Who's (Be)Bop?

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  • #2430263  | PERMALINK

    flatted-fifth
    Moderator

    Registriert seit: 02.09.2003

    Beiträge: 6,027

    Die Widersprüchlichkeit zwischen Orchester und Billie Holiday wurde ja schon mehrfach angedeutet. Auch mein erster Gedanke galt dieser fast schon bizarren musikalischen Situation. Zum Orchester bleibt mir zu sagen, dass es ziemlich anonym und belanglos spielt. Dazu passt die Tatsache, dass diverse Besetzungen im Booklet mit „unknown“ ausgewiesen werden. Positiv dagegen fallen die sparsam gesetzten Soli von Trompete und Posaune auf, stimmungsmäßig jeweils genau auf den Punkt gesetzt.

    Nun zu Billie: Hier singt eine verzweifelte Frau, die zeitlebens nach der großen Liebe gesucht hat und sie nicht fand. Hier singt eine Frau, die ihr Ende kommen sieht, wohlwissend, dass es kein schönes Ende sein wird. Hier singt aber auch eine Frau, die trotz des ganzen Schmerzes die Musik weiterhin liebt und im Singen ihren Frieden findet. Genau diese Empfindungen sind es, die für mich dieses Album so groß werden lassen. Natürlich hat Lady Day schon einmal klarer und schöner gesungen, doch berührt sie dort nicht so, wie sie es hier tut. So eine Stimmung ist einmalig, quasi nicht wiederholbar (von Billie sowieso nicht, „Lady in Satin“ sollte das letzte Album vor ihrem Tod sein), nicht kopierbar. Joni Mitchell hat in ihrem Album „Both Sides Now“ sehr stark Ahnlehnung an „Lady in Satin“ genommen, doch falls es stimmungsmäßig in die gleiche Richtung gehen sollte (was ich jetzt nicht felsenfest behaupten möchte), ist es nicht gelungen.

    Fazit: Ein verdammt großes Album, welches mindestens fünf Sterne verdient hat. Die Schwächen des Orchesters werden locker von Billies Gesangsperformance wettgemacht, die Orchestermusiker treten in meiner Wahrnehmung dermaßen in den Hintergrund, dass eine einfache Pianobegleitung für mich wahrscheinlich auch ausgereicht hätte. Es heißt immer, dass die Persönlichkeit und die Lebensweise des Künstlers immer unmittelbaren Einfluss auf ihre Musik hat („Weil sich für den Jazzmusiker sein Leben immerfort in Musik verwandelt, ohne Rücksicht auf Schönheit, Form und vielerlei andere Dinge[…].“ Schreibt J.E. Berendt in seinem Jazzbuch), bei Lady Day konnte ich es das erste Mal richtig nachvollziehen.

    --

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    #2430265  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    Irgendwie hatte ich deine Zeilen, Banana, zu „Lady in Satin“ ganz übersehen. Im Großen und Ganzen scheinen wir ja einer Meinung zu sein, wenn ich auch nicht verstehe, warum ihr alle Probleme mit dem Orchester habt.

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    #2430267  | PERMALINK

    flatted-fifth
    Moderator

    Registriert seit: 02.09.2003

    Beiträge: 6,027

    DR.Nihil[…]wenn ich auch nicht verstehe, warum ihr alle Probleme mit dem Orchester habt.

    Was verstehst Du denn da nicht? Meine „Probleme“ habe ich ja geschildert…

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    #2430269  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    Banana JoeWas verstehst Du denn da nicht? Meine „Probleme“ habe ich ja geschildert…

    Ja, aber du setzt diese ja zurecht in Anführungstriche. Diese „Anonymität“ darf man, meiner Ansicht, nicht als Problem betrachten, sondern als eine große Qualität des Albums. Es ist ein respektvolles Sich-im-Hintergrund-Halten, gewissermaßen eine demütige, stille Verneigung vor der großen Dame, die natürlich im Mittelpunkt stehen muss.

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    #2430271  | PERMALINK

    flatted-fifth
    Moderator

    Registriert seit: 02.09.2003

    Beiträge: 6,027

    DR.NihilDiese „Anonymität“ darf man, meiner Ansicht, nicht als Problem betrachten, sondern als eine große Qualität des Albums.

    OK, das ist schon deutlicher.

    Anonymität als Qualitätsmerkmal, eine sehr interessante Sichtweise! Ich denke aber trotzdem, dass ein Orchester für ein „sich im Hintergrund halten“ einfach zu oversized ist. Ist aber halt auch nur meine persönliche Sichtweise…

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    #2430273  | PERMALINK

    dagobert

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 8,584

    fenster auf und hinausgelehnt:die musik der disney-cartoons hat mir noch nie gefallen.
    ich fürchte, ich kann dir das nicht erklären, nihil. die instrumentalisierung ist schon perfekt geradezu. perfekt vorgetragen. zwar wirklich seehr dezent im hintergrund, aber man hör sie noch ;)
    ansonsten wüsste ich nicht, wie ich das erklären soll. wenn ich die streicher einsetzen höre (habe leider kein booklet zur hand, um nachzulesen – ein zusätzlicher grosser nachteil), denke ich daran, wie mickey mouse mit minie maus an einem wasserfall sitzt und turtelt. tut mir echt leid! mag ja sein, dass es anders wäre, hätte ich auch jemanden zum turteln… oder zumindest einen wasserfall. aber bis dahin muss ich dieses album leider archiviert zur seite stellen.

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    #2430275  | PERMALINK

    dagobert

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 8,584

    Banana Joe Ich denke aber trotzdem, dass ein Orchester für ein „sich im Hintergrund halten“ einfach zu oversized ist. Ist aber halt auch nur meine persönliche Sichtweise…

    naah naah naah … nicht zu voreilig. ich bin heute zu allem fähig! :)

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    #2430277  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    Banana JoeIch denke aber trotzdem, dass ein Orchester für ein „sich im Hintergrund halten“ einfach zu oversized ist.

    Wobei es für mich ja nicht nur das ist. Das Orchester gibt dem Album auch etwas Himmlisches, Jenseitiges. Billie ganz weit unten auf der Erde und das Orchester eben ganz weit oben. Auch auf die Gefahr das ich dieses eine Wort etwas zu oft gebrauche: es ist genau dieser Kontrast, der den Mickey Mouse-Vergleich ad absurdum führt. Weder Mickey noch Minie Mouse klingen wie vom Schicksal gebeutelte Drogenwracks und so ist die Wirkung des Orchesters zwangsläufig eine andere.

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    #2430279  | PERMALINK

    dagobert

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 8,584

    malt mal bitte jemand für mich den vor-lachen-kugelnd-smiley an diese stelle. (und erklärt nihil, er solle seine augen nicht länger vor der realität verschliessen – in bezug auf M&M)

    --

    #2430281  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    dagobert(und erklärt nihil, er solle seine augen nicht länger vor der realität verschliessen – in bezug auf M&M)

    Okay, als dagobert kennst du dich da zwangsläufig besser aus als ich.;)

    --

    #2430283  | PERMALINK

    flatted-fifth
    Moderator

    Registriert seit: 02.09.2003

    Beiträge: 6,027

    DR.NihilDas Orchester gibt dem Album auch etwas Himmlisches, Jenseitiges. Billie ganz weit unten auf der Erde und das Orchester eben ganz weit oben.

    Ich kann in dem Album für mich nichts Jenseitiges entdecken. :(:cool:

    --

    You can't fool the flat man!
    #2430285  | PERMALINK

    dagobert

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 8,584

    jenseitig vor allem – wie unrealistisch! :cool:
    nee quark. aber kann man es sich so vorstellen, dass du beim hören plötzlich denkst „wow, dieser kontrast, wie abgefahren“ ? und sind das die augenblicke, in denen ein album für dich „den durchbruch“ schafft? oder spielen dann doch noch die sanften melodien, die romantischen klänge und diese zarte stimmung für dich eine grössere rolle? was macht für dich das album so richtig hörenswert?

    --

    #2430287  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    dagobertjenseitig vor allem – wie unrealistisch! :cool:
    nee quark. aber kann man es sich so vorstellen, dass du beim hören plötzlich denkst „wow, dieser kontrast, wie abgefahren“ ?

    „Abgefahren“ finde ich das ganz und gar nicht. Ich mag auch die einzelnen Songs, aber seinen Wert gewinnt das Album nicht betrachtet man diese Songs alle nur für sich, zumindest nicht seinen hauptsächlichen Wert. Ich glaube (genau sagen, kann ich das natürlich nicht, da ich ansonsten nicht viel von Billie kenne), wenn man so an das Album herangeht, dann gibt es letztendlich keinen Grund von Billie Holiday ausgerechnet dieses Album zu hören. Ich empfinde „Lady in Satin“ – ob so gewollt oder nicht – als einen todtraurigen Abgesang und zwar „Lady in Satin“ als komplettes Album. Der von mir immer wieder erwähnte Kontrast verhindert, dass dieser „Abgesang“ eine penetrant sentimentale oder gar pathetische Angelegenheit wird. Er verhindert Disney!
    Klar, ich könnte jetzt auch auf einzelne Stellen des Albums eingehen (also nicht jetzt, ich müsste erst nochmal hören), aber darauf habe ich bisher (im Gegensatz zu den anderen bisher besprochenen Alben) aus oben genanntem Grund verzichtet.

    und sind das die augenblicke, in denen ein album für dich „den durchbruch“ schafft?

    Das sind keine „Augenblicke“, das ist für mich das Album.

    oder spielen dann doch noch die sanften melodien, die romantischen klänge und diese zarte stimmung für dich eine grössere rolle?

    All das führt letztendlich zu dem Ergebnis, das den Wert des Albums für mich ausmacht.

    was macht für dich das album so richtig hörenswert?

    Wenn schon nicht dagobert, vielleicht hat es inzwischen irgendjemand verstanden.

    --

    #2430289  | PERMALINK

    dagobert

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 8,584

    och, ich denke, ich verstehe dich gut. ( ich wehre mich nur dagegen ; )
    es ist alles schön nachvollziehbar, was du schreibst. wir müssen uns auch nicht über die bedeutung des wortes „abgefahren“ unterhalten. welches vokabular man nutzt, ist letztendlich nebensächlich. hauptsache ist, die musik gefällt. Und das ist der springende punkt. was ich höre, ist nicht holidays tragische lebensgeschichte oder gar ihren abgesang. Ich höre ein lahmarschiges album, das vielleicht ansätze zu sympathischen melodien mit sich bringt, aber das war’s dann auch.
    Mich interessiert der fall, wenn du nur die nackte musik hättest, ohne zu wissen, dass das billie holiday ist, die gerade singt, ohne das verr(a)uchte cover, ohne zu wissen, was ray ellis zwei wochen später sagte. würde es dir dann noch immer so gut gefallen?
    sei(d) mir nicht böse. ich versuche nur, deinen (euren) musikgeschmack etwas besser einzuschätzen. ist ja für den fortgang dieses threads nicht unwichtig.

    aber auch hier mal wieder die frage an diejenigen, die das album schon kennen. Was haltet ihr davon (…und was haltet ihr von dieser diskussion? Bringt sie überhaut etwas, oder ist das nichts anderes als ein weiteres „über geschmack lässt sich nicht streiten“, nur in samt gehüllt?)

    --

    #2430291  | PERMALINK

    dr-nihil

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 15,356

    dagobertMich interessiert der fall, wenn du nur die nackte musik hättest, ohne zu wissen, dass das billie holiday ist, die gerade singt, ohne das verr(a)uchte cover, ohne zu wissen, was ray ellis zwei wochen später sagte. würde es dir dann noch immer so gut gefallen?

    Was Ray Ellis sagt, ist mir ziemlich egal, ich fand das Zitat an dieser Stelle nur passend (bitte nicht unterstellen, dass ich mir von irgendwelchen Künstlern oder Kritikern oder sonstwem meine Meinung diktieren lasse, sowas kann ich wirklich nicht abhaben!).
    Zu dem anderen: wenn ich nicht wüsste, von wem das Album ist, ich würde die Musik immer noch gut finden, aber ja, das Album würde ohne die Person Billie Holiday (über die ich nicht viel, aber genug dafür weiß) an emotionalen Wert für mich verlieren.

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