Country – eine reaktionäre Musik?

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  • #7047105  | PERMALINK

    tolomoquinkolom

    Registriert seit: 07.08.2008

    Beiträge: 8,651

    Hier ist ja plötzlich wieder etwas los!?

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    #7047107  | PERMALINK

    tolomoquinkolom

    Registriert seit: 07.08.2008

    Beiträge: 8,651

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    CHRIS WILLMAN – Rednecks & Bluenecks: The Politics of Country Music

    Willmans Buch über die Roten und Blauen ist keine Abhandlung über Country Music oder deren Geschichte und auch keine über Parteipolitik. Willman befasst sich mit den politischen Ansichten und Gesinnungen von Country Music Künstlern zwischen den Anschlägen in New York, der entstandenen patriotischen Welle und George W. Bushs Wiederwahl. REDNECKS & BLUENECKS ist sowohl Country Music Fans zu empfehlen, als auch Leuten, die sich für politische Ansichten und Dispositionen interessieren, welchen man unterhalb professioneller Politik- und Politikerstatements und -veröffentlichungen in Amerika begegnen kann. Der Autor lässt Liberale, Konservative und auch die dazwischen zu Wort kommen. Es ist ebenfalls eine lohenswerte Lektüre für jene, die gerne Interviews lesen, in denen Akteure des Interesses selbst und ungeschminkt zu Wort kommen dürfen. Willman doziert nicht, sondern lässt erzählen.

    Dass der Autor persönlich eher nach Links neigt, kann man zwar aus diesem überraschend fairen Buch herauslesen, ist aber ohne belang. REDNECKS & BLUENECKS ist weder eine Abrechnung noch eine Huldigung, sondern dem Autor gelingt eine bemerkenswerte Balance von links und rechts, von rot und blau, er urteilt nicht, wirft nichts vor, sondern lässt die Beteiligten ausführlich erzählen und überlässt dem Leser die Einordnung des Gelesenen. Besonders gelungen sind Passagen, in denen Interviewpartner ihre vorsichtige Zurückhaltung ablegen und offen über sich und andere Künstler zu reden beginnen. Eine der ganz großen Überraschungen des Buches in diesem Zusammenhang sind die Einblicke in die politischen Ansichten von Toby Keith oder auch von Ronnie Dunn. Natürlich entstehen zwangsläufig neben sehr erhellenden Einblicken auch weniger helle, wenn unerwartet naive oder einfältige Ansichten zu Politik, Gesellschaft und sozialen Problemen zu Tage treten.

    Willman macht sich Gedanken über Zusammenhänge von ländlicher Arbeiterklasse bzw. Bevölkerung, Country Music und GOP (der republikanischen Grand Old Party). Auch hier zeigt er auf, ohne anzuzeigen. Er beschäftigt sich mit der besonderen Beliebtheit von Country Music im Süden der USA und der Nähe zu republikanischem Gedankengut, weist auf die zunehmende Neigung von Politikern hin, über bestimmte Musik an Wählerstimmen zu gelangen, und er geht ein auf Alternative Country, dem Zufluchtsort der Opposition in einem musikalisch und politisch zweigeteilten Land. In einem gesonderten Kapitel geht es um die Umstände und Folgen, die – zumindest in den Augen einiger Amerikaner – aus den beliebten und erfolgreichen Dixie Chicks übernacht Pariahs in bestimmten Kreisen der Gesellschaft machten, weil sie an Bushs Irakkrieg unpatriotisch Kritik übten. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der Geschichte des Polit-Songs in der Country Music – und ein anderes widmet sich Merle Haggards Verbindungen zu Bob Dylan.

    Festzuhalten bleibt nach der Lektüre von REDNECKS & BLUENECKS, dass es in der Branche sowohl Linke als auch Rechte Gesinnungen gibt (nicht überraschend), und dass stereotype Vorurteile gegenüber nur einer oder beiden dieser politischen Positionen der Country Music in Gänze nicht wirklich gerecht werden. Auch im Zusammenhang mit dem – manchmal übertriebenen – Patriotismus amerikanischer Künstler muss man relativieren. Nicht alle Patrioten und ihre Äußerungen sind automatisch dem Rechten Lager zuzuordnen. Eine andere Zuordnung, Rockmusik sei links und Mainstream Country Music rechts, ist in seiner Allgemeingültigkeit nicht zu halten, dafür sind gegenseitige Durchdringungen auf Künstlerebene zu deutlich und ebenso die eingetretene Wandlung der Szene in und außerhalb von Nashville.

    Geschichten über bzw. Interviews mit u.a. Steve Earle, Travis Tritt, Kix Brooks, Ronnie Dunn, Toby Keith, Rodney Crowell, Ricky Skaggs, Willie Nelson, Merle Haggard, Kris Kristofferson, Clint Black, Drive By Truckers, The Dixie Chicks, Linda Ronstadt, Nanci Griffith, Roseanne Cash, Gretchen Wilson, Lee Ann Womack, Sara Evans, Alan Jackson, John Mellencamp, Tim McGraw, Buddy Miller.

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    #7047109  | PERMALINK

    sonic-juice
    Moderator

    Registriert seit: 14.09.2005

    Beiträge: 10,983

    Merci, Tolo, für die sehr einladende und wohlformulierte Einschätzung zu diesem Buch! In einer idealen Forumswelt wäre dies der Eingangspost zu einem stets konstruktiven, sachlichen und respektvollen Diskussions-Thread namens „Country – eine reaktionäre Musik?“. Wohlan, alles zurück auf Start.

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    #7047111  | PERMALINK

    b-b-grunt

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 782

    Natürlich waren die Südstaaten der USA (zumindest) in den ersten zwei Dritteln des letzten Jahrhunderts nicht nur die Brutstätte für gute Musik, sondern auch ein ziemlich rassistisches Pflaster, allein (unter anderem auch) die Radiowellen haben die Mauern im Kopf zum Wackeln gebracht und Leute haben dieselbe Musik gehört (z.B. der junge Ray Charles und der junge Johnny Cash hörten beide sowohl die Grand Old Opry wie auch diverse Sender, die race music spielten ), die noch lange nicht in dieselben Vergnügungsstätten durften und sonst höchstens noch an den Straßenecken die gleichen Künstler kennenlernten.

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    If you dance, you might understand the words better. David Byrne
    #7047113  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    B.B. GruntNatürlich waren die Südstaaten der USA (zumindest) in den ersten zwei Dritteln des letzten Jahrhunderts nicht nur die Brutstätte für gute Musik, sondern auch ein ziemlich rassistisches Pflaster

    Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ok, der Rassismus ist nicht mehr so gewalttätig, Schwarze werden nicht gelyncht oder ermordet, sie dürfen wählen, die Rassentrennung ist weg. Aber der Rassismus, der ist immer noch sehr mächtig.

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    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #7047115  | PERMALINK

    der-hofacker

    Registriert seit: 07.04.2005

    Beiträge: 1,588

    http://www.welt.de/kultur/musik/article108765150/US-Rocker-rufen-zum-Mord-an-Obama-auf.html

    Wenn man sich das hier anschaut, dann muss man sich auch mal fragen, wie reaktionär eigentlich die Rockmusik inzwischen ist. Ich habe das dumpfe Gefühl, das derlei Denken nicht auf Einzelfälle beschränkt ist. Kein Wunder, schließlich ist Rock ja ohnehin schon lange nicht mehr an eine latent linke Weltanschauung gebunden…

    Was Country angeht: Ich finde es eher müßig, darüber zu spekulieren, wer wann in Nshville wahrgenommen wurde und wer nicht und wer unangepasst war und wer nicht. Ich glaube, Musiker funktionieren anders. Es hat auch in den vierziger/fünfziger Jahren in Nashville schon eigenwillige Persönlichkeiten gegeben.
    Im übrigen denke ich, dass Keith Richards diese Sache naturgemäß sehr subjektiv beurteilt und dass Gram Parsons Soloplatten respektive das Werk der Burritos erst Jahre nach seinem Tod nennenswerten Impact bekamen. Sweetheart Of The Rodeo war bekanntlich ein katastrophaler Kommerz-Flop und fand zunächst auch nicht wirklich viel Nachahmer/Fans. Ich denke, da muss man den Einfluss von Dylans Nashville Skyline, von The Band und Buffalo Springfield innerhalb der Szene höher veranschlagen.

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    #7047117  | PERMALINK

    joshua-tree
    Back from the Grave

    Registriert seit: 17.05.2005

    Beiträge: 17,455

    nail75Aber der Rassismus, der ist immer noch sehr mächtig.

    Sicherlich gibt es in den Südstaaten einem Menge Rassisten, aber auch nicht mehr als in Kalifornien, Montana oder New York.

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    #7047119  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Joshua TreeSicherlich gibt es in den Südstaaten einem Menge Rassisten, aber auch nicht mehr als in Kalifornien, Montana oder New York.

    Naja, Montana ist bis auf Indianer fast komplett weiß, da spielt diese Art von Rassismus keine so große praktische Rolle.

    Der Süden ist nach meiner Erfahrung jedenfalls – und dafür gibt es unzählige Belege – sehr viel rassistischer als der Rest der USA, auf jeden Fall als Kalifornien und New York. Ich kann dir bei Bedarf aus eigener Erfahrung eine Menge Beispiele liefern. Die weißen Südstaatler haben einen Krieg geführt, um die Versklavung der Afro-Amerikaner bis in alle Ewigkeit weiterzuführen. Dieses Erbe ist nicht völlig verschwunden.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #7047121  | PERMALINK

    b-b-grunt

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 782

    Ich hab hier http://forum.rollingstone.de/showpost.php?p=1435&postcount=1 einmal versucht etwas über „unsere“ Volksmusik zu schreiben.

    Und irgendwie trifft das meines Erachtens auch bei Countrymusik zu: Die funktioniert immer dann am besten, wenn sie „Geschichten von unten“ besingt und denjenigen eine Stimme verleiht, die selbst nicht die Möglichkeit haben, laut zu werden. Wo Pop zum Verdrängen neigt und Vergessen ermöglicht (wie war das mit dem Opium des Volkes ?) ist guter Country subversiv, einfach deshalb, weil er den Standpunkt erinnert, von dem aus er gesungen wird.

    Problematisch wird das ganze, wenn die Musik vom Establishment vereinnahmt wird. Genau das ist meines Erachtens in den Sechziger- und Siebzigerjahren in den USA geschehen. Weil das politische Establishment damals vermehrt von liberalen Stadtmenschen (mit-) bestimmt wurde, haben die Konservativen plötzlich vermehrt, um ihre ländlichen Wählerinnen und Wähler gebuhlt. Das haben sie auch mithilfe der Musik gemacht, die viele dieser Menschen hörten. Damit wurde ein Wir-Gefühl geschaffen, das – entsprechend politisch manipuliert – als Ausdruck des Selbstverständnisses und der Stärke verstanden wurde (ökonomisch oder politisch ist so ein Wir-Gefühl, das Ölmillionäre mit arbeitslosen Landarbeitern verbindet, natürlich absurd).

    Erreicht wurde damit aber, dass die „Musik von unten“ plötzlich zur „Musik der Mehrheit“ (oder zumindest der moral majority) gemacht und damit Kraftmeierei betrieben wurde. „Musik von oben“ halt, auch wenn es nur um die Lufthoheit im lokalen Drive-In ging. Dass die Musik damit ihre Seele verloren hat, ist eine andere Geschichte ….

    --

    If you dance, you might understand the words better. David Byrne
    #7047123  | PERMALINK

    joshua-tree
    Back from the Grave

    Registriert seit: 17.05.2005

    Beiträge: 17,455

    nail75Der Süden ist nach meiner Erfahrung jedenfalls – und dafür gibt es unzählige Belege – sehr viel rassistischer als der Rest der USA, auf jeden Fall als Kalifornien und New York. Ich kann dir bei Bedarf aus eigener Erfahrung eine Menge Beispiele liefern.

    Ich war selbst zu häufig in den USA um andere Eindrücke zu haben. Damit sollten wir das Thema ruhen lassen.

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    #7047125  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Joshua TreeIch war selbst zu häufig in den USA um andere Eindrücke zu haben. Damit sollten wir das Thema ruhen lassen.

    Ich habe ein Jahr in den Südstaaten gelebt. Ich könnte dir einige ziemlich großartige Stories erzählen, zum Beispiel von dem Bekannten aus Mississippi, der mir den Unterschied zwischen einem „nigger“ und einem „negro“ erklärte.

    Ganz kurz noch: Der Süden verhält sich zu den restlichen USA ein wenig wie Österreich zu Deutschland. In Österreich sind offen antisemitische und rassistische Äußerungen möglich, die in Deutschland absolut undenkbar wären. Was den tatsächlichen Rassismus angeht, ist die Kluft aber keineswegs so weit. In Österreich ist der Rassismus nur offener.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #7047127  | PERMALINK

    joshua-tree
    Back from the Grave

    Registriert seit: 17.05.2005

    Beiträge: 17,455

    nail75Ich habe ein Jahr in den Südstaaten gelebt. Ich könnte dir einige ziemlich großartige Stories erzählen, zum Beispiel von dem Bekannten aus Mississippi, der mir den Unterschied zwischen einem „nigger“ und einem „negro“ erklärte.

    Und ich könnte dir von einem Freund erzählen der mit einer Afro-Amerikanerin verheiratet ist und in Alabama lebt. Das bringt nichts.

    Dein Vergleich mit Österreich halte ich schlichtweg für Blödsinn.

    --

    #7047129  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Joshua TreeUnd ich könnte dir von einem Freund erzählen der mit einer Afro-Amerikanerin verheiratet ist und in Alabama lebt.

    In Alabama? Respekt. Ich denke gerade nach, aber ich glaube die einzige schwarz-weiß gemischte Ehe, die ich kennengelernt habe, waren die Royal Tenenbaums.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #7047131  | PERMALINK

    joshua-tree
    Back from the Grave

    Registriert seit: 17.05.2005

    Beiträge: 17,455

    nail75In Alabama? Respekt. Ich denke gerade nach, aber ich glaube die einzige schwarz-weiß gemischte Ehe, die ich kennengelernt habe, waren die Royal Tenenbaums.

    Er kommt aus West Viriginia und seine Frau aus Chicago. Gemischte Paare habe ich in Tennessee, Alabama und Louisiana mehrere gesehen.

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    #7047133  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Joshua TreeEr kommt aus West Viriginia und seine Frau aus Chicago. Gemischte Paare habe ich in Tennessee, Alabama und Louisiana mehrere gesehen.

    Gesehen – ok. Aber ich habe nie eines kennengelernt. Auch an der Uni waren „schwarz-weiße“ Paare extrem selten.

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