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Ich hab hier http://forum.rollingstone.de/showpost.php?p=1435&postcount=1 einmal versucht etwas über „unsere“ Volksmusik zu schreiben.
Und irgendwie trifft das meines Erachtens auch bei Countrymusik zu: Die funktioniert immer dann am besten, wenn sie „Geschichten von unten“ besingt und denjenigen eine Stimme verleiht, die selbst nicht die Möglichkeit haben, laut zu werden. Wo Pop zum Verdrängen neigt und Vergessen ermöglicht (wie war das mit dem Opium des Volkes ?) ist guter Country subversiv, einfach deshalb, weil er den Standpunkt erinnert, von dem aus er gesungen wird.
Problematisch wird das ganze, wenn die Musik vom Establishment vereinnahmt wird. Genau das ist meines Erachtens in den Sechziger- und Siebzigerjahren in den USA geschehen. Weil das politische Establishment damals vermehrt von liberalen Stadtmenschen (mit-) bestimmt wurde, haben die Konservativen plötzlich vermehrt, um ihre ländlichen Wählerinnen und Wähler gebuhlt. Das haben sie auch mithilfe der Musik gemacht, die viele dieser Menschen hörten. Damit wurde ein Wir-Gefühl geschaffen, das – entsprechend politisch manipuliert – als Ausdruck des Selbstverständnisses und der Stärke verstanden wurde (ökonomisch oder politisch ist so ein Wir-Gefühl, das Ölmillionäre mit arbeitslosen Landarbeitern verbindet, natürlich absurd).
Erreicht wurde damit aber, dass die „Musik von unten“ plötzlich zur „Musik der Mehrheit“ (oder zumindest der moral majority) gemacht und damit Kraftmeierei betrieben wurde. „Musik von oben“ halt, auch wenn es nur um die Lufthoheit im lokalen Drive-In ging. Dass die Musik damit ihre Seele verloren hat, ist eine andere Geschichte ….
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If you dance, you might understand the words better. David Byrne