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gypsy tail windMich nervt diese persönliche Attacke von gestern immer noch sehr, icculus.
Das war mal wieder absolut unnötig und für mich ein Beweis dafür, dass manch einer nicht in der Lage ist Kritik an Marsalis‘ ideologischen Statements zur Musik von seinen (wie auch immer gelagerten) Qualitäten als Musiker zu trennen. Ich finde das meiste, was Marsalis in der Vergangenheit von sich gegeben hat auch meist fragwürdig, erkenne ihn aber durchaus als versierten Musiker an, dessen Musik mich aber in keinster Weise berührt und daher auch kaum interessiert.
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WerbungatomDas war mal wieder absolut unnötig und für mich ein Beweis dafür, dass manch einer nicht in der Lage ist Kritik an Marsalis‘ ideologischen Statements zur Musik von seinen (wie auch immer gelagerten) Qualitäten als Musiker zu trennen. …
Genau das werfe ich gypsy vor.
atom… Ich finde das meiste, was Marsalis in der Vergangenheit von sich gegeben hat auch meist fragwürdig, erkenne ihn aber durchaus als versierten Musiker an, dessen Musik mich aber in keinster Weise berührt und daher auch kaum interessiert.
So formuliert kann ich das akzeptieren.
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Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)Dann ist dein Vorwurf an gypsy tail wind aber haltlos. Er hat doch zu keinem Zeitpunkt etwas gegen Marsalis‘ musikalische Qualitäten gesagt sondern nur gegen seine verbalen. Immerhin hat er das gestern auch noch mal selbst auf den Punkt gebracht:
gypsy tail windIch habe das Können von Marsalis nie in Zweifel gezogen, ich habe mich darüber gar nie geäussert. Zweifellos hat er technisch sehr viel drauf, mich hat’s schlicht und einfach nie interessiert (weniges habe ich gehört, gekauft hab ich nie etwas). Nochmal: in all meinen Posts zu Marsalis ging es nicht um dessen Können, sondern um seine sehr laut geäusserten Ansichten zum Jazz, die nun mal stark ideologisch gefärbt sind. Das passt mir nicht, dazu darf ich mich wohl äussern, auch wenn ich über seine Musik wenig weiss, davon wenig kenne… denn mit seinen Aussagen greift er die Substanz von etwas an, an dem mir sehr viel liegt.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...Gut möglich, dass gypsy die musikalischen Fähigkeiten tatsächlich schätzt.
In den ganzen Posts (nicht nur von gypsy) zu Wynton hatte ich nur den
Eindruck, dass Wynton hier zum Windbeutel gemacht wird. Deshalb die „Grätsche“.--
Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)icculus66Genau das werfe ich gypsy vor.
Ach komm, es wird langsam peinlich. Kannst Du lesen, ja?
Ich hab schon mehrmals gesagt, dass ICH MICH NICHT ÜBER MARSALIS DEN MUSIKER ÄUSSERE, SONDERN ÜBER MARSALIS DEN IDEOLOGEN? Okay jetzt?icculus66So formuliert kann ich das akzeptieren.
Und wenn ich das oben (und auch anderwso) schon mehrmals ganz ähnlich formuliert hast, nennst Du mich im Gegenzug absolut, ja?
Ich habe z.B. geschrieben:
gypsy tail windIch habe das Können von Marsalis nie in Zweifel gezogen, ich habe mich darüber gar nie geäussert. Zweifellos hat er technisch sehr viel drauf, mich hat’s schlicht und einfach nie interessiert (weniges habe ich gehört, gekauft hab ich nie etwas).
gypsy tail wind… auch wenn ich von mir eigentlich nicht mal behaupten kann, Wyntons riesiges Werk nur am Rande zu kennen – wenn ich Bullshit lese, dann werd ich auch sagen, dass das Bullshit ist. Dazu brauch ich seine Alben nicht zu kennen.
Ich stehe dazu, dass ich seine Musik schlecht kenne, ich stehe dazu, dass mich das wenige, was ich kenne, kalt lässt, dass ich daher keine Lust habe, mehr Zeit in seine Musik zu investieren… es gibt noch soviel anderes, was ich nicht kenne und so vieles, was ich kenne, aber gerne eingehender hören würde.
Damit ist diese leidige Diskussion nun hoffentlich abgeschlossen.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaicculus66Gut möglich, dass gypsy die musikalischen Fähigkeiten tatsächlich schätzt.
In den ganzen Posts (nicht nur von gypsy) zu Wynton hatte ich nur den
Eindruck, dass Wynton hier zum Windbeutel gemacht wird. Deshalb die „Grätsche“.Ach Gottchen… ich schätze sie nicht, sie interessieren mich nicht.
Ich urteile daher auch nicht über sie (man mag das Desinteresse als Urteil betrachten, j’m’en fous).--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaEs ist wahrscheinlich eine blöde Idee, mich noch einmal mit dem Marsalis-Interview auseinanderzusetzen, aber das folgende Zitat ist einfach eine zu gute Vorlage:
And the bass and the drums determine the identity of your music. What they do most of the time determines what you’re playing. Like, if most of the time they’re playing something on clave, then you’re playing Latin music. If you’re playing [something] that has a second line feel then you’re playing New Orleans music. If it’s a 4/4 type of swing, you’re playing jazz music. That doesn’t mean you can’t use all those elements. The question is, what are you most comfortable doing? Maybe you do all of those things? But then, you don’t have an identity. If things don’t have an identity they can’t be taught. That’s my problem with the non-identity school. You can’t teach somebody something that’s nothing.
Böse Zungen behaupten… alles klar?
Auch das ist kein Statement über Marsalis‘ musikalisches Können – aber gerade er ist der grosse Repertoirisierer des Jazz, ich kann mir daher nicht helfen, mich diebisch über diese Aussage zu freuen.
Die Statements über den Jazz-Rock und die Rock-Musik, die folgen, sind dann etwa in selbigem Masse elitär, wie Marsalis die Avantgarde für elitär hält (siehe meinen ersten Post zu diesem Interview):
JazzTimes: Like Tony Williams when he formed Lifetime. He went against the grain with that band but had his basis in Miles’ music.
Marsalis: He was just trying to relate to the rock musician. My personal opinion about [fusion]: it’s like rock itself. If you were there it was a great way to meet women and have a good time. If it was part of the soundtrack of your life; you’re compelled to defend it because that’s how you grew up, that’s what you know. But it’s the death toll for jazz musicians. Because it puts the amateur musician on the highest level and it took the professional musician and demoted them to the point of being a has-been.
Was Marsalis hier verschweigt ist, dass es auch unter den anerkanntesten, bedeutendsten Jazzern Autodidakten gab, Musiker, die nicht Notenlesen konnten, kein oder nur sehr rudimentäres theoretisches Wissen über Musik besassen. Den Gegensatz zwischen dem (professionellen) Jazzmusiker und dem (amateurhaften) Rockmusiker ist eine künstliche Konstruktion, die nicht weit trägt.
Später legt er noch nach:
…how rock just came in and took over, how suddenly a non-musician could be elevated above a real musician.
Was Marsalis in der Folge über Ellington sagt, über seine Hoffnung und sein Ziel, dass „Jazz“ in grossen Hallen in bester Qualtität überall aufgeführt werde, wie das mit klassischer Musik der Fall ist – da denkt er komplett ahistorisch, vergisst jegliche sozial- und gesellschaftsgeschichtlichen Bezüge, die im Verlauf der Jazz-Geschichte nicht vernachlässigt werden dürfen.
… The style that they play is actually older than bebop. And a lot of things exist out of time. There’s this belief that music and art is going to proceed the same way that technology proceeds. Like, you know William Johnson the painter? You look at his painting and it’s considered to be modern art but also kind of a quasi-folk art. And even though it’s in the 20th century it’s not considered to be more progressive than what Monet or Cezanne or even Goya, who was like a hundred and something years before him. You don’t look at it and say, “Well, that was done in 1933 so then that means it has to be more progressive.” It’s not necessary for a thing to be chronological for it to be of any value or not of value. But there’s this kind of way that we look at stuff where we are confusing art with technology. Like, there’s nothing wrong with William Johnson’s paintings. It’s not like it’s bad for him to paint in the style that he paints in. In the same way, there’s nothing wrong with Robert Johnson playing the way he played in the 1920s when Louis Armstrong and Duke Ellington were doing much more inventive things. It’s just another form; it’s another way of playing. Or just like there’s nothing wrong with Ornette Coleman playing with a kind of two-beat feel, like a Caribbean band would play, when Charlie Parker is playing in 4/4 and playing all this stuff and people like Cannonball Adderley and Miles Davis and Coltrane and Sonny Rollins are doing all these different things. But when you take a style like the style of Ornette Coleman and say because that took place in 1959 it’s somehow more sophisticated or it’s more avant garde or a more forward reaching statement than something that Duke Ellington wrote in 1947, like “The Tattooed Bride,” or even what King Oliver’s band played in 1923, the music does not bear that out. If you had to just deal with that as a conception out of time, the concept of seven or eight people playing together the way King Oliver’s band did or four people playing the way Ornette Coleman’s quartet did, you would definitely come to the conclusion that the King Oliver conception is much more avant garde.
Grad die Aussagen gegen Ende des Zitates zu Ornette, Ellington und King Oliver machen nur Sinn, wenn man die Musik der drei völlig ohne Bezug zu ihrer Entstehungswelt betrachtet. Zudem scheint mir Marsalis etwas trotzig zu argumentieren, wenn er eben am Ende sagt man käme zum Schluss, dass Olivers Konzept avantgardistischer sei… schon oben sagt er, Armstrong und Ellington seien „more inventive“ als Robert Johnson. Solche Aussagen verraten doch ihrerseits eine gewisse Fortschrittsgläubligkeit von Seiten Marsalis – dabei lehnt er diese doch anscheinend so klar ab und will quasi die ganzen hundert Jahre Jazzgeschichte als gleichzeitiges Ereignis betrachten, als Selbstbedienungsladen, als Baukasten, aus dem man sich Elemente greifen kann, um seinen eigenen „Jazz“ zu machen. Mit dieser Vorgehensweise wird man aber mit grosser Wahrscheinlichkeit Musik machen, die keine Referenzpunkte in der sie umgebenden sozialen und politischen Wirklichkeit hat, Musik, die sich nur auf einen Kanon bezieht, der schon zünftig gefiltert wurde und vieles ignoriert, was eben genau aus dem Bezug auf seine Gegenwart seine Relevanz gewonnen hatte.
Dabei belass ich es jetzt aber.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy tail wind
Dabei belass ich es jetzt aber.Das ist wahrscheinlich besser, denn es lohnt auch nicht den Aufwand, oder?
Verstehe sowieso nicht, wieso Dich Marsalis‘ Aussagen so aufregen. Etwa, weil er den unbedarften Jazz- Hörer mit seinen Aussagen auf die falschen Pfade führt ?--
life is a dream[/SIZE]ferryDas ist wahrscheinlich besser, denn es lohnt auch nicht den Aufwand, oder?
Verstehe sowieso nicht, wieso Dich Marsalis‘ Aussagen so aufregen. Etwa, weil er den unbedarften Jazz- Hörer mit seinen Aussagen auf die falschen Pfade führt ?Weil er die mit Abstand grösste „Macht“ ist im Feld des Jazz – mit den weitaus grössten finanziellen Mitteln ausgestattet ist, weil man seine Stimme (ausserhalb der kleinen Jazz-Gemeinde) wohl oft hört und für die Stimme des Jazz hält, die sie aber ganz und gar nicht ist. Weil er eine hidden agenda mit sich rumträgt, weil Jazz seiner Ansicht nach zur reinen Repertoire-Musik verkommen sollte (er sieht das als Aufstieg… Jazz soll so aufgeführt werden wie die grossen Werke der europäischen Klassik – dabei schimpft er immer auch über den Einfluss der europäischen Intellektuellen, ha!)… um mal die wichtigsten Gründe zu nennen.
Aber an sich befasse ich mich nie mit Marsalis – ist mir nicht wichtig genug. Bloss wenn ich drauf gestossen werde, und dann regt sich halt der Geist des Widerspruchs
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaOK, dann kann ich das schon sehr gut verstehen.
Wynton hat aber auch mächtige Freunde (Achtung Witz )
Last week, however, jazz advocate Wynton Marsalis met with President George W. Bush and the White House economic team to discuss the worsening situation for America’s jazz artists and a possible stimulus package.
Marsalis was quoted as saying: “I think it’s important for the government to understand that our musical recession has actually been worsening since the demise of New York’s 52nd Street scene in the early 50’s and thanks to the racket these kids call “Hip Hop”. They really should have seen this coming. Once Miles went electric, it’s all been down hill.” As Marsalis continued, “I think that a strong monetary stimulus package and a mandatory listening of Duke Ellington records should encourage a healthy economic recovery.”
President Bush responded to these comments by replying that: “Mr. Margolis has a very good point here. The country will be in dire straights if we lose our “jazzy” beats. I mean, personally, I always enjoy a little Kenny G in the evening while I try to woo the First Lady.”
Bush also commented that a global consensus on the state of the jazz economy will have to be reached. “The way things stand; America’s jazz artists just can’t compete with the lower paid jazz artists currently flooding the market from China.”
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Das Problem bei Wynton ist, dass er die Deutungshoheit über den Jazz besitzt und dabei komplette, nicht nur musikalische Vollidioten wie Georgie, the younger (nur für den Erkennungsautomaten unter uns) in Entscheidungspositionen bei sich weiß. Das führt natürlich zu dem üblichen Missbrauch. —- Hören wir uns eine gute Platte an, um dann zu entscheiden! Sind wir wirklich unbestechlich? Na, ich hoffe doch.
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ferry
Achtung WitzNaja, eigentlich könnte mein Beitrag ja witzig sein, wenn es nicht so traurig wäre.
@bgigli:
Unbestechlich ? Meinst Du das im Bezug auf die Musik, also unvoreingenommen ?
Über Wynton Marsalis kann ich mir gar kein Urteil erlauben, da ich seine Musik gar nicht kenne. Aber die ganzen Zitate könnten in seinem Fall schon dazu führen, dass ich seine Musik schon im Vorhinein ablehne.--
life is a dream[/SIZE]
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Über Wyntons Musik ist hier bisher auch gar nicht gesprochen worden, sondern nur über seine ideologischen Merkwürdigkleiten, wenn es um Jazz im allgemeinen und die angeblich richtige Sichtweise auf ihn geht.
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Ich weiß jetzt, was ich wissen wollte.
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Free Jazz doesn't seem to care about getting paid, it sounds like truth. (Henry Rollins, Jan. 2013)Ich mag diese Wendigkeit, Brillanz und den Swing von Marsalis. So etwas ist einfach super. Aber sonst interessiert mich seine Musik nicht, auch nicht die ganze irgendwie „klassisch“ angehauchte Art seiner Jazz-Darbietung. Ich bin in vielem nicht seiner Meinung und sein Jazz-Verständnis schließt auch das aus, was ich an „modernem“ Jazz besonders mag.
Doch ich schätze Marsalis wegen seines Engagements, seiner scharfen Zunge, seinem Witz, Charme … Er ist authentisch, verkörpert seine Linie überzeugend und meisterhaft und ist ein ausgezeichneter Kommunikator für den Jazz, der eine enorme Sache auf die Beine gestellt hat: Er hat den Jazz in den USA für eine breite bürgerliche Schicht zu einer attraktiven Sache gemacht, vermittelt eine Menge Kenntnis und Verständnis an viele Leute, denen Jazz sonst unbekannt geblieben wäre oder die ihn für ungenießbares Zeug hielten. Ich finde es wichtig, dass der Jazz eine breite Basis hat, dass ein Bewusstsein für die Meister der Tradition aufrechterhalten wird und Jazz als afro-amerikanische Kultur mit Stolz gepflegt wird.
Den Ken-Burns-Film finde ich ausgezeichnet. Er hat in den USA einer riesigen Menge von Fernsehern den Jazz auf wirklich ansprechende und durchaus niveauvolle Weise nahe gebracht. Es ist notwendig und angemessen, dass der Film die avantgardistischen Jazz-Bereiche weglässt, denn so etwas vergrault die Fernseher nur. Das muss man doch seit mindestens einem halben Jahrhundert wissen. Und das Weglassen schadet auch niemandem: Wer sich so weit mit Jazz beschäftigt hat, dass er sich für Cecil Taylor interessieren könnte, wird ihn finden. Er braucht dazu keinen Ken-Burns-Film. Das ist doch ein Witz: Was immer Marsalis auch über so genannte „Free Jazzer“ gesagt hat: Das nimmt doch keinem von ihnen auch nur einen Hörer weg. Und hindert niemanden, sich für „Free Jazz“ zu interessieren. Würde von Avantgarde überhaupt noch wer reden, wenn es Marsalis nicht täte?
Die allermeisten „Klassik“-Fans stehen auf Beethoven, Mozart, Bach usw. und mögen keine „Moderne“. Die „Moderne“ ist ein kleiner Bereich mit einem speziellen Publikum. Der „klassische“ Bereich und die „Moderne“ bestehen nebeneinander und haben am Rande gewisse Überschneidungen, die für den „modernen“ Bereich förderlich sind. – Was sollte es für einen Sinn machen, Besuchern der Bregenzer Festspiele einreden zu wollen, sie sollten gefälligst „modern“, „zeitgemäß“, „progressiv“ sein und Stockhausen hören?
Im Jazz hat man eine Menge Leute damit vergrault und damit die ökonomische Basis und die Akzeptanz des Jazz verschlechtert. Die meisten Leute glauben, modernen Jazz zu hören, sei eine Qual. Marsalis machte genau das Richtige: Er distanzierte sich konsequent von allem, was für das breite Publikum ungenießbar ist und bereitet den Leuten ein Jazz-Erlebnis, das sie genießen können. Amiri Baracke, der vielleicht bedeutendste Fürsprecher der Avantgarde in den USA der 1960er und 70er Jahre, sagte schließlich, er gehe lieber in ein Marsalis-Konzert. Ist so!
Der Ärger über Marsalis kommt von einer Realität, die anzuerkennen man sich zu lange geweigert hat: Die echt schwierigen Bereiche des Jazz sind kaum lebensfähig. „Free Jazz“ kann auf Unis und Konservatorien überleben – sonst nur unter deprimierenden Umständen, mit denen sich kaum jemand abfinden kann. Neuere Strömungen, die nicht „free“ sind, aber komplex, kommen auch kaum über die Runden. Man kann allen Leute, die nicht die Musik mögen, zu der man selbst gefunden hat, vorwerfen, sie seien ungebildet, dumm, ignorant, konsumsüchtig, rückständig, verständnislos, seelenlos … Es macht die Dinge nicht besser! Es gab schon lange, bevor laut Jazz-Literatur die große Unübersichtlichkeit ausbrach, sehr unterschiedliche Linien, eine Menge Konkurrenz, viel zu wenige Hörer für viel zu viele Musiker, viel Streit … Es ist ein reichhaltiger Markt mit prächtigen Wahlmöglichkeiten!
Übrigens: Marsalis‘ Buch „Jazz, mein Leben“ ist „das reinste Lesevergnügen, ein sehr persönliches und tiefgründiges Buch über Musik“ – das sagte Toni Morrison, eine wissende Frau! Man muss nicht das Buch durchchecken und bei allem, was nicht dem eigenen Jazz-Verständnis entspricht, laut aufheulen. Er hat seine Sicht und die ist in einem tiefgehenden und sehr positiven Spirit verwurzelt. – Als er jünger war, mag er zu provokant und verletzend gewesen sein. Aber das sind eben alles extreme Kämpfer. Und wenn man sich selbst gerne Gedanken macht, dann sind andere Meinungen nicht bedrohlich, sondern anregend. Und was die Logik anbelangt: Ich finde, Musiker-Aussagen muss man oft mehr gefühlsmäßig verstehen. Eine zu analytische Sicht verwirrt einen da oft nur.
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Schlagwörter: Empfehlungen, Fragen, Jazz-Empfehlungen
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