verbringen!

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    #352869  | PERMALINK

    newk

    Registriert seit: 09.10.2008

    Beiträge: 428

    Sehe ich im Grunde auch so, daß es eine kontinuierliche Entwicklung gibt. Allerdings geht mir da irgendwann das verloren was ich bei Davis besonders schätze. „Filles de Kilimanjoro“ finde ich großartig, aber auf „In a Silent Way“ und den späteren Alben passiert mir dann irgendwie gleichzeitig zuviel und zu wenig.

    --

    #352871  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    „Mademoiselle Mabry“ für die spätere Betty Davis :dance: :sonne: :lach:

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    #352873  | PERMALINK

    newk

    Registriert seit: 09.10.2008

    Beiträge: 428

    Die ist ja die Schuldige!

    --

    #352875  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,593

    grad einen organissimo post gefunden, der mir irgendwie zu passen scheint, von hier, Post 20,

    I think when you get into „interpreting“ the emotional content of Miles‘ music, you’re doomed to a resolution in ambiguity, because by all accounts, this was one „complicated“ individual who not only had a bunch of opposite tendencies at play internally, but was also one who made no attempt to resolve them either: Bisexual (rumored) vs. Pussyhound, Nice Guy vs. Total Asshole, Sensitive Lover vs. Wife Beater, Man Of The Street vs. Bourgeois Negro, you name it, if there’s a conflict to be had, Miles probably not only had it, but played to it but publically and privately. I think it’s this confluence of opposites (I can’t really call them „conflicts“, because I see no signs of them being anything other than welcomed by Miles) that makes the easy labelling such as „vulnerable“ etc. fallacious and over simplistic.

    geht zwar um einen andere Aspekt von Miles – aber diese Erkenntnis, dass die Widersprüche zu Miles dazugehören und man was verliert, wenn man sie auflöst, find ich zunehmend überzeugender, auch hier…

    --

    .
    #352877  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,173

    gypsy tail windIch sehe das eben nicht als ein Aufgeben und eine Neuorientierung sondern als einen, in sich völlig stimmigen Prozess! Das geht vom second quintet über ins lost quintet und von da an kann man die Entwicklung dank der Columbia-Boxen (In a Silent Way, Bitches Brew, Jack Johnson, Cellar Door, On the Corner) fast lückenlos verfolgen. Einen eigentlichen Bruch sehe ich da wirklich nicht!

    Dann hast Du mir etwas vorraus, denn eine stimmige und logische Entwicklung kann ich nur bis „Jack Johnson“ nachvollziehen, danach ist der Wandel aus meiner Sicht eher erratisch und nur aus der Musik schwer nachzuvollziehen, wenn man nicht auf externe Informationen zurückgreift. On The Corner kann man meiner Meinung nach nicht zwanglos aus Jack Johnson ableiten und Dark Magus ist sicherlich eher das Gegenteil von In A Silent Way, denn sein Nachfolger. Wie gesagt: Bis 1970 kann man das aus der Musik nachvollziehen, aber auch nicht vollständig: Die avantgardistischen Elemente treten hervor und verschwinden wieder. Einen Bruch gab es nie, so funktioniert Miles nicht. Seine ganze Karriere kennt keinen einzigen musikalischen Bruch.

    Auch sehe ich die frühesten Jazzrock Projekte (Miles, die ersten Mahavishnu und Lifetime Alben, frühe Weather Report) als Musik, die genauso offen und spannend ist wie die „eigentlich“ Avantgarde-Musik der 60er.

    Ja, das sehe ich auch so. Viele Jazzfreunde haben dazu aber eine dezidiert andere Meinung.

    Was Du zur gesellschaftlichen Veränderung schreibst stimmt natürlich! Und ich denke gerade deswegen ist die Musik aus den 60ern auch so unglaublich vielfältig und spannend!

    Ja!

    newkEin kurzes Zitat aus dem Buch über Miles Davis von Peter Niklas Wilson http://www.oreos.de/miles.htm:
    „Und eine paradoxe Fußnote zum Kapitel „Miles Davis und der Free Jazz“ sei nicht unterschlagen: Zu einer Zeit, als er nach Meinung vieler seine Musik an den Kommerz verraten hatte, spielte Davis‘ Band zumindest auf den Konzertbühnen tatsächlich Free Jazz in Reinkultur – man höre nur die Filmore-Mitschnitte von 1970.“

    Ja……nein!
    Wenn man Free Jazz so definieren will, dann spielten The Grateful Dead auch Free Jazz.
    Es stimmt aber, dass avantgardistische Tendenzen 1969/1970 nochmals zurückkehren, wie auch 1973-1975. Danach waren sie nie mehr gesehen.

    gypsy tail wind
    Klar, dir Rhythmik ändert sich, der Einbezug elektrischer Instrumente kann auch als Zugeständnis missverstanden (wenn Miles ja eh schon immer missverstanden wird…) werden, aber die Musik wird ja doch immer offener, freier, und zugleich komplexer, reicher an Texturen

    Ja und dann wird sie wieder weniger frei und dann wieder freier. So ist das eben mit Miles. Einfache Antworten kann man da vergessen, deshalb gibt es ja zwei dutzend Bücher über ihn, die alle auf ihre Weise unbefriedigend sind.

    Der Einsatz elektrischer Instrumente ist aber kein „Zugeständnis“, sondern eine bewusste musikalische Entscheidung. Miles mochte Popmusik und was er da hörte, beeinflusste ihn.

    redbeansandrice
    geht zwar um einen andere Aspekt von Miles – aber diese Erkenntnis, dass die Widersprüche zu Miles dazugehören und man was verliert, wenn man sie auflöst, find ich zunehmend überzeugender, auch hier…

    :sonne:

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #352879  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

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    Da löst sich ja alles wieder in eitel Freude auf… ich werde irgendwann mal mich hinter den „electric Miles“ machen und zu gegebener Zeit dann berichten, ob ich die logische Entwicklung sehen kann oder nicht!

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #352881  | PERMALINK

    alexischicke

    Registriert seit: 09.06.2010

    Beiträge: 1,776

    Seine freiste Periode war sicherlich die Zeit 70/71 nach Silent Way.In den 80zigern ist er mir zu kommerziell.

    Alex

    --

    #352883  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,173

    alexischickeSeine freiste Periode war sicherlich die Zeit 70/71 nach Silent Way.In den 80zigern ist er mir zu kommerziell.

    Alex

    Alex, Dein nick steht links deutlich sichtbar. Du musst Deine Beiträge nicht unterschreiben. :-)

    Kennst Du die 73er Aufnahmen aus Montreux und Wien, Dark Magus, Agharta, die Bottom Line Aufnahmen des gleichen Jahres und ähnliches? Würdest Du sagen, dass diese Aufnahmen freier oder weniger frei sind als die der Jahre 1970 und 1971? Wenn Du sagst nach „In A Silent Way“, an welche Aufnahmen denkst Du da?

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