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AutorBeiträge
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friedrichMuito obrigado, @go1!
(…) Ich weiß nicht, wo die Grenze der Teilmenge „MPB“ innerhalb der Gesamtmenge „Brasilianische Musik“ verläuft. Ist das eine eher chronologische Unterscheidung? Prinzipiell bin ich am Großen und Ganzen interessiert und da an einem repräsentativen Querschnitt. Mein bisheriger Zugang kommt eher von der Bossa, also dem alten Zeug her …De nada.
Was das „Große Ganze“ angeht, würde ich sagen: Brasilianische Musik ist ähnlich vielfältig wie nordamerikanische Musik. Ich selbst konzentriere mich auf ein paar Ausschnitte (Samba, Bossa nova, MPB) und nehme die meisten Genres nur am Rande mit (Forró, Choro, brasilianischen Jazz…). Manches interessiert mich überhaupt nicht (so wird in Brasilien zum Beispiel viel Rock- und Countrymusik produziert – música sertaneja usw.; da habe ich bisher nicht das Gefühl, dass ich das alles kennen lernen will). Einen repräsentativen Querschnitt könnte ich also beim besten Willen nicht liefern (und jede halbwegs repräsentative Liste müsste weit mehr als zehn Alben umfassen – allein schon deshalb, weil man mehr als zehn Genres unterscheiden kann).
Was MPB betrifft, liegst Du nicht falsch mit Deiner Vermutung: MPB kam nach Bossa nova, beginnend in der zweiten Hälfte der 60er Jahre. McGowan und Pessanha schreiben dazu in ihrem Buch The Brazilian Sound: „In the late 1960s and early 1970s, a new group of composers and musicians came into prominence in Brazil. Their music was dubbed MPB, an acronym for música popular brasileira. It referred to a whole generation of artists such as Edu Lobo, Geraldo Vandré, Elis Regina, Chico Buarque, Milton Nascimento, Dori Caymmi, Simone, Caetano Veloso, Gilberto Gil, Maria Bethânia, Gal Costa, Alceu Valença, Geraldo Azevedo, João Bosco, Ivan Lins, and Djavan. MPB can be used for Brazilian popular music in general, but it has become a common label for these performers, and those who followed in their footsteps, whose music defies easy categorization. It is eclectic, varying greatly in style from artist to artist, and developed from a collision of bossa nova, regional folk music, protest songs, samba, rock and roll, the Tropicália movement, and other influences. These elements were mixed together in such a way that the final result cannot be placed into any particular genre such as bossa, samba, forró, or rock. Instead, it is a new category, and MPB has proved to be a convenient name for it. An especially important characteristic of MPB songwriters is their keen ability to combine compelling melodies, rich harmonies, varied rhythms, and poetic lyrics.“ Poetische, verschlüsselte Texte waren auch deshalb wichtig, weil die lyrics an der Zensur vorbei mussten (das war die Zeit der Militärdiktatur in Brasilien, nach dem Putsch von 1964). Von dieser „ersten Generation“ der MPB kann man eine „zweite Generation“ von jüngeren Künstlern unterscheiden, die seit den späten 80er Jahren an das Vorbild der genannten Künstler anknüpfen (stellvertretend für diese zweite Generation steht ein Star wie Marisa Monte).
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Sehr guter Post, sehe ich genau so.
Ich habe mich viele Jahre mit brasilianischer Musik beschäftigt, was in brasilianischen CD Läden im MPB-Fach steht, ist so vielfältig, dass MPB als Genre eigentlich gar nicht taugt.
Ich habe persönlich mit den Plaťten die ab Mitte der 80er erschienen kaum noch beschäftigt. Wenn ich in Brasilien war habe ich mir zwar Neuerscheinungen angehört, aber nur selten gekauft und gehört.
Seitdem Vinyl wieder mein Medium wurde, kam nichts Neues mehr in die Sammlung.Forro höre ich aber mitunter ganz gerne, ähnlich wie Cajun, mit der richtigen Partnerin auch ein Tanzvergngen.
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friedrichPrinzipiell bin ich am Großen und Ganzen interessiert und da an einem repräsentativen Querschnitt.
puh, nichts schwerer als das ich schreibe hier einfach mal ein paar alben auf, ohne die ich nicht leben könnte, da gibt es auch übereinstimmungen zur bisherigen liste, wie ich sehe. richtig aktuelle sachen kenne auch ich nur wenige, vergleichsweise neue darunter dürften dir vielleicht auch gar nicht gefallen, sowas hier z.b. (ist aber auch schon über 10 jahre alt und von der bossa nicht recht herleitbar…)
also:
joão gilberto | JOAO GILBERTO (1973)
caetano veloso | TRANSA
edu lobo | CANTIGA DE LONGE
zelia barbosa | SERTAO & FAVELAS
jorge ben | NEGRO E LINDO
chico buarque | CONSTRUCAO
caetano veloso & gal costa | DOMINGO
elis regina & zimbo trio | O FINO DO FINO
moacir santos | COISAS
tom zé | TOM ZE (1970)--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Ich suche mal meine alte Liste um dann ebenfalls einige Empfehlungen posten zu können.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Jorge Ben – die ersten 3 Alben (Samba Esquema Novo/ Sacundin Ben Samba / Ben E Samba Bom)
Marcos Valle – Previsao Do Tempo/ Garra/ Samba 68
Jose Mauro – Obnoxius
Carlos Lyra – Saravah
Edu Lobo – Cantiga De Longe/ Sergio Mendes Presents Edu Lobo/ Edu Lobo
Os Mutantes – dto/ A Divina Comédia Ou Ando Meio Desligado/ Mutantes (1969)
Gilberto Gil – Expresso 2222 / Louvacao / Gilberto Gil (1968)
Vinicius de Moraes/Bethania/ Toquinho – En La Fusa
Ivan Lins – Quem Sou Eu/ Deixa O Trem Seguir/ Agora
Novos Baianos – Novos Baianos F.C./ Acabou Chorare
Chico Buarque – alles bis 1980
Ze Ramalho – dto
Lara Neao – Dez Anos Depois
Arthur Verocai – dto
Lo Borges – (Tenis )
Caetano Veloso – dto (1968)/ dto (1969)
Frühen Bossa und Samba habe ich nicht berücksichtigt.
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Muito obrigado, @vorgarten und @shirl!
Meine Frage nach einer Handvoll Favoriten der brasilianischen Musik war sicher etwas allgemein gestellt. Hätte wohl genauso gut nach einer Handvoll Favoriten us-amerikanischer Musik fragen können. Aber ich bin halt Laie, und stelle daher dumme Fragen.
Der Hintergrund meines Interesses ist, dass ich vor kurzem in einen Jazz-Blindfold Test hier im Forum ein paar Stücke brasilianischer Herkunft eingeschmuggelt hatte, ohne mich wirklich damit auszukennen. Und dann dachte ich: Da gibt es sicher noch einiges zu entdecken! Vielleicht ein schönes Vorhaben für diesen Sommer.
Ein von vorgarten erwähntes Album (joão gilberto | JOAO GILBERTO (1973)) habe vor einigen Tagen bei einem Elektronikmarkt in der Grabbelkiste gefunden. Auch 1973 noch sehr Bossa-beeinflusst und sehr gut. Immer wieder als Empfehlung ausgesprochen wird Chico Buarque CONSTRUCAO – wie auch hier im thread. Das dürfte dann eine meiner nächsten Anschaffungen sein.
Vorerst habe ich mir aber mal die Compilation Brazil Classics 1 – Beleza Tropical bestellt. Mal hören, ob das wirklich eine tropische Schönheit ist.
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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)friedrich
Ein von vorgarten erwähntes Album (joão gilberto | JOAO GILBERTO (1973)) habe vor einigen Tagen bei einem Elektronikmarkt in der Grabbelkiste gefunden. Auch 1973 noch sehr Bossa-beeinflusst und sehr gut.das white album… wenn du was hybrideres hören möchtest, würde ich ein paar empfehlungen der kollegen ernster nehmen, lo borges z.b. oder jose mauro. man kann ja fast alle alben komplett auf youtube hören. aber der luaka-bop-sampler sieht auch gut aus.
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Bin bei der Recherche über Zwölftonmusik über Eunice Catunda (Katunda) gestoßen, die laut Wikipedia brasilianische Volksmusik mit Zwölftonmusik verband (also wohl nichts für Leibowitz). Ob da wirklich Zwölftonmusik drinsteckt, mag ich nicht beurteilen. Hört sich irgendwie sehr tonal an.
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friedrich
Ein von vorgarten erwähntes Album (joão gilberto | JOAO GILBERTO (1973)) habe vor einigen Tagen bei einem Elektronikmarkt in der Grabbelkiste gefunden. Auch 1973 noch sehr Bossa-beeinflusst und sehr gut.das white album… wenn du was hybrideres hören möchtest, würde ich ein paar empfehlungen der kollegen ernster nehmen, lo borges z.b. oder jose mauro. man kann ja fast alle alben komplett auf youtube hören. aber der luaka-bop-sampler sieht auch gut aus.
Ja, das Weiße Album, wobei der Bezug zum anderen Weißen Album ausschließlich in der überwiegenden Farbe des Covers besteht. Ich hatte das Album bereits ohne jeden Effekt im „Ich höre gerade …“-Thread erwähnt. Ob hybrid oder nicht, es gefällt mir in seiner Art sehr gut. Zum Hybriden komme ich später.
Kann man ruhig mal hier rüber kopieren, oder?
João Gilberto (1973)
Noch so eine ganz unaufgeregt wirkende, filigran swingende Platte mit minimalistischer Gitarrenbegleitung und Perkussion. Wobei Gitarre und Perkussion hier sehr schön ineinander greifen und man nicht mehr so genau weiß, ob die Instrumente den understateten Gesang begleiten oder umgekehrt. Und eigentlich weiß ich auch nicht, ob das alles ganz einfach ist oder sehr raffiniert oder was …Auf dem zweiten Stück „Undiú“ wird nur noch gesummt:
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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)friedrichJa, das Weiße Album, wobei der Bezug zum anderen Weißen Album ausschließlich in der überwiegenden Farbe des Covers besteht.
… und im vehementen verfechten der these, dass dieses album der absolute höhepunkt im gesamtwerk seines schöpfers ist – durch einige wenige (u.a. mich)
das bonfá-solo-album, was du drüben gepostet hattest, klingt aber auch sehr interessant. das habe ich noch nicht.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Die zwei Spätwerke João & Voz e Violao höre ich recht gut, sicher nicht auf einer Höhe mit den ersten drei Alben oder dem weißen Album, aber dennoch empfehlenswert.
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shirlDie zwei Spätwerke João & Voz e Violao höre ich recht gut, sicher nicht auf einer Höhe mit den ersten drei Alben oder dem weißen Album, aber dennoch empfehlenswert.
ja, absolut, bei gilberto-alben gibt es ja eigentlich nur die unterscheidung zwischen sehr gut und überragend. ich persönlich habe ja einen soft spot für AMOROSO, aber das ist sicherlich geschmackssache.
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vorgarten
friedrichJa, das Weiße Album, wobei der Bezug zum anderen Weißen Album ausschließlich in der überwiegenden Farbe des Covers besteht.
… und im vehementen verfechten der these, dass dieses album der absolute höhepunkt im gesamtwerk seines schöpfers ist – durch einige wenige (u.a. mich)
das bonfá-solo-album, was du drüben gepostet hattest, klingt aber auch sehr interessant. das habe ich noch nicht.Was das Weiße Album betrifft sind wir uns einig, @vorgarten, was das João Gilberto-Album betrifft, kann ich das nicht beurteilen, da ich kein anderes JG-Album kenne. Ich finde es aber ganz ausgezeichnet. Den Luiz Bonfá kopiere ich auch mal hier rüber.
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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)Aus dem „Ich höre gerade Musik aus dem global village“-Thread rüberkopiert:
friedrich
Luiz Bonfá – Solo in Rio 1959 (1959)
Nachdem ich einen track von Luiz Bonfá in den letzten Jazz-BFT eingebaut hatte, ohne Luiz Bonfa wirklich zu kennen, wurde ich etwas neugierig und habe mir dieses Album besorgt. Ich will nicht behaupten, dass ich die Platte schon ganz kapiert habe – bei 17 tracks und nicht weniger als 14 bonus-tracks ist das mal wieder ganz schön viel Stoff.
Gitarren-Solostücke aus der Prä-Bossa-Nova-Ära, leicht, transparent, mal heiter, mal schwermütig, mal lässig, mal spröde, meist ganz einfach klingend aber vermutlich tatsächlich virtuos. Hier und da eine Gesangseinlage von Luiz Bonfá (nicht seine Stärke). Man meint, dieser Musik eine Herkunft aus der Folklore anhören zu können, gleichzeitig aber auch die klassische Ausbildung von Luiz Bonfá – und ein Stück heißt dann auch „Chopin“.
Schade, dass ich dieses Album nicht schon vorher kannte, dann hätte ich ein Stück davon in den BFT einbauen können.
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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)Nach und nach trudeln bei mir Alben mit brasilianischer Musik ein. Fragt sich nur, wann ich dazu komme, mir das alles anzuhören. Wie war ich überhaupt auf brasilianische Musik gekommen? Ach ja, ich hatte für einen Jazz Blindfold Test ein paar mehr oder weniger fake Bossa-Stücke rausgekramt und dann noch ein original brasilianisches Liedchen daruntergeschmuggelt. Das Stück stammt von einer Compilation, die zwar nicht meine erste, aber doch eine recht frühe Begegnung mit brasilianischer Musik war – wenngleich die Musik darauf alles andere als rein brasilianisch ist. Das Album kann man hier aber ruhig mal erwähnen:
Various Artists – Red Hot + Rio (1996)
Eine Zusammenstellung der Red Hot Organization, die sich der Bekämpfung von AIDS durch Popkultur widmet. Thema der Compi ist die Musik von A. C. Jobim – wobei das hier nicht so eng gesehen wird, denn viele Stücke auf dem Album stammen im Original nicht von Jobim. Das eigentlich Interessante an Red Hot + Rio ist aber der wilde Stilmix der Stücke, die meist extra dafür aufgenommen wurden und die Vorlagen teils radikal uminterpretieren. Everything But The Girl steuern eine Drum’n’Bass-Version von Corcovado (auf Portugiesisch!) bei, Crystal Waters besingt den Boy From Ipanema in einer Disco-House-Version, die Retro-Futuristen Stereolab verwandeln mithilfe des Jazz-Flötisten Herbie Mann den One Note Samba in elektronisch fiependen Postpop und die transatlantisch-pazifische Zusammenarbeit von Cesaria Evora, Caetano Veloso und Ryuichi Sakamoto klingt wie Trip Hop. Daneben gibt es Duette von George Michael und Astrud Gilberto (super zuckrig), von Sting und Meister Jobim selbst (etwas lahm) und Beiträge von den native speakers Milton Nascimento, Gilberto Gil, dem damals super-heißem Chico Science (klingt wie Samba trifft Public Enemy) und vieles mehr. Ganz am Ende gibt es dann dieses anrührende Lied von Cazuza und Bebel Gilberto, begleitet nur von einer akustischen Gitarre und offenbar in den eigenen vier Wänden aufgenommen. Unterproduziert und natürlich klingend, wirkt das Stück hier fast etwas fremd – und passt doch ganz genau: Cazuza starb 1990 an AIDS.
Zu großen Teilen alles andere als authentisch brasilianische Musik – aber brasilianische Musik ist sowie ein wilder Stilmix – und gerade dadurch herausfordernd und unterhaltsam. Soweit ich mich erinnere war Red Hot + Rio meine Sommerplatte des Jahres 1996 – klingt aber auch heute noch gut.
Hier eine Promo-Seite zu Red Hot + Rio.
Die Plattenfirma warf dem Album noch im gleichen Jahr die Compi Nova Bossa – Red Hot On Verve hinterher, die viele der original Vorlagen von Red Hot + Rio enthält, aber auch einige andere brasilianische Stücke von Musikern von Sergio Mendes bis Baden Powell. The Girl From Ipanema und Corcovado kann man zwar eigentlich nicht mehr hören, und es gibt hier auch einen etwas hohen Anteil an Stan Getz. Dennoch eine hübsche Compilation. Beide Alben zusammen geben einen schönen niederschwelligen Einstieg in brasilianische Musik.
Tschuldi für das sehr große Bild, aber alle Versuche es zu skalieren oder ein anderes Bild hochzuladen, schlugen leider fehl.
zuletzt geändert von friedrich--
„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus) -
Schlagwörter: Bossa Nova, Brasilien, Brazil, MPB
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