Alles Geschmacksache?

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  • #5105695  | PERMALINK

    whole-lotta-pete

    Registriert seit: 19.05.2003

    Beiträge: 17,435

    ClauAch, fuck auf Virtuosität! Es spielt es keine Rolle, wie gut die Instrumentalisten oder wie intelligent die Arrangements oder die Texte sind. Musik ist für mich in dem Moment gut, wo sie mich mitten ins Herz trifft. Das, und nur das, zählt!

    Hier ist gefragt, warum dich was mitten ins Herz trifft. Soweit waren wir auch schon.

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    #5105697  | PERMALINK

    big-hat-no-cattle

    Registriert seit: 18.07.2005

    Beiträge: 156

    Musste bei der Lektüre eines Interviews mit dem US-Essenskritiker Jeffrey Steingarten mehrmals an diesen Thread denken. Einige Auszüge aus dem Interview sollen belegen, warum:

    (Irgendwo im Text, nachdem Steingarten behauptet hat, die beste Pizza der Welt würde irgendwo in Texas hergestellt): Aber jemand anders hat seine perfekte Pizza vielleicht in Neapel entdeckt. Was unterscheidet Ihren Geschmack von dem eines Durchschnittsfeinschmeckers?
    Steingarten: „Erfahrung und Wissen. Ich habe mehr Pizzas probiert als die meisten Leute wohl in ihrem ganzen Leben, und ich habe die Kunst des Pizzabackens bis ins letzte Detail studiert. Ich kenne alle Faktoren, auf die es ankommt, um einen Teigfladen mit roter Sauce und weissem Käse zur perfekten Pizza Margherita zu machen. Gourmet-Kritik ist so subjektiv wie jede andere Kritik. Aber es ist eine Subjektivität, die auf angeeigneter Bildung beruht. Meine Urteile sind anfechtbar, aber nur von Leuten, die genauso viel von der Sache verstehen wie ich.“

    Diese Definition gefällt mir: Gourmet-Kritik = Subjektivität, die auf angeeigneter Bildung beruht. Lässt sich auch auf Musikkritik übertragen, obwohl der Gourmet-Bezug die Aussage besonders anschaulich macht, wie ich finde. Die Aussage impliziert natürlich auch, dass es keine Schande ist, sich mit der öffentlichen Verkündung der eigenen Meinung ein bisschen zurückzuhalten, sofern man sich mit der Materie nicht umfassend auseinander gesetzt hat.

    Weiter unten im Text folgt nochmals eine interessante Passage: Steingarten äussert sich despektierlich über weibliche Kritikerinnen, die seines Erachtens einem Cilantro-Wahn verfallen sind (was ist Cilantro??). Die folgende Aussage würde ich zwar nicht 1:1 unterschreiben, aber ein gewisser analytischer Reiz ist ihr nicht abzusprechen;-):

    Haben Sie etwas gegen Frauen in Ihrem Beruf?

    Steingarten: „Aber mitnichten! Ich glaube sogar, dass Frauen im Allgemeinen empfindlichere Geschmacksnerven haben als Männer. Es ist nur so, dass Frauen viel hemmungsloser als Männer ihre Meinung über Dinge verkünden, von denen sie nichts verstehen.“

    Gruss, Big Hat

    --

    #5105699  | PERMALINK

    sokrates
    Bound By Beauty

    Registriert seit: 18.01.2003

    Beiträge: 19,111

    Big Hat, No CattleWas unterscheidet Ihren Geschmack von dem eines Durchschnittsfeinschmeckers?
    Steingarten: „Erfahrung und Wissen. Ich habe mehr Pizzas probiert als die meisten Leute wohl in ihrem ganzen Leben, und ich habe die Kunst des Pizzabackens bis ins letzte Detail studiert. Ich kenne alle Faktoren, auf die es ankommt, um einen Teigfladen mit roter Sauce und weissem Käse zur perfekten Pizza Margherita zu machen. Gourmet-Kritik ist so subjektiv wie jede andere Kritik. Aber es ist eine Subjektivität, die auf angeeigneter Bildung beruht. Meine Urteile sind anfechtbar, aber nur von Leuten, die genauso viel von der Sache verstehen wie ich.“

    The man’s got a serious point here.

    Big Hat, No CattleWeiter unten im Text folgt nochmals eine interessante Passage: Steingarten äussert sich despektierlich über weibliche Kritikerinnen, die seines Erachtens einem Cilantro-Wahn verfallen sind (was ist Cilantro??). Die folgende Aussage würde ich zwar nicht 1:1 unterschreiben, aber ein gewisser analytischer Reiz ist ihr nicht abzusprechen;-):

    1. Kritikerinnen sind schon weiblich.
    2. Cilantro ist englisch für Koreander.

    --

    „Weniger, aber besser.“ D. Rams
    #5105701  | PERMALINK

    big-hat-no-cattle

    Registriert seit: 18.07.2005

    Beiträge: 156

    Schön, dass doch noch jemand meinen Beitrag vom 13.7.2006 gelesen hat.:party:

    PS: Es heisst übrigens Koriander. Wir wollen doch exakt bleiben :wave:.

    --

    #5105703  | PERMALINK

    sokrates
    Bound By Beauty

    Registriert seit: 18.01.2003

    Beiträge: 19,111

    Big Hat, No CattleSchön, dass doch noch jemand meinen Beitrag vom 13.7.2006 gelesen hat.:party:

    Sehr gern sogar. Unbedingt von der besseren Sorte: Stimulierend und unterhaltsam. Ich hatte nur zunächst nichts hinzufügen.

    Big Hat, No CattlePS: Es heisst übrigens Koriander. Wir wollen doch exakt bleiben :wave:.

    Danke für den Hinweis. Kaum etwas, außer natürlich texanische Pizza (Steingartens Wahl) und authochthone italienische Weine (meine Vorliebe), geht über gutes und richtiges Deutsch. :lach:

    --

    „Weniger, aber besser.“ D. Rams
    #5105705  | PERMALINK

    wa
    The Horst of all Horsts

    Registriert seit: 18.06.2003

    Beiträge: 24,684

    Autochthon!

    --

    What's a sweetheart like me doing in a dump like this?
    #5105707  | PERMALINK

    martin-3862

    Registriert seit: 02.11.2005

    Beiträge: 9,391

    Ich habe nicht alle Seiten gelesen, darum werfe ich meine Meinung mal mehr oder weniger gekonnt dazwischen.

    Ein Freund sagte mal: „Geschmack hat man oder nicht!“

    Ich denke so, jederman denkt so. Sonst würden wir alles hören, was es zu hören gibt. Aber wir filtern ja nur das für uns Beste herraus und meinen zu behaupten, das hat Klasse, das zeugt von Geschmack.
    Gewisse Sachen kann man vielleicht besser nachvollziehen, wenn man selbst mal ein Instrument gespielt hat oder noch spielt. Ich meine, wenn man sich den Basslauf von John Entwistle bei „My Generation“ anhört, dann hat man die Perfektion des Umganges mit dem vier saitigen Instrument serviert bekommen. Man muss diese Art vielleicht nicht mögen, aber wenigstens anerkennen. Dies zeugt ja auch schon von Klasse. Oder „The End“ von The Doors. Jetzt werden vielleicht einige den Kopf schütteln, aber für mich ein ganz großes Stück. Schon allein die Aufgreifung des Ödipus-Motives. Ich bin leider nicht in dieser Zeit (60er) aufgewachsen, aber diese doch recht prüde Bevölkerung mit diesem Thema zu konfrontieren („Mother, I Want To Fuck You“) ist ein völliger Tabubruch. Im Kontext der schöne musikalische Aufbau des Liedes bis zur Kulmination (Das angesprochene Zitat) und dann der weitere unkontrollierbare Verlauf von „The End“. Das ist kein Lied zum passiv hören, hier wird eine ungeheuere und düstere Atmosphäre erzeugt. Für mich ein ganz großer Wurf, jedoch eben genau so diskutabel wie die frühen Avantgardisten Velvet Underground. Und um noch ein Lied zu nennen, „Knockin‘ On Heaven’s Door“. Eine Diskussion um das Lied hatten wir vor wenigen Wochen schon einmal, trotzdem für mich immer noch unverständlich, wie man das Lied nicht mögen kann (Bin ich durch meinen Dylan-Fanatismus etwa geblendet?). Ok, das His Bobness texlich in anderen Ligen unterwegs war und ist streite ich nicht ab, aber allein diese wunderschöne Akkordfolge, die Gesangsmelodie (Und Dylans Stimme ist hier ganz groß!) oder das minimalistische Arrangement der Band die es auf den Punkt bringen – für mich ist das Musikgenuss aller erster Güte!
    Aber ok, vielleicht ist es trotzdem gut, dass nicht jeder Musik haargenau gleich einstuft. Ich meine, wo wären sonst die schönen Diskussionen über Lieblingsalben oder -Songs. Und das ist jetzt nicht subtil gemeint, sondern ernst, oder doch nicht?! :-)

    --

    #5105709  | PERMALINK

    belle

    Registriert seit: 01.02.2006

    Beiträge: 1,048

    *Martin*“Mother, I Want To Fuck You“

    also das finde ich immer relativ geschmacklos.

    @martin: ach ich finde es schade das du immer nur die 60er Sachen nennst. du hast so ein feines sensorium für musik glaube ich. Magst du den gar nichts was jenseits von 1980 geschrieben ist. schau dich doch mal bei was modernener musik um. kannst ja nebenbei weiterhin dylan und die kinks kompletieren aber ich finde das jedes jahrzent ungefähr gleichviel gutes und schlechtes hervorgebracht hat.

    --

    Und ich liege im Bett und ich muss gestehen ich habe große Lust mich noch mal umzudrehn
    #5105711  | PERMALINK

    sokrates
    Bound By Beauty

    Registriert seit: 18.01.2003

    Beiträge: 19,111

    waAutochthon!

    Wir wollen doch korrekt bleiben. :lol:

    Danke – schwieriges Wort.

    --

    „Weniger, aber besser.“ D. Rams
    #5105713  | PERMALINK

    cassavetes

    Registriert seit: 09.03.2006

    Beiträge: 5,771

    *Martin*Ein Freund sagte mal: „Geschmack hat man oder nicht!“

    Von solchen Freunden sollte man sich aber ganz schnell trennen.

    #5105715  | PERMALINK

    bluebean

    Registriert seit: 23.11.2006

    Beiträge: 5

    Ah UmAh Um proudly presents:
    Die endgültige Checkliste zur Beurteilung von Popmusik

    Im Ernst: Vieles davon sind ausgesprochene Binsen. Und die meisten Fragen bleiben sowieso offen. Das Ganze ist mehr ein Versuch der Annäherung und der Systematisierung. Kritik ist erwünscht.

    Originalität

    Individualität

    Harmonik, Rhythmus

    Melodie, hooks

    Sound, Texturen

    technisches Können

    Texte

    gesellschaftliche/politische Relevanz

    Ausdruck

    Attitüde

    Mir gefällt diese Liste sehr, insoferne sie auch helfen kann, Musik objektiv zu beurteilen, und nicht die aktive Auseinandersetzung mit der Kunstform Musik zu einem „alles nur Geschmackssache“ verkommen läßt.

    Tatsächlich betrifft diese Liste nicht nur Popmusik sondern alle (westliche/abendländische) Musik. Interessant ist auch, dass die Künstler, die in möglichst vielen dieser Punkte einen auf die jeweilige Kategorie bezogenen positiven Effekt erreichen können (oder in einem der Punkte einen ganz besonders starken positiven Effekt usw.), diejenigen sind, die von einer großen Mehrheit der Rezipienten als herausragend empfunden werden.

    Sei es nun Mozart oder die Beatles.

    Bei alledem bleibt stets zu bedenken: Die Musik ist immer an denjenigen Maßstäben zu messen, die ihr selbst immanent sind. Am Anfang steht die Frage „Was hat der Künstler gewollt?“

    Das kann ich dir beantworten: Entweder ein Mädchen abbekommen oder Geld verdienen.

    --

    #5105717  | PERMALINK

    ah-um

    Registriert seit: 24.02.2006

    Beiträge: 1,398

    Willkommen, bluebean!
    Und mit solchen Beiträgen natürlich erst recht.;-)

    Ich denke auch, dass die Liste im Prinzip auf andere Musikrichtungen anwendbar ist. Es verschieben sich jedoch die Schwerpunkte der Aufmerksamkeit. Bei der europäischen klassischen Musik beispielsweise eher weg von der Attitüde, hin zu Harmonik und Technik. Dieser Unterschied ist bedeutsam.

    --

    There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)
    #5105719  | PERMALINK

    bluebean

    Registriert seit: 23.11.2006

    Beiträge: 5

    @Ah Um: Danke für die Begrüßung :-)

    Ah Um
    ….
    Ich denke auch, dass die Liste im Prinzip auf andere Musikrichtungen anwendbar ist. Es verschieben sich jedoch die Schwerpunkte der Aufmerksamkeit. Bei der europäischen klassischen Musik beispielsweise eher weg von der Attitüde, hin zu Harmonik und Technik. Dieser Unterschied ist bedeutsam.

    Da kann ich dir nur teilweise recht geben. Mozart war ganz versessen darauf, etwas Neues, Originales und Individiuelles zu erfinden (was er auch tat, nur tun wir uns heute zwecks Vergleichsmöglichkeiten und Hörgewohnheiten schwer den Unterschied im Neuartigkeitsgrad zwischen sagen wir einmal Haydn und Mozart zu erkennen). Wenn ich an Wagner, Debussy, Stravinsky u.v.a. denke, fallen mir (neben deren Originalität) zuallererst die neuartigen Sounds und Texturen ihrer Partituren ein.

    Die Technik und Harmonik änderte sich hingegen bis ins späte 19.Jhd wenig (ausgehend von J.S.Bach und seinem wohltemperierten Klavier): Die Stimmführungsregeln aus dem vierstimmigen Satz waren verpflichtend, der Generalbass ebenso – und auch die Formen waren recht starr und vorgegeben. (Sonatenhauptsatzform, Rondo, Fuge etc.)

    Was mich zu einem Nachtrag zu deiner Liste erinnert:

    Die Form.

    Bei der Popmusik ist es üblicherweise die Grundform Strophe-Refrain-Strophe -Refrain-Strophe-Refrain, oft mit Instrumentalsolo vor der dritten Strophe und zum Schluss gibt es einen Fade-Out. Zeit: 3min 45sek – sonst wird es nicht im Radio gespielt.

    Künstler, die diese Form durchbrechen, erweitern, umstellen usw. haben sicher einen kreativen Vorsprung, der bei der Beurteilung berücksichtig werden sollte, auch wenn sie solche Experimente schon aus kommerziellen Gründen nicht immer machen können.
    ——————————————–

    Hab Vertrauen in deine Liste, die ist wirklich allgemein gültig und könnte einem Musikologen zur Ehre gereichen!

    grüße, bluebean

    P.S. nachträgliche Gedanken: Für mich ist das Lied an den Abendstern oder Die Forelle nichts anderes als Strawberry Fields Forever: Popmusik. Im Sinne von populärer Musik. Und alle drei vollkommen willkürlich ausgewählten Beispiele sind auf dem höchsten künstlerischen Niveau, da sie in fast jeder deiner Kategorien die Höchstmarke erreichen. Hier zu sagen: Oh, das ist Geschmackssache! mag zwar für die individiuelle Rezeption gültig sein (im Sinne von mir gefällt es oder mir gefällt es weniger), diesen Werken die Größe oder das Herausragend-Sein abzusprechen würde aber zu einer anderen Diskussion führen, nämlich der über die Definition des Wortes Banause :-)

    --

    #5105721  | PERMALINK

    dagobert

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 8,584

    bluebean
    Hab Vertrauen in deine Liste, die ist wirklich allgemein gültig und könnte einem Musikologen zur Ehre gereichen!

    schöner satz. so manch einer dürfte hier vor neid erblassen.

    --

    #5105723  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
    -

    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,242

    BluebeanBei der Popmusik ist es üblicherweise die Grundform Strophe-Refrain-Strophe -Refrain-Strophe-Refrain, oft mit Instrumentalsolo vor der dritten Strophe und zum Schluss gibt es einen Fade-Out. Zeit: 3min 45sek – sonst wird es nicht im Radio gespielt.

    Künstler, die diese Form durchbrechen, erweitern, umstellen usw. haben sicher einen kreativen Vorsprung, der bei der Beurteilung berücksichtig werden sollte, auch wenn sie solche Experimente schon aus kommerziellen Gründen nicht immer machen können.

    Man kann die formale Beschränkung der Popmusik aber auch als deren Chance begreifen. Auch im zeitlichen Rahmen von 3:45 ist sehr viel möglich, großes Songwriting ebenso wie aufregende Sounds. Radiotauglichkeit ist schon lange kein Kriterium mehr, da das Formatradio ohnehin nur einen winzigen Ausschnitt dessen spielt, was produziert wird. Trotzdem halten viele Künstler am Songformat fest. Das „Sprengen der Formen“ ist auch immer wieder versucht werden, mit z.T. fragwürdigen Ergebnissen. Aber ich will hier keine neue Debatte über „Prog“ lostreten. Nur – ein grundsätzliches Plus für vermeintlich oder tatsächlich experimentelle Formen würde ich nicht anrechnen.

    --

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